Ich komme kurz nach Mitternacht mit dem Taxi im Haus an, noch immer leicht angetrunken nach dem feuchten Essen mit Martin und Afsaneh, aber das spielt keine Rolle. Ich fühle mich erwartungsvoll, und als ich durch den Park laufe, sind meine Schritte in dem betauten Gras so leicht wie schon lange nicht mehr.

Malin sitzt schon in dem kleinen Besprechungszimmer, wo wir alle Informationen über die Ermittlung gesammelt haben. An dem Whiteboard hängen die Bilder von Johannes Ahonen und Victor Carlgren. Daneben hat jemand mit Klebeband das Gedicht angebracht und in großen Buchstaben dazugeschrieben: LAMM = RAKEL , TAUBE = JONAS , LÖWE = OLLE BERG .

Und daneben hängt das Fahndungsfoto von Berg. Er starrt mit leerem Blick in die Kamera.

»Wie geht es dir?«, fragt Malin.

»Gar nicht so schlecht«, antworte ich. »Sag schon, wo haben wir Olle Berg gefunden?«

»Irgendwo im Schärengürtel«, sagt Malin. »Lasses hat alle Infos. Er wird uns gleich auf den neuesten Stand bringen. Er hat offenbar den ganzen Abend gearbeitet.«

»Verdammt. Ich dachte, Lasses geht jeden Tag um fünf nach Hause, um sein Polyesterhemd auszulüften.«

Malin grinst.

»Ich war übrigens auch nicht zu Hause«, sagt sie. »Ich versuche, eine Hypothese darüber aufzustellen, wie das alles passiert ist, aber ich schaffe es einfach nicht.«

Ich zucke mit den Schultern.

»Warum die Sache kompliziert machen? Berg hat Johannes Ahonen, Victor Carlgren und das unbekannte Opfer umgebracht.«

Malin verschränkt die Hände im Nacken und schaut zur Decke hoch.

»Das ist zu einfach«, sagt sie.

»Es ist meistens einfach.«

»Aber warum?«

»Weiß der Teufel«, sage ich. »Sicher gibt es irgendeinen Drogenbezug wie bei dem ganzen anderen Scheiß im Moment.«

Aber Malin, die noch immer die Decke anstarrt, wirkt nicht überzeugt.

»Victor Carlgren scheint ja nicht gerade ein Junkie gewesen zu sein.«

»Seine Schwester hat doch erzählt, dass seine Kumpels von einem gewissen Måns oder Malte gekauft haben«, sage ich. »Ist doch klar, dass das Malte Lindén war.«

Malin schüttelt langsam den Kopf.

»Diese Verbindung ist sehr schwach, das weißt du selbst. Und wer ist Opfer Nummer drei? Der Typ mit dem komischen Biss?«

»Vermutlich noch ein Junkie«, sage ich und höre selbst, wie überzeugt ich klinge, obwohl ich eigentlich überhaupt nicht sicher bin.

Malin rutscht hin und her und seufzt. Zerknüllt ein kleines Stück Papier zu einer Kugel und zielt damit auf den Papierkorb, der neben der Tür steht.

Die Papierkugel landet neben dem Papierkorb auf dem Boden, aber Malin bleibt sitzen und runzelt die Stirn.

»Und warum hatte Ahonen DNA von Carlgren unter den Fingernägeln?«, fragt sie.

»Die sind sicher aneinandergeraten, ehe Ahonen von Olle Berg umgebracht wurde.«

»Hm«, sagt Malin. »Haut unter Nägeln. Wann zerkratzt man jemanden? Wenn man nicht gerade Sex hat, meine ich.«

»Du solltest nicht von dir auf andere schließen. Ich zerkratze meine Bettgenossinnen nicht. Aber ganz im Allgemeinen glaube ich, dass man das macht, wenn man der Unterlegene ist. Wenn alles ohnehin schiefgelaufen ist. Wenn jemand dir die Hände um die Kehle legt oder dir ein Messer halb in den Bauch rammt. Wenn dir die Luft ausgeht und du kurz vor dem Verbluten bist.«

Malin streckt sich ein wenig, und ihr Bauch schiebt sich vor.

»Die Verletzungen der Opfer«, sagt sie dann. »Post mortem zugefügte Hochenergiegewalt. Denen wurde doch fast jeder verdammte Knochen gebrochen, den man sich überhaupt brechen kann. Was zum Teufel hat Berg bloß mit denen gemacht?«

»Vielleicht wurden sie von einem Boot angefahren, als sie im Wasser lagen. Die Rechtsmedizinerin hat ja gesagt …«

Malin fällt mir ins Wort:

»Alle drei? Nicht sehr wahrscheinlich. Und warum ist so viel Zeit zwischen den Morden vergangen oder den Todesfällen, wenn sie nicht ermordet wurden? Wenn es um eine Abrechnung in der Unterwelt ginge, müssten sie doch wohl gleichzeitig gestorben sein?«

»Das steht nicht fest«, sage ich.

Schritte nähern sich auf dem Gang, und Lasses erscheint in der Tür. In der einen Hand hält er einige Papiere, die andere ruht auf seiner Hüfte, den Daumen hat er in den Bund der speckigen Hose mit der blödsinnigen Bügelfalte geschoben. Das Hemd ist am Hals geöffnet und lässt ein graues Haarbüschel sehen.

Er lässt sich grußlos neben Malin auf den Stuhl fallen.

Ich schaue zu Malin hinüber, die eine abgewetzte Umstandsjeans und ein T-Shirt trägt, das sicher irgendwann weiß war, jetzt aber grau ist wie betagtes Spülwasser.

Die Leute wollen heutzutage nicht mehr elegant aussehen, denke ich.

Sie wollen interessant, gefährlich oder vielleicht rebellisch aussehen. Sie wollen aussehen, als ob sie um die Welt gereist wären, die ganze Nacht geraucht hätten oder geradewegs von ihrer Schicht im Bordell kämen.

Ich schaue auf meine diskret gemusterte Anzughose und die glänzend geputzten Schuhe hinab, die unter meinem runden Bauch hervorschauen.

Lasses räuspert sich.

»Olle ›Bulle‹ Berg befindet sich auf einem Campingplatz im Westen von Stuvskär«, sagt er. »Dort hat er gestern Lebensmittel für dreihundertvierzig Kronen gekauft.«

»Und woher wissen wir das?«, fragt Malin.

»Das hat die Bank mitgeteilt«, sagt Lasses leise. »Er hat gestern um fünfzehn Uhr sechsunddreißig seine Kreditkarte benutzt. Also zum ersten Mal seit seinem Verschwinden. Und wir haben Glück. Der Laden, in dem er eingekauft hat, verfügt über eine Überwachungskamera. Olle wurde also gefilmt. Die Kollegen aus Haninge haben den Film schon abgeholt.«

Lasses schiebt uns drei verschwommene Schwarzweißbilder von einem Mann mit Schirmmütze und Sonnenbrille hin. Auf dem ersten kommt der Mann durch die Tür. Auf dem zweiten steht er vor dem Tresen, auf dem Lebensmittel ausliegen. Er stützt sich mit der linken Hand auf den Tresen und unterschreibt die Quittung mit der rechten. Das dritte Bild ist fast identisch mit dem zweiten, nur ist der Verkäufer einen Schritt weitergegangen.

Ich räuspere mich.

»Gute Arbeit.«

Lasses nickt.

»Das ist ja sozusagen ein kleines Spezialinteresse. Das mit den Filmen, meine ich«, sagt er mit einem verträumten Unterton, der in mir den Verdacht aufkommen lässt, dass es vieles gibt, was ich über Lasses nicht weiß.

Dann runzelt er die Stirn.

»Eins ist komisch. Er braucht sehr lange für diese Unterschrift.«

»Was?«, fragt Malin und beugt sich über die Fotos.

»Schaut mal die Zeitangaben an.«

Lasses zeigt auf die Ziffern am rechten Rand der Fotos.

»Jetzt komm ich nicht mit«, sagt Malin und schüttelt den Kopf.

»Olle Berg steht auf dem zweiten und dritten Bild in genau derselben Haltung da, mit dem Kugelschreiber auf der Quittung«, sagt Lasses leise.

»Und?«, fragt Malin.

»Zwischen den Bildern liegen dreißig Sekunden. Nicht mal die Lahmärsche im Fundbüro brauchen dreißig Sekunden für eine Unterschrift. Und ich bin die Originalaufnahmen mit den Technikern durchgegangen, die Zeitangaben stimmen.«

Lasses’ Augen funkeln unter seinen schweren Augenlidern, und ich muss an damals denken, wie er einem Kollegen geholfen hat, Aufnahmen von in die Luft gesprengten Autos durchzusehen. Wie er sich auf einmal von einem übellaunigen alten Kerl in einen messerscharfen Analytiker verwandelt hat.

Ich bezweifle nicht, dass er genau weiß, was er tut.

»Was schließt du daraus?«, frage ich.

Er deutet ein Kopfschütteln an und kratzt sich im Bart.

»Hm. Daran kann gelutscht werden, sagte das Mädel.«

Malin wirft mir einen angeekelten Blick zu.

»Vielleicht hat etwas im Laden ihn abgelenkt«, sagt Lasses nun nachdenklich.

Wir betrachten schweigend die verschwommenen Bilder.

»Man sieht das Gesicht nicht«, sage ich.

Lasses nickt.

»Stimmt. Aber der Mann im Laden hat ihn erkannt. Er ist da offenbar ein bekannter Gast. Oder eher ein unbekannter. Er wohnt in einem Zelt gleich außerhalb des Campingplatzes, was denen natürlich gar nicht gefällt. Sie sagen auch, dass er dort noch nie die Karte benutzt hat und den PIN nicht kannte, deshalb musste er sich ausweisen. Und wisst ihr was?«

Ich zucke bei dieser rhetorischen Frage die Schultern.

Lasses senkt die Stimme und zieht einen seiner Zahnstocher hervor.

»Er ist noch immer da. Dieser Volltrottel ist noch immer in seinem Zelt. Wir können also einfach hinfahren und ihn aufsammeln.«

Malin und ich fahren nach Stuvskär. Im grauen Minibus hundert Meter vor uns sitzen Lasses und vier Kollegen von der regionalen Einsatztruppe, der Einheit, die früher Überfallkommando genannt wurde.

Ich folge ihnen mit Abstand und versuche gleichzeitig, mich mental auf die Festnahme vorzubereiten.

Malin und ich sollen bei den Autos warten, während Lasses und die anderen Olle Berg verhaften. Fünf Leute loszuschicken, um einen zeltenden Mann festzunehmen, wirkt übertrieben, aber wir wollen nichts riskieren.

»Von mir aus kannst du gern rauchen«, sagt Malin und schielt zu dem zwischen den Sitzen eingeklemmten Päckchen hinüber. »Wenn du das Fenster aufmachst.«

»Ich rauche nicht«, sage ich.

Malin schweigt eine Weile, dann sagt sie:

»Heute holen wir ihn uns.«

Ich nicke, sage aber nichts, denn ich weiß aus Erfahrung, dass es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist.

Und wir alle wissen, dass das dauern kann.

Die Straße schlängelt sich zwischen üppigen Feldern und staubigen Pferdegehegen dahin. Kleine rote Häuser sind wie Legosteine im Grünen verteilt. Eine einsame Wolke zieht über den strahlend blauen Himmel.

»Warum wird er eigentlich ›Bulle‹ genannt?«, frage ich und nehme hinter einem Pferdetransporter, der von einem Hof aus auf die Straße abbiegt, den Fuß vom Gas.

»Olle Berg? Keine Ahnung. Aber das kann ich herausfinden.«

»Das eilt nicht«, sage ich. »Das hat bis später Zeit.«

Aber Malin hat schon ihr Handy hervorgezogen.

»Kein Problem«, sagt sie. »Ich habe die Nummer von Bergs Ex. Ich schick ihr eine SMS

»Die Ex, die er zusammengeschlagen hat?«, frage ich.

Malin gibt keine Antwort. Sie tippt mit ihren schlanken Fingern auf ihrem Telefon herum und steckt es dann wieder in die Tasche.

Wir kommen an einer Bucht vorbei.

Die Sonne lässt die Wellen glitzern, und am Horizont ragen einige Segel auf, wie spitze Zähne, die aus dem Meer entsprungen sind.

Unmittelbar vor Stuvskär biegt der Minibus nach rechts ab, und Malin wirft einen Blick auf die Karte.

»Hier«, sagt sie. »Drück Däumchen, dass er noch da ist.«

Ich folge dem grauen Minibus jetzt langsam auf einen schmalen Kiesweg, bevor ich am Wegesrand halte.

Die Männer von der Einsatzgruppe springen gefolgt von Lasses aus dem Minibus.

Alle sind in Freizeitkleidung, wie Camper. Oder, wenn man ganz ehrlich sein soll, so wie die Polizei sich Camper vorstellt, nämlich in Bermudashorts und Netzunterhemden.

Zweihundert Meter weiter vorn sehe ich den Campingplatz, der sich am Strand dahinzieht. Wohnwagen und Wohnmobile stehen ordentlich in langen Reihen. Hier und da sind bunte Vorzelte und Klappmöbel zu sehen. Eine schwedische Flagge weht im schwachen Wind neben dem Eingang.

Ich öffne die Vordertür. Der Duft von Heu strömt mir entgegen. Der Wind ist stärker geworden, und ich kneife die Augen zusammen, um keinen Staub hineinzubekommen.

Malins Handy surrt, und sie zieht es aus der Tasche. Kehrt der Sonne den Rücken zu und schaut auf das Display. Dann dreht sie sich um und sieht mich an.

»›Bulle‹ ist offenbar eine Abkürzung für Bulldogge«, sagt sie.

»Und warum wird er Bulldogge genannt?«

Malin zuckt mit den Schultern.

»Ich frage«, sagt sie kurz und schreibt etwas.

Wir gehen über eine Wiese mit Grasstoppeln auf die Gruppe von Männern in albernen knielangen Shorts und knallbunten Hemden zu, die um Lasses herumsteht. Der Boden zwischen den Grasbüscheln ist strohtrocken, und bei jedem Schritt stieben kleine Staubwolken auf.

»Okay«, sagt Lasses, der mit dem Briefing offenbar fertig ist. »Ihr könnt jetzt eure Positionen einnehmen. Bei zehn geht’s los. Fragen?«

Die Männer schütteln den Kopf und verschwinden in unterschiedliche Richtungen.

Ich sehe Lasses hinterher, dessen untersetzte Gestalt vor uns auf der Wiese verschwindet, und blicke zu Malin hinüber, die mit vor der Brust verschränkten Armen dasteht.

Und in dieser Sekunde spüre ich es, dieses vertraute Gefühl des Unbehagens – wenn sich in meinem Nacken die Haare sträuben und mein Mund trocken wird.

Etwas stimmt hier nicht.

Ich weiß es einfach.

Ich könnte niemals erklären, wieso ich es weiß, denn diese Erkenntnis scheint in meinem Körper abgelagert zu sein. In den Muskelfasern, den Adern und der empfindlichen Haut an den Fingerspitzen.

Der Körper weiß es.

Der Körper weiß es schon lange, bevor das Gehirn es begreift, und das Gehirn sieht ein und akzeptiert, dass der Körper einen Vorsprung hat. Es zieht keine übereilten Schlüsse, es versucht nicht zu überzeugen.

Es wartet geduldig auf das Ergebnis des Körpers.

Ich blicke den Kollegen hinterher. Sie haben den Parkplatz verlassen und sich auf dem Gelände, das den Campingplatz umgibt, verteilt. Zwei von ihnen gehen mit Angeln in der Hand selbstsicher zum Wasser. Einer telefoniert, und noch einer joggt im Trainingsanzug Richtung Wasser.

In einigen Minuten werden sie Olle Bergs Zelt erreicht haben. Sie werden ihn ohne größere Probleme festnehmen können, denn das ist ihr Spezialgebiet.

Aber etwas stimmt hier nicht.

Ich schaue wieder zu Malin hinüber. Sie blinzelt in die Sonne, wischt sich den Schweiß von der Stirn und hebt fragend die Augenbrauen.

»Was?«, fragt sie.

»Etwas stimmt nicht.«

Sie lacht unsicher und schüttelt den Kopf.

»Was soll denn hier nicht stimmen?«, fragt sie und schaut zu Lasses hin, der sich alle Mühe gibt, mit den durchtrainierten Polizisten, die hier als Angler auftreten, Schritt zu halten.

Dann schaut sie auf die Uhr und sagt:

»Fünf Minuten.«

Ich laufe in dem verdorrten Gras hin und her und versuche, meine Gedanken zu sortieren. Versetze einem Grasbüschel einen Tritt, so dass die Erde um die zundertrockenen Grashalme aufstiebt.

»Eine Minute«, sagt Malin.

Der Schweiß läuft mir über die Stirn und weiter unter den Hemdkragen. Insekten surren um meinen Kopf, und die Möwen schreien.

Malin nimmt das Handy in die linke Hand und sucht mit der rechten in ihrer Tasche nach etwas. Das Handy brummt, und als sie versucht, die Mitteilung mit der linken Hand zu öffnen, fällt es ihr ins Gras.

Und plötzlich weiß ich es.

Plötzlich erinnere ich mich an die Bilder von Berg von der Überwachungskamera im Laden des Campingplatzes. Wie er sich über den Tresen beugt und seinen Namen auf die Quittung schreibt. Und Lasses’ Kommentar, dass an den Bildern etwas nicht stimmt.

»Lasses hatte recht«, sage ich. »Der Mann auf dem Bild hat gezögert. Er hat gezögert, weil er unsicher wurde, als er Bergs Namen schreiben sollte.«

»Wovon redest du da eigentlich?«, fragt Malin, die noch immer auf dem Boden nach ihrem Handy sucht.

»Und als er dann unterschrieb, machte er das mit der rechten Hand. Olle Berg ist aber Linkshänder.«

Malin erstarrt mitten in der Bewegung.

»Das auf den Bilder ist nicht Berg«, sage ich. »Berg ist Linkshänder.«

Malin fischt ihr Handy zwischen zwei Grasbüscheln hervor. In diesem Moment klingelt es.

Sie richtet sich mühsam auf. Stemmt sich die eine Hand ins Kreuz und schneidet eine Grimasse. Dann wirft sie mir einen langen, forschenden Blick zu und nimmt den Anruf an.

»Ja. Aha.«

Sie verstummt. Fährt sich mit der Hand über den dicken Bauch und schaut zum Himmel hoch.

»Achtzehn? Ja, verdammt …«

Malin dreht sich zum Auto um und stützt sich mit den Ellbogen auf die Motorhaube, als hätte alle Kraft sie in einem einzigen Augenblick verlassen und als könnte sie sich nicht mehr aufrecht halten.

»Ja, zum Teufel«, faucht sie. »Und wo hat er das gefunden?«

Und dann:

»Na gut. Bis gleich.«

Ich fange ihren Blick ein, als sie auflegt.

»Das darf verdammt noch mal nicht wahr sein«, sagt sie. »Er war es nicht. Dieser Typ ist erst achtzehn. Aber er hat wirklich Bergs Kreditkarte benutzt. Die will er zusammen mit Bergs Pass in einer Mülltonne auf Stuvskär gefunden haben. Was nicht gerade glaubhaft klingt, deshalb nehmen sie ihn mit.«

Sie seufzt und lehnt sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das Auto.

Sie sieht so jung aus, trotz des dicken Bauchs. So jung und so verzweifelt, dass ich sie am liebsten in die Arme nehmen und trösten würde.

»Du hattest recht«, sagt sie nun.

»Das hilft uns jetzt auch nicht.«

»Da ist noch was«, sagt sie. »Dieses Buch, das Igor Ivanov geschrieben hat.«

»Ja?«

»Malik hat sich eben gemeldet. Das Exemplar, das ich bestellt habe, ist gekommen.«

»Und?«, frage ich.

Malin schüttelt langsam den Kopf.

»Das Buch enthält nur zwei Wörter. Lorem ipsum. Auf jeder Seite steht dasselbe.«

Ich überlege, die beiden Wörter kommen mir bekannt vor.

»Lorem ipsum, ist das nicht …?«

»Doch, das ist der Anfang von Platzhaltern bei der Herstellung von Drucksachen. Also wenn du zeigen willst, wie etwas mit Text aussehen wird, der Text aber noch nicht vorliegt.«

Malin gleitet am Auto nach unten und setzt sich auf ein Grasbüschel.

»Geldwäsche«, sagt sie als Antwort auf die Frage, die ich noch nicht gestellt habe. »Willkommen im einundzwanzigsten Jahrhundert. Vergiss das mit Geldwäsche in Pizzerien oder beim Pferderennen. Jetzt spielt sich alles in der digitalen Welt ab, jetzt wird alles dort erledigt. Und das hier ist ein ziemlich kreatives Beispiel. Die Bücher werden im Netz angeboten. Bücher, denen der Inhalt fehlt. Und für die verlangt man einen Wahnsinnspreis. Igors Buch zum Beispiel kostet neunhundert Mäuse. Dann lässt man von Computerprogrammen Bestellungen aufgeben und bezahlt die Bücher mit Schwarzgeld.«

»Und sackt einen dicken Verdienst ein, den man versteuern kann?«

»Genau. Das Geld wird weiß wie Schnee. Und man kann sich als Schriftsteller ausgeben.«

Malin seufzt laut.

»Igor hat nichts mit unserem Gedicht zu tun«, sage ich.

Malins Handy brummt schon wieder, und sie liest die Mitteilung. Gleich darauf runzelt sie die Stirn.

»Was?«, frage ich.

»Die ist von Olle Bergs Ex«, sagt sie. »Olle wird ›Bulle‹ genannt, weil er …«

Sie erwidert meinen Blick und schüttelt ungläubig den Kopf. Dann fügt sie hinzu:

»Weil er so komische Zähne hat«, sagt sie. »Wie eine Bulldogge. Er hat einen Kreuzbiss. Genau wie …«

»… Opfer Nummer drei«, füge ich hinzu. »Verdammt. Verdammt! Opfer Nummer drei ist Olle Berg!«

Malin sieht mich an, und ihre Augen verdüstern sich.

»Aber wenn Berg tot ist, wer ist dann unser Täter?«