Von Euston aus nahm ich den Zug nach Oxenholme. Mein Rucksack war leicht. Da mein Besuch diesmal nur drei Tage dauern würde, hatte ich nicht viel eingepackt, bloß eine Jeans, zwei Oberteile, eine Wanderhose, mein iPad, ein Notizbuch und einen Pyjama. Den Pyjama wollte ich eigentlich gar nicht mitnehmen, aber dann stopfte ich ihn doch noch dazu, nur für den Fall, dass ich einen schrecklichen Fehler machte und Bo mich aus einem ganz anderen Grund als vermutet einlud.
Ich fischte das iPad und das Notizbuch aus dem Rucksack, stopfte den Rucksack in das Gepäckfach über meinem Sitz und nahm Platz. Kaum hatte ich das iPad auf den kleinen Klapptisch vor mir gelegt, bekam ich eine Nachricht von Bo. »Ich freue mich wahnsinnig, dass du kommst, liebste Alice. Du bist wunderbar! Bxxxx.«
Ich schickte »xxxx« als Antwort und bekam Herzklopfen. Keine von uns beiden hatte bisher offen zur Sprache gebracht, dass hier mehr im Spiel war als die übliche Zuneigung unter Freundinnen. Aber ich wusste es. Ich wusste, was ich für Bo empfand, und Bo hatte deutlich genug gemacht, welche Gefühle sie für mich hegte. Und als sie wusste, dass Gus verreisen würde, hatte sie mich sofort zu sich eingeladen. Da erwartete ich natürlich mehr als eine Tasse Tee und ein frisch bezogenes Bett im Gästezimmer.
Allerdings graute mir vor der Unbeholfenheit, den peinlichen Momenten, bis es endlich so weit war und wir uns unsere Liebe gestanden.
Ich wollte Bo die Führung überlassen. Schließlich war sie diejenige, die verheiratet war und alles zu verlieren hatte. Ich musste ihr die Möglichkeit lassen, es sich anders zu überlegen, wenn sie das wollte.
Bei der Vorstellung, dass sie einen Rückzieher machen könnte, wurde mir ganz flau. Anna hatte recht. Das Ganze war schon zu weit gegangen, um ein gutes Ende zu nehmen, für Bo ebenso wenig wie für mich oder ihre Familie. Bisher hatte ich es nicht sehen wollen, aber von außen betrachtet war eigentlich ich diejenige, die am ehesten Gefahr lief, dass ihr das Herz gebrochen wurde.
Aber nein. Dazu würde es nicht kommen. So war Bo nicht. Selbst wenn sie es sich anders überlegte, sie würde mich niemals verletzen. Was das anging, war ich mir sicher.
Ich lehnte mich in meinen Sitz zurück und begann zu schreiben. Wenigstens zweitausend Wörter wollte ich schaffen, um sie ihr am Abend zu zeigen.
Als Bo mich diesmal am Bahnhof abholte, küsste sie mich zärtlich auf den Mund. Ich war so verblüfft, dass ich gar nicht schnell genug reagieren konnte, um ihren Kuss zu erwidern. Doch damit nicht genug. Als wir zum Auto gingen, nahm sie meine Hand, als wäre es ihr egal, wer uns sah und was man über uns dachte. Und als wir im Wagen saßen, beugte sie sich zu mir herüber für einen leidenschaftlichen Zungenkuss. Es fühlte sich himmlisch an.
Am Ende war alles ganz einfach.