Ich verbrachte eine schlaflose Nacht nach der anderen. Bald war ich vollkommen erschöpft, und allmählich wurde ich wütend. Wie sollte ich einen klaren Kopf bekommen, wenn Alice mich rund um die Uhr mit ihren wirren E-Mails zumüllte? Schon meiner Gesundheit zuliebe musste ich aufhören, sie zu lesen.
Eines Morgens – den Wochentag weiß ich nicht mehr, mir war inzwischen jedes Zeitgefühl abhandengekommen – stand ich in aller Herrgottsfrühe auf. Ich ging hinunter in die Küche und zog die Gardinen auf. Es dämmerte gerade. Ich blieb lange am Fenster stehen und schaute zu, wie die aufgehende Sonne die Dunkelheit verdrängte und die Berge in flammendes Rot tauchte. Wie zur Hölle war ich nur in diesen Schlamassel geraten?
Alice würde nicht einfach verschwinden, soviel stand fest. Dafür war sie nicht der Typ. Selbst wenn ich mit ihr redete und sie dazu brachte, mich in Ruhe zu lassen, wäre ich sie nicht los. Sie würde weiter in meinem Kopf herumspuken und dort Chaos anrichten. Und auch mein Herz würde sie weiterhin belagern, obwohl ich mir solche Mühe gegeben hatte, niemanden hineinzulassen, damit es weiter schlagen konnte.
Am liebsten hätte ich sie verscheucht, wie eine Schmeißfliege. Warum konnte sie nicht einfach akzeptieren, dass es zwischen uns aus war? Dann hätte ich mich wieder wie früher fühlen können, so hart und unverwundbar wie eine mächtige alte Eiche.
Doch das war natürlich reines Wunschdenken. Alice würde in Tränen ausbrechen und mir eine Szene machen. Sie würde von ewiger Liebe faseln und davon, dass sie für mich und meine Mädels alles aufgeben würde, weil ich ihre große Liebe, ihre Seelenverwandte war. Weil ich alles war, was sie wollte.
Aber ich hatte nicht vor, mich von der Liebe zugrunde richten zu lassen. Wer mir zu nahe kam, bereute es. Denn tief in meinem Innern lauerte eine Bestie. Meistens schlief sie. Doch wenn sie geweckt wurde, schoss sie hervor und riss den Störenfried in Stücke.