Alice
Verzweiflung verwandelte sich in Wut, Wut wieder in Verzweiflung, und dann verbündeten sich beide gegen mich, sodass ich fast daran zugrunde ging.
Ich stand auf und tigerte wutentbrannt auf und ab. Bo hatte mich ruiniert. Sie hatte mit sorgfältiger Berechnung eine Granate auf mich geworfen und mein Leben in Stücke gerissen. Ich war nur noch ein Schatten meiner selbst, dem Wahnsinn nah. Ich konnte das alles nicht begreifen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, falls es zu einem Wiedersehen mit Bo kam. Sollte ich weinen, mich ihr in die Arme werfen und sie anflehen, alles wiedergutzumachen? Oder sollte ich sie grün und blau schlagen?
Am liebsten hätte ich die Zeit zurückgedreht und unsere erste Begegnung erneut durchlebt, um genauer darauf zu achten, was Bo sagte, wie sie sich verhielt und ob sich unter ihrer liebevollen Fürsorge nicht doch eine Spur von Boshaftigkeit verbarg. Verzweifelt suchte ich nach Anzeichen, die ich vielleicht übersehen hatte, aus denen ich aber früh genug hätte schließen können, dass Bo nicht die war, für die ich sie gehalten hatte. Fieberhaft durchblätterte ich die sechs Romane, die sie geschrieben hatte, auf der Suche nach einem Schlüssel zu ihrer Persönlichkeit. Es musste doch irgendeinen Hinweis darauf geben, dass in ihrer Seele ein tiefer Abgrund verborgen lag, das Böse, die Hölle.
Doch ich fand nichts. Rein gar nichts.
Ich hasse dich, dachte ich. Ich hasse dich dafür, dass du mir das antust und dass du mich so weit gebracht hast, an meinem Verstand zu zweifeln.
Ich überlegte, welche Möglichkeiten mir offenstanden, um mich an Bo zu rächen. Ich konnte ihren Mann anrufen und ihm meine Version der Geschichte erzählen. Er war schon so lange mit ihr verheiratet, dass er bestimmt wusste, was für eine Bestie unter ihrer Oberfläche lauerte. Wenn er meine Version der Geschichte hörte, würde er mir sicher Glauben schenken. Oder ich schrieb einen anonymen Brief an ihren Verlag. Aber der interessierte sich vermutlich nicht dafür. Und abgesehen davon hatte Bo mich garantiert schon bei all ihren Verlagskontakten verleumdet.
Oder aber ich schrieb ein Buch über meine Erlebnisse mit Bo. Einen Thriller. Ich konnte das, was passiert war, zu Papier bringen und veröffentlichen, und dann würde Bo in allen Buchhandlungen Großbritanniens ihrer Schande ins Auge blicken müssen. In den letzten Wochen hatte ich das Schreiben sehr vernachlässigt. Bo hatte meine Gedanken dermaßen beherrscht, dass keine Energie für mein ursprüngliches Projekt geblieben war. Doch nun hatte sie mir die perfekte Geschichte auf dem Silbertablett serviert.