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Gus hatte die Scheidung eingereicht. Unser Haus wurde schon zum Verkauf angeboten. Ich war fest entschlossen, das Ganze nüchtern zu betrachten. Es gab einiges zu regeln. Vor allem das Sorgerecht für die Mädchen und finanzielle Angelegenheiten. Ich würde mehr Geld brauchen. Wie es aussah, stand mir die Hälfte unseres Vermögens zu. Nur die Hälfte. Obwohl ich in den vergangenen fünfzehn Jahren weitaus mehr als er verdient und alle Ausgaben für die Kinder allein bestritten hatte, von den Schulgebühren bis zu den Geburtstagspartys. Gus’ Beitrag zu unserem Familienleben hatte sich auf das gelegentliche Füttern der Katze beschränkt, wenn sie ihm zu sehr auf die Nerven ging.
Ich war keine Frau, die verlassen wurde. Oh nein. Er war derjenige, der verlassen wurde, von mir. Das würde er noch merken.
»Hast du meine Schlüssel gesehen?«, fragte er, als er ohne anzuklopfen in mein Arbeitszimmer platzte und dabei eine Wasserflasche umwarf.
»Nein.«
»Ich habe sie wie immer auf die Kommode gelegt, aber sie sind verschwunden.«
»Bei mir sind sie nicht.«
Er verzog sich wieder.
Wir waren übereingekommen, den Mädchen am Nachmittag mitzuteilen, dass wir uns trennen wollten. Ich hatte es ihnen eigentlich allein sagen wollen, aber Gus hatte darauf bestanden, dass wir es zusammen taten. »Sie müssen das von uns beiden hören, damit sie begreifen, dass es tatsächlich passiert, dass wir es gemeinsam beschlossen haben und dass ihr Leben dadurch nicht zerstört wird. Das ist sehr wichtig.«
Er traute mir wohl nicht. Wahrscheinlich fürchtete er, ich würde ihnen erzählen, dass er an allem schuld sei, weil er eine Affäre hatte und ein alter Mistkerl war. Aber Letzteres würden sie schon bald genug selbst herausfinden.
Ich hörte, wie er auf der Suche nach seinen verschollenen Schlüsseln durchs Haus stapfte.
Ich verbrachte zwei weitere Stunden am Schreibtisch, um den Plot für meinen Roman Stalking zu skizzieren. Ich musste unbedingt sicherstellen, dass meine Version der Geschichte die einzige war, die veröffentlicht wurde, oder zumindest die erste. Alice durfte mir auf keinen Fall zuvorkommen, sonst war ich geliefert.
Dummerweise schaffte Gus es nicht zu seinem Termin. Er konnte seine Schlüssel nicht finden, und ich war nicht bereit, ihm mein Auto zu leihen oder ihn zu chauffieren. Wenn er die Scheidung einreichen wollte, musste er natürlich auch lernen, ohne mich klarzukommen.
Als ich mit der Plot-Skizze fertig war, teilte ich der Stiftung für junge Autorinnen und Autoren per E-Mail mit, dass ich im kommenden Jahr wieder für Seminare zur Verfügung stand. Das Unterrichten war zwar eine Qual, doch es brachte mir 1000 Pfund ein; eine Summe, die unter den gegenwärtigen Umständen nicht zu verachten war.
Nachmittags riefen wir die Mädchen zu uns ins Wohnzimmer. Wenn wir es ihnen gesagt hatten, wollte ich mit ihnen nach Lancaster zum Grand Theatre fahren, um Cinderella anzuschauen, damit sie merkten, dass das Leben trotzdem schön blieb und sich eigentlich kaum etwas änderte. Statt mit Gus und mir zusammen in einem großen Haus zu wohnen, würden sie in Zukunft eben abwechselnd bei ihm und bei mir leben. Das war alles. Keine große Sache.
Die beiden nahmen auf dem Sofa Platz. Sie schienen zu spüren, dass etwas Ernstes bevorstand, denn sie stritten sich nicht wie sonst. Sie saßen einfach nur da, kerzengerade und stumm, und warteten auf den Sturm.
Ich sagte: »Wir wollen euch nur sagen, dass sich demnächst ein paar Dinge ändern werden.«
Dann ergriff Gus das Wort mit seiner sanften Therapeutenstimme, die so empathisch und verständnisvoll klang, dass ich ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Wenn sich etwas ändert, kann einem das zunächst etwas Angst einjagen. Aber ihr braucht euch wirklich keine Sorgen zu machen. Es ist nichts Schlimmes, es wird nur anders werden, und es wird ein bisschen dauern, bis ihr euch daran gewöhnt.«
»Ihr lasst euch scheiden«, sagte Lola.
Gus starrte sie verblüfft an.
»Das stimmt doch, oder?«, fragte sie.
Ich nickte. »Ja, das stimmt. Wir trennen uns. Wir werden dieses Haus verkaufen und gegen zwei kleinere eintauschen, eins für Daddy und eins für mich.«
»Und in welchem sollen wir dann wohnen?«, fragte Maggie.
»Also …«
»Ihr könnt wohnen, wo auch immer ihr wollt. Beide Häuser werden hier in Grasmere sein, und in jedem werdet ihr ein Zimmer haben.«
»Schon gut«, sagte Lola. »Das überlegen wir uns dann später.«
Mir war, als würde meine ältere Tochter plötzlich erwachsen werden, obwohl sie noch viel zu jung dafür war.
Maggie brach in Tränen aus. Ich wollte sie trösten, doch bevor ich dazu kam, nahm Lola meinen Platz ein. »Brauchst nicht zu weinen, Mag«, sagte sie. »Alles wird gut …«
Ich sah förmlich, wie sich die Kluft auftat. Lola und Maggie standen auf der einen Seite, Gus und ich auf der anderen. Unsere Töchter verbündeten sich im Versuch, den Krieg ihrer Eltern zu überleben.
Ich fuhr mit den Mädels nach Lancaster zu der Cinderella-Vorstellung. Anschließend gingen wir Pizza essen. Ich war gelangweilt und gereizt, wie immer, wenn ich mehrere Stunden mit ihnen allein verbrachte. Aber ich musste mich daran gewöhnen. So sah mein Leben nun aus. Eine alleinstehende Mutter, die bei der Erziehung ihrer zwei Töchter auf sich gestellt war und sehen musste, wie sie sie durch die Kindheit und die Schrecken der Pubertät brachte.
Es gab so vieles, was ich bedauerte. Ich wünschte, ich könnte es bei meinen Töchtern wiedergutmachen.
Und bei Alice.