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Im Anna Livia Plurabelle hatte Kaviar auf der Speisekarte gestanden, und obwohl sich Judd keinen gegönnt hatte, erinnerte er sich jetzt, während er eine leere Bank mit einem zusammengerollten Exemplar des Standard
abfegte, an einen Artikel darüber, wie der Rogen gewonnen wurde. Störe waren große Fische, einen Meter zwanzig lang, wurden aber in wesentlich kleineren Becken gehalten. Wenn ihre Zeit gekommen war, wurden sie von Hand getötet, wodurch anscheinend der Rogen größtenteils unversehrt blieb. Angesichts der Größe der Fische brauchte man starke Männer, um ihnen ein Ende zu bereiten, und diese tendierten häufig zur Gewalt. Die daraus resultierenden Szenen hatten sich ihm unauslöschlich ins Gedächtnis eingebrannt: stämmige Schlägertypen mit hochgekrempelten Ärmeln, die Fische zu Tode prügelten. Die Barbarei warf lange Schatten in die Küchen der betuchten Gourmets.
Der Artikel war darauf angelegt, das Publikum zu schockieren; Judd jedoch war kaum überrascht gewesen. Dass Grausamkeiten begangen wurden, um den Verwöhnten ihre Leckereien zu beschaffen, war wohl kaum etwas Neues. Es entsprach dem gängigen zivilisatorischen Maßstab für Luxus – Reichtum bedeutete nichts, wenn er kein Leid verursachte. Denn das übliche liberale Gejammer, die Reichen
würden von den harten Realitäten des Lebens verschont, beruhte auf lachhafter Unwissenheit: Die Reichen schufen diese Realitäten und sorgten dafür, dass sie bestehen blieben. Dafür waren die Küchen da, ebenso wie die Gefängnisse, die Fabriken und die öffentlichen Verkehrsmittel.
Deswegen nahmen die Reichen, womit er die Mächtigen meinte, schmutzige Gewalt in Kauf – diese Kosten musste man tragen, wenn man Geschäfte machte –, und das war einer der Gründe dafür, warum Peter Judd keine Zeit damit verschwendet hatte, den Verlust seines Schulfreundes zu betrauern. Die traditionelle Presse, die an den Rockzipfeln von Twitter hing, nahm nun zweifellos die Fäden der Geschichte auf, und er würde aufgefordert werden, den Vorfall zu kommentieren: Die Ironie des Schicksals, dass ein alter Kumpel des Innenministers einer Gewalttat zum Opfer gefallen war und damit öffentliches Aufsehen erregt hatte, ließ sich nicht verleugnen. Aber es hatte Judd noch nie Probleme bereitet, Wut oder Reue – ein brutales Verbrechen, dessen Verursacher, da bin ich mir sicher, die ganze Härte der britischen Justiz zu spüren bekommen werden
– vorzutäuschen, daher beunruhigte ihn weder diese Aussicht noch würde ihn Slys Tod um den Schlaf bringen. Menschen starben. So etwas passierte. Wie sich Monteiths Ableben auf seinen eigenen Plan auswirken würde, war für Judd momentan die größere Sorge.
Er vergewisserte sich, dass die Bank so sauber war, wie es nur ging, und setzte sich. Sie lag im Schatten von Bäumen auf einem von Geländern umgebenen, länglichen Platz: in der Nähe der Praed Street, nicht weit von Paddington, und außerhalb der feineren Gegenden. Auf beiden Seiten
standen Hotels, aber sie waren für weniger betuchte ausländische Touristen oder auswärtige Geschäftsleute gedacht, von denen sich wahrscheinlich keiner am frühen Nachmittag hier herumtreiben würde. Das machte die Bank zu einem sicheren Ort für ein einmaliges Treffen, und während er wartete, blätterte Judd den Standard
durch. Wie üblich stand etwas über ihn in der Zeitung, was eine gute Nachricht war – an dem Tag, an dem die Mickymaus-Blätter ihn ignorierten, würde er wissen, dass seine Karriere am Ende war. Was über ihn geschrieben wurde, spielte keine Rolle. Solange ein Foto dabei war, war alles im grünen Bereich.
Er hörte das Klappern ihrer Absätze auf dem Weg, schon einige Zeit bevor sie erschien.
Judd rollte die Zeitung wieder zusammen und klopfte damit auf den Platz neben sich. »Sie ist einigermaßen schmutzfrei«, sagte er. Dann fügte er hinzu: »Die Bank, meine ich. Nicht dieses Schmierblatt.«
»Danke, ich bleibe lieber stehen.«
»Ach, wirklich? Ganz ehrlich? Wie schön für Sie.« Sein Tonfall rutschte von Penthouse zu Gosse. »Aber wenn ich sage: Setzen Sie sich, dann setzen Sie sich!«
Diana Taverner nahm Platz.
Sean Patrick Donovan.
Auf diesen Namen war River gestoßen. Er war erst vor kurzem bei Black Arrow angestellt worden, als »Chief Officer i/c Strategy-Operations«, ein typisch pseudomilitärischer Titel für einen solchen Laden. River konnte sie förmlich vor sich sehen: die Ansammlung von Armeeveteranen, Vollzugsbeamtenausschuss und ehemaligen Revierbullen,
die das Bodenpersonal bildeten. Wahrscheinlich tat er den Leuten unrecht, aber sein Körper schmerzte fast überall. Nick Duffys Prügel hatten ihn wie mit comichaften Blitzen durchzuckt, bis er Sterne sah und sich jeder Quadratzentimeter windelweich und misshandelt anfühlte. Er umfasste die Maus fester, doch er musste die Rachegedanken vorerst verdrängen und sich auf seine Aufgabe konzentrieren – Sean Patrick Donovan.
Es war kein großes Problem gewesen, den Namen ausfindig zu machen: Sly Monteith hatte seine Anstellung bereits im Februar in einer Erklärung an die Fachpresse bekanntgegeben – erfreut, Ihnen mitteilen zu können, beeindruckende Erfahrung bei den Streitkräften
usw. usw. Er hatte kurz das Netz durchkämmt und herausgefunden, dass zu Donovans beeindruckender Erfahrung
auch ein Aufenthalt in einem Militärgefängnis mit anschließender unehrenhafter Entlassung aus dem Dienst gehörte, eine Tatsache, über die sich Monteith wesentlich weniger ausließ. Es gab ein Foto, auf dem Donovan und ein weiterer Black-Arrow-Neuzugang, Benjamin Traynor, ihren zukünftigen Chef flankierten, eine Champagnerflöte zwischen zwei Bierhumpen. Keiner der beiden Exsoldaten lächelte, doch Monteiths überlegener Gesichtsausdruck sprach Bände. Seht euch mal meine Tanzbären an,
dachte River. Tja, das Grinsen war ihm ein für alle Mal aus dem Gesicht gewischt worden.
Exsoldat, hochrangig, kampferprobt. River fand, das waren gute Argumente für Donovan. Auch wenn es noch andere Verdächtige gab, würde er mit diesem den Anfang machen. Er zuckte zusammen, als ihn erneut ein Schmerzblitz durchfuhr, biss die Zähne zusammen, bis es vorbei
war, und mailte seine Ergebnisse an die anderen Slow Horses, die nur wenige Meter entfernt saßen.
Obwohl es schon weit nach zwölf war, murmelte Marcus Longridge etwas von Mittagessen holen und schlich sich aus dem Büro, wobei er so tat, als höre er nicht, wie Shirley Dander ein Baguette mit Huhn bestellte. Der Hof stank schlimmer denn je; die Straße glühte wie das Höllenfeuer. Im Wettbüro am Bahnhof füllte er einen Wettschein für das 15.20-Uhr-Rennen in Towcester aus, für das er unter dem Deckmäntelchen der Arbeit fleißig recherchiert hatte, und während er wartete, stand er auf und starrte die Scheißblechkiste von Rouletteautomaten an. Er sah irgendwie lebendig aus, mit den Augen eines Dämons und einem grinsenden Mund … Wie hypnotisiert von diesem Anblick, vergaß Marcus, das Rennen zu verfolgen, und blickte gerade noch rechtzeitig auf, um die letzten Momente zu erleben. Das Glücksgefühl durchfuhr ihn wie ein Schlag, so dass es fast schmerzte: einhundertundsechzig Pfund bar auf die Kralle – eine hübsche Rendite für zwanzig Pfund Einsatz!
Er strich seinen Gewinn ein und tätschelte auf dem Weg nach draußen den Spielautomaten, um es voll auszukosten.
Marcus hätte direkt nach Slough House zurückkehren können und sollen, aber der Erfolg hatte ihn beflügelt. Das war der Wendepunkt, auf den er gewartet hatte! Und auf der anderen Straßenseite stand eine Reihe von Leihfahrrädern … Er dachte: Was soll’s. Geht schneller als mit der U-Bahn. Er holte seine Bankkarte aus seinem frischgefüllten Portemonnaie und zog ein Rad aus der Halterung. Regent’s Park, ich komme!
Louisa Guy schob eine Locke hinters Ohr, zupfte an ihrer Bluse, um Luft an ihre Haut zu lassen, und erinnerte sich dabei kurz an den One-Night-Stand von gestern Abend – eine Junggesellenbude der schlimmsten Sorte, die Bettwäsche seit Monaten nicht gewechselt, dreckiges Geschirr in der Spüle, aber trotzdem: enthusiastischer und heftiger Sex, der ihr drei Stunden traumloses Vergessen beschert hatte –, sie schüttelte kurz den Oberkörper und weigerte sich, Lambs Stichelei an sich heranzulassen.
Ich dachte, Sie würden sich jede Nacht das Hirn rausvögeln, und jetzt stellt sich heraus, dass es immer noch funktioniert!
Natürlich funktionierte es einwandfrei, aber ehrlich gesagt, brauchte sie es nicht für die Aufgabe, die Lamb ihr gestellt hatte. Was sie brauchte, war blindes Vertrauen und teuflisches Glück.
Roderick Ho verabscheute Google, Yahoo, Bing und all die anderen populären Suchmaschinen: Sie durchsuchten, so behauptete er, weniger als 0,5 Prozent der Inhalte des Internets, und er würde lieber eine vegane Pizza essen, als sie zu benutzen. Aber da Louisa ihm lieber eine backen würde, als ihn um eine Einführung ins Darknet zu bitten, waren diese normalen Suchmaschinen alles, worauf sie zurückgreifen konnte. Und was konnte sie sonst noch tun? Sean Patrick Donovan war ihr Zielobjekt, wenn Cartwright recht hatte mit seiner Vermutung. Sie schloss alle anderen Programme in der Hoffnung, dass ihr alter Klapperkasten dadurch genügend Arbeitsspeicher frei hätte, um ein bisschen in Schwung zu kommen, und legte los.
Verschwörungstheoretiker, so wusste sie, waren per
definitionem paranoid, und das meist aus gutem Grund – sie wurden tatsächlich beobachtet, vor allem, weil sie auf umgedrehten Eimern standen und dem Herdenvieh ihre irren Theorien verkündeten. Im Jahr zuvor hatte sie monatelang Messageboards nach Hinweisen auf terroristische Aktivitäten überwacht, und obwohl sie den Verdacht nie ganz losgeworden war, dass jeder zweite, der dort postete, ein Undercover-Polizist war, hatte sie sich daran gewöhnt, Gespräche von Paranoikern zu belauschen. Sie reichten von Theorien darüber, dass die Regierung das Wetter kontrolliere, bis hin zu Warnungen, dass Gedankenexperimente mit denjenigen durchgeführt würden, die die Helplines der Steuer- und Zollbehörde anriefen. Und all diese »Experten« waren ausnahmslos davon überzeugt, dass sie überwacht und sämtliche ihrer Online-Recherchen oder Handy-Chats aufgezeichnet und für zukünftige Nutzung gespeichert wurden. Dass dies wahrscheinlich zutraf, war natürlich irrelevant; sie waren einfach im selben Netz gefangen wie alle anderen auch. Louisa hatte noch nie einen Terroristen erwischt, noch nie die Zündung einer Bombe verhindert. Sie hatte natürlich viele Diskussionen über 9/11 gelesen, aber Beiträge von Statikern hatte es auffallend selten gegeben. Und obwohl die Sache mit der Helpline wahrscheinlich stimmte, lag das nur am Gesetz des Durchschnitts – je mehr Möglichkeiten, desto höher die Trefferwahrscheinlichkeit.
Apropos Paranoia: Woher wusste Lamb, was sie außerhalb der Arbeit anstellte?
Egal. Wieder nur das Gesetz des Durchschnitts. Scheiß auf ihn.
Das Entscheidende war, dass sich Paranoiker unter dem Mantel der Anonymität verbargen – denn obwohl Louisa monatelang diese Boards durchstreift hatte, war sie auf nichts gestoßen, was auch nur im Entferntesten einem echten Namen ähnelte. Donovan könnte sich dreimal täglich auf einer Vielzahl von Websites herumtreiben; wenn sein Benutzername SpaceRanger69 lautete, würde sie nie davon erfahren. Aber Lamb hatte gesprochen. Also saß sie hier.
»Kommen Sie voran?«
Mein Gott! Wie hat er das gemacht? Sie verbarg den Schrecken, den er ihr eingejagt hatte, und sagte: »Jetzt machen Sie mal halblang. Ich bin erst seit fünf Minuten dabei.«
»Hm.« Lamb betrat das Büro und schnüffelte misstrauisch. »Warum riecht es hier drin nach Käse?«
»Tut es nicht. Womit haben Sie Ho beauftragt?«
»Warum fragen Sie?«
»Weil er für den Job hier besser geeignet wäre.«
»Pech, er hat gerade anderes zu tun.« Lamb schaute aus dem Fenster auf einen vorbeifahrenden Bus, dann pflanzte er sein Gesäß auf die Fensterbank.
»Wollen Sie mich den ganzen Nachmittag beobachten?«
»Wird es so lange dauern?«
»Wir können nicht einmal sicher sein, dass Donovan der Richtige ist.«
»Nein. Aber wir stehen dumm da, wenn wir ihn ignorieren und es sich herausstellt, dass er Catherine entführt hat.«
»Woran arbeitet Ho?«
»Das ist über Ihrer Gehaltsklasse.«
»Ach, apropos.« Louisa suchte nach der Quittung auf ihrem Schreibtisch. »Die Taxikosten von heute Morgen.«
»Tja, das könnte eine Weile dauern. Ich habe Probleme wegen der hohen Spesen meiner Mitarbeiter.« Er stand auf.
»Ist das eigentlich alles?«, fragte Louisa. »Oder geht hier irgendetwas vor, von dem wir nichts wissen?«
»Sie sollten besser davon ausgehen, dass immer etwas vor sich geht, von dem Sie nichts wissen«, erwiderte Lamb.
Er war schon fast zur Tür raus, da bemerkte Louisa: »Catherine.«
»Was ist mit ihr?«
»Nichts. Sie haben sie Catherine genannt, das ist alles.«
»Hm.«
Louisa kehrte zu ihrer unmöglichen Aufgabe zurück.
Fünf Minuten später hatte sie sie geknackt.
Tu was!,
hatte Longridge gesagt. Wenn du ein Zeichen setzen willst, wenn du die Leute beeindrucken willst, dann tu was!
Und jetzt saß er hier und tat was.
Solange es nicht darin besteht, vor einem Bildschirm zu hocken und … Daten zu sammeln
.
Tja, genau das tat er nun, Daten sammeln, und dennoch: Das war es, was die Situation erforderte.
Roderick Ho legte eine Pause ein, um den Rest seines Red Bull auszutrinken, und warf dann die leere Dose in Richtung seines Papierkorbs. Sie landete sauber und bestätigte, was er bereits wusste: dass er ein Superstar war.
Daten sammeln, hatte Longridge in diesem abfälligen Ton gesagt. Als ob das etwas wäre, was jeder könnte.
Es gab drei auf Black Arrow eingetragene Immobilien, eine davon eine Wohnung in Knightsbridge, eindeutig für
Sylvester Monteiths persönliche Nutzung bestimmt, obwohl er jetzt ja nicht mehr viel Platz brauchte. Seine nächste Unterkunft würde etwa die Größe eines Kühlschranks haben. Die anderen beiden Immobilien waren größer und geschäftsmäßiger: Google Earth zeigte Ho, dass sie beide in Industriegebieten lagen, eine am Stadtrand von Swindon, die andere in Stratford im Osten Londons. An den Tagen, an denen die Aufnahmen entstanden waren, hatten sieben Lieferwagen vor dem ersten, drei vor dem anderen Gebäude geparkt. Es waren schwarze, robust aussehende Fahrzeuge mit fensterlosen Seitenflächen, auf denen das Firmenlogo, ein schwarzer Pfeil in einem gelben Kreis, zu sehen war, und sie sahen vertrauenerweckender aus als die Fertiggebäude, vor denen sie standen. Monteith mochte sich an Kabinettsminister ranwanzen, doch seine Firma wirkte nicht übermäßig seriös. Ho druckte Screenshots aus, ließ sie im Ausgabefach liegen und konzentrierte sich auf Monteiths Privatleben.
All das, was hinter den Firewalls gespeichert war – Bankkonten und Hypothekendaten; Einkaufskörbe, Briefkästen, Pornodomains, Versicherungsnummern –, all das war leichte Beute. Passwörter, gemacht, um geknackt zu werden; ein einfacher Kreuzworträtsel-Lösungsalgorithmus konnte die Geheimnisse eines Lebens in der Zeit aufdecken, in der man die Reste einer Mittagspizza in der Mikrowelle aufwärmte. Das tat Ho also, während sein Privatsphäre-Shredder-Programm alles, was Sylvester Monteith nicht mehr brauchte, durchhechelte, angefangen damit, wo er sein Geld aufbewahrt hatte, dann, wofür er es ausgegeben hatte. Die Pizza war eine Quattro Stagioni. Monteiths
Leben war ein offenes Buch. Er hatte Frau und Kinder, er hatte eine Firma, er machte Urlaub, er hatte eine Geliebte. Um herauszufinden, wie viel jeder einzelne Posten ihn gekostet hatte, musste er nur seine Kreditkartenabrechnungen analysieren. Daten … sammeln – ja, genau. Das war durchaus keine Kleinigkeit, aber er, er erledigte das.
Und während er es tat, dachte Ho darüber nach, dass Lamb gesagt hatte, Louisa würde sich das Hirn rausvögeln. Das war grausam gewesen. Louisa war derzeit Single. Wenn sie einen Freund hätte, würde sie von ihm erzählen: Das wusste Ho nicht nur von Mama Internet, sondern auch von Frauen, denen er zugehört hatte – in der U-Bahn, in Bussen, in Bars, auf der Straße. Zugegeben, sie hatten nicht direkt mit Ho gesprochen, aber er hatte Ohren, und Fakten waren Fakten, und diejenigen, die einen Freund hatten, redeten ständig über ihn … Nein, Lamb hatte vollkommen falschgelegen, aber eins musste Ho zugeben: Die Vorstellung, dass sich Louisa das Hirn rausvögelte, war etwas, dem er sich später, zu Hause, noch einmal widmen würde.
In der Zwischenzeit näherte er sich harten Fakten.
Auf einem der Geschäftskonten von Black Arrow versteckte sich ein Hinweis auf temp. prop.
– eine beträchtliche Zahlung vor zwei Monaten und eine weitere um die Hälfte dieses Betrags am selben Tag des Folgemonats. Eine Kaution plus Zinsen, vermutete Ho. Temporary property –
vorübergehendes Eigentum. Es gab viele Gründe, warum eine Sicherheitsfirma vorübergehend eine Immobilie benötigte, vor allem – wie er ein paar Klicks später feststellte, wiederum auf Google Earth – eine mitten in der Pampa, irgendwo nördlich von High Wycombe; ein dreistöckiges Gebäude
mit Anbau und Schuppen, und da, in der Mitte des Hofes, etwas, das wie ein Londoner Doppeldeckerbus aussah – und tatsächlich einer war.
Ho klickte erneut auf DRUCKEN
, und diesmal nahm er das Ergebnis heraus.
Unweit des Parks befand sich ein kürzlich renoviertes Schwimmbad, dessen Fassade jetzt mit einer Reihe von plakatgroßen Fotos geschmückt war: planschende Kinder, ein alter Mann mit Schwimmbrille, die ihn wie einen Beat-Poeten aussehen ließ, eine Mutter mit einem Kind, dessen Augen vor Freude strahlten. Alles sehr gesund. Auf der Rückseite befand sich eine stahlbewehrte Brandschutztür, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Marcus hielt seinen Dienstausweis vor den obersten Bolzen, und nach einer kurzen Pause ertönte ein leises Summen, und die Tür öffnete sich mit einem Klicken.
Er trat ein. Theoretisch hatte er, ebenso wie die anderen Slow Horses, keinen Zutritt, aber er war gegenüber der restlichen Slough-House-Crew insofern im Vorteil, als er früher einmal Türen eingetreten und Waffen auf böse Jungs gerichtet hatte – die Art von Karriere, mit der sich die Wachleute an den Eingängen der Service-Einrichtungen beeindrucken ließen. Dieses spezielle Exemplar begrüßte Marcus mit einem komplizierten Handschlag, garniert mit einem breiten Grinsen, und ließ ihn mit seinem üblichen Schnörkel unterschreiben, einem kaum entzifferbaren Jackson Lamb
.
Der Schießstand befand sich sieben Stockwerke unter der Oberfläche, unter den Schwimmbecken, den
Fitnessräumen und den Umkleidekabinen. Marcus war auf dem Weg nach unten ganz aufgekratzt. Er hatte den satten Gewinn in der Tasche, seine Haut glühte vom Radfahren – sein Hemd war schweißgetränkt, aber er fühlte sich gut, seine Muskeln bewegten sich in geschmeidigen Rhythmen. Er sprang immer drei Stufen auf einmal hinunter und genoss das Gefühl der Distanz, das mit jeder Treppe zunahm. Man verbrachte zu viel Zeit in der Welt draußen. Ab und zu musste man auschecken, und wenn man das irgendwo tun konnte, wo es scharfe Munition gab, umso besser.
Unten angekommen, begrüßte er einen weiteren alten Kameraden mit herzlichem Handschlag, tauschte eine alte Kriegsgeschichte mit ihm aus, klaute eine Flasche Wasser aus dem Personalkühlschrank und leerte sie in einem einzigen Zug; dann wischte er sich den immer noch schweißnassen Oberkörper mit einer Handvoll Papiertücher trocken. Danach setzte er eine Schutzbrille und Ohrenschützer auf, unterschrieb für eine Heckler & Koch und jagte zehn Schuss genau in die feindliche Silhouette am Ende der Dreißig-Meter-Schießbahn.
Yeah!, dachte er. Die Kurve gekriegt!
Er hatte sein Leben wieder unter Kontrolle.
Peter Judd sagte: »Eigentlich sollte die Sache damit enden, dass ich Ihre Chefin in der Tasche habe. Stattdessen ist es genau umgekehrt. Würden Sie mir erklären, wie es dazu kommen konnte?«
»Ich weiß genauso viel wie Sie«, entgegnete Taverner. »Sean Donovan – was soll ich sagen? Er ist von unserem Plan abgewichen.«
Respekt. Soweit Judd informiert war, hatte Monteith einen einzigen heftigen Schlag auf den Kopf erlitten und war höchstwahrscheinlich schon tot gewesen, bevor er auf dem Boden landete. Ganz sicher hatte er nicht mehr gelebt, als er in der Innenstadt aus einem Lieferwagen geworfen worden war. »Vom Plan abgewichen« war von daher die prägnanteste Zusammenfassung der Ereignisse, die Judd bisher gehört hatte.
»Sind Sie sicher, dass es Donovan war?«
»Nein. Aber wenn er es nicht gewesen wäre, hätte er sich inzwischen gemeldet. Er muss wissen, dass sein Chef ermordet wurde.«
Judd nickte und schürzte die Lippen. »Sly gierte nach Kriegshelden wie ihm. Wahrscheinlich hat er sich in die Hose gemacht, als Donovan sich um einen Job bei ihm beworben hat.« Judd klopfte mit der Zeitung gegen die Bank. »Als Sie mir die Idee mit dem Tigerteam unterbreitet haben, wussten Sie, dass ich Monteith einsetzen würde.«
»Ich habe Ihnen diesen Vorschlag gemacht, gerade weil Sie Kontakte zur privaten Sicherheitsbranche hatten«, entgegnete Diana Taverner. »Das wissen Sie genau.«
»Ja, ich weiß, das haben Sie gesagt. Aber das beantwortet meine Frage nicht. Wussten Sie damals schon von Donovan?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich habe eine Schwäche. Ja, nennen wir es eine Schwäche. Mir ist es lieber, wenn man meine Fragen mit Worten beantwortet. Auf diese Art und Weise kann ich feststellen, ob die Leute lügen oder nicht.«
Taverner schaute ihm in die Augen. »Ich hatte noch nie
von Sean Donovan gehört, als ich den Plan für das Tigerteam ausgearbeitet habe.«
Judd betrachtete sie wortlos. Es geschah selten, dass er lange mit einer Frau zusammen war, ohne sie anzumachen – und »lange« konnte unter diesen Umständen alles über eine Minute hinaus bedeuten –, aber er wusste, wann er Prioritäten setzen musste. Außerdem schob er nur das Unvermeidliche hinaus, und so wie die Dinge liefen, würde es, wenn er sich dazu entschloss, sie zu vögeln, eine Art von Bestrafung sein, was ihm gut gefiel. Ihr auch, wenn er die Zeichen richtig deutete. Schließlich sagte er: »Tearney behauptet, dass derjenige, der sie kontaktiert hat und von dem wir annehmen, dass es Donovan ist, hinter den Grauen Büchern her ist. Enthalten sie irgendetwas Gefährliches?«
»Für die nationale Sicherheit?«
»Für mich
.«
»Nicht dass ich wüsste. Haben Sie Grund zu der Annahme, dass es etwas geben könnte?«
»Wenn ich nicht in den paranoiden Phantasien jugendlicher Internetkrieger auftauche, mache ich meine Arbeit nicht richtig. Und solange Dreck geschleudert wird, bleibt zwangsläufig was hängen. Was glauben Sie, wird er mit dem Quatsch anfangen, wenn er ihn in Händen hält?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sie sind angeblich beim Geheimdienst. Wagen Sie eine Vermutung.«
»Ich kann nur annehmen, dass er nach einer Bestätigung für seine Lieblingstheorie sucht.«
»Wir aber haben keine Ahnung, worum es sich dabei handelt?«
»Etwas Militärisches, könnte ich mir vorstellen. Wie wichtig kann es schon sein? Das ist völlig hanebüchenes Zeug. Vielleicht recherchiert er für ein Drehbuch, was weiß ich!«
»Ich schätze Humor an der richtigen Stelle. Er ist nicht angebracht, wenn ich gerade von der Leiterin meines eigenen Sicherheitsdienstes kompromittiert wurde!«
Diana Taverner war klug genug, darauf nicht zu reagieren.
Judd arbeitete sich durch einen Gedankengang, Zug um Zug. Endlich sagte er: »Tearney wird Donovan entkommen lassen, weil sie mich dann endgültig am Haken hat. Was sie betrifft, ist mein Plan nach hinten losgegangen, hatte einen Toten zur Folge und hat einem Verrückten jede Menge Service-Geheimnisse in die Hände gespielt. Und selbst wenn es nur Klopapier wäre – die Presse würde sich so oder so daran weiden. Ich kann ihr also nur den Arsch küssen und so tun, als würde es mir Spaß machen.« Er schlug mit der zusammengerollten Zeitung auf die Bank und jagte damit ein Taubenpaar in die Flucht. »Wenn sie andererseits herausfindet, dass das Tigerteam Ihre Idee war, wird sie Sie schön langsam häuten und an die Spinnen verfüttern. Sie hat mich in der Tasche, aber ich habe Sie in meiner, Diana. Was bedeutet, dass meine Interessen die Ihren sind. Ich vertraue darauf, dass Sie das im Hinterkopf behalten.«
»Verlassen Sie sich darauf«, sagte sie.
Ohne Vorwarnung streckte er die Hand aus, packte ihre rechte Brust und drückte zu. »Wenn ich zum Schluss käme, dass das alles Teil Ihres Spiels war, wäre ich sehr enttäuscht. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
Er hatte Angst oder zumindest Besorgnis erwartet. Womit er nicht gerechnet hatte, war ihre Hand in seinem Schritt, wo sie ebenfalls fest zudrückte.
»Sind Sie sicher?«, fragte sie. »Sie fühlen sich nicht enttäuscht an.«
Judds rauhes, tiefes Gelächter scheuchte die zurückkehrenden Tauben wieder davon.
Ein Baguette mit Huhn. Das war ja wohl nicht viel verlangt.
Aber Marcus war jetzt schon eine Dreiviertelstunde unterwegs, und das Mittagessen schien nur ein Bürotagtraum gewesen zu sein: eine dieser kurzen Phantasien, bei denen man sich daran erinnert, wie es war, als man das letzte Mal etwas Anständiges zu essen hatte. In den vergangenen Wochen hatte das Abendessen aus dem bestanden, was Shirley noch aus dem Kühlschrank zusammenkratzte und anschließend im Stehen verschlang. Was das Trinken anging, klappte es besser – ein Drink war jederzeit drin. Aber in puncto Essen war sie ziemlich darauf angewiesen, dass sie zur Mittagszeit etwas Festes zu sich nahm, ein Sandwich vom Laden um die Ecke oder eine komplette Mahlzeit vom Chinesen. Wenn Marcus nicht bald mit irgendetwas zurückkam, würde sie vor Hunger ohnmächtig werden.
Okay, sie waren vorhin in der Eisdiele gewesen. Aber Eis zählte nicht.
Dieser verdammte Marcus. Eigentlich sollte er das hier machen, und sie sollte danebenstehen und zusehen.
Finden Sie heraus, wo die Grauen Bücher sind,
hatte Lamb gesagt und mit seiner Pranke gewedelt, als könnte er die Schwierigkeiten damit wegwischen.
Aber woher sollte sie denn wissen, wo der Service seinen Müll aufbewahrte?
Shirley kramte eine Weile in ihrer Schreibtischschublade herum und fand den benutzten Umschlag, auf den sie ihre Passwörter gekritzelt hatte, inmitten eines wüsten Haufens von Kreditkartenbelegen und Flugblättern für DJ
-Nights. Das Intranet des Geheimdienstes war durch einen blassblauen Bildschirm mit dem königlichen Siegel in der Mitte gekennzeichnet: Sie klickte es an, gab ihre ID
-Nummer und ihr Passwort ein (»DuKannstMichMal«) und klickte sich dann zu einer Mitarbeiterliste mit E-Mail-Adressen und Telefonnummern durch.
So weit, so gut.
Die Königinnen der Datenbank waren ihre erste Anlaufstelle: Sie wussten alles und noch mehr. Shirley konnte nicht mit Sicherheit behaupten, dass sie ihre Pausen damit verbrachten, Personalakten nach kompromittierenden Fakten zu durchforsten, aber man konnte wohl davon ausgehen. Leider nahmen sie die meisten anderen Aspekte des Official Secrets Act sehr ernst, was bedeutete, dass selbst diejenige, zu der Shirley damals, als sie im selben Gebäude gearbeitet hatten, einen ganz guten Draht gehabt hatte – die mit den hohen Wangenknochen und den Augenbrauen, die so fein waren, dass sie bei entsprechendem Licht verschwanden –, nicht bereit war, ihr über etwas Harmloses wie Außenarchive Auskunft zu geben.
»Das könnte mich meinen …«
»… Job kosten. Ja, ich weiß.«
»Danke, Süße. Ist es schlimm für dich da drüben? Slough House soll ja völlig langweilig sein.«
Shirley kam ihr Passwort in den Sinn, während sie die Verbindung kappte.
Sie ging in die Küche, in der Hoffnung, etwas im Kühlschrank zu finden, aber River Cartwright war gerade dort, also konnte sie nicht riskieren, etwas zu klauen. So, wie er dastand, sah man ihm an, dass er Schmerzen hatte, aber er hatte ja auch gerade erst eine Sonderbehandlung von den Dogs erhalten – keine angenehme Erfahrung, wie sich Shirley denken konnte.
»Wie weit bist du gekommen?«, fragte sie ihn, ehrlich interessiert.
»Bis runter in die Archivebene«, antwortete er. Er trank ein Glas Wasser, vielleicht auf der Suche nach undichten Stellen an seinem Körper.
»Da unten regiert doch diese Dingsda, oder? Diese alte Fledermaus auf Rädern?«
»Molly Doran.«
Shirley erinnerte sich an den Namen, obwohl sie der Frau nie begegnet war. Sie war auch eine von diesen Service-Legenden, über die hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde; ein Objekt mäßig interessierter Spekulationen. Sie stakste zu ihrem PC
zurück, und ein Teufelchen flüsterte ihr ins Ohr, dass sie noch ein Briefchen Koks in der Tasche hatte, so fest eingewickelt, dass es wie ein Papierschnipsel aussah. Nichts vertrieb den Hunger so effektiv wie eine Line. Außerdem würde es sie schön wach machen, ihre Konzentration schärfen …
Nein, nein und nochmals nein. Sie war schon ein-, zweimal ein bisschen verstrahlt bei der Arbeit aufgetaucht: Wer war das nicht? Aber sie würde nicht aus einer Teepause eine
Abschussrampe machen, bloß nicht! Sie nippte an der unverschmierten Seite des Glases auf ihrem Schreibtisch und spürte das Wasser bis in den Magen. Das würde für den Moment reichen. Es musste. Sie fand Molly Dorans Nummer auf der Mitarbeiterliste und rief sie an.
Auf dem Rückweg von der Küche blieb River vor Louisas offener Tür stehen und beobachtete, wie sie konzentriert, und ohne den Kopf zu bewegen, auf ihren Bildschirm blickte.
In den seltenen Momenten, in denen er sie sah – sie wirklich wahrnahm, anstatt sich nur ihrer Anwesenheit bewusst zu sein –, war er beeindruckt, wie sehr sich ihr Äußeres seit Mins Tod verändert hatte: andere Frisur, andere Kleidung, als wolle sie systematisch die Person auslöschen, die sie gewesen war. Hätte er sie besser gekannt, hätte er mit ihr darüber geredet. Aber sie waren hier nun mal in Slough House.
Er wollte gerade weitergehen, als sie ihn ansprach, die Augen noch immer auf den Bildschirm gerichtet.
»Stimmt es, was Lamb gesagt hat?«
»Klingt unwahrscheinlich. Was genau meinst du?«
»Dass du Webb besuchst. Im Krankenhaus.«
»Ich weiß nicht, ob man das als Besuch bezeichnen kann«, erwiderte River. »Müsste er es nicht mitkriegen, damit es einer ist?«
»Aber du gehst hin.«
»… Ja.«
»Warum?«
Er antwortete nicht.
Louisa fuhr fort: »Er ist derjenige, der dich nach Slough
House gebracht hat. Und mehr noch: Er war schuld an dem ganzen Schlamassel letztes Jahr. An dem, was mit Min passiert ist. Und du bringst ihm Blumen?«
Ihre Stimme brach beim letzten Wort.
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte River. »Glaubst du etwa, ich wüsste das alles nicht? Er ist ein hinterhältiger Dreckskerl, keine Frage. Manchmal weiß ich nicht genau, ob ich nicht einfach nur nachsehen will, ob er endlich tot ist.«
»Das ist eine Pointe, kein Grund.«
Jetzt, dachte River, wäre eigentlich der richtige Moment zum Gehen, zurück in die Sicherheit seines Büros. Dort könnte er sich auf seinen Stuhl setzen, sich mit Aspirin vollpumpen und hoffen, dass es die Wogen glätten würde, bevor er einen Auftrag bekam, zu dem er Energie brauchte. Aber er konnte nicht gehen, nicht, solange sie sich weigerte, ihn anzusehen. Er hatte sie schon immer für grenzwertig kompliziert im Umgang gehalten, da sie keinen Scheiß duldete. Was wiederum bedeutete, dass er ihr besser kein X für ein U vormachte.
»Okay, na ja … du hast recht. Das ist kein Grund.«
»Warum tust du es dann?«
»Ich rede mit ihm. Über das hier.« Das hier
bedeutete Slough House. Das wussten beide. »Darüber, wie es ist, Tag für Tag hier zu sein. Über den Unterschied zwischen da, wo wir waren, und da, wo es uns hinverschlagen hat.« Er ließ das eine Zeitlang in der Luft hängen. Sie antwortete nicht. Er fuhr fort: »Ich bezweifle, dass er mich hört. Aber wenn doch, wird er es verstehen. Denn wenn du glaubst, das hier ist mies, dann überleg dir mal, dass er nicht mal aus dem Fenster schauen kann.«
Endlich sah sie ihn an. Sie sagte lange nichts.
»Jedenfalls«, sagte er schließlich, »ist es nicht so, dass ich ihn aufmuntere. Wenn überhaupt dann umgekehrt.«
Er war sich nicht sicher, ob das ganz der Wahrheit entsprach, aber es kam ihr so nahe wie möglich.
Nach einer Weile fragte Louisa: »Hast du Schmerztabletten?«
»Ja, Aspirin. Brauchst du eine?«
Sie schüttelte den Kopf, griff in ihre Schublade und warf ihm eine Schachtel zu. »Probier die mal. Die sind stärker.«
Er fing die Schachtel auf. »Danke.«
Sie sah wieder auf ihren Bildschirm.
River kehrte zurück in sein Büro.
Marcus ließ das Leihfahrrad am Schwimmbad stehen und fuhr mit der U-Bahn zurück, und nicht mal die konnte ihm die Laune verderben, obwohl sie in Farringdon stehenblieb – wegen Signalproblemen: Diese wurden oft durch Hitze verursacht, oder aber durch Kälte, oder durch Nässe oder Trockenheit. Er umrundete den Smithfield Market, holte in einem italienischen Feinkostgeschäft ein Hühnchenbaguette und rief von unterwegs zu Hause an, um Cassie Bescheid zu sagen, dass er sich verspäten würde, weil er noch Überstunden machen müsse – ein bewährter Code für einen Einsatz.
»Das musstest du ja schon lange nicht mehr.«
Sie wusste nichts von Slough House. Sie wusste, dass er versetzt worden war, aber nicht, mit welchen Konsequenzen. Er hatte sich nicht dazu durchringen können, es ihr zu sagen.
»Tja, so was weiß man eben nie im Voraus.«
»Pass gut auf dich auf!«
»Na klar doch. Gib den Kindern ein Küsschen von mir.«
Er fühlte sich in Topform – allen anderen weit voraus. Der Blues von heute Morgen schien zu einem anderen Leben zu gehören.
Manchmal, während Shirley grummelnd am Schreibtisch neben ihm auf der Tastatur rumhackte, zog sich Marcus in seine Welt zurück und durchlebte noch einmal die ruhmreichen Zeiten beim Überfallkommando. »Als du noch Türen eingetreten hast«, pflegte Shirley zu sagen. Was bis zu einem gewissen Grad zutraf, aber außer Acht ließ, dass man nie wusste, was einen hinter der Tür erwartete – die Mündung einer Waffe oder ein Irrer mit Semtex-Weste. Wenn man im Märchen die Wahl zwischen verschiedenen Türen hatte, befand sich hinter einer davon zumeist ein Tiger. Deshalb war es am besten, sie einzutreten. Schon beim Gedanken daran spannten sich seine Muskeln, und sein Griff um das Baguette wurde fester – Na super,
dachte er. Mit einem Friedensangebot auftauchen, das er zu Brei gequetscht hatte. Aber mit etwas Glück war Shirley zu hungrig, um darüber zu meckern.
Dieser Gedanke war ihm gerade durch den Kopf gegangen, als ihm auffiel, dass er auf Autopilot geschaltet hatte und, anstatt in die Gasse zum Hinterhof von Slough House einzubiegen, wieder zum Buchmacher gegangen war, wo der Rouletteautomat noch immer sein dämonisches Grinsen trug und ihn dazu herausforderte, einen Schritt weiterzugehen – reinzukommen und seine Tür einzutreten.
Marcus spürte noch immer das Gewicht seines
Portemonnaies in der Hosentasche, dessen neuer Umfang ihn mit der Zuversicht erfüllte, dass sein Schicksal sich gewendet hatte.
Okay, du Mistkerl,
dachte er. Dann wollen wir doch mal sehen!
Molly Doran sagte: »Du liebe Güte. Gleich zwei an einem Tag.«
»Ja, Cartwright sagte, er hätte mit Ihnen gesprochen.«
»Und wie geht es dem jungen Mann? Ist er wieder zurück in … ›Slough House‹?«
»Läuft ein bisschen gekrümmt, aber es geht ihm gut.«
»Erstaunlich. Ich hätte gedacht, dass er einigermaßen Probleme haben würde, seine Eskapaden von heute Morgen zu erklären.«
Shirley langweilte sich bereits. »Er schafft es immer irgendwie, glimpflich davonzukommen. Warum ich angerufen habe …«
»Sie wollten also nicht nur mal kurz guten Tag sagen und sich nach meinem Befinden erkundigen?«
Wie bitte? Wer machte denn so was?
Aber Molly Doran war anscheinend ein Scherzkeks. »Bitte entschuldigen Sie. Die Überraschung, gleich zwei von Jacksons Schützlingen kennenzulernen, hat mich etwas abgelenkt. Fahren Sie fort.«
»Es geht um bestimmte Akten.«
»Oje. Soll das ein neuer Versuch werden? Vielleicht könnte Jackson mich einfach persönlich anrufen und mir erklären, was er vorhat.«
»Nein, das macht er bestimmt nicht. Es hat auch nichts
mit ihm zu tun; ich habe nur eine ganz allgemeine Frage. Über die Archivierung von Aufzeichnungen.«
»Wissen Sie, ich biete jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ja immer an, sich an mich zu wenden, wenn sie Fragen haben, aber nur, weil ich genau weiß, dass sie dies nicht wirklich tun werden. Könnten Sie Ihre Fragen nicht den, äh, Königinnen der Datenbank stellen?«
»Die hatten keine rechte Lust, mir weiterzuhelfen. Dabei habe ich nur eine ganz simple Frage. Ich möchte wissen, wo die Grauen Bücher sind.«
»Die Grauen Bücher?«
»Ja, die ›Spinner-Akten‹. Über die Bekloppten.«
»Ich weiß, wie man sie nennt. Ich weiß allerdings nicht, warum Sie mich danach fragen.«
»Tja, vielleicht weil Sie quasi mit Ihren Akten verheiratet sind?«, erwiderte Shirley schnippisch. »Da kommt man eben auf so eine Idee.«
Molly Doran schwieg für einen Moment.
»Wenn man längere Zeit mit Jackson verbringt, färbt das offenbar ab«, sagte sie dann trocken. »Ich nehme an, dass Sie, genau wie er, die offiziellen Kommunikationswege eher scheuen?«
Wenn Molly es so meinte, wie Shirley glaubte, dann hatte sie wahrscheinlich recht.
»Sie sollten unbedingt Ihren Posteingang überprüfen, junge Dame.«
Und weg war Molly Doran. Statt ihrer Stimme hörte man nur noch das windlose Rauschen einer toten Leitung.
Sie hatte ganz schön Biss, diese Frau. Vielleicht, dachte Shirley, hat sie ihre eigenen Beine abgekaut.
Das hatte also auch nichts gebracht. Sie konnte ebenso gut ihren Posteingang checken, nur für den Fall, dass es ein Hinweis war. Doch als sie nachschaute, fand sie nichts, außer dem neuesten allgemeinen Service-Newsletter von der Personalabteilung: interne Stellenausschreibungen (Slow Horses brauchten sich gar nicht erst zu bewerben), Gesundheit und Sicherheit, Beförderungen und Pensionierungen. Shirley kannte niemanden, der je einen dieser Newsletter geöffnet, geschweige denn gelesen hätte. Auch für sie war es eine persönliche Premiere.
Und da war es, unter »Sonstige Informationen«: Die jüngsten Probleme mit der Speicherung von Informationen sind nun gelöst …
Wäre Marcus da gewesen, hätte sie die Hand zum High Five gehoben, damit er ihr zumindest ein Hühnchenbaguette hineindrückte. Unter den gegebenen Umständen musste sie sich jedoch mit einer schnellen Siegesrunde um ihren Schreibtisch begnügen – spitze, Mädchen!, sagte sie sich. IhrKönntMichMal!
Es war wie ein natürliches High, das all den privaten Mist der letzten Wochen wettmachte, doch sobald ihr dieser Gedanke kam, wusste sie, dass sie ihn sich noch etwas länger hätte verkneifen sollen. Sie hätte den Moment an sich einfach genießen sollen, anstatt ihn als Trost für alles Schlechte zu benutzen … Zu Hause gab es niemanden, mit dem sie ihn später teilen konnte. Sie hatte nicht mal Marcus für einen High five oder zum Faustanstoßen. Verdammt, diese Stimmungsschwankungen, die kamen wie aus heiterem Himmel! Sie setzte sich hin, las die E-Mail noch einmal und versuchte, das Gefühl des Erfolges oder zumindest eines Glückstreffers wieder
heraufzubeschwören. Aber es war weg. So ein Hochgefühl konnte man nicht künstlich hervorrufen.
Zum Glück gab es da andere, verlässliche Methoden.
Judd beobachtete, wie Diana Taverner den kleinen Park verließ. Wohlwollend betrachtete er das Wiegen ihrer Hüften und die Art und Weise, wie sie am Tor kurz innehielt und ihm ein, zwei Sekunden Zeit gab, ihre Formen zu bewundern. Es war wichtig, Frauen mit Respekt zu behandeln, aber, weiß Gott, er freute sich schon darauf, es ihr gründlich zu besorgen – so sehr, dass es angebracht war, noch eine Weile sitzen zu bleiben. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, dass ihn irgendjemand in diesem Zustand fotografierte! Er rollte die Zeitung auseinander, breitete sie als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme auf seinem Schoß aus und versuchte, sich auf das eigentlich Wichtige zu konzentrieren: Dame Ingrid Tearney. Denn der äußere Anschein trog: Derzeit hatte sie seinen Schwanz in der Handtasche, eine Situation, die er nicht länger hinnehmen durfte – ein Wort von ihr zu Nr. 10, und er stünde mir nichts, dir nichts auf der Straße. Illoyalität war die einzige politische Sünde, die man nicht überlebte, wenn man aufflog; ohne sie wäre die Karriere indes ein endloses Kriechen über die Schleimspur. Das machte das Leben als öffentliche Person zu einem solchen Balanceakt. Doch ehrlich gesagt, war es ja gerade deshalb auch so aufregend.
Es geht nicht nur darum, dass man ab und an über ein Minenfeld tanzen muss, mein Junge,
hatte irgendein alter Sack zu ihm im Parlament gesagt. Die Kunst ist, dass du’s mit einem Lächeln auf der Visage tust.
Tja, aber wer kein Grinsegesicht für den Pöbel hatte, verdiente dessen Stimmen sowieso nicht, Judds Ansicht nach. Nicht, dass er das jemals laut sagen würde – das Risiko wäre er niemals eingegangen. Unter keinen Umständen durfte man je das Wort »Pöbel« in den Mund nehmen.
Nachdem ihn diese Überlegungen etwas beruhigt hatten, fühlte er sich in der Lage aufzustehen.
Auf dem Weg zum Tor rief er Sebastian an, seinen Butler und Abfallbeseitiger – den Geist in seiner Maschine, sozusagen. Einigen Abfall, den Seb im Laufe der Jahre entsorgt hatte, hätte man sicherlich nicht zum Recycling geben können – den vergrub man eher nachts auf der Mülldeponie –, aber seine zugegebenermaßen recht begrenzte Palette an Lösungen hatte seinen Herrn und Meister in der Vergangenheit sicher über eine ganze Reihe von Minenfeldern getragen. Man konnte nie sagen, wann sich die Notwendigkeit einer solchen Entsorgung ergab. Und Judd hatte nicht vor, sich ein zweites Mal mit heruntergelassener Hose erwischen zu lassen.
Vielleicht war dieser Satz der Auslöser, aber während er auf Sebs Antwort wartete, erlebte Judd eine fast körperliche Erinnerung daran, wie Diana Taverner ihm in den Schritt gefasst hatte. Ihre Stimme war so ruhig gewesen, als wähle sie eine Avocado aus. Sie fühlen sich nicht enttäuscht an
. Ha! Er hatte nicht mehr so viel unschuldiges Vergnügen empfunden, seit er für alle acht seiner Desert-Island-Discs – die acht Musikstücke, die er als Schiffbrüchiger auf eine einsame Insel mitnehmen würde – Clash-Titel ausgewählt hatte. Danach hatte er erfahren, dass eine alte Schachtel von der Isle of Dogs beim Zuhören buchstäblich einen Schlaganfall
erlitten hatte. Was bewies, dass man es nicht jedem recht machen konnte.
Über Churchill heißt es, er habe sich für ein Nickerchen mit einer Teetasse in der Hand in einen Sessel gesetzt, und wenn die Tasse runterfiel, wurde er von dem Geräusch geweckt. Mehr Ruhe, so behauptete er, brauche er nicht. Bei Jackson Lamb war es ähnlich, mit dem Unterschied, dass er ein Schnapsglas statt einer Teetasse benutzte und nicht aufwachte, wenn es herunterfiel. Catherine fand ihn manchmal morgens auf seinem Stuhl ausgebreitet wie ein gestrandeter Tintenfisch, mit einer Luft im Büro, die wie das Wasser aus einer Vase mit wochenalten Blumen roch.
In diesem Zustand befand er sich, als sich die Slow Horses, ohne Marcus, zur festgelegten Uhrzeit auf seiner Etage versammelten.
River tippte mit einem Finger gegen die angelehnte Bürotür und drückte sie gerade so weit auf, dass sie einen Blick auf Lambs tiefen Schlummer erhaschen konnten. Ein verirrtes Stück Papier auf seinem Schreibtisch flatterte bei jedem heftigen Atemzug.
Shirley fragte: »Sollen wir ihn aufwecken?«
Sie wirkte unnatürlich fröhlich, irgendwie ein bisschen zu aufgekratzt. Andererseits hatte Lamb ihnen gesagt, dass es ernsthaft was zu tun gab: Womöglich, dachte Louisa, war Shirley wegen der Aussicht auf einen bevorstehenden Einsatz so.
»Wo ist Marcus?«, fragte sie.
Shirley zuckte die Achseln. »Er wollte ein Bagwich holen. Ein Sandwich. Ein Baguette-Sandwich.«
Louisa und River wechselten einen Blick.
Ho meinte: »Er hat fünf gesagt. Er wird sauer werden, wenn wir nicht reingehen.«
»Nach dir«, schlug River vor.
Ganz unten öffnete sich mit einem Schaben die Hintertür und schlug zu, und alle dachten Catherine
. Aber es war Marcus, der die Treppe heraufstampfte, als hätten sie ihm etwas angetan. Er kam oben an und fand die anderen zusammengedrängt wie eine Prätorianergarde.
»Was ist?«
»Du kommst zu spät zum Meeting«, sagte Ho.
»Du auch«, erwiderte Marcus. »Es sei denn, das hier ist das Meeting.«
»Wo warst du?«, fragte Shirley.
»Unterwegs.«
»Ich musste die ganzen Recherchen alleine machen. Weißt du, wie das ist?«
»Wenn es sich so anfühlt wie Arbeiten, ja. Hier.« Er reichte ihr eine Papiertüte von unbestimmter Form.
Misstrauisch blinzelnd, beäugte sie sie. »War das mal ein Baguette?«
»Willst du es haben oder nicht?«
»Klar. Egal.«
Louisa sah fasziniert zu, wie Shirley ein zerdrücktes Objekt aus der Papiertüte zog und die Cellophanfolie abpellte. Es war so überhaupt nicht mehr baguetteförmig, dass Shirley es seitwärts essen konnte.
River fragte Marcus: »Alles klar bei dir?«
»Wieso fragst du?«
»Du siehst … angefressen aus.«
»›Angefressen‹? Wo sind wir hier, in Hogwarts?«
»Na schön, dann eben angepisst.«
»Nein, alles klar.«
»Schmeckt trotzdem ziemlich lecker«, sagte Shirley, oder jedenfalls glaubten die anderen, dass sie das gesagt hatte. Sie hatte den Mund zu voll.
»Gut«, erwiderte River, an Marcus gewandt. »Denn du solltest heute Abend vielleicht besser bei der Sache sein, wenn das Spiel losgeht.«
»Keine Sorge, Cartwright. Gib mir die Chance, auf jemanden zu schießen, und ihr könnt auf mich setzen.«
»Gut zu wissen.«
»Egal, auf wen.«
»Ich glaube, da ist Paprika drauf oder so was.«
»Mein Gott noch mal«, mischte sich Louisa ein. »Keiner hat irgendwas von Schießen gesagt. Wir sind ein besserer Escortservice, mehr nicht.«
»Für ein Team, das Catherine entführt hat«, gab River zu bedenken.
»Eben. Solange wir nicht genau wissen, dass sie in Sicherheit ist, schießt hier keiner auf irgendjemanden.«
»Beinahe hätte ich dich gebeten, mir eins mit Thunfisch mitzubringen, aber jetzt bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Hühnchen esse ich definitiv am allerliebsten.«
»Ich glaube, wir sollten reingehen«, sagte Ho.
»Ich glaube, du solltest reingehen«, sagte River und stieß ihn durch die halbgeöffnete Tür.
Ho fiel der Länge nach auf den Teppich.
Ohne die Augen zu öffnen, sagte Lamb: »Sie sind zehn Minuten zu spät.«
»Fünf«, entgegnete Ho.
Lamb zeigte auf die Uhr in seinem Regal.
»Die geht vor«, widersprach Ho.
»Sie geht immer vor. Muss ich die Ortszeit angeben?« Lamb öffnete die Augen und brüllte: »Alle Mann rein!«
Sie stürmten herein, während Ho sich aufrappelte und River giftige Blicke zuwarf.
»Grundgütiger«, knurrte Lamb, fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und zog es in die Länge, so dass er aussah wie einer von Francis Bacons »schreienden Päpsten«. »Eines Tages werde ich aufwachen und feststellen, dass alles nur ein Alptraum war.«
»Das ist mir mal passiert«, sagte Shirley mit vollem Mund.
»Was essen Sie da?«
»… Hühnchen-Baguette.«
»Geben Sie her.«
Shirley schaute erst die Reste ihres Mittagessens, dann Lambs unerbittlich ausgestreckte Hand an. Dann sah sie hilfesuchend zu Marcus, doch der reagierte nicht.
»Jetzt schauen Sie nicht so entsetzt«, sagte Lamb. »Schadet Ihnen nichts, mal ein paar Mahlzeiten auszulassen.«
»Dürfen Sie so was überhaupt sagen?«, beschwerte sie sich, gab aber auf und reichte ihm das Sandwich.
»Keine Ahnung. Hab das Handbuch nicht gelesen.« Misstrauisch inspizierte er die Beute. »Wurde das von einem Bus überfahren oder was? Man kann so was frisch kaufen, wussten Sie das nicht?« Er biss trotzdem davon ab; danach war nur noch ungefähr die Hälfte übrig. »Und, haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht?«
Ein gemurmelter Chor der Zustimmung.
»Schön. Zuerst Cartwright. Sean Donovan. Was haben Sie?«
»Sean Donovan«, begann River. »Berufssoldat, Kriegsveteran. Sandhurst, Dienst in Nordirland, dann beim Verteidigungsministerium. Danach diente er bei der UN
-Schutztruppe auf dem Balkan, dann bei der NATO
während des Kosovokrieges. Er war Oberstleutnant, bis das vorbei war, und rechnete damit, dass er für was Höheres bestimmt war.«
»Wie hoch?«, fragte Shirley und kicherte plötzlich los.
Lamb hörte auf zu kauen und sandte ein Basiliskenstarren in ihre Richtung.
River fuhr fort: »Er hatte einen guten Ruf im Verteidigungsministerium. Er saß in einigen hochrangigen Kommissionen, einschließlich einer für inländischen Terrorismus, die Verbindungen zum Regent’s Park hatte, und war 2008 Mitglied eines Beratungsgremiums der UNO
. Im selben Jahr erschien in einer Zeitung ein Porträt von ihm, das ihn als den perfekten modernen Soldaten, teils Krieger, teils Diplomat, darstellte.«
»Ein Mann ohne Fehl und Tadel, gefällt mir«, bemerkte Lamb, knüllte das Sandwichpapier zu einem Ball zusammen und warf ihn über seine Schulter. »Erinnert mich an mich.«
»Allerdings hieß es, er würde zu viel trinken.«
»Na also«, sagte Lamb. »Perfekt.«
»Und was ist faul an ihm?«, fragte Marcus. »Ist er schwul? Handelt er mit Waffen? Oder verkleidet er sich gern als Nazi?«
Lamb starrte ihn an. »Was haben Sie denn für ein Problem? Sie sehen aus, als hätten Sie einen Fünfer verloren und einen Button gefunden.«
»… Einen Button?«
»Verzeihung, Woodstock-Generation.«
River redete weiter. »Aber dann ging Donovans Karriere den Bach runter, quasi über Nacht. Nicht lange nach seiner Zeit bei den Vereinten Nationen besuchte er eine Kaserne in Somerset, um vor Kadetten einen Vortrag zu halten. Danach gab es offenbar eine wilde Party in der Kantine, und Donovan ist noch ins Auto gestiegen. Unterwegs hat er die Kontrolle über den Wagen verloren, kam von der Straße ab, und seine Beifahrerin, eine Captain Alison Dunn, kam dabei ums Leben. Er wurde vor ein Militärgericht gestellt, bekam fünf Jahre Gefängnis und wurde anschließend unehrenhaft entlassen. Das war vor etwa einem Jahr.«
»Okay«, gab Lamb zu. »Vielleicht nicht ganz ohne Fehl und Tadel.« Er hob einen dicken Finger: »Also. Er hat eine Verbindung zum Regent’s Park.« Es folgte ein zweiter Finger: »Und er säuft. Und?«
Niemand sagte etwas.
»Mein Gott noch mal, muss man denn alles selber machen? Er hat Standish nicht zufällig ausgewählt. Er kannte sie von früher.« Er deutete auf River. »Wie ist Sergeant Rock bei Black Arrow gelandet?«
»Erinnern Sie sich an den Spider-Man-Vorfall?«
»Ein als Comicfigur verkleideter Idiot ist von einem Gebäude gefallen«, resümierte Lamb.
Es war im Winter passiert, unweit von Slough House. Der Vorfall hatte ein paar Tage lang Schlagzeilen gemacht
und war Gegenstand verschiedener Stand-up-Comedians gewesen, weil der Typ nicht gestorben und, nun ja, als Spider-Man verkleidet gewesen war.
»Er wurde von einem Gebäude geworfen«, berichtigte River. »Es sollte eine Demonstration werden, eine ›Fathers 4 Justice‹-Aktion. Er war geschieden, und ihm wurde sein Besuchsrecht verweigert.«
»Hat er sich beschwert oder gefeiert?«
River ignorierte Lamb. »Sein Name war Paul Lowell, ehemaliger Detective Inspector bei der Middlesex Constabulary und seit kurzem Sylvester Monteiths Stellvertreter bei Black Arrow. Er hat nie erfahren, wer ihn auf die London Wall geworfen hat. Über die Website von ›Fair Deal for Fathers‹ hatte er Kontakt mit dem Betreffenden aufgenommen, und wer auch immer es war, kam als Batman verkleidet. Er wurde nie gefasst.«
»Soso«, sagte Lamb. »Wer könnte das wohl gewesen sein?«
»Donovan«, sagte Shirley.
»Es war eine rhetorische Frage. Mein Gott, wenn ich auf etwas keine Antwort wüsste, glauben Sie, ich würde Sie fragen?«
Als er sich sicher war, dass Lamb fertig war, sagte River: »Monteith hat Sean Donovan noch in derselben Woche eingestellt.«
»Es geht doch nichts über Eigeninitiative bei der Stellensuche. Ich hoffe, keiner von Ihnen glaubt, dass das der Weg nach oben ist.«
»Wir würden Sie niemals durch das Fenster kriegen«, murmelte Louisa.
Lamb rieb sich mit der Hand über das Stoppelkinn; ob er das eine oder das andere kratzte, war die Frage. »Okay, er ist es also. Aber was will er mit den Grauen Büchern? Sie.« Er zeigte auf Louisa. »Los.«
Louisa sagte: »Es gibt eine Reihe von Foren, in denen sich Verschwörungstheoretiker treffen, um ihre Theorien auszutauschen. Wir reden hier nicht über das Dark Net, das ist alles öffentlich – na ja, natürlich sind Seiten passwortgeschützt.«
»Aber wir haben die Passwörter.«
»Wir haben die Passwörter.«
Sie nannte einige der Sites, erntete aber nur blanke Gleichgültigkeit von ihren Zuhörern – außer von Shirley, die die ganze Zeit begeistert nickte.
»Vor etwa einem Jahr, ungefähr zu der Zeit, als Donovan aus dem Gefängnis gekommen sein muss, tauchte in den Foren ein Teilnehmer namens BigSeanD auf.«
»Wie überaus scharfsinnig von Ihnen, daraus auf Donovan zu schließen«, bemerkte Lamb.
»Vielen Dank. Ja, der Name und Hinweise auf einen militärischen Hintergrund. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Online-Krieger sich aufplustern, aber dieser User postete Kommentare, die mit Donovans Erfahrungen korrelieren. Über den Balkan und die UNO
.«
Sie erklärte ihnen alles. Allem Anschein nach passte »BigSeanD« gut in die betreffende Online-Community, wo die vorherrschende Einstellung dem ähnelte, was man erhielte, wenn man die DNA
eines Einzelkindes, eines Daily-Mail
-Lesers und eines bösartigen Bazillus kombinierte: einen egozentrischen Organismus, voll aufgestauter Wut, der
nach allen Seiten giftige Jauche verspritzte. Die Symptome umfassten den Hang, in GROSSBUCHSTABEN
zu verfallen, die Ablehnung jeglicher abweichenden Meinung, welche grundsätzlich als Arschkriecherei gegenüber der Lügenpresse galt, sowie die offensichtliche Unkenntnis des Prinzips von Ockhams Rasiermesser, dass die einfachste Theorie die beste ist.
»Also, was ist sein Spleen?«
»Das Wetter.«
»Wie bitte?«
»Er hat einen Tick mit dem Wetter. Er glaubt, es würde von jemandem kontrolliert. Von der Regierung. Denen
.«
Daraufhin herrschte erst einmal Schweigen.
Dann sagte Lamb: »Mein Gott, und dem hat man erlaubt, Waffen zu tragen!«
»Er postet viel über das Projekt Cumulus, eine Regierungsoperation in den fünfziger Jahren, die vom Militär unterstützt wurde. Es ging dabei um Wolkenimpfen und künstliche Regenerzeugung.«
Lamb schielte zum Fenster, wo die Jalousie sich vergebens abmühte, das Sonnenlicht abzuschirmen. »Funktioniert ja hervorragend.«
»Neunzehnzweiundfünfzig gab es eine schwere Überschwemmung in Lynmouth, in Devon. Vierunddreißig Menschen starben. Es gibt einige, darunter BigSeanD, die glauben, dass das Projekt Cumulus daran schuld war. Was als Demonstration für die technische Möglichkeit, Regen zu erzeugen, gedacht war, geriet außer Kontrolle.«
»Zweiundfünfzig ist lange her«, bemerkte Marcus.
»Aber die Theorien dazu kursieren immer noch. Es gibt
eine amerikanische, vom Militär finanzierte Organisation namens HAARP
– irgendetwas mit Hochfrequenzübertragungen –, die ein Wetterkontrollsystem entwickeln soll. Überschwemmungen, Hurrikane, Tsunamis – sie stehen vor einer gewaltigen Aufgabe. Der menschengemachte Klimawandel, behaupten die Webheads, sei kein Nebeneffekt des übermäßigen Konsums, sondern ein bewusster Versuch, in die Meteorologie einzugreifen. Insbesondere, um sie zur Waffe zu machen.«
Shirley sagte: »Das ist ja wie …«
Doch wie es genau war, fiel ihr nicht ein.
»Und darüber soll etwas in den Grauen Büchern stehen?«, fragte Lamb.
»Tja, offensichtlich sind sie eine Fundgrube für Verrücktheiten. Ein bunter Kiosk für die Verschwörungsbrigade. Die Überschwemmung von Lynmouth – dazu gibt es bis heute geheime Regierungsdokumente, die Ergebnisse einer Untersuchung des Sonderausschusses enthalten. Wenn die dabei sind, wäre das genau das, was Donovan will. Oder so.«
»Sie klingen nicht überzeugt. Sind Sie sich nicht sicher, dass er dahintersteckt?«
Louisa zuckte die Achseln. »Die Daten passen alle. Wie gesagt, BigSeanD hat erst angefangen zu posten, als Donovan aus dem Knast gekommen ist. Ich vermute, dass man in einem Militärgefängnis nicht ins Internet darf.«
»Ich dachte, die Marschmusik wäre Strafe genug.« Lamb lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der jedes Mal drohte zu bocken und seinen Reiter abzuwerfen. Aber seine Federn hielten. Lamb starrte an die Decke und sagte: »Okay. Die
Karriere unseres Goldjungen geht den Bach runter, er wandert für fünf Jahre in den Bau und entwickelt eine Besessenheit für ›Akte X‹-Hokuspokus. Und wir sollen ihm jetzt helfen, diese Akte in die Finger zu bekommen. Und, wie weit sind Sie mit Ihrem Fischzug?«
»Mit meinem was?«, fragte Shirley, die sich angesprochen fühlte.
»Allmächtiger!«
Marcus erklärte: »Er will wissen, wo sie aufbewahrt werden. Die Grauen Bücher, hast du’s herausgefunden?«
»Ach so, na klar, ja, habe ich, und wissen Sie, wie? Es steht tatsächlich in einer E-Mail, einer dieser internen Service-Mails, die die Personalabteilung verschickt. Sie wissen schon, mit Stellenausschreibungen und Beförderungen und Links, wo man sich über die Rente informieren kann.«
»Nur zu, erschießen Sie sie, wann immer Sie Lust dazu haben«, sagte Lamb zu Marcus.
Marcus legte Shirley die Hand auf die Schulter. »Wo? Sind? Die Grauen Bücher?«
»Ich weiß es nicht genau, aber es wurde gerade ein neues, externes, geheimes Archiv in Betrieb genommen, wo alle sogenannten ›nicht wichtigen‹ Daten von Ops untergebracht werden, also ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie dort lagern, meint ihr nicht?«
»Könnten Sie wohl ein wenig genauer spezifizieren, wo dieses Archiv ist?«
»Westlich von Hayes«, antwortete Shirley. »Das ist immer noch London, oder?«
»Kommt darauf an, ob Sie ein Immobilienmakler oder ein fühlendes Wesen sind«, sagte Lamb. »Aber tatsächlich
lagern sie vermutlich dort.« Weißt du, worin in den letzten Monaten meine Führungsaufgabe bestand?,
hatte Diana Taverner ihm ihr Leid geklagt. Ich habe die Neusortierung von Papierkram überwacht. Die Auslagerung der Spinner-Akten, der toten Akten …
Lamb musterte seine Crew. »Mein Gott. Ein durchgeknallter Ex-Soldat gegen euch, gegen einen Haufen Verlierer mit weniger Elan als eine arthritische Schildkröte. Ich frage mich, wie das wohl ausgehen wird.«
»Wir kriegen ihn«, versicherte Marcus.
»›Wir‹ werden gar niemanden kriegen«, erwiderte Lamb. »Und wissen Sie, warum? Weil es darum geht, ihn ungeschoren davonkommen zu lassen. Oder haben Sie diesen Teil vergessen, als Sie sich für Sundance Kid ausgaben?«
»Oh.«
»Ja, oh.«
»Ich habe nur ein bisschen geübt. Damit ich nicht einroste.«
»Sie wurden ausgemustert, schon vergessen? Und wenn Sie sich für mich ausgeben, dann bitte schön, wenn Sie meinen Gesundheitscheck für mich machen. Und bis dahin werden Sie tun, was ich Ihnen befehle. Auch wenn es bedeutet, dass Sie vor einem Bildschirm hocken müssen.«
»Aber die Aufgabe wurde doch erledigt. Shirley hat Ihnen gerade gesagt, wo die Akten aufbewahrt werden.«
»Wobei es mich wundert, dass sie überhaupt lange genug aufgehört hat zu reden, damit wir verstehen konnten, was sie sagen wollte.« Lamb richtete den Blick auf sie. »Ich habe von dem probiert, was hier als Kaffee durchgeht. Und das war es nicht, was Sie so hibbelig macht.«
»Streng genommen befinden wir uns außerhalb der Dienstzeit«, murmelte Shirley.
»Das war einmal«, erwiderte Lamb. »Streng genommen sind Sie gar nicht mehr im Dienst.«
Marcus und Shirley wechselten einen verwirrten Blick.
»Mein Gott«, seufzte Lamb. »Demnächst kann man hier niemanden mehr rausschmeißen, ohne ihm vorher ein Wörterbuch in die Hand zu drücken.«
River, Louisa und Roderick Ho rückten unwillkürlich ein wenig näher zusammen.
Marcus starrte erst sie an, dann Lamb. »Das können Sie nicht machen!«
»Ich habe es gerade getan.«
»Das ist eine ungerechtfertigte Entl…«
»Sie haben einen direkten Befehl missachtet, ganz zu schweigen von der Fälschung meines Namens in einem Geheimdienstregister. Und die Augäpfel ihrer Partnerin rotieren immer noch von dem, was sie sich in die Nase gepfiffen hat. Glauben Sie ernsthaft, dass wäre ein Fall von ungerechtfertigter Entlassung?«
»Aber Sie brauchen uns! Sie brauchen mich. Wie wollen Sie Catherine zurückholen, ohne dass …«
Lambs Kaffeetasse wirbelte an Marcus’ Schulter vorbei und zerschellte an der Bürowand. Unterwegs verzierten die Spritzer des Bodensatzes Marcus und Shirley wie ein Pollock-Gemälde. Marcus’ Worte wurden von zerbrechendem Geschirr und dem mitfühlenden Klirren der Fensterscheibe verschluckt.
Als der Lärm verhallt war, klang Lambs Stimme bedrohlicher, als die Slow Horses es von ihm gewohnt waren.
»Sie haben sich unerlaubt vom Arbeitsplatz entfernt. Sie hat Drogen genommen. Würden Sie mir mal erklären, inwiefern uns das helfen soll? Denn Sie haben vielleicht mal zum Heißen Scheiß gehört, aber hier und jetzt sind Sie nur ein weiterer Versager, und ich werde nicht riskieren, dass Sie in irgendeiner Form mitmischen, solange ich eine Agentin hinter den Linien habe! Also nehmen Sie Ihre Handpuppe hier, räumen Sie Ihre Schreibtische, und verpissen Sie sich aus meinem Gebäude! Um den Papierkram kümmere ich mich morgen.«
Lange Zeit starrte Marcus Lamb an, dessen Augen kalt wie Stein waren. An der Wand hinterließ der tröpfelnde Kaffee ein Muster in den Rissen im Putz; eine neue Küstenlinie wurde auf die Landkarte geätzt. Shirley schnüffelte einmal, ein hundeähnliches Geräusch, als wäre ihr ein Gedanke in den Sinn gekommen, den sie aber erst analysieren musste. Marcus öffnete den Mund, schloss ihn wieder und wandte sich zum Gehen.
»Passt auf euch auf«, sagte er zu River und Louisa, als er ging.
Er hätte natürlich auch Ho gemeint haben können.
Shirley sagte nur »Fuck!« und folgte in seinem Kielwasser.
River spürte, wie etwas Unangenehmes an seinem Rücken hinunterrieselte: dieses schleichende Gefühl, dass er gerade einer Kugel entgangen war.
Eine Bürotür schlug unten zu, und ein Möbelstück krachte zu Boden.
Lamb zauberte wie aus dem Nichts eine Zigarette hervor und wedelte damit in ihre Richtung. »Damit bleiben nur Sie
beide übrig. Und glauben Sie mir, das sagt mehr über die Alternative als über Sie aus.«
»Wir sind zu dritt«, murmelte Ho.
»Sie sind noch hier?«
»War das wirklich nötig?«, fragte Louisa. »Donovan ist ein Profi, und wie wir wissen, schreckt er vor Gewalt nicht zurück. Wir …«
Lamb warf ihr den gleichen Basiliskenblick wie Shirley zu, und sie brach mitten im Satz ab.
»Wir hätten Marcus gut gebrauchen können«, sagte River. »Mehr wollen wir ja gar nicht sagen.«
Ein Streichholz flammte auf, und Lambs Gesicht glänzte im Feuerschein.
Sie hörten Schritte, die Slough House verließen, und das Kratzen und Scharren der Hintertür, die aufgerissen wurde. Sie hörten nicht, wie sie sich schloss. Nach einer Weile stieg ein warmer Luftzug bis zum obersten Stockwerk herauf und strich um ihre Knöchel wie eine Katze. Lamb rauchte, und sein Büro nahm den blaugrauen Farbton eines nächtlichen Jazzclubs an. Das Licht, das schräg durch die Jalousie hereinfiel, fing Staubpartikel ein, die in Spiralen durch die Luft wirbelten. Wenn man sehen kann, was man einatmet, dachte River, wird es wirklich Zeit, Land zu gewinnen.
Schließlich sagte er: »Okay, bleiben also nur noch wir. Und was machen wir jetzt? Warten, bis Donovan Kontakt aufnimmt?«
»Ich glaube nicht, dass wir lange warten müssen«, sagte Lamb.
Und weil, wie River später spekulierte, Lamb vor langer Zeit seine Seele gegen die gelegentliche Zurschaustellung
von Allwissenheit verkauft hatte, klingelte genau in diesem Moment Rivers Handy.
Catherine,
sagte sein Display.
Aber es war Donovan.