»Ich weiß nichts«, wiederholte Yella noch einmal. »Und ich wäre dir dankbar, wenn wir es dabei belassen könnten.«
Ihre Augen wanderten zu ihren Söhnen, um Helen wortlos zu verstehen zu geben, dass sie fand, dass das Thema nicht für die Ohren der Jungs geeignet war. Jetzt hatte sie auch noch Ärger mit Yella.
Schweigend setzten sie Amelie im Kulturdorf ab, bevor sie zu ihrem Ferienhaus abbogen. Helen steuerte das Auto in die Parkbucht vor der Villa Vlinder und erstarrte, als sie realisierte, dass die Haustür offen stand.
»Ich hatte abgesperrt«, sagte Helen. »Ganz sicher.«
»Vielleicht die Reinigungskraft?«, meinte Yella.
»Habe ich nicht mitgebucht«, sagte Helen.
Sie starrten in Richtung Eingang. Jemand war in ihrer Abwesenheit in die Villa eingedrungen. Und dieser Unbekannte bewegte sich vielleicht immer noch durch die Räume.
»Wir kennen niemanden hier«, sagte Yella. »Besuch wird es nicht sein.«
Aber alle kennen uns, dachte Helen. Sie ließ ihren Blick suchend über die Umgebung gleiten. Kein unbekanntes Fahrrad auf dem Muschelpfad, kein Auto, das auf einen Besucher schließen ließ. Nur die Tür, die sachte im Wind auf und zu schlug. Sie nahm jedes Detail in sich auf. War da eine Bewegung hinter dem Fenster? Ein Schatten? Im Badezimmer?
»Was soll schon sein?«, sagte Yella ohne jede Überzeugung in der Stimme.
»Du bleibst im Auto«, schlug Helen vor.
»Ist das der Geist?«, fragte Leo ängstlich.
Helen öffnete die Fahrertür. Ihre Schuhe knirschten auf dem Untergrund. Wie immer beobachtete das Backsteingesicht jeden ihrer Schritte.
»Hallo«, rief sie.
Keine Antwort.
Vorsichtig näherte sie sich der Eingangstür und steckte den Kopf hinein.
»Ist da jemand?«
Wer auch immer in die Villa eingedrungen war, hatte nicht vor, sich freiwillig zu offenbaren.
»Und?«, rief Yella vom Auto. »Was ist?«
Jetzt klebten auch die beiden Jungengesichter an der Scheibe.
»Was machst du da?«, rief Nick begeistert.
Das war eine berechtigte Frage. In Filmen gingen Leute grundsätzlich in den Keller, wenn sie verdächtige Geräusche aus dem Untergeschoss aufschreckten. Am liebsten nachts, wenn zur Geisterstunde das Licht ausgefallen war und ein bekannter Serienmörder sein Unwesen in der Gegend trieb. Helen war weder eine Actionheldin noch mutig. Am liebsten würde sie davonlaufen. Aber wenn sie herausfand, wer sich so lebhaft für die Familie Thalberg interessierte, kam sie vielleicht den Geheimnissen, die sich immer noch um die Sturmnacht und ihre Familie rankten, ein Stück näher.
Vorsichtig betrat sie den Vorraum und lauschte in die Räume hinein. Irgendwo lief Wasser. Kein Zweifel. Irgendjemand war in das Haus eingedrungen.
»Hallo«, rief sie noch einmal und versuchte, ihrer Stimme einen harmlos-heiteren Grundton zu geben. »Wir sind wieder zurück.«
Irgendwo fiel etwas herunter. Offenbar hatte sie den Eindringling erschreckt. Dann wieder Stille. Helen griff den Feuerhaken vom Kamin und kam sich nachgerade lächerlich vor. Nie im Leben würde sie damit zuschlagen, aber vielleicht genügte es, wehrbar auszusehen. Vorsichtig näherte sie sich der Küche, wo die Geräusche herkamen. Sie zuckte zusammen, als eine düstere Gestalt aus der Ecke beim Kühlschrank hervorschnellte.