Jan Dekker wusste gar nichts. Der große, schwere Mann war sichtlich aus der Form und wohl schon lange aus dem aktiven Dienst bei der Feuerwehr ausgeschieden.
Der Mann schüttelte traurig den Kopf. »Leider habe ich Ira nicht mitgemacht«, sagte er.
Helen war sich nicht sicher, ob er betrübt war, ihr nicht weiterhelfen zu können, oder bedauerte, den legendären Sturm verpasst zu haben.
»Aber Henk weiß vielleicht etwas.« Von Henk ging es zu Bart, Cees, Frank, zu Karin von der Telefonzentrale, Laurens, Dick, Lola, der Witwe des ehemaligen Kommandanten, und wieder zurück zu Jan Dekker. Helen wurde herumgereicht wie ein Wanderpokal. Es gab Anglerlatein, Seemannsgarn und Feuerwehrgeschichten. Mit jedem Jahr, das verging, wurden die Flammen höher, die Brände dramatischer, die Einsätze legendärer. Jeder aus dem Korps hatte etwas über Sturm Ira zu erzählen. Manche aus erster, viele nur aus zweiter und dritter Hand.
»War das nicht die Nacht, in der die Strandhütte Parnassia abgebrannt ist?«
»Nein, das war später.«
»Das war nicht Parnassia, das war Duinroos. Und das war während des Schneesturms.«
»Der Unfall auf dem Zeeweg.«
»Der Motorradfahrer?«
»Der VW -Bus, der Tage in den Dünen lag, weil alle Bergegeräte im Einsatz waren.«
Die Feuerwehrleute waren unendlich bemüht. Sie wollten alle ihre Geschichten mit Helen teilen. Alle. Jeder. In allen Einzelheiten. Helen war gerührt: Diese großen, mutigen Männer, die ihr Leben riskierten, um anderen in lebensbedrohlichen Situationen zu helfen, waren ganz weich. Jeder von ihnen hatte während seiner aktiven Laufbahn tödliche Dramen erlebt, die Spuren in ihrer Seele hinterlassen hatten. Sie litten mit Helen und ihrer Familie mit. Nach Sturm Ira hatte die Feuerwehr einen Psychologen eingestellt. Das Schicksal von vier Kindern, die den Vater verloren hatten, hatte keinen im Korps kaltgelassen.
»Er muss auf einen Schlag tot gewesen sein«, sagte einer der Männer. »Er hat vermutlich gar nicht mitbekommen, was passiert ist.«
Dass jemand auf der Suche nach den Helfern von einst war, rührte die Feuerwehrleute. Eilig holten sie selbst den wachhabenden Offizier vom Polizeiposten heran. Der wusste den Namen des früheren Pressefotografen.
»Aad war so lange im Dienst, gut möglich, dass er auf dem Zeeweg fotografiert hat.«
Er wohnte gleich um die Ecke und kam sofort vorbei. Informationen über den Unfall hatte er nicht. Er war nur bei dem Trauermarsch dabei gewesen.
An ihrem Gesicht las er ab, dass sie noch nie davon gehört hatte.
»Wusstest du das nicht?«, fragte Aad.
»Der Campingplatz hatte den stillen Marsch organisiert«, sagte er. »Ich habe deiner Mutter Fotos davon geschickt.«
Helen schüttelte traurig den Kopf. Die Mutter hatte die Fotos für sich behalten. Wie so vieles.