Kapitel 1

O’ahu

Die Brandung wirbelte mir schäumend um die Füße, der laue hawaiianische Passatwind fächelte durch die Palmen und trieb den Geruch von Kokosöl herüber. Ich stand da und starrte zum Horizont.

»Audrey!«

Ich warf einen Blick über die Schulter zu den drei Frauen, die im Sand auf einer großen Decke lagen. Die hatte eine von uns vom Bett geschnappt, als wir zur Tür hinausgestürzt waren in der Hoffnung, den Sunset Beach früh genug zu erreichen, um einen Parkplatz zu bekommen. Die bevorstehenden Winterwellen lockten immer mehr Surfer an. Sie bevölkerten meinen Lieblingsstrand und machten jeden Moment der Stille zunichte. Wie befürchtet, war der Parkplatz fast vollständig belegt von Militärjeeps, holzverkleideten Kombis und Ford Coupés, beladen mit bunten Surfbrettern und anderen Strandutensilien.

»Ja?«, rief ich zurück.

Ruby, Catherine und Jean rekelten sich in der Spätvormittagssonne, ihre Haut glänzte.

»Willst du den ganzen Tag da stehen bleiben?«, fragte Ruby und richtete das Oberteil ihres neuen signalroten Zweiteilers. Catherine hatte ihr unterstellt, ihn absichtlich eine Größe zu klein gekauft zu haben: Das Oberteil bedeckte ihre Brüste nur knapp.

»Schon möglich.«

»Dann rück ein Stück in meine Richtung. Ich könnte etwas Schatten gebrauchen.«

»Das bisschen Schatten, den die wirft, wird dir nicht viel nützen«, meinte Jean, nahm ihren breitkrempigen Strohhut ab und fächelte sich damit Luft zu, während sie mit der anderen Hand die dichten blonden Locken anhob, die ihr im Nacken klebten.

Catherine drehte sich vom Bauch auf den Rücken und setzte sich auf. Sie sah traumhaft aus in ihrem weißen Badeanzug mit Nackenhalter und Rüschen am Saum. »Zwischen meinen Brüsten hat sich ein ganzer See gebildet«, sagte sie, woraufhin zwei Männer, die gerade am Strand vorbeigingen, kurz stehen blieben. Sie schenkte ihnen ein kokettes Lächeln und strich genüsslich mit einer manikürten Hand über das lange Bein.

Als ich mich wieder zum Wasser umdrehte, streifte mein Blick einen Mann, der zehn Meter von mir entfernt auf der Seite lag. Er sah von seinem Buch auf, unsere Blicke begegneten sich.

Lieutenant Hart.

Ich schnappte kurz nach Luft und wandte mich ab. Lieutenant James Hart, der befehlshabende Offizier der Pilotenausbildung auf dem Wheeler Army Airfield und Vorgesetzter meiner Chefin. Aus mir unerklärlichen Gründen brachte er mich durcheinander. Nicht auf bedrohliche Art, nein, es war etwas anderes. Etwas Stilles. Verlockendes. Ein leichtes Flattern, das sich tief in meinem Bauch eingenistet hatte, seit wir uns eines Morgens vor vier Monaten auf dem Rollfeld begegnet waren, und das sich nicht legen wollte. Unwillentlich drehten sich meine Gedanken um ihn, selbst wenn ich nicht direkt vor seiner Nase neue Piloten ausbildete. Außerdem hielt er sich auch noch an seinen freien Tagen häufig am selben Ort wie ich auf, was es nicht besser machte.

Das Branden der Wellen übertönte meinen Herzschlag. Unablässig bauten sie sich auf, brachen sich tosend und strömten rings um mich her auf den Strand. Das beruhigte meine Nerven und erinnerte mich daran, weshalb ich überhaupt hier stand.

Laut dem Kalender, der an der Wand vor unserem Pausenraum im Ausbildungshangar hing, wurden auf dem Flugplatz Haleiwa, eine Viertelstunde südlich von unserem Standort, demnächst zwei Flugzeuge erwartet. Da ich wusste, dass ihre Route über die Inselmitte führen würde, bevor sie in einer Schleife nach Süden flogen, wollte ich bei ihrem Vorbeiflug einen Platz in der ersten Reihe haben.

»Wie spät?«, rief ich über die Schulter.

»Elf Uhr sechsunddreißig«, antwortete Jean. »Vielleicht kommen sie doch nicht.«

Angestrengt schaute ich nach Norden, lauschte auf das Geräusch eines näher kommenden Motors, aber nichts war zu hören über dem Geplauder der Strandbesucher, dem regelmäßigen Abprallen eines Volleyballs irgendwo in der Nähe und Jimmy Dorseys »Green Eyes«, das aus einem Autoradio dudelte.

Mit einem Seufzen beschattete ich die Augen und suchte weiter den Horizont im Norden ab. Etwas stieß mir ans Bein, ich schaute nach unten und sah ein leeres weiß-blaues Surfbrett.

»Sorry, Süße«, sagte ein Mann, hob das Brett aus dem Wasser und klemmte es sich unter den Arm.

»Schon in Ordnung«, sagte ich und wedelte mit der Hand, als wollte ich eine Fliege verscheuchen.

»Was gibt’s denn da so Interessantes zu sehen für ein hübsches Ding wie Sie?«, fragte er, trat näher und streifte dabei meinen Arm.

Ich richtete mich zu meiner vollen Größe von eins achtundsechzig auf, verschränkte die Arme vor der Brust und trat einen Schritt zurück, bevor ich zu Adonis aufschaute. In seinen blonden Haaren zeichneten sich noch die Zähne des Kamms ab, mit dem er sich frisiert hatte, und seine muskulöse Brust schien vor Aufgeblasenheit schier zu bersten. Die Dreistigkeit, mit der er mich bedrängte, bestätigte mir, dass er genau der Typ war, den ich nicht ausstehen konnte. Leider waren die meisten Vertreter der männlichen Spezies so.

Mein Blick wanderte kurz zum Lieutenant, er war aufgestanden, das Buch noch in der Hand, und musterte den Mann neben mir.

Ich sah wieder zu dem Blonden hoch, er zwinkerte grinsend. Die Sonne blitzte auf seinen Zähnen, während er unverhohlen jedes Detail an mir betrachtete, von meinem nassen Haar bis zu dem schlichten marineblauen Einteiler. Ich trat noch einen Schritt zurück.

»Eddie, belästigen Sie meine Freundin?«

Ruby stand hinter uns, die Hände in die Hüften gestemmt, ihr kastanienrotes Haar leuchtete im Sonnenlicht lichterloh.

»Ich muss ja sagen, Miss Ruby Carmichael.« Er richtete sein strahlendes Lächeln auf meine Mitbewohnerin. »Wie geht es Ihnen an diesem schönen Nachmittag? Verbringen Sie Ihre Freizeit immer noch mit diesem Travis?«

Ruby kicherte, und ich stöhnte. Was Männer betraf, war ihr Geschmack entsetzlich: ein Riesenego, dafür umso weniger Hirn.

»Ach, das war vor Urzeiten«, antwortete sie. »Unglaublich, dass Sie sich noch an ihn erinnern.«

»Wie könnte ich das vergessen, wenn das süßeste Ding, dem ich je begegnet bin, mit jemand anderem als mir ausgeht?« Sein Blick klebte auf ihrer Brust. »Aber jetzt nicht mehr, sagen Sie?«

»Nicht mehr«, hauchte sie.

»In dem Fall – kann ich Sie vielleicht zu einem Strandspaziergang überreden?«

»Warum nicht?«

Wäre ich interessiert gewesen, hätte ich mich gekränkt gefühlt, weil ich nicht nur ignoriert, sondern schlicht vergessen worden war. Aber in diesem Fall war ich bloß erleichtert.

Ich sah zum Lieutenant, der meinem Blick einen Moment begegnete, dann schüttelte er mit einem leisen Lächeln den Kopf. Er ließ sein Buch auf das Handtuch fallen, watete ins Wasser und tauchte unter. Einen guten Meter weiter tauchte er wieder auf und schwamm mit kräftigen, regelmäßigen Zügen ins Meer hinaus.

»Hat sich Eddie an dich rangemacht?«

Ich fuhr zusammen, so plötzlich stand Jean neben mir. Aus zusammengekniffenen braunen Augen starrte sie durch die rosa gerahmte Sonnenbrille, die keck auf ihrer Stupsnase saß, den Strand hinunter.

»Ich glaube, das wollte er, wurde dann aber abgelenkt«, sagte ich.

Jean prustete.

»Eddie ist ein Schürzenjäger«, sagte eine andere Stimme. Ich drehte mich um und erkannte Jeans Freundin Claire, eine Krankenschwester, die wir am zweiten Tag auf O’ahu kennengelernt hatten, als Ruby glaubte, sich das Handgelenk gebrochen zu haben. Sie sah Ruby und Eddie hinterher und schürzte missbilligend die rosa Lippen. Ihr unförmiges pinkfarbenes Strandkleid war feucht vor Schweiß.

»Ruby kommt mit ihm schon klar«, sagte Jean. »Sie verbraucht Männer wie Catherine falsche Wimpern. Den armen Travis hat sie gestern abserviert, nachdem sie gerade mal zwei Wochen mit ihm gegangen ist.«

»Wenn es überhaupt zwei Wochen waren«, warf ich ein.

»Klingt nach perfektem Liebesglück«, meinte Claire.

»Na ja«, sagte Jean und stieß mich mit dem Ellbogen an, »bei Eddie magst du ja den Kürzeren gezogen haben, aber die Aufmerksamkeit unseres Lieutenant ist dir gewiss. Er hatte zur Verteidigung deiner Ehre schon das Schwert gezückt.«

»Ach was, das stimmt doch gar nicht«, widersprach ich kopfschüttelnd.

»Hmm-hmm.« Sie grinste, und Claire nickte.

»Hat dich nicht aus den Augen gelassen«, bestätigte sie.

»Er war bestimmt nur um die Sicherheit einer seiner Angestellten besorgt.«

»Genau.« Jean grinste wieder. »Das muss der Grund sein. Das erklärt allerdings nicht, warum wir ihn auch sonst ständig dabei ertappen, wie er dich anstarrt.«

Die beiden lachten, während ich mich wieder zum Horizont drehte.

»In die Richtung ist er geschwommen«, rief Jean und zeigte aufs Wasser, aber ich drückte ihre Hand nach unten.

»Ich suche nicht nach dem Lieutenant«, sagte ich streng. »Ich suche nach den verdammten Maschinen, die heute hier landen sollen.«

»Ihr Mädels mit euren Flugzeugen«, sagte Claire. »Das kann ich einfach nicht verstehen. Die sind so …«

»Psst!« Mit einer Geste brachte ich sie zum Verstummen.

Das Geräusch war leise, wie atmosphärisches Rauschen, schwoll aber rasch zu einem Summen an.

Mein Körper kribbelte vor Aufregung. Durch die Vibration der Motoren grollte es leise am Himmel, die Leute am Strand hielten inne, richteten sich auf, das Volleyballspiel wurde unterbrochen, die Surfer setzten sich auf ihre Bretter, alle Blicke wanderten zum Himmel.

Als zwei Curtiss P-40 Warhawks auf uns zu donnerten, packte ich Jeans Hand. Der Bug der Maschinen war als Haifischmaul bemalt, die grausamen weißen Zähne blitzten beim Vorbeifliegen.

»Irre!«, rief Jean und winkte ihnen.

»Bildschön«, flüsterte ich.

»Zu laut!«, brüllte Claire. Sie kauerte hinter uns und hielt sich die Ohren zu. »Ehrlich, ihr Mädels seid verrückt, solche Dinger zu fliegen. Wie ertragt ihr bloß den Lärm?«

Ich sah zu Jean, die verständnislos tat. »Lärm?«, fragte sie. »Welchen Lärm denn?«

»Mir werden die Ohren für den Rest des Tages dröhnen«, beschwerte sich Claire.

Jean legte einen Arm um ihre Freundin. »Komm, gehen wir schwimmen. Audrey, du auch?«

Einen Moment lang ließ ich noch mal den Blick über den Himmel schweifen, aber das Wasser lockte, wie ein hartnäckiges kleines Kind, das spielen wollte, schwappte es gegen meine Schienbeine. Mit einem letzten Blick nach Norden watete ich bis zum Bauch hinein und stieß mich vom weichen Meeresboden ab, dann schwamm ich mit gemächlichen Zügen parallel zum Strand und achtete auf hereinkommende Surfer.

Ich drehte mich auf den Rücken. Die Wellen wogten unter mir, während ich in den strahlend blauen Himmel blickte. Ich seufzte und genoss das Gefühl von Freiheit. Danach hatte ich mich immer gesehnt, und mit Hawaii hatte ich es endlich bekommen. Befreit vom allsehenden Auge meiner Mutter. Befreit von dem, was ich der Meinung anderer nach sein sollte. Befreit von der Verantwortung, die die Privilegien meiner Herkunft mit sich brachten – an Partys teilnehmen zu müssen, beim Brunch die Gastgeberin spielen und mich entsprechend meiner Rolle als pflichtbewusste Tochter des Coltrane-Vermögens kleiden zu müssen. Die Etiketten in meiner Garderobe zeugten vom Erfolg meines Vaters, aber meine Mutter stammte vom alten Geldadel ab, was dem Ganzen noch eins draufsetzte. Diamantene Ohrstecker, ein geschmackvoller Siegelring, eine Perlenkette wie ein Halsband, und zwar eines, an dem ich mich zweiundzwanzig Jahre wundgescheuert hatte, bis mein Vater es dankenswerterweise löste.

Zumindest für eine Weile. Diese Insel war meine Chance, meiner Mutter – und mir – zu beweisen, dass ich selbst für meinen Lebensunterhalt sorgen und das Geld verdienen konnte, das ich brauchte, um das Einzige zu besitzen, was ich je haben wollte: einen Flugplatz. Das war mein Ziel, seit ich verständig genug war, um davon zu träumen. Seit ich bei einer der vielen Soireen meiner Mutter dabeigesessen und beobachtet hatte, wie die Frauen bei Champagner angeregt plauderten, stets den Gatten im Blick, um ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen, während sich die Männer lachend bei bernsteinfarbenen Drinks unterhielten und keinen Gedanken an ihre bessere Hälfte verschwendeten. Ich wollte keine der Frauen sein, denen nachzueifern ich erzogen wurde – ich wollte ich selbst sein.

Mein Vater erkannte das, und er unterstützte mich. Als sich mir die Gelegenheit bot, in O’ahu Pilotenanwärter fürs Militär zu unterrichten und dafür ein gutes Gehalt zu bekommen, bestand mein Vater nicht nur darauf, dass ich das Angebot annahm, er spendierte mir auch das Flugticket, vorgeblich als Belohnung für meine Leistungen an der Uni.

»Sie hat ein bisschen Vergnügen verdient, bevor sie sesshaft wird, Gennie, meinst du nicht auch?«, fragte er meine Mutter, als ich sie einmal belauschte. »Sie hat hart gearbeitet.«

»Aber ein ganzes Jahr?«, wandte sie sein.

»Wenn ich mich nicht täusche, hat dein Vater dich nach deiner Schulzeit nach Paris geschickt.«

Ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht loszuprusten. Mein Vater ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg. Meine Mutter sagte oft, dass er einen guten Anwalt abgegeben hätte. Aber ein Anwalt verdiente nicht einmal die Hälfte eines Ölmagnaten.

»Das war etwas anderes, Christian, und das weißt du auch. Ich hatte dort Familie. Außerdem gibt es in Paris jede Menge Kultur. Auf Hawaii gibt es nur … Taugenichtse. Ungepflegte Faulenzer, die den ganzen Tag ölig wie eine Speckschwarte am Strand herumliegen und gerade mal das Nötigste verdienen.«

»Klingt himmlisch«, hatte er geantwortet. »Da möchte ich auch hin.«

Sie hatte missbilligend gebrummt, woraufhin er gelacht hatte.

»Außerdem stimmt das gar nicht«, fuhr er fort. »Es ist ein beliebtes Urlaubsziel. George und Millie waren letztes Jahr dort und sind ganz begeistert. Sei nicht so snobistisch. Auf Hawaii gibt es jede Menge Kultur, außerdem kann unsere Audrey dort Geld verdienen mit dem, was ihr am wichtigsten ist.«

Zu guter Letzt hatte sie nachgegeben. All ihre Überredungs- und Bestechungsversuche, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, wurden vereitelt von dem einen Wunsch, den sie mir nicht erfüllen konnte: meine Freiheit.

Wenige Meter von mir entfernt fiel ein Surfer vom Brett, und mit heftigen Beinbewegungen versuchte ich, Abstand zu ihm zu gewinnen. Dabei stieß ich aus Versehen gegen einen Mann, der gerade vorbeischwamm.

Und nicht irgendeinen Mann.

»Lieutenant Hart.« Erschrocken zog ich die Beine an und schwamm rückwärts, mein Gesicht wurde schamesrot. »Das tut mir wirklich sehr leid.«

»Nichts passiert, Miss Coltrane.« Seine Stimme war leise und tief, aber sie trug über das Wasser, sodass er sich näher anhörte, als er tatsächlich war.

Das Wasser lief ihm aus den zurückgestrichenen dunklen Haaren den Nacken hinunter, sodass ich seine Augen genau sehen konnte. Die Sonne spiegelte sich in ihnen und verlieh ihnen die Farbe der 7Up-Flaschen, die Ruby überall im Haus herumstehen ließ.

Kurz war mir, als wollte er noch etwas sagen, aber dann nickte er nur und schwamm weiter.

»Auf Wiedersehen«, sagte er, und wieder drang seine Stimme sehr weich an mein Ohr.

»Auf Wiedersehen«, flüsterte ich.

Dann schwamm ich zum Strand zurück.

Ein paar Stunden später packten wir unsere Habseligkeiten zusammen, um wie alle anderen Strandbesucher nach Hause zu fahren.

»Girls, kommt«, sagte ich und schlang meine Tasche über die Schulter. »Gehen wir. Ich bin am Verhungern, und in zwei Stunden ruft mein Vater an.«

Er meldete sich mit großer Regelmäßigkeit jeden Sonntagabend und brachte mich auf den neuesten Stand der familiären Neuigkeiten – welche gesellschaftlichen Veranstaltungen meine Mutter gerade plante und welchen jungen Mann meine jüngere Schwester Evie neuerdings quälte – , während ich ihn mit Erzählungen über das Leben auf der Insel unterhielt. Am liebsten hörte er Geschichten von Ruby, sie war für ihn eine Art Romanheldin. »Was hat diese Ruby sich jetzt wieder einfallen lassen?«, fragte er immer.

Nachdem mein Vater und ich uns ausgetauscht hatten, kam meine Mutter an den Apparat, in ihrer Stimme lag unüberhörbar Missbilligung. Sie berichtete mir ein zweites Mal alles, was mein Vater mir bereits erzählt hatte, ergänzt um sämtliche Details, die mich keinen Deut interessierten. Wenn Evie zu Hause war, folgte ein Gespräch mit ihr, bei dem sie wie ein Wasserfall über diesen oder jenen jungen Mann redete. Die Anrufe konnten ziemlich ermüdend sein, aber auf sie verzichten wollte ich um keinen Preis der Welt.

Jean, Catherine und Ruby – die von ihrem Spaziergang mit Eddie zurückgekommen war – warfen ihre Strandsachen in den Kofferraum des himmelblauen Ford-Cabriolets Baujahr 1936, dessen Anschaffungskosten wir uns nach unserer Ankunft auf O’ahu geteilt hatten.

Ich stopfte meine Tasche neben die anderen, schloss den Kofferraum und setzte mich auf die Rückbank.

»Da hat ja jemand Publikum«, bemerkte Jean leise, als sie rückwärts aus der Parklücke rangierte.

Ich drehte mich um und sah auf der anderen Seite des Parkplatzes Lieutenant Hart neben seinem Wagen stehen. Sein Blick war auf mich gerichtet.

Ich biss mir auf die Unterlippe und lehnte mich im Sitz zurück. Ich versuchte zu ignorieren, dass sich mein Herzschlag beschleunigt hatte, und widerstand dem Drang, seinen Blick zu erwidern. Es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt, mich von einem Mann ablenken zu lassen. Selbst wenn es sich bei ihm um Lieutenant Hart handelte.