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Monsieur Haslinger stand am Herd. Eine Scheibe Tofu briet in der Pfanne. Die Flamme war zu weit aufgedreht, das Öl qualmte und spritzte gegen die Wandfliesen, Rauch zog durch die Wohnung. Er drehte das Gas ab, legte den Tofu neben den Blattsalat auf den Teller, stellte die Pfanne in die Spüle und drehte den Wasserhahn auf. Die heiße Pfanne zischte, dann wurde es still. Den dumpfen Knall im Hinterhof hörte er umso deutlicher.

Ein Schuss, dachte er zuerst. Doch im nächsten Moment hörte er ein Männerlachen, so laut und übermütig, als wollte jemand der ganzen Welt seine Freude zeigen.

Er nahm das Geschirrtuch von der Ofentür, rieb seine Hände trocken, faltete es, hängte es ordentlich zurück und ging die drei Schritte die Küchenzeile entlang, um durch die offene Balkontür in den Hinterhof zu blicken.

Jetzt sah er den Mann. Im Anzug stand er neben Madame Janssen. Auf einem Tisch lag ein Strauß Tulpen, und in seiner Hand sprudelte eine Flasche Champagner. Monsieur Haslinger betrachtete den Herrn, der umwerfend aussah, wie jemand, der berühmt und klug und wortgewandt war und der sich zur selbstbewussten Auslese der Weltgesellschaft zählte.

Er ging zurück zur Küchenzeile, öffnete den Kühlschrank und starrte hinein, wie auf eine leere weiße Leinwand. Nach einigen Sekunden fand er sich wieder. Unschlüssig dachte er nach, was er wollte. Es fiel ihm aber nicht ein, was es war, deshalb nahm er ein alkoholfreies Leffe Blond heraus, schloss die Kühlschranktür, setzte sich, schenkte sich ein Glas ein und trank einen Schluck.

Über den Glasrand sah er sein Junggesellenbett, das weder die Unordnung von Kindern noch den Duft einer Frau kannte. Das laute Lachen des Mannes hörte er im Hintergrund.

Lebte er zu pflichtbewusst? Hatte er jemals echten Champagner getrunken?

Er kostete den Salat, und ihm fiel ein, was er im Kühlschrank gesucht hatte. Mit der gefalteten Serviette betupfte er seine Lippen und nahm die Flasche Kürbiskernöl aus dem Seitenfach. In der Bewegung blickte er hinüber zur Nachbarwohnung, und wieder sah er den Mann. Der stand allein im Türstock, rauchte eine Zigarette und starrte in den Hinterhof. Er zog lange an dem Tabak, und in der Art und Weise, wie er das tat, lag eine Nachdenklichkeit, sodass Monsieur Haslinger nicht wusste, ob er etwas geduldig ansah oder durch alles hindurchblickte.

Er setzte sich wieder, tropfte das schwarze Öl auf den Salat und aß weiter. Deutlich fühlte er dabei sein Alleinsein. Es war so selbstverständlich geworden, dass er jetzt nicht mehr wusste, ob er damit glücklich oder unglücklich war.

Monsieur Haslinger brachte das Geschirr in die Küche. Er stellte alles in die Spüle. Mit einem Lappen ging er zurück an den Tisch, langsam, damit er überblicken konnte, was auf der Terrasse von Madame Janssen geschah.

Der Mann starrte zu ihm herüber. Er sah Monsieur Haslinger, neigte den Kopf und lächelte. Sein Lächeln war leise und sanft, ganz im Gegenteil zu seinem Lachen zuvor. Monsieur Haslinger lächelte zurück, obwohl er nicht wusste, ob der Mann nur für sich gelächelt hatte oder seine Augen tatsächlich auf ihn gerichtet waren.

Er wischte den Tisch sauber, trank sein Glas leer und ging zurück in die Küche. Diesmal blieb er vor der Balkontür stehen, weil das, was er sah, so schön war und ihm zugleich wehtat.

Der Mann hielt Madame Janssen im Arm. Ihr Gesicht war in seiner beruhigenden Stattlichkeit vergraben. Ihre Hände umklammerten seinen Rücken und drückten beherzt zu. Als er sie aus der Umarmung entließ, strich er ihr mit der Hand über den Kopf. Keiner sprach, keiner lachte, als wäre etwas gesagt worden, das keiner Sprache bedurfte.

Waren sie still vor Liebesglück oder war etwas Schweres über ihre Freundschaft gefallen? Monsieur Haslinger wuss­te es nicht.