Kapitel 20
Polly spitzte die Ohren. Sie konnte Stimmen hören. War nur zu hoffen, dass es sich tatsächlich um Freunde und nicht um Komplizen ihres Retters handelte. Sie war sich nämlich nicht so sicher, ob diese dieselbe barmherzige Reaktion zeigen würden, wenn sie unverhofft einen verletzten Deputy vorfanden. Andererseits hatte er sehr überzeugt gewirkt, dass externe Hilfe kam. Fakt war, sie brauchte Hilfe, wenn sie es heute noch von diesem verdammten Berg runterschaffen wollte. Aus eigener Kraft würde sie das mit ihrem Brummschädel nicht schaffen.
Gerade, als sie sich entschlossen hatte, um Hilfe zu rufen, ganz egal, welches Risiko das mit sich brachte, raschelte es. Alarmiert drehte sie sich in Richtung des Geräuschs. Schwarze Knopfaugen starrten ihr entgegen, als sie den Dieb erblickte. Ein Waschbär hatte sich über ihren Rucksack hergemacht, der neben ihrer Flinte an der Wand lehnte. Eine Pfote steckte bereits im Inneren.
„Auf frischer Tat ertappt nennt man das“, tadelte sie ihn scherzhaft. „Ich nehme an, du suchst etwas zu essen?“
Der kleine Räuber legte den Kopf schief und beobachtete sie scharf, als versuchte er einzuschätzen, was für eine Gefahr sie darstellte. Anscheinend war er von ihrer liegenden Form nicht sonderlich beeindruckt, denn er nahm nach ein paar Sekunden seine Bemühungen, an ihr Essen zu kommen, wieder auf.
Sie runzelte die Stirn. Ein seltsames Verhalten für einen Waschbären. Hatte sie nicht letzthin schon eine Geschichte über einen fast zahmen Waschbären gehört? Sie zermarterte sich den Kopf, doch es wollte ihr beim besten Willen nicht einfallen.
„Wolverine“, rief eine weibliche Stimme. Eine weibliche Stimme, die sie gut kannte. Die Stimme, die zu einem Waschbären gehörte, wie ihr jetzt endlich einfiel.
Der Waschbär zeigte nicht ganz dieselbe freudige Reaktion wie sie. Er zuckte ertappt zusammen und versteckte sich schnurstracks unter ihrem Bett. Seine Beute, ein Stück Gurke, trug er in den Pfoten.
Polly hätte über seinen schuldbewussten Blick gerne gelacht, doch sie wusste, dass das mit ihrem lädierten Kopf keine gute Idee war. Zudem hatte sie Wichtigeres zu tun.
„Sunny?“, krächzte sie.
Stille. Nur das Schmatzen des Waschbären war zu hören. Hatte sie sich Sunnys Stimme etwa nur eingebildet?, überlegte sie besorgt. Das konnte bei Kopfverletzungen durchaus mal vorkommen.
In nächsten Moment flog die klapprige Tür auf und Sunny stürzte hinein.
„Polly? Du lebst!“
Sie stürzte zum Bett und ging daneben in die Hocke.
„Bist du verletzt?“
„Ja. Ich bin gestürzt.“
Vorsichtig blickte sich Sunny in dem kargen Raum um.
„Und wie bist du hierhergekommen?“
„Jemand hat mir geholfen. Den Namen …“, sie stoppte, reden war sehr, sehr anstrengend. Sie biss die Zähne zusammen. „Seinen Namen hat er mir nicht gesagt.“
Sunny warf Henrik, der in der Tür stand, einen besorgten Blick über ihre Schulter zu.
„Meinst du, er ist noch in der Nähe?“
„Ich glaube nicht“, ließ sich Polly vernehmen. „Er war sehr darauf bedacht, weg zu sein, wenn die Kavallerie auftaucht, wie er es nannte.“
„Was liegt denn auf dem Nachttisch?“, fragte Henrik, als er das weiße Papier erblickte.
Polly drehte den Kopf auf die andere Seite. Die Bewegung löste sofort Schwindel und Übelkeit aus. Sie schloss die Augen und schluckte ein paar Mal, bis sich der Drang, in die nächste Ecke zu spucken, legte.
Henrik hatte das Papier bereits auseinandergefaltet und zu lesen begonnen. Als er fertig war, reichte er das Papier wortlos an Sunny weiter, bevor er sein Handy hervorzog.
„Ich informiere Jake“, ließ er die anderen beiden wissen, „und schaue mal, ob es einen Weg gibt, den wir mit einem Fahrzeug zurücklegen können.“
Bei dem Gedanken an die vielen Schlaglöcher und Steine zuckte Polly unmerklich zusammen.
Sunny, die ihre Reaktion gesehen hatte, rief ihm nach: „Schau mal, ob du einen Hubschrauber organisieren kannst. Ich glaube, Polly hat eine deftige Gehirnerschütterung.“
„Mach ich.“
Polly griff nach Sunnys Hand und drückte sie dankbar.
„Gute Idee. Das klingt um einiges besser als eine Offroad-Strecke mit einem ATV oder Jeep.“
Sunny war so in ihre Lektüre vertieft, dass sie nur abwesend nickte.
„Was steht denn da drin?“
„Offensichtlich hat Mr. Powell die Bohrstelle anlegen lassen und die Feuer gelegt. Ich werde nicht ganz schlau daraus, ob er jemanden dazu angestiftet oder ob er sich selbst die Hände schmutzig gemacht hat, aber er war offensichtlich involviert.“
„Bohrstelle? Habt ihr etwas gefunden?“, fragte Polly.
„Nein. Wir wurden zuerst auf die Hütte aufmerksam. Als Wolverine verschwand, dachten wir, er hätte vielleicht Essensreste gefunden. Deshalb habe ich erst hier nachgesehen. Du warst unsere oberste Priorität. Der Rest kann warten.“
Polly lächelte schwach.
„Ich nehme an, Wolverine ist dein Waschbär?“
Sunny kräuselte die Nase.
„
Mein Waschbär
ist vielleicht ein wenig übertrieben ausgedrückt. Er ist schließlich ein Wildtier. Zumindest theoretisch. Er scheint es ab und zu zu vergessen. Aber wenn du meinst, ob er uns begleitet hat, dann ja.“
Polly grinste.
„Er hat meinen Rucksack geplündert und sitzt jetzt mit seiner Beute unter meinem Bett.“
Sunny verdrehte die Augen.
„Typisch. Aber jetzt zu dir: Wurdest du niedergeschlagen?“
„Ich glaube nicht. Da waren Steine, alles ist ins Rutschen gekommen. Dann muss ich heftig auf dem Boden aufgekommen sein. Auf jeden Fall habe ich das Bewusstsein verloren. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich hier aufgewacht bin. Offenbar hat mich der Mann hierhergetragen und für einige Stunden überwacht.“
„Seltsame Geschichte.“ Sunny schüttelte ungläubig den Kopf. „Nicht unbedingt das Verhalten eines Kriminellen.“
„Nein, tatsächlich nicht. Auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass er einiges auf dem Kerbholz hat.“ Sie schluckte. „Könntest du mir die Wasserflasche öffnen? Ich bin so durstig.“
„Klar.“ Sie schraubte die Flasche auf und reichte sie Polly.
Nachdem sie getrunken hatte, lehnte sich die ältere Frau erschöpft zurück in ihr Kissen.
Behutsam drückte Sunny ihre Hand.
„Ruh dich noch ein wenig aus. Ich schau mal, wie es mit unserer Transportmöglichkeit aussieht.“
„Danke. Das mache ich.“ Ihre Augen gingen bereits wieder zu.
*
Es war bereits nach Mitternacht, als Sunny zu Hause ankam. Der Nachmittag war in den Abend übergegangen und schließlich zur Nacht geworden, während sie den Deputies geholfen hatte, so viele Spuren wie möglich zu sichern, den Hubschrauber an die einzige mögliche Landestelle zu dirigieren und schließlich Polly zum Hubschrauber zu transportieren. Sie würde die Nacht zur Beobachtung in Breckenridge im Krankenhaus verbringen. Kristina war aber zuversichtlich, dass sie sich vollständig erholen würde. Die Polizistin war zäh und hatte offensichtlich einen harten Schädel. Sunny legte den letzten Apfel für Wolverine auf die Ladefläche, bevor sie ihre müden Glieder die Treppe hochschleppte.
Sie war so müde, dass sie fast über Luke gestolpert wäre.
„Was machst denn du hier im Dunkeln? Du hättest mich beinahe zu Tode erschreckt!“, fauchte sie ihn an.
Luke ließ sie vor sich hin fauchen und zog sie neben sich auf die oberste Treppenstufe. Dann griff er hinter sich und zog eine Pizzaschachtel hervor.
„Willst du ein Stück?“, fragte er und hielt ihr ein Stück vor die Nase.
Der Duft nach Oregano, Käse und Tomatensoße stieg ihr in die Nase und ließ das Wasser in ihrem Mund zusammenlaufen.
„Gib her“, sagte sie und riss es ihm praktisch aus der Hand. Als sie den ersten, noch warmen Bissen kaute, stöhnte sie genüsslich.
„Wie ich sehe, hat es sich gelohnt, dir Pizza zu holen“, bemerkte Luke trocken.
„Das macht den nächtlichen Schrecken beinahe wieder gut“, murmelte sie mit vollem Mund.
Luke lächelte.
„Nur beinahe? Was müsste ich tun, um es gänzlich ungeschehen zu machen?“
„Eine Rückenmassage“, kam es wie aus der Pistole geschossen. Sie schluckte und legte den Kopf schräg. „Oder eine Fußmassage. Ich kann mich nicht entscheiden.“ Sie zögerte, dann legte sie ihren Kopf kurzerhand auf Lukes Schulter ab. Wenn er etwas dagegen hatte, konnte er sich ja wehren. Müde, wie sie war, würde sie nicht ohne seinen Widerspruch auf den Komfort verzichten, den seine Nähe darstellte.
Anstatt von ihr wegzurücken, wie sie halb befürchtet hatte, legte er den Arm um sie und zog sie näher zu sich ran.
„Das gefällt mir“, murmelte er an ihrem Ohr, sodass ein Schauer über ihre rechte Körperhälfte lief. „Abends nach Hause zu kommen und Zeit mit dir zu verbringen.“
Sunny lachte.
„Das sollten wir noch üben. Wäre gut, wenn wir das mal vor Mitternacht und ohne die ganze Aufregung vorher schaffen würden.“
„Das ist richtig.“
„Dann hätte ich vielleicht auch noch Energie für etwas anderes als kuscheln.“
Bei ihrer Bemerkung verstärkte Luke seinen Griff um ihre Hüfte.
„Ich spekuliere darauf, dass dein Energielevel am Morgen wieder in besserer Verfassung ist.“
„Wusste ich’s doch“, witzelte sie. „Nur eins im Kopf …“
Luke lachte.
„Du hast mit dem Thema angefangen.“
Sunny seufzte. Eine ungewohnte Zufriedenheit erfüllte sie. Sie hatte den Verdacht, dass das Lukes Anwesenheit zu verdanken war. Bevor sie etwas Peinliches, Kitschiges von sich geben konnte, fragte sie: „Wie sieht es jetzt mit der Massage aus?“
„Ich sag dir was, ich fange einfach oben an und arbeite mich nach unten.“
Sie lächelte und kuschelte sich dichter an ihn.
„Das klingt wunderbar. Wie war dein Tag?“
„Abgesehen von den Momenten, in denen ich mich völlig nutzlos gefühlt habe, weil ich halb invalid auf meinem Hintern gesessen habe, während sich meine Freundin selbstlos in Gefahr begeben hat, gut.“
Sie rückte ein Stück von ihm weg und versuchte im Dunkeln sein Gesicht zu erkennen.
„Deine Freundin? Bin ich das?“
„Von meiner ganzen Aussage konzentrierst du dich ausgerechnet auf das?“
„Na klar.“ Als sie sah, dass er sie nicht verstand, ließ sie ihren Kopf wieder an seine Schulter fallen und erklärte: „Frustration führt oft zu ein wenig Selbstmitleid, das ist normal. Aber es hat nicht direkt mit mir zu tun. Deine Freundin zu sein schon.“
„Und?“, fragte er erwartungsvoll. „Bist du das? Bist du meine Freundin?“
„Hm. Von mir aus“, sagte sie, lächelte aber dabei. „Wir können ja eine Probezeit festlegen.“
Lukes Mundwinkel zuckten.
„Probezeit, was? Du bist ein Frechdachs, aber das weißt du ja selbst.“
„Klar“, grinste sie.
Er drehte den Kopf und küsste sie. Ihr Mund schmeckte nach Pizza und Sunny. Einfach wunderbar. Ihre Nasenspitze traf seine Wange. Sie war eiskalt. Herrje, er war wirklich ein Egoist. Reuevoll löste er seine Lippen von den ihren und stand auf, während er sie auf die Füße zog.
„Duschen und dann ab ins Bett. Du bist eiskalt“, fügte er hinzu, als sie protestieren wollte.
Sunny wollte erst Nein sagen, als sie merkte, dass er völlig recht hatte. Sicher war es nicht schlimm, wenn sie ihm ab und zu auch mal nachgab. Eigentlich war es ganz schön, sich auch einmal umsorgen zu lassen.
„Hast du morgen bereits Pläne?“, fragte er, als sie wenig später nebeneinander im Bett lagen.
„Nein, ich glaube nicht. Mittags treffe ich mich mit Kristina, aber ansonsten bin ich frei.“
„Ich würde dir gerne Riley vorstellen. Meinen zukünftigen Partner.“
„Deinen Hund?“
„Genau.“
Die Erkenntnis, dass er sie tatsächlich in sein Leben miteinbeziehen wollte, wärmte ihr das Herz.
„Gern“, murmelte sie und schlief ein, ihren Kopf auf seinem Herzen und einen Arm besitzergreifend um ihn geschlungen.
Luke lächelte im Dunkeln. Hoffentlich verstand sich Riley mit Waschbären.
*
Der Sheriff reichte Ace einen Becher Kaffee.
„Ich hoffe, er ist genießbar“, sagte er und grinste dabei entschuldigend. „Die Kaffeemaschine ist temperamentvoll. Sie und ich sind keine Freunde. Nachdem Polly sie gut im Griff hat, bestand nie wirklich eine Notwendigkeit, die feine Kunst ihrer Bedienung zu lernen.“
Ace nahm vorsichtig einen Schluck und verzog prompt das Gesicht.
„Das merkt man. Das Zeug ist schlimmer als Teer.“
„Genau das Richtige für dich.“
Der Feuerwehrchef schüttelte sich und stellte den Becher auf den Tisch. So dringend war sein Koffeinbedarf nicht, dass er sich dieses Maschinenöl zu Gemüte führen musste.
„Brrr. Du kannst nur hoffen, dass Polly bald aus dem Krankenhaus entlassen wird, bevor du dir ein Magengeschwür züchtest.“
Er war sehr froh, dass Sunny und Henrik die Polizistin gefunden und nach Hause gebracht hatten.
Jake lachte.
„Keine Chance. Dafür ist das Essen zu gesund, das meine Frau für mich kocht. Ganz zu schweigen von den verschiedenen Tees, die sie uns auftischt.“
„Du hast am Telefon gemeint, es hätten sich neue Entwicklungen bezüglich der Brandstiftungen ergeben?“
Der Sheriff nickte und griff nach einem Blatt Papier.
„Polly wurde in einer Art Hütte gefunden. Offenbar hat ein Fremder gesehen, wie sie gestürzt ist, und sie dort in Sicherheit gebracht.“
„Was für ein Fremder? War die Stelle nicht weit entfernt von jeglichen Wanderpfaden? Das kann doch kein Zufall sein, dass der Typ dort war“, erwiderte Ace skeptisch, während er das Blatt in seinen Händen überflog. Je weiter er las, desto größer wurden seine Augen.
„Zufall war es bestimmt nicht. Ich vermute, er war Powells Handlanger. Allerdings ein ziemlich gewiefter Kerl.“
„So, wie das hier klingt, muss ich dir zustimmen. Der Verfasser beschreibt im Detail, wann und wo Powell die Feuer gelegt haben soll.“
Jake schnaubte amüsiert.
„Zu detailliert, wenn du mich fragst. Ich vermute eher, dass er sie selbst gelegt hat. Genauso, wie er vermutlich im Alleingang eine provisorische Bohrstelle eingerichtet hat.“
„Allein?“, fragte Ace beeindruckt. „Der Mann ist entweder ein Genie oder Herkules. Oder beides.“
„Das ist die große Frage. Die einzigen Fingerabdrücke, die wir finden konnten, gehören allerdings zu Powell. Keine Ahnung, wie die dort hingekommen sind.“
„Das frag ich mich auch. Ich würde wetten, dass sich der Kerl noch nie im Leben körperlich angestrengt hat. Er ist einfach zu glatt. Taugt denn die Bohrstelle etwas?“
Der Sheriff zuckte mit den Schultern.
„Im Moment ist ein Experte oben. Er ist extra von Denver gekommen. Meiner Meinung nach hat es schon seine Gründe, weshalb noch nie jemand in den Bergen Öl oder Gas gefördert hat. Die Kosten sind einfach zu hoch.“
„Wenn das Vorkommen groß genug ist, rechnet es sich irgendwann bestimmt.“ Ace runzelte die Stirn. „Aber wenn Powell gar nicht der Macher war, wie sind denn seine Fingerabdrücke dort hingekommen?“
„Ich vermute, dass der inoffizielle Mitarbeiter die Stimmung in Independence richtig eingeschätzt hat. Die Abstimmung am Wochenende wird sehr wahrscheinlich negativ ausfallen. Oder er hat von Sunnys Entdeckung gehört und vermutet, dass Powell sofort alles auf ihn schieben würde, wenn er sich davon einen Vorteil verspricht. Gut möglich, dass er keine Lust hatte, Powells Sündenbock zu sein.“
„Das kann ich verstehen. Aber das sind alles nur Indizien. Wie sieht es denn mit Powells Alibi aus?“ Ace grinste. „Ich habe kein Problem damit, den Investor für die Brände verantwortlich zu machen. Aber dafür brauchen wir vermutlich mehr als nur ein paar Fingerabdrücke.“
„Er war gestern auf meine Einladung hier.“
„O-o. Ich kann mir vorstellen, dass er das gar nicht geschätzt hat.“
„Er kam hier mit lautem Getöse hereingestürzt. Bevor ich ihm überhaupt erklären konnte, weshalb er hier ist, hatte er mir bereits mitgeteilt, dass er meine Mutter anzeigen will.“
„Brenda?“, echote Ace verwundert. „Weshalb denn, um Himmels willen?“
Jake rollte die Augen zur Decke.
„Er sagt, sie hätte eine Waffe auf ihn gerichtet. Sie sagt, sie hätte sich von ihm bedroht gefühlt.“
„Mr. Powell ist nicht besonders helle. Wer legt sich schon mit Brenda Carter an? Was machst du jetzt? Sie verwarnen?“
„Nicht nötig. Sie hatte eine Tonbandaufnahme, die belegt hat, dass das Arschloch sie tatsächlich bedroht hat. Deshalb habe ich dich auch gerufen, das musst du dir anhören.“
Er zog sein Handy hervor und entsperrte das Display. Nach einigen Daumenbewegungen schallte Adam Powells Stimme durch den Raum.
Geschockt hörte Ace zu, wie der Mann mehr oder weniger androhte, eine Feuersbrunst durch Independence rollen zu lassen, wenn er seinen Willen nicht kriegte.
„Meint der das ernst?“
Jake wiegte den Kopf.
„Ich bin mir nicht sicher. Schließlich hatte er bis vor Kurzem einen Handlanger, der sich um die Drecksarbeit gekümmert hat. Gut möglich, dass er es nicht durchzieht, wenn er sich plötzlich selber darum kümmern muss.“
„Hoffentlich hast du recht“, erwiderte Ace grimmig. „Vielleicht kannst du ihn erst einmal für eine Weile in Untersuchungshaft nehmen?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Darauf hoffe ich. Aber bis alle Beweise abgearbeitet und sichergestellt sind, dauert es bestimmt noch ein paar Tage.“
„Fluchtrisiko besteht keines?“
„Ganz ehrlich? Zum jetzigen Zeitpunkt hoffe ich fast, dass er abhaut. Soll sich jemand anders um ihn kümmern. Hauptsache, wir sind ihn und seine nicht ganz koscheren Pläne los.“
*
„Er ist eine richtige Schönheit“, lobte Sunny den Hund mit dem goldfarbenen Fell und der dunklen Schnauze. „Ich kann verstehen, dass du dich für ihn entschieden hast.“
Verlegen zuckte Luke mit den Schultern.
„Klar, er ist ein schöner Hund. Aber ehrlich gesagt ist es mehr Adrians Vorschlag zu verdanken, dass ich mich für ihn entschieden habe. Ich fand die Idee, in unserem Departement einen Brandmittelspürhund zu haben, genial. Und nachdem er mir gesagt hat, dass er für den Schutzdienst zu zart besaitet ist, habe ich mir gedacht, dass ihm Nasenarbeit vielleicht mehr entspricht.“
„Ihr zwei Softies“, neckte Sunny.
„He! Auf den Hund trifft das ja vielleicht zu“, sagte er und deutete auf den Junghund, der mit einem Ausdruck äußerster Verzückung auf dem Rücken vor Sunnys Füßen lag. Seine lange, rosa Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul. „Aber auf mich sicher nicht.“
„Was immer du sagst“, murmelte sie begütigend.
Wenn er mit dieser Illusion leben wollte, bitte schön. Sie wusste es besser.
„Willst du sehen, was wir schon können?“
„Klar.“ Sie deutete auf eine Bank am Rande des Trainingsfeldes. „Ich setze mich dort drüben hin.“
Hund und Mann starrten ihr nach, als sie zielstrebig das Areal verließ.
„Ich weiß, Buddy, ich könnte auch ewig zusehen“, murmelte er. Er wartete, bis sie Platz genommen hatte. „Aber jetzt zeigen wir mal, was wir so draufhaben.“