Montag
Die Parkplatzsuche hat ewig gedauert, und Theo hat den Professor vorher schon einmal rausgelassen. Als sie nun durch das Foyer der Bibliothek in den Lesesaal schreitet, kann sie Hamdy auf der oberen Empore ausmachen, wie er zwischen den Gängen hin und her hastet und offenbar nach etwas sucht. Sie geht zu ihm nach oben, als er ihr auch schon mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht und mehreren Büchern und Heften im Arm entgegenkommt, die er nun auf dem Tisch vor sich ablegt. Ein Moment vergeht, in dem der Professor fasziniert auf das Sammelsurium an Büchern starrt, bis Theo ihn zurück in die Realität holt. »Also, können Sie mir nun sagen, was Sie so verzaubert?«
»Aber selbstverständlich! Ich denke, jetzt kann ich Ihnen alles erklären!« Erleichtert sieht er sie an. Dann greift er zu einem dünnen Büchlein, das er Theodora in die Hand drückt.
»Crata Repoa«, liest sie auf dem Cover und legt die Stirn in Falten. Es wirkt exotisch, fremd. Theodora blickt Professor Hamdy fragend an. »Was ist das?«
»Lesen Sie den klein gedruckten Untertitel!«
»›Einweihungen in der alten geheimen Gesellschaft der Ägyptischen Priester‹.« Sie stutzt. »Entschuldigen Sie, aber ich tappe immer noch im Dunkeln. Was ist das?«
Er zieht einen der Stühle zu sich heran und setzt sich neben Theo. »Was ich Ihnen jetzt sage, mag zunächst etwas befremdlich klingen. Aber hören Sie mir erst einmal zu und versuchen Sie zu verstehen!« Theo nickt.
»Dieses Buch, ja eher Heft, Crata Repoa, erschien 1770, herausgegeben von den beiden deutschen Freimaurern Carl Friedrich Köppen und Johann Wilhelm Bernhard von Hymmen.
Sie beschreiben darin einen alten ägyptischen Orden, die Crata Repoa, einen Geheimbund, der sich der Bewahrung der Geheimnisse des alten Ägyptens verschworen hatte. Vor allem sind darin die Aufnahmerituale beschrieben und die Erkennungszeichen, an denen sich die Mitglieder untereinander offenbaren können.« Theos Blick wechselt zwischen Unglauben und Faszination. »In dem Heft wird beschrieben, wie die Bewerber nach und nach die sieben Grade der Erkenntnis erreichen können: durch Prüfungen wie das Ausharren in einer hermetisch abgeriegelten, dunklen Kammer, in der sich der Prüfling allein mit Mumien aufhält. Dazu das ständige Abfragen von Beschwörungsformeln oder Gebetsgesängen, etwa aus dem Buch der Toten.«
Gebannt hat Theo dem Professor bei seinen Ausführungen zugehört. »Und was erwartet einen dann beim Erreichen des siebten Grades?«
»Die Einweihung in ein höchstes Mysterium. Es heißt, dass nur die wirklich Würdigen dieses Geheimnis von großer Tragweite erfahren.«
Theo ist sich noch nicht ganz sicher, hat aber eine Ahnung, worauf der Professor hinauswill.
»Heute erinnert sich so gut wie niemand mehr an dieses Werk. Aber damals sorgte es in Europa für Aufsehen. Es war die Anfangszeit der Ägyptologie, überall griff die Ägypten-Begeisterung um sich. Man sah in Ägypten das Ursprungsland der Mysterien, den Ort, an dem die letzten Geheimnisse der Menschheit bewahrt wurden. Dieses dünne Heftchen war ein echter Bestseller und beeinflusste noch über Jahrzehnte und Jahrhunderte die Entstehung weiterer Geheimorden wie die des Order of the Golden Dawn, des Ordo Templi Orientis oder des heutigen Wicca. Das Buch selbst und der Glaube an einen Orden Crata Repoa aber verschwanden nach und nach aus der allgemeinen Wahrnehmung. Die allermeisten taten die Ausführungen darin und die Vorstellung von einem Geheimbund der Priester des alten Ägyptens als bloße Fantasie ab.«
»Es klingt ja auch etwas abenteuerlich«, sagt Theo, während sie das Heft durchblättert. »›Die Pforte des Todes‹. Der Bewerber wird mit Schlangen zurückgelassen und muss Prüfungen bestehen. Erst dann wird er eingeweiht und darf das finale Geheimnis bewahren. Was wollen Sie mir jetzt damit sagen?«
»Was, wenn doch nicht alles nur ausgedacht ist und wenn es diesen Geheimbund tatsächlich gegeben hat? Wenn es ihn womöglich noch immer gibt?«
»Sie meinen, so was wie die Freimaurer?«
»Ja, das ist gar nicht so weit hergeholt. Kulte, Geheimbünde, Mysterien, Religionen – wie man es auch nennen mag. Die gab und gibt es seit Jahrhunderten. Die Freimaurer sind ein Beispiel dafür. Oder nehmen Sie die Wicca-Bewegung, mit Hunderttausenden Anhängern weltweit. Sie bezeichnen sich selbst als Hexen. Das mag für manche vielleicht etwas eigenartig klingen. Sie alle bedienen sich unterschiedlicher religiöser Einflüsse, meinen, im Besitz einer höheren Wahrheit, eines Geheimnisses zu sein, das es zu wahren gilt, und sehen ihre Gemeinschaft als dafür auserkoren und zuständig an.«
»So langsam verstehe ich, worauf Sie hinauswollen. Dass eine Art Geheimbund verhindern will, dass das Geheimnis, also das Grab der Kleopatra, entdeckt wird?«
Mit erhobenen Brauen sieht der Professor sie an. »Es könnte doch sein, oder?«
»Mich durchzuckte es, als wir beim Polizeichef saßen«, fährt Hamdy fort, nachdem sie sich eine Tasse Tee besorgt haben. Die Eule, Sie wissen, die Figur, die auf seinem Tisch stand. Und genau auf der anderen Seite des Tisches die kniende altägyptische Frauengestalt mit den vor sich erhobenen Armen? Ich musste kurz überlegen, woher ich das kannte. Was mir das sagte. Und dann fiel mir dieses Heft ein, das ich vor Jahren, als ich mich mit Geheimbünden des alten Ägyptens beschäftigte, einmal gelesen habe. Und all das kam darin vor. Die Eule als Erkennungszeichen, ebenso wie die kniende Statue!«
»Aber das könnte doch auch Zufall gewesen sein.«
»Theodora, das Gemälde an der Wand im Büro des Polizeipräsidenten. Das war nicht irgendein Bild. Das war ein Statement! Eine Art Glaubensbekenntnis für die, die es erkennen. So wie ich.«
»Aufgefallen ist es mir auch. Diese nackte Frauengestalt. Sehr gewagt für ein Büro, dachte ich.«
»Es handelt sich um den Druck eines Werkes des französischen Künstlers Odilon Redon. Hier.« Der Professor schlägt ein Buch auf, das genau jenes Bild zeigt. »Und im Original trägt es diesen Titel: ›Ich bin noch immer die große Isis. Niemand hat je meinen Schleier gelüftet.‹ Schauen Sie sich das doch einmal an. Es ist die Verehrung des Göttlichen.«
Theo bleibt skeptisch. »Die Menschheit hat schon immer das Göttliche verehrt. Das muss doch nichts mit einem Geheimbund zu tun haben.«
»Ja, aber es war ja nicht nur das! Als wollte er meine letzten Zweifel ausräumen, gab mir der Polizeichef zur Verabschiedung die Hand. Und wissen Sie, was er tat?« Theo schüttelt den Kopf. Professor Hamdy schlägt das Heft an einer Stelle auf und liest vor. »›Der Thesmosphores drückt in besonderer Weise mit seinem Daumen auf den Ballen des Pastophoris. Das ist unser Erkennungsgruß.‹ Genau das hat der Polizeichef bei mir getan!«
»Als Erkennungszeichen? Sie sind ja kein Bewerber! Wieso sollte er das tun?«
»Nun ja. Offenbar als Warnung. Zur Einschüchterung. Er wollte, dass ich das alles durchschaue, und gab sich mir dadurch zu erkennen.«
»Sind Sie es? Eingeschüchtert?«
Hamdy wiegt den Kopf hin und her. »Wissen Sie, ich bin ein alter Mann. Mir kann man nicht so leicht Angst machen. Aber alle diese Bünde haben eines gemeinsam: einflussreiche, mächtige Mitglieder. Von denen wir nicht wissen, wer sie sind. Und zumindest wollte Sakalis mir das demonstrieren: Legt euch nicht mit uns an!«
Theo fixiert Professor Hamdy mit einem bohrenden Blick. »Und das alles ist Ihnen mal eben so klar geworden, als wir bei Sakalis im Büro saßen?«
Einen Moment lang schaut sie der Professor mit großen Augen an. Dann erschlaffen seine Muskeln ein wenig, die Schultern sacken nach unten, er zuckt mit den Armen, als würde er einen inneren Widerstand aufgeben.
»Das haben Sie gut erkannt. Nein, das ist mir nicht mal eben so klar geworden. Ich beschäftige mich seit langem mit den alten Geheimbünden und mit der Frage, was sie zu vertuschen versuchen. Das Buch, Crata Repoa, kenne ich seit meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Nach und nach entdeckte ich die Erkennungszeichen überall hier in der Stadt, und der Verdacht wuchs, dass der Geheimbund nicht tot ist wie gedacht, sondern äußerst lebendig.«
Der Professor verschränkt die Arme im Rücken und geht langsam auf und ab. »Aber ich hatte keine Ahnung, was das Mysterium ist, das sie schützen und von dem in dem Buch die Rede ist.«
»Und dann kamen wir«, bemerkt Theo.
»Ja genau, dann kamen Sie mit Ihren Ermittlungen und dem Archäologen, der nach dem Grab der Kleopatra sucht, und als ich das Bildnis der Isis in dem Büro von Cerubiel Sakalis sah, passte auf einmal alles zusammen. Das Mysterium hat genau damit zu tun! Mit dem Grab der Kleopatra! Und mit Isis und der Kirche!«
Theo schüttelt leicht den Kopf. Sie muss die vielen Informationen für sich erst einmal sortieren. »Nun gut. Dazu aber zwei Fragen. Erstens: Isis und Kleopatra. Was haben die denn miteinander zu tun?«
Der Professor freut sich, als wäre ihm soeben seine allerliebste Frage gestellt worden. »Oh, sehr viel. Kleopatra ließ sich verehren als Inkarnation der Göttin Isis. Tatsächlich ist bis heute unbekannt, wer ihre leibliche Mutter war. Aber eins nach dem anderen. Sagt Ihnen der Isis-Kult etwas?«
Theo schüttelt zögerlich mit dem Kopf. »Ich muss gestehen, ich weiß nicht viel über altägyptische Mythologie. Nur ganz grundsätzliche Sachen. Isis war die Göttin des Lebens, glaube ich.«
»Ja, aber sie war noch viel mehr. Eine Magierin, Zauberin, Schutzgöttin. Isis war die Schwester und göttliche Gemahlin von Osiris. Osiris wiederum war der Herrscher im Götterreich. Sein Bruder Seth war eifersüchtig und wollte seinerseits König und Herrscher des Götterreichs sein. Er ersann also eine List, um seinen Bruder zu töten. Seth ließ eine Kiste herstellen, die den Maßen Osiris’ entsprach und die kunstvoll gefertigt und mit Gold und Edelsteinen besetzt war. Als es nun ein Fest gab, ließ Seth diese Kiste hereintragen und forderte alle Gäste auf, sich einmal dort hineinzulegen. Wer in die Kiste passte, der würde reich entlohnt werden. Als Osiris in die Kiste stieg, schlug Seth schnell den Deckel zu und warf die Kiste in den Nil. Aber obwohl der Bruder schon tot war, holte Seth die Kiste wieder aus dem Fluss, öffnete sie und zerstückelte Osiris in zweiundvierzig Teile, die er über das gesamte Land verteilte. Isis, Osiris’ Frau und Schwester, war von Gram und Trauer überwältigt und entschied, die Leichenteile wieder zusammenzutragen und ihn so zu neuem Leben zu erwecken. So geschah es, und Isis wurde von dem wiederauferstandenen Osiris schwanger, und er selbst herrschte fortan als Gott und Richter über die Toten und die Unterwelt. So die Sagen und das große Mysterium, das sich seitdem um Isis spinnt.«
Theo nickt. An den Teil kann sie sich aus ihrer Schulzeit auch noch erinnern.
»Das, was wir über den Ursprung der Isis-Sage wissen, stammt aus griechischer Zeit, aus dem Werk Isis und Osiris des Dichters Plutarch«, fährt der Professor fort, der so in seinem Element ist, dass Theo ihn nicht unterbrechen mag. »Er trug zusammen, was sich die Menschen über Isis erzählten.« Professor Hamdy zieht ein anderes, dickeres Buch hervor, das er vorhin aus einem der Regale herausgesucht hat. »Hier ist die Originalgeschichte, wie Plutarch sie aufgeschrieben hat, wenn er beschreibt, wie Typhon den Anschlag gemeinsam mit 72 Verschworenen ausgeführt habe.« Er streift fast liebevoll über den Text. »Na ja, vielleicht würde das aber auch zu weit führen.«
Theo war gerührt von der Leidenschaft, mit der der Professor ihr berichtete. Aber langsam konnten sie auch zum Punkt kommen. »Aber Isis war doch nur eine von vielen Göttern des alten Ägyptens?«
»Ja, das stimmt, und zunächst noch nicht einmal eine besonders bedeutende Göttin. Die ›große Isis‹ wurde erstmals in der 5. Dynastie erwähnt, als eine der neun Ennead, der Ursprungsgötter. Im alten Ägypten nannte man sie Aset, und ihr Symbol war ein Thron. Sie wurde auch als Kobra oder Uraeus auf der Krone dargestellt, die die ägyptischen Könige trugen. Diese Verbindung von Göttin und weltlichem Herrscher war ganz typisch.«
»Aber warum wuchs ihre Bedeutung denn dermaßen?«
»Die Zeit spielt hier eine Rolle. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Göttin mächtiger und nahm die Rollen und Symbole anderer Götter in sich auf. Wie etwa die von Hathor, der Göttin der Liebe, des Friedens, der Schönheit und der Künste. Zu Kleopatras Zeiten waren beide Göttinnen miteinander verschmolzen. Man kann auch sagen, zu Kleopatras Zeiten stand der Isis-Kult in seiner Blüte und Alexandria war das Zentrum der Bewegung. Isis stand für das Magische, das Mystische. Sie ließ den Nilpegel steigen, war Königin des Himmels und des fruchtbaren Bodens. Sie konnte die Toten wieder lebendig machen. Sie beschützte als Isis Pelagia die Seefahrer und als Isis Medica die Kranken. In der dunklen Nacht war sie der Sirius am Himmel. Und dann kam diese ursprünglich ägyptische Gottheit nach Europa.«
»Wie das?« Wie gebannt hängt Theo an den Lippen des Gelehrten. Sie hat fast vergessen, wie überaus spannend die Geschichte ihres eigenen Landes und seiner Mythen ist.
»Mit Kleopatra. Schon mit vierzehn Jahren gab sie sich den Beinamen Nea Isis – neue Isis – und stellte sich den Ägyptern als lebende Göttin dar. Im Jahr 46 vor Christus kam sie mit einem beeindruckenden Hofstaat in Rom an, und zwar auch hier als Göttin Isis. Und sie brachte ihre ägyptischen Isis-Priesterinnen mit ins Zentrum des Römischen Reiches. Während ihrer Zeit in Rom wurde in der Stadt der erste große Isis-Tempel, Isis Campense, eröffnet. Auf diese Weise breitete sich der Kult dort aus und wuchs immer weiter in seiner Bedeutung. Unter Kaiser Caligula war die Isis-Anbetung sogar zum offiziellen staatlichen Kult geworden und gelangte in nahezu alle Teile des Römischen Reiches, sogar bis ins heutige England und nach Deutschland. In Mainz stieß man im Jahr 2000 bei Bauarbeiten auf Überreste eines Isis-Tempels, der wohl bis ins 3. Jahrhundert genutzt wurde.«
»Aber zu jener Zeit breitete sich doch auch das Christentum aus. Kamen die sich nicht in die Quere?«
Der Professor nickt sofort. »Genau so ist es. Isis-Kult und Christentum entwickelten sich nebeneinander, und das nicht unbedingt friedlich. Aber erst im Jahr 380 verbot Kaiser Theodosius der I. alle heidnischen Tempel im Reich, also auch die Isis-Tempel. Und noch mal zweihundert Jahre später ordnete der byzantinische Kaiser Justinian an, den Kleopatra- und Isis-Tempel auf der Nil-Insel Philae zu schließen. Bis dahin blühte der Kult.«
»Okay, verstanden, Professor. Aber ich sagte ja, ich habe zwei Fragen. Die zweite lautet: Warum ist das alles so wichtig? Das liegt ja viele Jahrhunderte zurück?«
»Ja und nein.« Der Professor klappt das Buch vor sich zu und lehnt sich zu Theo, faltet die Hände. Er blickt sie durchbohrend an. »Der Einfluss von Isis ist bis heute da. Isis ist in fast allen Ländern der Welt zu sehen und hat die Jahrtausende überdauert. Theodora, Sie beten sie auch an. Sie wissen es nur nicht! Einen Moment.« Er holte ein anderes Buch und schlug es in der Mitte auf. »Schauen Sie sich diese Bilder an. Es ist eine Darstellung der Isis, wie sie im alten Ägypten verbreitet war. Isis und ihr kleiner Sohn Horus. Sie hält ihn auf ihren Knien und bietet ihm mit der rechten Hand die linke Brust zum Stillen an. Jetzt warten Sie.« Er schlägt ein anderes Buch auf, »Christliche Ikonographie« lautet der Titel, und legt die Abbildung dort neben das Bild von Isis und Horus. »Und so hat die Darstellung der Isis bis heute überdauert. Als das Bild von Maria und dem Jesus-Kind, der Madonna.«
Theo schaut gebannt, fasziniert, neugierig auf die beiden Bilder, die sich tatsächlich so sehr gleichen, und versucht, ihre Gedanken zu sortieren.
»Ägypten war eines der ersten christlichen Länder der Welt, und überall im Land gab es diese Isis-Darstellung. Wahrscheinlich ist die Darstellung als Mutter Gottes mit Jesus übernommen worden und als christliche Ikonographie aufgegangen. Isis existiert demnach bis heute fort, als Darstellung der Jungfrau Maria. So steht sie im Petersdom, die goldene Madonna des Essener Domschatzes, Michelangelos Brügger Madonna. Unzählige Figuren und Abbildungen, die es überall auf der Welt gibt. Das Bild der Madonna, das wir alle vor Augen haben, ist das Abbild der altägyptischen Isis.
Professor Hamdy macht eine lange Pause.
»Verstehen Sie jetzt? Dieser Orden und die Kirche bewahren das Grab der Kleopatra, denn für sie liegt dort die göttliche Isis bestattet. Ein Schrein, ein Heiligtum. Und das Geheimnis, das sie wahren, ist, dass dort die göttliche Mutter bestattet ist, die sie und fast zwei Milliarden Menschen als christliche Madonna anbeten.«
Theo schaut ihn sprachlos an. Sollte das alles stimmen? Dann hätte Jacques tatsächlich recht! Sie erinnert sich plötzlich, wie sie an dem Abend nach dem Mord an Abuna Gabriel ihr Büro in der Polizeistation verließ und ihr auf der anderen Straßenseite, unweit der Kirche, mehrere Männer aufgefallen waren, deren Gesichter sie kaum erkennen konnte und die entlang der Kirche Spalier zu stehen schienen. Waren sie das? Anhänger von Crata Repoa, die Wache standen, um ein weiteres Eindringen von Jacques in eine der Kirchen zu verhindern? Und ja, genau das haben sie dann wenig später in der Sankt-Markus-Kathedrale auch getan! Um eine Art göttlichen Schrein zu hüten? »Sie verzeihen, wenn ich das erst einmal sacken lassen muss«, sagt sie schließlich. Professor Hamdy nickt, als plötzlich hinter ihnen im dunklen Gang eine Stimme erklingt.