EINLEITUNG

Eine Theorie über die Präsenz von Katzen unter Menschen besagt, dass es das Universum sei, das sie verteilt und dafür sorgt, dass sie scheinbar zufällig in das Leben derer treten, die sie brauchen. So kommt es, dass ein Mensch, der gerade eine schwierige Phase hat, verzagt auf einer Parkbank sitzt und im Gebüsch ein hungriges Kätzchen erblickt, das ein Zuhause sucht. Oder dass jemand, der in tiefer Trauer ist, plötzlich wie aus dem Nichts einen streunenden Kater sieht, der ihn in seinem Gebaren an den verlorenen Menschen erinnert. Oder dass ein junger Mann, der an einem Morgen an einer Mülltonne vorbeikommt, ein verzweifeltes Miauen hört.

Es war der 5. Juli 2017. Schon frühmorgens war es sehr heiß. Ich war auf dem Weg zu einem Freund, als ich in der Nähe einer Mülltonne ein Miauen hörte. Im ersten Moment dachte ich, es sei eine Katze auf Futtersuche. Aber dieses Wimmern war viel zu alarmierend, zu verzweifelt, um es zu ignorieren. Also trat ich näher heran. Das Miauen war laut, aber irgendwie gedämpft. Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich neben der Mülltonne einen Plastiksack, der sich bewegte. Schnell riss ich den Sack auf und fand zwei junge Katzen: ein Männchen und ein Weibchen, gerade einmal ein paar Monate alt.

NIE WERDE ICH DEN MOMENT VERGESSEN, ALS SICH UNSERE BLICKE TRAFEN. ES WAR PURE MAGIE. DIE MAGIE DER LIEBE, DER ACHTUNG VOR DEM LEBEN UND DER DANKBARKEIT, DIE DAS DASEIN VON UNS DREIEN ZUM BESSEREN VERÄNDERT HAT.

Es war das Weibchen, das so laut miaute. Die Kleine ist auch jetzt noch die Anführerin – diejenige, die nie aufgibt. Sie sah mich an, als wollte sie sagen: »Hey du, warum haben die uns da reingesteckt? Womit haben wir das verdient?«

Ich zögerte keine Sekunde. Mir war sofort klar: Diese Katzen würden mir gehören. Ich würde sie behalten. Wer konnte so grausam sein, sie einfach in einen Sack zu stecken und wie Müll wegzuwerfen? Aber vielleicht wollte es das Schicksal, dass ich den beiden begegnete, also nahm ich sie mit nach Hause. Ich hatte schon Hunde gehabt, aber noch nie Katzen, also keine Ahnung, was diese Wesen brauchten.

Als Erstes gab ich ihnen Namen. Da ich mich für Astronomie interessiere, benannte ich sie nach zwei Monden des Saturn: Mimas und Rea. Das Weibchen war eindeutig Rea: ein starker Mond, passend zu einer Persönlichkeit, die sich durchsetzen und Respekt verschaffen kann.

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Ich habe Tiere schon immer geliebt, doch bei Mimas und Rea war es keine Liebe auf den ersten Blick. Katzen sind von Natur aus misstrauisch. Es ist ein langer und allmählicher Prozess, bis sie Zuneigung zu jemandem fassen, und ihre Sympathiebekundungen sind nie überschwänglich. Ich hatte langjährige Erfahrung mit Hunden und verstand diese Reserviertheit daher nicht. Fälschlicherweise hielt ich sie für Gleichgültigkeit – wie alle, die nur gelegentlich mit Katzen zu tun haben. Aber ich spürte, dass es eine Verbindung zwischen mir und diesen beiden Geschöpfen gab, nur wusste ich noch nicht, was genau es war. Ich konnte nicht begreifen, warum sie mir nicht entgegenliefen, wenn ich nach Hause kam, warum sie nicht meine Nähe suchten und warum sie mehr miteinander spielten als mit mir. Daher war ich zutiefst davon überzeugt, dass eine Katze einem nicht die gleiche Liebe geben kann wie ein Hund. Es dauerte zwei Jahre, bis ich erkannte, dass dem tatsächlich so ist. Eine Katze gibt dir nicht dieselbe Liebe wie ein Hund: Sie gibt dir mehr Liebe, Liebe in einer reineren Form.

Eine Katze macht nie etwas aus Gefälligkeit oder Hörigkeit: Sie macht, was sie will und wann sie es will. Wenn sie sich für dich entscheidet, ist das ihre Herzensentscheidung. Und wenn du ihr Sanftmut, Respekt und Beständigkeit entgegenbringst, wird sie das mit einer unglaublich innigen, unzerbrechlichen Liebe erwidern. Wie in allen Beziehungen geht natürlich nichts ohne die ständige Suche nach Kompromissen. Doch es ist diese Magie der Liebe und des Respekts, die unsere Beziehung jeden Tag stärkt.

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Die Liebe einer Katze ist deshalb stärker, weil man sie erst nach und nach erobert. Und Unerwartetes ist immer etwas Schönes.

Manchmal versetzt mich unsere Verbindung auch in Angst, weil sie mich verletzlich macht: Seit Mimas und Rea bei mir sind, habe ich eher die Befürchtung, dass ein Fremder bei uns eindringt und den beiden etwas antut. Erst jetzt verstehe ich Freunde, die Kinder haben, wenn sie mir erzählen, dass sie mit einem Mal ängstlicher und besorgter geworden sind. Andererseits ist genau das Liebe: Wer bereit ist zu lieben, muss auch bereit sein zu leiden. Nur wer leidensfähig ist, kann wirklich lieben.

EINE KATZE KOMMT ZU DIR, WENN DU AM WENIGSTEN DAMIT RECHNEST, DU SIE ABER DRINGEND BRAUCHST.

Heute, nach sechs Jahren, kann ich sagen: Ja, ich glaube an die Verteilungstheorie, denn eines Tages brachte mich das Universum vor einer Mülltonne mit zwei wundervollen Wesen zusammen, die für irgendwen nur unnützer Abfall waren, für mich aber das Wertvollste auf der Welt sind.

Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die das Glück hatten, einer Katze zu begegnen, die sich für sie entschieden hat – sei es in einem Tierheim, auf der Straße, in einem Körbchen beim Tierarzt, in einem Geschäft oder durch einen Freund. Ich habe hier alles zusammengetragen, was ich über diese wunderbaren Geschöpfe, ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten gelernt habe, in dem Versuch, sie besser kennenzulernen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und eine tiefere Beziehung zu ihnen aufzubauen.

Dies ist keine veterinärmedizinische Abhandlung, dazu habe ich weder das Fachwissen noch die Intention. Vielmehr handelt es sich um eine Sammlung persönlicher Erfahrungen und Tipps eines verliebten Katzennarren, der sich die Mühe gemacht hat, tiefer in die Materie einzutauchen. All das ist als Ausgangspunkt gedacht, um Katzen besser zu verstehen, keineswegs als Endpunkt. Ihr könnt dieses Büchlein als Beginn eines Weges sehen, den ihr Seite an Seite mit eurer Schicksalskatze gehen werdet.