»Grundsätzlich nichts«, sagt Heiko Maas. »Ich versuche das, was ich kann, so gut,wie es geht, einzubringen, aber ich würde für mich gar nicht in Anspruch nehmen wollen, dass ich über Dinge verfüge, die junge Frauen nicht können.«
»Ganz deutlich: nichts«, sagt der Physikprofessor Frank-Peter Weiß. »Ich kann nichts, was eine Frau nicht könnte.«
»Viele können noch viel mehr!«, ruft Dr. Lars Hellmeyer, Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin und Gynäkologie am Vivantes-Klinikum Berlin. »Ganz klar!«
»Was junge Frauen nicht können?«, wiederholt der Rapper Bausa langsam, eh er nach einer langen Denkpause antwortet: »Ich kann mir ’n Bart wachsen lassen.«
»Frauen können viele Dinge, die ich nicht kann«, antwortet Gregor Gysi. »Frauen können zum Beispiel Kinder zur Welt bringen. Also den Anteil des Mannes an der Herstellung eines Kindes, den trägt nun wirklich die Katze auf dem Schwanz weg.«
»Des woas i gar ned«, schallt es von Helmut Thomas Medienlegendenseite der Telefonverbindung. »Junge Frauen können vieles, und ich dann dafür anderes.«
Nun ist bei keinem meiner Interviewpartner der altersmäßige Abstand zu jungen Frauen so groß wie bei Thoma. Und so wird er spezifischer: »Die Erfahrung spricht natürlich schon dafür, die man einbringen kann. Die kann niemand einbringen, der sie nicht hat.«
Auch Rainer Esser, Jürgen Bornschein und Ole von Beust bringen vorsichtig ihre Erfahrung ins Spiel. »Erfahrung«, so von Beust, »die jüngere Leute nicht haben können. Ansonsten würde ich mir nicht anmaßen, besser oder schlechter als andere zu sein.« Und um zu vermeiden, dass der langjährige Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg hier missverstanden werden könnte, wird er noch etwas deutlicher: »Ich habe schon immer die These vertreten, dass jeder und jede ein politisches Spitzenamt wahrnehmen kann. Das ist kein Hexenwerk. Das kann jeder für sich lernen. Und wenn man es lernt, dann kann man’s, und wenn nicht, dann nicht.«
So einfach ist das. Das also antworten erfolgreiche Männer, wenn man sie fragt: »Was können Sie, was junge Frauen nicht können?« Sie können erst einmal nichts Bestimmtes und/oder sie haben Erfahrung. Ich bin doch ein wenig überrascht und nicht sicher, ob ich es hier mit Realismus oder Bescheidenheit zu tun habe. Vielleicht hätte ich die Frage nicht so explizit auf junge Frauen ausrichten sollen, sondern auf Frauen allgemein. Vielleicht wären die Antworten auch grundsätzlich anders ausgefallen, wenn nicht eine ebenfalls relativ junge Frau diese Frage gestellt hätte. Schließlich werden Interviews ja auch ganz enorm von der Konstellation der Gesprächspartner*innen geprägt, das weiß man doch. Nun, das wäre ein grundsätzliches Problem, mit dem wir in diesem Buch jetzt einfach leben müssten.
Dass aber tatsächlich niemand wenigstens ein bis zwei beeindruckende Fähigkeiten aufgezählt hat, macht mich an diesem Punkt etwas misstrauisch. Wenn es so einfach ist, zum Beispiel ein politisches Spitzenamt wahrzunehmen, warum gab es bislang noch nie eine Erste Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg? Warum waren 2017 überhaupt nur 8,2 % der deutschen Großstadtbürgermeister*innen weiblich?[19] Warum ist das Team von Dr. Hellmeyer zum allergrößten Teil weiblich, das Chefarztkollegium seines Klinikums jedoch deutlich männlich dominiert? Da muss es doch noch eine andere Antwort geben?