Wie hat Ihr berufliches Umfeld auf Ihre Vaterschaft reagiert?

»Mit großer Freude«; »Sie haben sich für mich gefreut«; »Alle haben sich gefreut«; »Es haben sich alle gefreut«; »Es haben

Etwas flacher als die meisten anderen halten Holger Friedrich (drei Kinder) und Jürgen Bornschein (zwei Kinder) ihren jeweiligen Ball. »Gar nicht« habe das Umfeld reagiert, sagt Friedrich, das kommende Kind wäre halt in den Alltag als junge Unternehmer eingebaut gewesen. »Das wurde zur Kenntnis genommen«, erzählt Jürgen Bornschein, dessen Kinder wie ich in der letzten Dekade der DDR geboren wurden. »Haken hinter: Der ist auch Vater. Das war ziemlich unspektakulär.«

»Aber als Sie Ihren beiden Partnern gesagt haben, dass Sie ein Kind bekommen, war deren Reaktion schwierig, oder?«, fragte mich im Juli 2019 der PR Report.[41] Eine Frage, die viele meiner Gesprächspartner nicht recht verstehen, als ich sie ihnen ähnlich stelle: »Warum?«, fragt Dr. Hellmeyer (ein Kind). »Nö«, sagt Peter Wittkamp (ein Kind). »Ich kann mich nicht erinnern, dass daraus ein Problem gemacht wurde«, kann sich Holger Friedrich nicht erinnern. Heiko Maas (zwei Kinder) erinnert sich dafür ans genaue Gegenteil: »Es gab sogar einige, die der Auffassung waren, das gehöre eigentlich auch dazu. Ein Politiker mit Familie steht mehr im Leben, dem können die Menschen auch eher vertrauen.« Ein Sternekoch mit Familie dagegen wüsste nicht, was das seine Geschäftspartner angeht: »Ich habe es überhaupt nicht groß kundgetan«, winkt

Auch bei Jörg Eigendorf (zwei Kinder) hat das Umfeld erst einmal keine Rolle gespielt, allerdings aus anderen Gründen: »Mein berufliches Umfeld konnte nicht so sonderlich auf mich reagieren, denn ich war damals freiberuflich in Moskau und hatte meine ersten Geschichten für den SPIEGEL geschrieben. Ich war dann einfach nicht mehr da.«

Der heutige Konzernsprecher der Deutschen Bank blickt auf eine lange journalistische Karriere zurück. 1967 in Ratingen geboren, besucht Eigendorf nach dem Abitur die Kölner Journalistenschule, beginnt ein VWL-Studium, geht nach dem Grundstudium nach Moskau, wo er parallel zum Studium freiberuflich als Korrespondent für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften arbeitet. Er wird 1994 Vater und fester GUS-Wirtschaftskorrespondent der ZEIT. 1999 zieht die mittlerweile vierköpfige Familie Eigendorf nach Deutschland. Eigendorf wechselt zur Welt-Gruppe, wo er vom Korrespondenten zum Ressortleiter zum Chefreporter zum Mitglied der Chefredaktion wird.

Dabei ist ihm stets wichtig, Leitungsaufgaben nicht allein zu tragen: »Für mich war deshalb auch immer klar: Ich mache einen Chefposten nur als Co«, also in Partnerschaft. »Es gab Momente, in denen ich als Vater einfach alles stehen und liegen lassen musste.« Er findet Partner, mit denen er sich die Leitung teilen kann, »Väter, die ihre Rolle in ihren

2015 verpflichtet die Deutsche Bank Eigendorf als Konzernsprecher. Ein zunächst überraschender Zug für alle Beteiligten, »aber das war das Erstaunliche: Ich habe mich hier sofort zu Hause gefühlt in der Bank, obwohl ich sehr kritische Artikel über die Deutsche Bank geschrieben und über viele Jahre die Bank kritisiert hatte. Ich habe von Anfang an das Gefühl gehabt, hier am richtigen Ort zu sein.« Seine Frau Katrin bleibt über all die Jahre dem internationalen Fernsehjournalismus treu und arbeitet heute als internationale Reporterin für das ZDF.

1994 jedoch liegt all das noch in seinen Anfängen. Im Juni kommt das erste Kind der Eigendorfs zur Welt. Philip Julius ist ein zunächst gesund wirkendes Baby, leidet jedoch an einem nicht heilbaren Krampfleiden – ein schwerstbehinderter, pflegeintensiver Junge. Die Eigendorfs beschließen, statt medizinischer Therapieversuche die Lebensqualität ihres Sohnes in den Vordergrund zu stellen. Die Verantwortlichkeiten sind dabei recht klar aufgeteilt, auch weil Katrin Eigendorf bereits als feste Korrespondentin arbeitet: »Wir haben uns immer sehr gut ergänzt. Ich habe Philipp gepflegt, und Katrin hat im Grunde genommen alles gemacht, was drum herum war. Wir haben uns immer die Arbeit aufgeteilt.« 1995 folgt das zweite Kind, ein gesundes Mädchen.

In Deutschland findet die Familie 1999 ein Internat für ihren Sohn: die Johann-Peter-Schäfer-Blindenschule in Friedberg. Damit schlägt die so international orientierte Familie jedoch feste Wurzeln: »Mir hat in den frühen 2000er Jahren mal eine deutsche Tageszeitung einen Korrespondentenjob

Eigendorf schildert seine Rolle in der Familie nüchtern und doch herzlich: »Bügeln kann ich nicht. Ich kann auch nicht kochen. Aber ich bin ziemlich gut in Kinderpflege und Füttern von Kindern, singen, spielen mit Kindern und Papi sein. Meine Tochter hat mich immer Mapa genannt, als sie klein war. Mama und Papa in einem. Das fand ich schön.« Als Individuen ist es Mama und Papa derweil gelungen, die Familie mit ihren besonderen Herausforderungen auch in ihre beruflichen Pläne zu integrieren: »Meine Frau hat immer sehr viel gearbeitet und eben auch als Reporterin Karriere gemacht. Uns war immer klar, dass wir beide berufstätig sein wollen.« Entscheidungen treffen sie gemeinsam: »Wir haben uns gegenseitig immer sehr unterstützt.«

Hat Jörg Eigendorf zwischen Kind und Karriere abgewogen? »Immer. Aber das war ein relativ simples Abwägen: Die Familie hat den Rahmen gesetzt, und ich habe mein Arbeitsumfeld entsprechend ausgerichtet, so dass meine Familie damit umgehen kann. Wünschte ich mir, noch mehr zu Hause und noch mehr bei meinen Kindern gewesen zu sein? Ja. Ich bin froh über jede Stunde, die ich mit meinen Kindern verbracht habe in meinem Leben, das gibt mir unendlich viel.

Wenn Jörg Eigendorf spricht und resümiert, ist er oft bis an die Grenze der Zerrissenheit reflektiert: In seinen Schilderungen ist viel Zärtlichkeit und Traurigkeit, ein deutliches Bewusstsein für seine Grenzen und viel Dankbarkeit für die Zusammenarbeit mit seiner Frau. Aber wie er selber sagt, arbeitet er eben auch gern: »Das, was wir hier teilweise machen, ist Hochleistungssport, da muss man einen totalen Fokus drauf haben. Diesen Job als Kommunikationschef der Deutschen Bank hätte ich mit kleinen Kindern nicht gemacht. Ja, dafür wird man gut bezahlt, aber man verzichtet auch, vor allem auf Zeit mit den Menschen, die man schätzt.« Es ist interessant, die Dynamik, die in vielen Paaren klar zwischen zwei Leuten verteilt ist, in einem Menschen arbeiten zu sehen.

Eigendorf ist sich seiner besonderen Rolle ebenfalls bewusst. Und er hadert damit: »Wenn man sich als Mann um seine Kinder kümmert, bekommt man dafür weitaus mehr Anerkennung als eine Frau. Bei der Frau wird es als selbstverständlich angesehen. Als Mann ist man ein toller Typ.« Mehrfach sei dagegen seine Frau in ihrer Karriere gefragt worden, ob sie ihren Job trotz Kind noch erledigen könne. Auch in ihrem privaten Umfeld sei Katrin Eigendorfs Arbeitsvolumen oft Thema gewesen. »Bei Männern fragt keiner. Das finde ich befremdlich, das ist schon ungerecht.«