Die Schicht war nicht annähernd so furchtbar gewesen, wie Sam erwartet hatte. Bevor er in der Boje ankam, ließ er sich von der Box Pausenbrote schmieren, eine Suppe zubereiten und mehrere Energydrinks zaubern, die er mitnahm. Gern hätte er noch mehr versucht, aber er musste los. Die Stunden vergingen im Zeitraffer, während er sich ausmalte, was die Box noch alles für ihn bauen sollte. Selbst die Drohgebärden mancher Wesen konnten ihn nicht stören. Er lächelte sie über den Connector an und machte seinen Job.
Zu Hause angekommen, stürzte er zu der Zauberbox.
»Ich wünsche mir einen Liter Bier, in einem Humpen, und ein paniertes Schnitzel nach Art des einundzwanzigsten Jahrhunderts, mit Kartoffeln, Möhren und ... wie hieß das damals noch? Ach ja! Mit Champignoncremesoße. Auf einem Teller aus weißem Marmor. Ja, das wünsche ich.«
Die kleine Kiste rumpelte, vibrierte und knisterte. Aus dem Loch kräuselte sich ein Rauchfähnchen, verdichtete sich zu einer dicken Wolke, die verpuffte und das Gewünschte erschien. Sam hätte im Kreis gegrinst, wären seine Ohren nicht gewesen. Obwohl er kaum Hunger verspürte – seine Pausenmahlzeiten waren schließlich reichhaltig gewesen – stürzte er sich auf das Schnitzel. Mit vollem Mund goss er das Bier hinterher, genoss den Schaum, der ihm in die Nase stieg. Das war pures Leben! Und so lecker! Ungekünstelt, unförmig und mit unregelmäßiger Panade. Vollkommen anders, als es die Nahrungsmittelverteiler heutzutage herstellten.
Kaum aufgegessen, rülpste er herzhaft und überlegte, was er sich als Nächstes wünschen konnte. Normalerweise sank er nach einer 24-Stunden-Schicht halbtot ins Bett, jetzt aber war er aufgekratzt und ans Schlafen war nicht zu denken!
»Ich wünsche ... ich wünsche mir ... Schuhe!«, rief er begeistert. Er besaß nur die üblichen Fußglocken aus Kunststofffasern, mit einer Sohle aus abriebfestem, kantilisischem Gummigestein. »Ein Paar Stiefeletten bitte – einen linken und einen rechten – die bis über den Knöchel gehen, aus echtem Leder, Kalbsleder. Das ist bestimmt bequem. In grün mit gelben Streifen an den Seiten und Reißverschlüssen, keine Schnürsenkel. Vorne sollen sie dreieckig zulaufen und sich leicht nach oben neigen, hinten einen zweifingerhohen Absatz haben.«
Wieder rumpelte die Box, vibrierte und knisterte. Aus dem Loch formte sich das Fähnchen, bündelte sich zur Wolke und waberte direkt vor seinen Füßen zu Boden. Sie verpuffte und ein Paar glänzender Stiefelchen stand vor ihm, formvollendet und stylish, wie er sie sich nicht hätte vorstellen können. Begeistert kickte er seine Fußglocken beiseite und probierte die neuen an. Sie saßen wie eine zweite Haut. Sam war glücklich.
Was als Nächstes? Einen eigenen Gleiter. Ob die Box so etwas konnte? Alles, was nicht lebte, hatte Siourrissa gesagt. Dann los! »Ich wünsche mir den flottesten Gleiter der Vereinigten Galaxien. Antrieb: Local-Speed, Star-Flush und Super-Jump der neuesten Generation. Das Schiff selbst ist aus den edelsten Materialien gebaut und verfügt über die aktuellste Bordtechnik – also mit allem Pipapo. Und mit zwei Sitzplätzen«, fügte er hinzu. Die Möglichkeit, jemanden mitzunehmen, konnte ja nicht schaden. Seine Gedanken verselbstständigten sich. »Und einer Musikanlage, die sämtliche aktuellen und vergangenen Titel abspielen kann sowie selbstständig Tracklisten zusammenstellt, wenn ich sage, welches Genre, Jahrhundert, Region oder Stimmung ich mir wünsche. Die Sitze sollen sich ergonomisch an den Passagier anpassen, und ich wünsche mir die Möglichkeit, auch darin schlafen zu können, ohne dass viel Innenraum notwendig ist. Der Gleiter soll sportlich sein.«
Oh ja, das würde Kristie gefallen. Vor seinem geistigen Auge sah er sie beide durchs Weltall düsen, vorbei an kreiselähnlichen Quasaren und farbgewaltigen Spiralnebeln, an Sternen, Sonnen und Planeten. Kristie schmiegte sich eng an ihn, sie tranken prickelnden Champagner und hielten Händchen. Dann kämen sie in die Nähe einer Supernova, er schaltete den Zoom der Cockpitfenster dazu und sie beobachteten das Schauspiel aus sicherer Entfernung. Und nach diesem Ereignis verwandelte er die Sitze in Betten und sie sanken einander in die Arme, tauschten hitzige Küsse aus, streichelten sich gierig und verloren sich in ihrer Leidenschaft. Ja, so würde es laufen. Sam wurde ganz kribbelig. »Ach, und ich möchte einen Nahrungsmittelverteiler an Bord. Ein Luxusgerät, bitte. Genau das wünsche ich mir.« Sonst wäre nichts mit Schampus. Bis ins Detail wünschen, sonst fehlte am Ende etwas. Sam wollte Kristie verwöhnen, bis ihr Hören und Sehen verging. Sie würde nur noch eines wollen – und zwar ihn.
Wie zuvor gab die Box ihre Geräusche von sich. Das Loch begann zu rauchen, der Rauch wiederum wurde zu einer gigantischen Wolke, die den gesamten Raum ausfüllte. Sie machte Puff und … nichts.
»Verdammt«, murmelte er in dem festen Glauben, die Box sei hinüber, weil er sie überfordert hatte. Dann kam ihm ein Gedanke. So ein riesiger Gleiter hätte niemals Platz in seinen vier Wänden gefunden. Vielleicht befand er sich draußen? Er stürmte aus dem Quartier zu seinem Anlegedock.
Und wahrhaftig, neben Barneys Deltagleiter hatte ein regelrechtes Geschoss angedockt. Sam begann lauthals aufzulachen, gackerte vor Glück und Fassungslosigkeit. Das Ding war ein Wahnsinnsteil, das die Bezeichnung ‚Gleiter‘ fast nicht verdiente. Er sah aus wie ein Jäger, ein kleines Monster, ein echtes Biest. Genau so hatte Sam es sich vorgestellt, sich immer gewünscht. Die silbrige Oberfläche glänzte im Licht der Raumstation und die Sonnensegel waren in die tragflächenähnlichen Flügel integriert. Das Cockpit wurde von einer Metall-Quarz-Platte geschützt, die wie eine Jalousie auf einem gewaltigen Fenster lag, das den Gleiter zur Hälfte umfasste. Sein Name, Sam Wiener, stand auf der Kennung am Heck, genauso wie seine Identifikationsnummer. Rein rechtlich gesehen war das Teil ebenfalls seins. Einen Flieger wie diesen gab es kein zweites Mal. Kristie würde dahinschmelzen. Sam konnte es kaum erwarten, an Bord zu gehen.
Doch bevor er die tunnelartige Fluggastbrücke zum Gleiter ausfuhr, hielt er inne. Etwas gab es noch, dass er sich wünschen wollte. Er machte auf dem Absatz kehrt und eilte zur Zauberbox zurück.
»Ich wünsche«, begann er langsam und voller Inbrunst. »Eine Kette, die wie die Sonne glänzt, wie der Mond scheint und wie die Sterne funkelt. Sie soll sich um den Hals legen, als gehöre sie dahin. Leicht möge sie sein und sich niemals versehentlich öffnen. Steine, die ihre Farbe ändern können und sich der Kleidung oder den Wünschen der Trägerin anpassen, sollen darin eingefasst sein.« Diese Kette wollte er Kristie schenken. Natürlich mit der Auflage, dass sie sie nie weiter verschenken oder gar verkaufen durfte.
Die Box rumpelte, rauchte und wölkte. Dann lag vor dem Loch das prächtigste Collier, das er je gesehen hatte. Ein seidiges Schimmern ging von der Kette aus, die Steine funkelten dreireihig auf glitzernden Schnüren, mündeten in einer kunstvoll verschnörkelten Spitze, die einem Dekolleté nur schmeicheln konnte! Kristie würde entzückt sein. Natürlich würde sie das. Und sich dann aufseufzend in seine Arme werfen, ihm zu seinem Superhyperwahnsinnsgleiter folgen, um sich dort, vor Begeisterung nahezu ohnmächtig, in die weichen Sitze – die sich hoffentlich darin befanden – fallen zu lassen. Dann flöge er mit ihr durch das ewige All zu einem romantischen Plätzchen, fütterte sie mit erlesenen Köstlichkeiten und zu guter Letzt würden sie einander lieben. Für immer. Hach … Sam seufzte glücklich, in seinem Bauch flatterten Dutzende Kolibris. Vorfreude war was Tolles! Er schnappte sich das Collier und rannte zur Tür.
***
Sam hatte Glück, Navys Flieger war nicht angedockt. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, in seinen Ohren rauschte das Blut. Er musste sich beruhigen, sonst machte er irgendwas Dummes. Tief durchatmend schloss er die Augen und lehnte sich zurück.
In seinem Kopf war die Hölle los. Was er hier vorhatte, konnte nur schiefgehen! Er sollte seinen Plan vergessen und verschwinden. Sofort. Das Gefühl, als hätte er es bereits versucht, überfiel ihn wie ein Lichtblitzgewitter, auch wenn es Quatsch war. Noch nie hatte er Kristie ein Geschenk gemacht.
Aber er wollte diese Frau, mehr als alles andere auf der Welt und das schon viel zu lange. Etwas anderes fiel ihm nicht ein, um sie für sich zu gewinnen. Okay, dann hieß es, die Nerven zu behalten.
Ein überaus scharfer Schnaps aus seinem brandneuen Nahrungsmittelverteiler half. Per Flyer-Connector meldete Sam sich an und Kristie reagierte auch sofort. Das Fenster vor ihm verwandelte sich in eine dreidimensionale Darstellung. Von Kopf bis Dekolleté erschien die Frau, nach der Sam sich so lange sehnte. Ihre kastanienbraunen Locken umrahmten das schmale Gesicht mit der hellen Haut und den mandelförmigen, blauen Augen. Das Bild sah dermaßen echt aus, wie Elli es daheim nie hinbekommen hätte.
»Sam!«, rief sein Engel freudestrahlend und stutzte. Stirnrunzeln. »Du bist an meinem Quartier? Was ist los, dass du herkommst?«
»Ich möchte dir was schenken«, raunte er und schmunzelte.
»Echt? Oh …« Sie rollte die Lippen zwischen die Zähne, schaute sich unsicher um. »Das ist lieb von dir, aber … aber es ist grade ungünstig.«
Sie wirkte nervös. Warum? Ihr Blick hetzte von einer Ecke zur anderen und sie drehte sich unaufhörlich Locken um den Finger.
»Gib dir einen Ruck, Kristie«, sagte er leise. »Es wird dir gefallen!« Hoffentlich sah sie nicht, wie er rot anlief.
Zaghaftes Lächeln. »Das glaub ich dir ja, Sam. Aber Navy kann jeden Moment nach Hause kommen und …« Wie bitte? Sie wohnten zusammen? Sams Herz sackte ins Bodenlose. »Und wenn er dich hier sieht, gibt es Ärger.«
Wieso Ärger? Verbot ihr der Typ, Besuch zu empfangen?
»Ich habe ohnehin nur wenig Zeit«, log er. »Gleich beginnt mein Dienst auf der Boje.«
»Ah, ach so. Dann beam es mir rüber«, schlug sie zögernd vor.
Auf keinen Fall! »Meine Mutter meint, Geschenke übergibt man persönlich«, sagte er und zwinkerte.
Wieder biss sie sich auf die Lippen und schaute hektisch umher. Ob sie sich Sorgen machte, weil es chaotisch bei ihr aussah? Aber das war Sam doch egal!
»Okay«, sagte sie schließlich.
Der Tunnel der Fluggastbrücke fuhr aus und koppelte sich mit Sams Ultragleiter. Erleichtert stieg er aus und betrat Kristies Wohneinheit.
Was war denn hier passiert? Sam war irritiert. Die Bude war nicht unordentlich, sondern leer geräumt. Nur das Allernötigste war vorhanden, die Basisausstattung, das absolut Mindeste, das per Gesetz der Vereinigten Galaxien in jeder Wohneinheit vorhanden sein musste. Hier befand sich alles im Auslieferungszustand. Sam wusste aber, dass Kristie hier seit einer kleinen Ewigkeit wohnte. Da sollte sie doch persönliche Anschaffungen besitzen. Wo war das alles hin? Der Raum war viereckig, nackt und ohne jeden Kram. Mochte sie es so? Selbst die Wände trugen das Mausgrau der Grundausstattung. Für nur wenige Einheiten konnte man sie bunt färben und auch Muster und Bilder bekommen. Selbst Sam hatte das! Das Bett, genauso wie Tische und Schränke waren in den Wänden verborgen, aber wo waren die Stühle, Kommoden, Regale, wo der persönliche Kram, Erinnerungen und Liebhaberstücke? Hatte Kristie ihren Job verloren, dass sie alles hatte verkaufen müssen?
Ihre Umarmung holte ihn aus seinen Gedanken. Der schlanke Körper fühlte sich hinreißend an. Passte genau an seinen. Als wären sie zwei Stücke desselben Puzzles.
»Schön, dich zu sehen«, hauchte sie ihm ins Ohr. Viel zu früh ließ sie ihn wieder los. »Was wolltest du mir schenken?«
»Dreh dich um und schließe die Augen«, raunte er. Seine Finger wurden feucht, das Herz pochte hart in seiner Brust.
Kurz verengte sie die Augen, dann wandte sie ihm den Rücken zu.
Vorsichtig zog Sam das Collier aus der Seitentasche seines Overalls und stellte sich hinter sie. Seine Finger zitterten, als er ihr die Kette umlegte, deren Verschlüsse wie von selbst ineinander schnappten. Mit beiden Händen griff er unter ihre Haare, hob sie an. Ein zarter Hauch von Seife umschmeichelte seine Nase, tief sog er den Duft ein.
Die Steine verfärbten sich und schillerten in dem hellen Blau ihres Kleides. »Spiegel«, befahl Sam dem Quartiersystem und schob Kristie, die ihre Augen brav geschlossen hielt, behutsam in Richtung Wand.
»Jetzt aufmachen«, raunte er dicht an ihrem Ohr. Gespannt beobachtete er ihre Reaktion.
Zwinkernd öffnete sie die Lider, die fast erschrocken auseinandersprangen. Der Mund klappte auf und ihre Finger zuckten in Richtung des Schmuckstücks, trauten sich aber nicht, es zu berühren.
»Wie wunderschön«, hauchte Kristie, drehte sich um, schaute ihn an. Ihre Augen glänzten und die Pupillen waren geweitet. »Warum willst du mir das schenken?«
»Weil ich dich … weil ich dich mag.« Seine Ohren glühten, das Herz geriet aus dem Takt. Sanft ergriff er ihre Schultern, massierte sie zärtlich. Oh, er wollte in ihren Augen ertrinken. »Ich mochte dich vom ersten Moment an – und das ist noch tiefgestapelt.« Seine Stimme versagte ihm den Dienst, in seiner Kehle wuchs ein Kloß. Verlegen räusperte er sich. Woher er den Mut nahm, noch deutlicher werden zu wollen, wusste er nicht. Doch er musste es ihr sagen, es war wie ein innerer Zwang. Und es fühlte sich an, als hätte er es ihr schon hundertmal gesagt. In seinen Träumen. Tief holte er Luft und als er sprach, legte er seine volle Sehnsucht in jede einzelne Silbe. »Ich mag dich nicht nur, ich liebe dich, Kristie. Und ich möchte mit dir zusammen sein.«
Sie schluckte schwer, trat aber nicht zurück. »Das ist unmöglich«, krächzte sie.
»Nein, das ist es nicht. Was hält dich noch bei ihm?« Seine Nasenspitze war nur wenige Millimeter von ihrer entfernt. Er spürte ihren Atem an seinem Kinn, sah ihre Lippen unter seinen. Sein Mund wurde trocken. »Wenn du wüsstest, was ich für uns – für dich – machen kann! Ich sorge für dich! Möchtest du ein Quartier, das völlig für sich im Raum schwebt und nicht an tausend andere gekoppelt ist? Oder vielleicht ein Haus auf einem Planeten deiner Wahl? Kein Problem! Wir können haben, was wir wollen, Schmuck, Flieger, Klamotten, alles! Wir müssten nie hungern. Ich kann das für dich tun.«
»Du spinnst doch …«
»Nein, Kristie«, unterbrach er sie, nervös geworden durch ihre ablehnende Reaktion. »Ich habe das fette Los gezogen und …« Er wollte ihr von der Zauberbox erzählen, ihr sagen, dass sie nichts vermissen würde, entschiede sie sich für ihn. Doch in diesem Moment meldete sich der Quartier-Connector. Navy wünschte, Kristie zu sprechen. Natürlich. Was für ein Timing.
»Schnell, hock dich hin!«, sagte sie mit schriller Stimme. Hektisch fummelte sie am Verschluss der Kette herum, bekam ihn nicht auf.
»Sie wird sich erst öffnen, wenn du es wirklich willst«, murmelte Sam irritiert. »Entspann dich.«
Doch Kristie war vollkommen außer sich. Sie befahl dem Schrank, sich zu öffnen, riss einen Schal heraus und wickelte ihn um, während sie in eine andere Ecke des Quartiers hetzte, um das Gespräch entgegenzunehmen. Sam sah die durchscheinende Darstellung von Navy im Raum erscheinen, wenn auch nur das Gesicht. Es war nicht einmal dreidimensional, was es aber hätte sein müssen – schließlich gehörte das zur Grundausstattung. Sam schüttelte innerlich den Kopf. Kristie musste es finanziell wirklich mies gehen.
»Hallo, meine Rose«, schnurrte Navy. »Wie hübsch du bist.«
Schleimer. Sam musste sich ein Würgen unterdrücken.
Kristie senkte den Kopf und berührte verlegen den Schal über der Kette. »Danke«, murmelte sie und errötete.
»Du, ich verspäte mich. Ich muss noch mal eben ins Casino was abholen.«
Ihr Teint wurde eine Spur blasser. »Aber … aber Navy, bitte … nein … Wir haben doch kein …« Nervös schaute sie zu Sam, stockte. Ihr Blick hetzte zur Darstellung zurück. »Nicht schon wieder, Navy, bitte.«
»Alles okay, mein Schatz«, gurrte er sanft. »Ich hole nur etwas ab und dann wird gefeiert!« Einer seiner Mundwinkel hob sich, leicht senkte er die Lider, maß sie lüstern von oben bis unten. »Zieh dir schon mal was … sagen wir mal, was Freizügiges an. Ich bin in zwanzig Minuten da.«
Freizügig. Sam wurde übel. Seine Kristie stand da, knetete ihre Finger, biss sich die Lippen blutig und der Typ dachte bloß an Sex. Warum blieb sie bei ihm? Tja, weil sie einfach grundanständig war. Auf der einen Seite bewunderte Sam ihre Treue, ihre Loyalität, und auf der anderen schüttelte er gefrustet den Kopf.
Moment mal. Hatte er Navy nicht neulich bei der Kirio-Vergnügungsraumstation herumfliegen sehen? Mit einem Schlag begriff Sam, weswegen dieses Quartier so dürftig ausgestattet war: Navy verzockte die Einheiten. Kristies Einheiten. Kirio hatte doch ein Casino! Vermutlich hatte Navy dieses Mal gewonnen und statt die Ausstattung aufzumöbeln, dachte er nur an das Eine. Aus Sams Übelkeit wurde Abscheu. Sein Engel musste sich trennen, Navy trieb sie noch in den Ruin! Wenn es nicht längst so weit war.
»Soll ich …?«, begann sie, doch Navy hatte die Verbindung bereits unterbrochen.
Unhöflich ist er auch noch, dachte Sam. Er würde Kristie nie so behandeln.
Wenn sie bis eben nervös und hektisch ausgesehen hatte, so schien sie jetzt regelrecht in Panik zu verfallen. Rote Flecken zeigten sich in ihrem Gesicht und der Blick, den sie Sam zuwarf, bat nicht mehr, sondern schrie ihn förmlich an, zu verschwinden. Sofort.
»Ich geh dann mal«, murmelte er widerstrebend.
»Tut mir leid, Sam.« Ihre Fingernägel verkrallten sich in ihren Unterarmen.
»Gib das Collier nicht her, okay?«, bat er mit zittriger Stimme. »Nicht verkaufen, verschenken oder tauschen, ja?«
»Natürlich nicht – was denkst du von mir?«
Dass du mein Engel bist. »Lohnt es sich zu warten? Habe ich eine Chance?« Blöde Frage, aber er musste sie einfach stellen. Wie nicht anders zu erwarten schüttelte sie den Kopf. »Liebst du Navy so sehr?«
»Das ist es nicht …« Sie senkte den Blick, nur um ihn danach fast hilflos anzusehen. »Ach, Sam … ich fühle mich geschmeichelt. Echt! Und ich habe dich auch total gern – schon verdammt lange«, murmelte sie. »Aber Navy und ich leben zusammen und …« Es schien, als wollte sie noch etwas sagen, aber sie schwieg.
»Okay, ich habe es kapiert.«
Wieder schüttelte sie den Kopf.
Sam stieß hörbar die Luft aus, wandte sich zur Tür.
»Verrätst du mir noch, wie ich den Verschluss aufkriege?«
»Ist ein neuronaler Chip«, log Sam. Schließlich hätte es so sein können. Ihr zu erklären, dass sie sich das wünschen musste, dauerte ihm zu lange. »Du musst es wollen, dann öffnet er sich von selbst.«
»Aha«, flüsterte sie. »Okay, dann … dann … danke.«
»Gern geschehen. Kannst dich ja mal melden.«
»Mache ich.«
Eher nicht, ich weiß.
»Also … Tschüss, Sam.«
»Tschau.«
Mit hängenden Schultern schlich er auf die Tür zu. Das war ja erstklassig gelaufen. Wie hatte er glauben können … ach, egal. Er war ein Pechvogel. Und daran würde sich nie etwas ändern. Auch mit einer Zauberbox nicht.