PROLOG

Das Erste, was Caius spürte, war das furchtbare Dröhnen in seinem Kopf. Es war, als würde ein Schmied seinen Hammer immer wieder und in schneller Folge gegen seine Schädeldecke krachen lassen. Seine Sinne kehrten nur langsam zurück. Er lag auf dem Rücken. Feuchte Kälte hatte sich durch die Kleidung bis auf die Haut vorgearbeitet. Arme und Beine fühlten sich taub an. Sein Kopf lag zur Seite gekippt im Schlamm.

Nach und nach kam die Erinnerung. Bilder tauchten aus der nebligen Dunkelheit seines Bewusstseins auf und hüpften vor seinem inneren Auge im Rhythmus des Hämmerns in seinem Kopf, das nicht aufhören wollte. Gestalten, die plötzlich wie Geisterwesen zwischen den Bäumen aufgetaucht waren. Ohrenbetäubendes Geschrei. Durchgehende Maultiergespanne, umstürzende Wagen. Varus, wie er von seiner Leibwache abgeschirmt wurde. Das Sirren und Klacken von Pfeilen, die aus dem Nichts zu kommen schienen. Und dann hatte ihn irgendetwas am Kopf getroffen.

Caius begann zu zittern. Mach die Augen auf, befahl er sich selbst. Das Dröhnen in seinem Kopf hielt unverdrossen an, und als das erste Licht durch die Lider drang, nahmen die Schläge an Heftigkeit noch einmal zu.

Sehr langsam tauchten die Konturen eines umgekippten Trosswagens aus dem milchigen Schleier auf. Die Plane war aufgerissen und allerlei Gerätschaften waren herausgefallen. Neben einem der Wagenräder lag ein toter Legionär, aus seinem Hals ragte der Schaft eines Pfeils.

Du musst aufstehen, dachte Caius. Immerhin wich die Taubheit allmählich aus seinen Gliedmaßen, obwohl sie sich noch bleischwer anfühlten. Er wälzte sich auf die Seite und drückte sich mit den Armen hoch, dabei wurde ihm so übel, dass er sich beinahe übergeben hätte. Sein ganzer Körper war mit Schlamm bedeckt, der eine harte, verkrustete Schicht bildete.

Bis auf das Hämmern in seinem Kopf war es totenstill im Wald. Mit Mühe drehte Caius den Kopf nach rechts. An einer merkwürdig verwachsenen Buche erkannte er, dass er sich immer noch an der Stelle befand, wo er zuvor inmitten der ganzen Kolonne marschiert war. Vorhin – vor einer Stunde? Vor vier Stunden? Jetzt lagen überall Tote und verstreutes Gepäck herum, dazu einige Packwagen, ein paar davon ohne die Gespanne, bei anderen hingen die Zugtiere tot im Geschirr.

Der Reisewagen des Statthalters war weg. Sie haben Varus, dachte Caius, und das Dröhnen in seinem Kopf schwoll an. Sie haben seinen Wagen und sie haben den Kasten. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie eine Gruppe dieser Barbaren den Kasten aufbrach und beim Anblick ihres Inhalts ungläubig erstarrte. Der Gedanke war unerträglich. Das größte Geheimnis des Imperiums, verschollen in einem namenlosen Wald in Germanien. Was in diesem Kasten war, durfte es eigentlich gar nicht geben. Wenn Augustus davon erfährt, dachte Caius, wird in Rom die Erde beben.