»Eine Ratte?«, sagte Juni. »Hat er wirklich ›Ratte‹ gesagt?«
Alle starrten auf den Bildschirm und versuchten zu sehen, wovon Onkel Chris redete.
Doch zu meinem großen Erstaunen war Kit-Kat, der Fast-Hamster, meine Beine und meinen Oberkörper hinaufgehuscht und saß jetzt auf meiner Schulter. Aber niemand sah zu mir herüber.
Wie war er dorthin gekommen? Hatte er sich durch einen Spalt von nebenan hereingeschlichen? Wollte er noch einmal Subbuteo spielen? Ich wollte ihn gerade fragen, aber zuerst musste ich ihn außer Sichtweite bringen.
Zum Glück achtete niemand auf mich, noch nicht, und ich schob Kit-Kat unter den Tisch und tastete in meiner Hosentasche nach einer der getrockneten Erbsen, die ich dort noch hatte. Ich wollte Kit-Kat unter meinen Pullover stecken, aber eine der Erbsen fiel auf den Boden, und er sprang hinter ihr her.
Inzwischen wedelte Onkel Chris (in New York) mit den Armen. Und dann verlor Kit-Kat seine Ballkontrolle! Statt sich die Erbse zu schnappen, versetzte er ihr versehentlich einen Stoß. Sie flog über den Boden wie ein Schuss von Harry Kane, und er trippelte hinterher. Dann hielt er inne, um an ihr zu knabbern — für alle deutlich zu sehen. Danach drehte er sich zu mir um. Offenbar wollte er noch eine Erbse. So schnell ich konnte, warf ich ihm eine hin und versuchte ihn so zu veranlassen, zurück zu mir zu kommen, aber ich war nervös, und sie rutschte an ihm vorbei. Er drehte sich um und stürzte sich auf sie, immer noch ungeschützt mitten auf dem Fußboden, als Onkel Chris brüllte:
»RAAAAAAAAAAAAAAAAAAATTTTTTTTTTTTEEEEEEEEE! Sie greift Cymbo an!«
Mum reagierte als Erste auf diese neue Information. Allerdings wandte sie sich nicht um und versuchte, ihren einzigen Sohn vor dieser plötzlichen Gefahr zu schützen. OH NEIN! Und sie sah sich auch nicht nach einem Beweis dafür um, was Onkel Chris gesagt hatte. Stattdessen schrie sie einfach, noch lauter als er. Tatsächlich so laut, dass Tante Mill aufhörte zu schreien. Und dann sprang Mum direkt in Richtung Stefan und benutzte ihn als eine Art Trittbrett, um auf den Tisch zu gelangen — oder eben nicht ganz. Denn statt auf dem Tisch landete Mum in der Schüssel mit dem gelben Dal-Zeug, sodass es in die Luft spritzte. Und hier verdient Juni große Anerkennung, denn der Dal sah jetzt wirklich sehr nach Erbrochenem aus. Und noch mehr nach Erbrochenem sah er aus, als er nicht mehr durch die Luft flog, sondern auf Junis T-Shirt landete.
Und in ihrem Gesicht.
Und in ihren Haaren.
Und ihr müsst nicht Doctor Who gesehen haben, um euch vorstellen zu können, wie sie danach aussah.
Jetzt war Juni mit Schreien an der Reihe, während gelber Schlonz an ihren Wangen und Haaren herabtropfte. Sie war fast so laut wie Mum, während Onkel Chris weiterbrüllte und mit den Armen wedelnd auf Kit-Kat zeigte. Bestimmt würde er gleich verraten, wo er war. Aber zum Glück sorgte Mums wildes Rumgetrampel auf dem Tisch dafür, dass alles wackelte, und als Onkel Chris gerade allen sagen wollte, wo Kit-Kat war, rutschte das iPad mit dem Bildschirm voraus von dem Zeitschriftenstapel und landete in dem braunen Dal. Tante Mill warf sich auf das iPad, um es zu retten, aber Mum drehte sich immer noch im Kreis und trat dabei in den grünen Dal …
Aber keine Sorge! Der landete nicht auch noch auf Juni.
Sondern auf Stefan.
In diesem ganzen Chaos ergriff ich die Chance und warf Kit-Kat noch eine Erbse zu. Diesmal zielte ich richtig und bis hinaus in den Flur, sodass er außer Sicht verschwand. Er flitzte hinter der Erbse her und aus dem Zimmer hinaus. Ich folgte ihm, um sicherzustellen, dass er nicht wieder hereinkam.
Und da sah ich es.
Ich hatte es zuvor nicht entdeckt, aber als ich Kit-Kat aufhob und in sein freches kleines Gesicht sah, entdeckte ich ein Gummiband. Eines von diesen dünnen. Es ging ganz um seinen Bauch herum, was ich nicht verstand — bis ich es ihm über den Kopf zog.
Ein kleines gefaltetes Papierstück fiel in meine Handfläche.
Und klappte auf.
»Es geht um Nanai«, stand da.