Auf dem Rückweg sprach niemand. Mr Baker fuhr direkt hinunter bis zum Schultor (verboten), und wir stiegen aus. Veronique ging, wie er ihr mit ausgestrecktem Finger bedeutete, schnurstracks ins Rektorat.
Zu uns anderen sagte er: »In die Klassenzimmer!« Billy rannte sofort los. Offenbar ging es ihm jetzt GUT. Ich wollte ihm folgen, aber Daisy packte mich am Arm.
»Wow!«, sagte sie. »Kannst du das glauben?«
»Jetzt ist er offensichtlich richtig fit, oder?«
»Nein! Veronique! Ich hab sie letzte Woche beschuldigt, aber eigentlich hab’ ich es in Wirklichkeit gar nicht so gemeint.«
»Was?«
»Aber wenn man sich das vorstellt! Hast du eine Ahnung, warum sie es getan hat?«
Ich sah sie an und konnte kaum glauben, was sie sagte. Dann erzählte ich ihr von Billys Geburtstagsfeier.
»Wackelpudding? Na und? Veronique hat es ZUGEGEBEN.«
Daisy drängte sich an mir vorbei und ging hinauf in unser Klassenzimmer. Sie drückte die Tür auf, während ich ihr ungläubig hinterhersah. Veronique war es nicht gewesen. NIEMALS! Ich hatte keine Ahnung, warum sie die Schuld auf sich genommen hatte, aber SIE WAR ES NICHT GEWESEN!
»Cymbeline«, sagte Mrs Stebbings, die schon im Mantel war. »Wie lief es?«
»Wir haben gewonnen.«
»Das ist toll!«
»Nein, es ist schrecklich«, sagte ich.
Und dann dachte ich an Veronique, die in Mr Bakers Büro saß.
Und ich dachte den ganzen restlichen Tag an sie. Ich musste, denn sie kam nicht heraus. Als Mum mich abholte, war Veronique immer noch dort, weder ihre Mum noch ihr Dad war bisher gekommen. Ich schickte Mum hin, damit sie fragte, ob Veronique mit uns nach Hause kommen dürfe, aber sie kam wieder zurück und schüttelte den Kopf.
»Wir können sie nur mitnehmen, wenn das vereinbart war«, erklärte sie. »Warum ist sie überhaupt bei Mr Baker? Er scheint verärgert zu sein. Hat sie etwas angestellt?«
»NEIN«, sagte ich.
Dann kam Daisy zu uns. »Tut mir leid, Cym. Mum sagt, dass ich heute Abend zur Ballettstunde gehen muss. Spielt jetzt ohnehin keine Rolle mehr, oder?«
Ich öffnete den Mund, um Daisy zu sagen, dass es jetzt im Gegenteil eine noch größere Rolle spielte. Denn ich musste nicht nur mit ihrem Dad noch einmal sprechen, sondern wir MUSSTEN auch über Mrs Martin reden. Aber Daisy war schon wieder verschwunden.
»Wir dürfen sie nicht einfach hierlassen«, beharrte ich und drehte mich in Richtung Rektorat um.
»Tut mir leid«, sagte Mum, »wir können wirklich überhaupt nichts tun. Mr Baker sagte, ihre Mum sei auf dem Weg. Du kannst Veronique morgen sehen.«
Aber ich konnte nicht.
Als ich am Dienstagmorgen in die Schule kam, war Veronique nicht da. Und sie kam auch den GANZEN TAG nicht, obwohl ihr Name in aller Munde war — auf den Fluren, auf dem Pausenhof, im Speisesaal und auf den Toiletten.
»Was? Veronique?«
»Aus der vierten Klasse?«
»Sie war es?«
»Die Streberin?«
»Kann nicht sein!«
»Sie fliegt doch bestimmt von der Schule?«
»Hoffentlich! Dann müssen wir ihr Klavierspiel nicht mehr ertragen!«
»Aber ganz schön cool, die Tasche in die Luft zu jagen!«
»Aber warum? Warum SOLLTE SIE das tun?«
Die letzte Frage flüsterte Miss Phillips Mr Ashe auf dem Weg zum Computerraum zu. Ich sah ihnen nur hinterher und schaute mich dann nach jemand anderem um — nach Billy. Aber wisst ihr was? Der kleine Feigling kam am Dienstag ebenfalls nicht zur Schule.
Und auch nicht am Mittwoch. Und Veronique war auch nicht wieder da. Es regnete den GANZEN Tag, und in den Tropfeimern plätscherte es. Mrs Stebbings holte zusätzlich noch ein paar Spülschüsseln heraus, weil das Problem immer größer wurde. Inzwischen drang auch Wasser in die Bibliothek ein, und Mr Ashe musste einige Bücher wegräumen. Das einzig Gute an diesem Tag war etwas, was ich normalerweise fürchte.
»Gut gemacht«, sagte Miss Phillips, als sie uns die Hausaufgabenhefte zurückgab. »ALLES richtig! Du kennst dich langsam richtig gut mit der Rechtschreibung aus.«
Lance lachte. »Hat dir die Übernachtung bei Veronique gefallen?«
»Sie hat mir NICHT geholfen!«, sagte ich. »Ganz bestimmt NICHT!«
Am Abend bettelte ich, wie am Tag zuvor, dass Mum bei Veronique anrufen sollte. Aber wieder sagte sie Nein: Wir sollten die Familie in Ruhe lassen.
»Aber warum?«
»Es ist … eine besondere Zeit für sie. Eine ernste Zeit.«
»Aber Veronique will nicht, dass ich sie in Ruhe lasse.«
»Es … es tut mir leid, Cym. Ich habe geschrieben. Ich habe liebe Grüße geschickt. Ich habe gesagt, dass du mit ihr sprechen möchtest. Aber wir müssen es jetzt ihnen überlassen. Okay?«
Es war NICHT okay. Mum wollte einfach nicht, dass ich mit Veronique sprach. Inzwischen wusste sie, was Veronique gestanden hatte, und sogar sie glaubte es.
»Sie steht unter einer so großen Belastung«, sagte sie. »Was sie alles tut. Klavier, Geige, Fechten, Chinesisch, Französisch. Sie ist sehr angespannt.«
»Was bedeutet das?«
»Sie nimmt alles sehr ernst. Du weißt das. Und mit der zusätzlichen Sorge um ihre Großmutter. Vielleicht war das alles zu viel.«
Ich sah Mum bloß an. Ja, ich kannte Veronique, und ich wusste, was die anderen über sie sagten. Sie nannten sie nicht nur Siri. In der 5s hieß sie Spock. Die Jungs aus der Sechsten bezeichneten sie als Google-Gehirn, während die Mädchen einfach »Irre« zu ihr sagten. Aber sie war toll — und sie hatte diese Dinge AUF KEINEN FALL getan.
»Dann«, sagte ich, »glaubst du tatsächlich, dass sie es war?«
»Aber sie hat es doch zugegeben!«
Ich warf ihr nur einen bösen Blick zu, rannte die Treppe hinauf und schlug die Tür meines Zimmers hinter mir zu. Als Mum klopfte, reagierte ich nicht. Als sie noch einmal klopfte, schrie ich sie an, dass sie mich in Ruhe lassen solle. Und da sah ich das PSG-Trikot auf meinem Bett liegen. Ich riss die Tür auf.
»Ich hab’s anprobiert. Es passt nicht.«
Ich drückte Mum das Trikot in die Arme und schlug die Tür wieder zu.