Diesmal konnten wir wirklich nicht den Hubschrauber nehmen. Es wurde dunkel, und Jacky Chapman würde auf keinen Fall die Erlaubnis bekommen, auf der Heide zu landen. Er hatte schon ewig gebraucht, um die erste Genehmigung zu bekommen. Deshalb hatte er auch nicht auf meinen Brief geantwortet. Wir stürmten also alle zur Tür hinaus. Mum telefonierte, und wir mussten nur fünf Minuten auf den Wagen warten. Wieder Mr Uber — allerdings keiner der ersten beiden.
Das ist wirklich eine SEHR große Familie.
Wir hatten Mr Chang und Thu an Nanais Bett zurückgelassen (und Jacky Chapman flog mit seinem Hubschrauber vom Dach des Krankenhauses weg). Auf dem Weg zur Schule wurden Mum und Veroniques Mum STINKSAUER wegen Mr Bakers Brief.
»Ich hab ihn gar nicht richtig gelesen!«, fauchte Mum. »Er war irgendwie vage. Und ich war abgelenkt.«
»Ich war weg«, knurrte Veroniques Mum. »Und dann war Nanai krank …«
»Spielt jetzt alles keine Rolle«, sagte ich. »Wir müssen da einfach hin!«
Mr Uber III fuhr schnell und ließ uns oben an der Treppe aussteigen. Wir stürmten hinunter und rannten zum Schultor. Das Haupttor war zu, deshalb drückten wir den Nebeneingang auf und liefen in Richtung Tür. Aus den Fenstern der Aula drang Licht. Wir blieben stehen und schauten hinein: Mr Baker stand auf der Bühne, und neben ihm regnete es Bindfäden in die beiden Tropfeimer rechts und links von ihm. Der Saal vor ihm war voller Eltern, die alle auf eine Leinwand hinter Mr Baker blickten. Dort war eine helle digital erstellte Zeichnung von einem großen, modernen Gebäude zu sehen mit einem Schild davor:
GRUNDSCHULE ST SAVIOUR’S
BURNHAM LANE
Und neben der Leinwand stand Billy Lees Vater.
Und grinste.
»Burnham Lane?«, rief Mum. »Das ist MEILENWEIT weg. Nicht annähernd in der NÄHE!«
»Los«, sagte ich.
Aber diesmal kamen wir wirklich zu spät.
Wir stürmten durch den Haupteingang und in den Gang, wo der Pokalschrank steht. Dann drehten wir uns um, rannten an den Mantelhaken der Erstklässler vorbei und hinauf zum Eingang der Aula. Dort blieben wir stehen. Vor uns bauten sich zwei KRÄFTIGE Männer in Signalwesten auf. Die Tür hinter ihnen stand offen, aber sie stellten sich uns in den Weg. Der Mann direkt vor uns verschränkte die Arme vor der Brust.
»Tut mir leid. Kein Einlass mehr.«
»Lassen Sie uns hinein!«, verlangte Mum. Aber die beiden Männer ragten wie eine Mauer vor uns auf.
»Geht nicht. Nicht nachdem die offizielle Beratung begonnen hat.«
»Unsinn!« Mum versuchte sich vorbeizudrängen, aber einer der Männer versperrte ihr den Weg.
»Lassen Sie uns durch!«, verlangte Veronique, aber beide Männer schüttelten den Kopf.
Ich spähte zwischen ihren Beinen hindurch — und konnte Mr Baker sehen.
»Also«, sagte er gerade, »um zum Schluss zu kommen: Das bestehende Schulgebäude ist zu alt und nicht mehr funktionstüchtig. Es würde ein Vermögen kosten, es zu sanieren, und dann wäre es immer noch zu klein für eine wachsende Schulgemeinschaft. Das neue Gebäude wird nicht nur perfekt sein, sondern es wird auch von einer angesehenen lokalen Firma unseren Bedürfnissen entsprechend gebaut werden. Und an diesem Standort wird wertvoller neuer Wohnraum für die Menschen hier vor Ort geschaffen! Alle, die dafür sind, heben die Hand, sodass wir uns auf eine helle, neue Zukunft freuen können!«
Und die Eltern sahen zu ihm auf, während sie darüber nachdachten. Sie unterhielten sich. Ein paar Zuschauer in der ersten Reihe sahen ein bisschen unsicher aus, ein paar diskutierten. Aber die meisten nickten! Und sie wollten gerade die Hände heben. Mum stürmte los, um hineinzukommen, aber einer der Männer hielt sie zurück. Der andere trat vor, um Veroniques Mum den Weg zu versperren — aber mich konnten sie nicht aufhalten.
Allerdings stürmte ich nicht hinein. Wer würde auf ein Kind hören? Stattdessen schob ich die Hände in meine Hosentaschen, holte den Inhalt heraus und warf ihn zwischen den Beinen der Sicherheitsleute hindurch. Die harten getrockneten Erbsen rutschten über den glänzenden Holzboden.
Während Veronique Kit-Kat losließ.
CHAOS brach aus!
Die beiden Sicherheitsleute schrien. Mr Baker sprang auf den Tisch und stieß den Laptop um, während im Publikum Stühle umfielen. Leute, die hinten gesessen hatten, flohen in die Küche. Der Rest kletterte an den Sprossenwänden hinauf, während Billys Dad mit den Armen wedelte.
»Beruhigen Sie sich!«, schrie er. »Das ist nur ein Haustier. Er wohnt nebenan. Netter kleiner Kerl. Wir müssen noch abstimmen!«
Und das machten sie auch. Nachdem Veronique Kit-Kat zurück auf ihre Schulter gesetzt hatte, drängten alle zurück auf ihre Plätze — während Mum zur Bühne eilte. Und von dort aus erzählte sie ihnen, was Mr Baker Mrs Martin angetan hatte, damit sie NICHT HIER SEIN WÜRDE. Damit sie KEINEN EINSPRUCH erheben würde. Sie erzählte ihnen sogar von dem blauen Wackelpudding in Billys Garten. Und ich dachte, das wäre mehr als genug, um den Leuten DIE WAHRHEIT vor Augen zu führen. Aber Mr Baker rief: »Alles gelogen!« und »Blödsinn!«, während Billys Dad sagte, das sei Unsinn.
»Ach was!«, sagte er. »Sie wollen einfach keine Veränderung, das ist alles. Sie wollen keinen Fortschritt.«
»Wer ist dafür?«, wollte Mr Baker wissen.
Im Publikum war es still, bis eine Hand nach oben ging. Ich konnte es nicht fassen. Und noch eine. Und dann noch eine! Ich blickte erstaunt mit offenem Mund auf die erhobenen Hände: Wer würde Mr Baker mehr glauben als MEINER MUM? Eine ganze Menge Menschen, wie es aussah, denn zwei Hände gingen gleichzeitig hoch und dann noch mehr. Ich schluckte und hatte ein flaues Gefühl im Magen: Ungefähr die Hälfte der Eltern hatte die Hände erhoben. Würden wir verlieren? Unsere GANZE Schule? Wie Nanai und Thu ihr Zuhause verloren hatten? Würden die Leute wirklich so abstimmen, dass das passieren würde — nachdem Mr Baker betrogen, die Schule demoliert und sie angelogen hatte?
Ich werde es nie erfahren, denn in diesem Augenblick trat jemand vor.
Und er ging hinauf auf die Bühne.
»Mein Sohn?«
Aber Billy Lee ging weiter bis zu dem Tisch, wo er seine neue Chelsea-Tasche abstellte.
»Sohn?«, sagte Mr Lee noch einmal, mit drohender Stimme. Aber Billy beachtete ihn nicht, sondern blickte in das Publikum.
»Das lag in unserem Garten«, sagte er, und seine Stimme zitterte. »Und es gibt davon noch eine ganze Menge.«
Damit hob er einen Dachziegel hoch.
Einige Zuhörer schnappten nach Luft. Jemand rief »Unerhört!«. Dann herrschte Stille (abgesehen von dem Plätschern in den Tropfeimern), die erst durchbrochen wurde, als die Tür aufsprang und der beste Kapitän hereinmarschierte, den eine Mannschaft überhaupt haben konnte.
Und hinter Jacky Chapman folgte die Polizei.