Der erste Schnee fiel kurz vor dem zweiten Advent. Sanft segelten vereinzelte Schneeflocken auf Hovenäset herab. Danach war es, als würde die Kälte den kleinen Ort in ihren eisigen Griff nehmen. Um Neujahr lag das Eis dick auf Fjorden und Buchten, und zum ersten Mal seit Ewigkeiten konnte man auf dem Klevekilen beim Campingplatz Johannesvik Schlittschuh fahren.
Alle liebten das Schlittschuhlaufen. Kinder und Erwachsene sausten hin und her über das Eis. Es war ein wunderbares Schauspiel. Die Sonne schien von einem klaren blauen Winterhimmel und spiegelte sich in den kargen, schneebedeckten Klippen, die um die Bucht herum aufragten.
Die Bewohner von Hovenäset beteuerten, es sei Jahre her, dass man eine solche anhaltende Kälte erlebt hätte. Endlich mal wieder ein richtiger Winter. Man erinnerte sich an Winter, die so kalt gewesen waren, dass sogar das Meer gefror und die Eisdecke sich bis nach Håll vor Kungshamn erstreckte. Vielleicht würden sie ja auch diesmal so etwas erleben können.
Jemand, der sowohl das Schlittschuhlaufen als auch die Kälte wirklich liebte, war der sogenannte »Stockholmer«. Der Mann mit dem unwahrscheinlichen Namen August Strindberg wohnte jetzt seit bald einem halben Jahr auf Hovenäset, wurde aber immer noch »neu hinzugezogen« genannt.
Niemand hatte an seinen Secondhandladen geglaubt, den er in den ehemaligen Räumen des Bestattungsinstituts in Kungshamn eröffnet hatte, und schon gar nicht nach all den schrecklichen Ereignissen im Herbst. Trotzdem sah es so aus, als würde der Laden gut laufen. Er hatte sein Unternehmen in Schwung gebracht und schien an der Westküste bleiben zu wollen.
Vielleicht war es der Stockholmer selbst, der die Dinge ins Laufen brachte. Etwas an seinem entspannten, ruhigen Wesen lockte das Sanfte in den Menschen hervor. Eine Art Naivität, verbunden mit messerscharfem Intellekt und dazu einem Namen, der verpflichtete. Er brachte Leben in den Ort und war voller Energie und Ideen.
Und er konnte Schlittschuhlaufen. Deshalb war August einer der Ersten, der sich, als das Wasser fror, auf den Klevekilen begab, und er war es auch, der die anderen warnte, wenn das Eis nach einigen Tagen über null zu dünn wurde.
Was die Leute nicht daran hinderte, trotzdem noch ein bisschen zu laufen, denn das Eis lag ja wie es lag, und woher sollte der Stockholmer mehr über Eis wissen als sie?
So passierte es, dass einer der Bewohner von Hovenäset in dem kalten Wasser landete. Die meisten waren schon nach Hause gegangen, als es passierte, nur eine kleine Schar Jugendlicher saß noch da am Rand und zog sich die Schlittschuhe aus.
Sie hörten schon, was passierte, noch ehe sie es sahen.
Erst das knisternde Geräusch von brechendem Eis.
Und dann ein erschrockener Schrei von der Frau, die im Wasser gelandet war. Nur ein einziger. Laut und gellend.
Dann war es still. So schrecklich verzweifelt still.
Doch nicht sonderlich lange, denn die Jugendlichen auf der Bank begriffen, dass das hier wirklich ernst war. Jetzt oder nie. Einer von ihnen rief nach Hilfe, während ein anderer sich nur in Socken auf das Eis hinausbegab.
Da war wieder ein gellender Schrei von dem Eisloch zu hören.
»Ich stehe!«, rief die Frau. »Ich stehe auf dem Grund.«
Das war eine Geschichte, die die Leute immer und immer wieder gern erzählen sollten.
Sie hatte schließlich alles, was man braucht: Spannung, Schauder und einen glücklichen Ausgang.
Dennoch nahmen sich die Leute danach vor dem Eis in Acht. Während der folgenden Woche war nicht ein einziger Mensch auf Schlittschuhen auf dem Klevekilen unterwegs. Es wurde noch wärmer, und jetzt begann sogar der Schnee zu schmelzen.
Doch dann schlug das Wetter wieder um.
Von einem Tag auf den anderen kehrten die Minusgrade zurück, und es begann erneut zu schneien. Das Eis schloss sich und wurde dick. Vom Unglück war keine Spur mehr zu sehen. Je mehr Tage vergingen, desto sicherer fühlten sich alle, die sich zum Schlittschuhlaufen zurücksehnten.
Diesmal hielt das Eis.
Die Idylle war wiederhergestellt.
Zumindest auf dem Klevekilen.
Doch in einem der Häuser auf Hovenäset wuchs die Verzweiflung. Die Zeit verging zu schnell, und die Geheimnisse wogen zu schwer. Und mit den Geheimnissen kam die Einsamkeit.
Es musste gehandelt werden.
Man konnte nicht länger warten.