„D u brauchst meinem Dad nichts zu schenken .“
„Ich möchte aber“, betonte Alexis und betrachtete die Auslage im Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes ganz genau, während Taylor neben ihr stand und ungeduldig zu sein schien. „Es ist sein Geburtstag. Natürlich bekommt er auch von mir ein Geschenk .“
„Es ist Geschenk genug, dass er dir in der vergangenen Stunde an die zwei Dutzend Toiletten, Badewannen und Waschbecken zeigen durfte, während du ihm Fragen gestellt hast, als würdest du einen Zeitungsartikel zu dem Thema schreiben und dafür einen Pullitzer erwarten .“
Unempfänglich für seinen Sarkasmus zuckte Alexis mit den Schultern und betrachtete einen dunkelgrünen Pullover. „Dein Dad ist sehr nett. Und er ist sehr stolz auf seinen Laden. Warum soll ich ihn mir nicht von ihm zeigen lassen ?“
Sie konnte sich täuschen, aber Taylor stieg rastlos von einem Bein auf das andere. Schon im Geschäft seines Dads hatte er einen ungeduldigen Eindruck gemacht und war zwischenzeitlich verschwunden, bevor er zurückgekommen war und sie gedrängt hatte, dass sie nun gehen müssten. Unauffällig blickte sie ihn an und bemerkte, dass er auf seine Armbanduhr schaute. „Musst du dringend pinkeln oder hast du noch einen Termin ?“
Seufzend ließ er den Arm sinken. „Um ehrlich zu sein, muss ich nach Burbank fahren, weil der alte Henderson sein Sportfachgeschäft hier geschlossen hat und man nur dort Angelbedarf kaufen kann .“
„Du gehst angeln ?“
„Nein, aber mein Dad“, erwiderte er mit einem Hauch Resignation in der Stimme .
Alexis verstand und drehte sich zu ihm um. Sie zog die Augenbrauen in die Höhe. „Du hast noch kein Geschenk für deinen Dad ?“
„Wie du dich erinnerst, war unser Ausflug nach Oregon eher spontan“, hielt er ihr vor. „Das Einzige, was ich ihm schenken kann und ihn erfreut – abgesehen vom Sparkle Millennium Achttausend –, hat was mit dem Angeln zu tun. Und das Geschäft schließt in gut zwei Stunden .“
„Gut. Ich will nur schnell diesen Pullover für ihn kaufen und dann können wir zusammen nach Burbank fahren .“
„Alexis, du musst nicht ...“ Er verstummte, was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass sie ihn böse ansah. Taylor gab nach und begleitete sie in das Geschäft hinein, indem er ihr die Tür aufhielt. Ihr machte es eine Heidenfreude .
„Hier – der wird ihm gut stehen.“ Sie schnappte sich seine Hand und zog ihn zu einem Stapel Pullover. Bisher war keine Verkäuferin in Sicht, also wühlte sie sich selbst durch die Pullover. „Welche Größe trägt dein Dad ?“
„Woher soll ich das wissen ?“
Sie begutachtete die Größenschilder und ignorierte Taylors Kommentar. „Welche Größe trägst du ?“
„Warum willst du das wissen ?“
„Weil du ähnlich wie dein Dad gebaut und gleich groß bist .“
Sein Stöhnen sollte ihr wohl signalisieren, dass er nicht gerne einkaufen ging. Spontan entschied sich Alexis dazu, in der kommenden Woche mit ihm eine werbewirksame Tour über den Rodeo Drive zu unternehmen. Die Paparazzi würden ausflippen, wenn er stundenlang ihre Taschen halten und vor Umkleidekabinen warten müsste, während sie ausgedehnt shoppte .
„Probiere es mal mit Large“, brummte er .
Zufrieden zog sie den passenden Pullover hervor, drehte sich zu ihm um und hielt ihm das Kleidungsstück entgegen. „Hier .“
„Was soll ich damit ?“
„Anprobieren.“ Sie lächelte ihn an. „Wenn er dir passt, dann passt er sicherlich auch deinem Dad .“
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Alexis, nach Burbank brauchen wir gute zwanzig Minuten ...“
„Ein Grund mehr, dich mit dem Anprobieren zu beeilen“, unterbrach sie ihn forsch .
„Du bist eine Nervensäge“, konstatierte er, nahm den Pullover jedoch in die Hand und marschierte zu der einzigen Umkleidekabine, die sich in einer Ecke befand und durch einen Vorhang vom Rest des Geschäfts getrennt war .
Taylor verschwand in der Kabine und zog den Vorhang hinter sich zu. Alexis blieb davor stehen und wartete. Nur das monotone Klick-klack einer alten Kuckucksuhr, die über der Theke des Ladenlokals befestigt war, war zu hören .
„Und? Passt er dir ?“
„Keine Ahnung“, antwortete er ihr. Durch den Vorhang klang seine Stimme gedämpft .
Alexis verdrehte die Augen und öffnete den Vorhang kurzerhand. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er den Pullover noch gar nicht angezogen hatte und mit nacktem Oberkörper vor ihr stehen würde. Doch das tat er, und er sah so verdammt gut aus, dass es in ihren Fingerspitzen kribbelte, ihn zu berühren .
Sie erspähte eine breite Brust, einen flachen Bauch, kräftige Arme und ein Tattoo auf seiner linken Brust, das noch nicht da gewesen war, als sie ihn zum letzten Mal nackt gesehen hatte. Damals war Taylor auch nicht so muskulös gewesen wie jetzt. Er war schlank und sportlich gewesen mit einem drahtigen Körper, der erst später kräftiger geworden war. Das konnte Alexis jetzt mit eigenen Augen sehen. Taylor war noch immer athletisch und sportlich, aber auch breiter in den Schultern als früher und definitiv muskulöser gebaut. Ihre Augen betrachteten interessiert seinen trainierten Bauch und die deutlich sichtbaren Muskeln, die unter dem Bund der Jeans verschwanden, und wandten sich dann dem Tattoo zu, das sie sofort als das Bandlogo von SpringBreak identifizierte .
Es wunderte Alexis nicht, dass sie angesichts des Motivs ein düsteres Grollen in ihrer Magengegend bemerkte. Auf SpringBreak war sie seit damals nicht gut zu sprechen. Wer hätte es ihr auch verübelt ?
„Darf ich den Pullover vielleicht noch anziehen?“, fragte Taylor ruhig und hob besagtes Kleidungsstück in die Höhe .
Sie hoffte, von ihm nicht beim Starren erwischt worden zu sein, und vollführte daher eine ungeduldige Geste. Unter keinen Umständen sollte Taylor wissen, wie gerne sie ihn noch weiter betrachtet hätte und wie gerne sie mit ihren Händen über seinen Oberkörper gefahren wäre. „Was brauchst du denn so lange? Ich dachte, wir hätten keine Zeit !“
Taylor brummte etwas Undefinierbares und zog sich den Pullover über den Kopf .
Während er hineinschlüpfte, hatte sie die Gelegenheit, kurz durchzuatmen und ihre Fassung wiederzugewinnen. Auch wenn es ihr schwerfiel, überspielte sie das Verlangen, ihn zu berühren und ihm nahe zu sein, indem sie am Pullover herumzupfte und kritisch die Stirn runzelte, als sei sie noch nicht ganz zufrieden. Dabei stand ihm der Pullover ausgezeichnet. Das Grün betonte die Farbe seiner samtigen braunen Augen und ließ sie noch intensiver aussehen .
„Autsch“, beschwerte er sich, als sie die Schulternaht zurechtzupfen wollte und ihn dabei unabsichtlich kniff .
„Entschuldige“, murmelte sie und rieb unwillkürlich über die malträtierte Stelle. Der Pullover nahm sofort Taylors Körperwärme auf und fühlte sich himmlisch weich an. Die Kombination des weichen Materials zusammen mit seiner Körperwärme und den starken Muskeln unter Alexis’ Händen bewirkte, dass aus dem Reiben über die Stelle, an der sie ihn gezwickt hatte, ein zärtliches Streicheln wurde .
Ihre Kehle wurde schlagartig trocken .
Langsam sah sie zu ihm auf und stellte mit klopfendem Herzen fest, dass er den Kopf gesenkt hatte und sie mit einem brennenden Blick betrachtete. Ganz automatisch hielt sie den Atem an und spürte, dass ihre Fingerspitzen zitterten, die unablässig seine Schulter streichelten .
Alexis konnte seinen Atem auf ihrer Haut fühlen. Fast sofort wurden ihre Brüste schwer und heißes Verlangen gepaart mit himmlischer Süße floss durch ihre Adern. Seine Pupillen verengten sich, seine Lider wurden schwer und sein Atem ging schneller .
„Willst du mich brandmarken, Alexis?“ Seine Stimme war tief, heiser und brachte sie innerlich zum Schmelzen .
„Kann schon sein“, murmelte sie nicht weniger heiser als er und machte automatisch einen Schritt auf ihn zu .
Und genau in dem Moment schrillte die Türklingel. Es war, als hätte jemand einen Eimer kaltes Wasser über die spannungsgeladene Atmosphäre zwischen ihnen geschüttet .
Die Stimme einer Frau erklang, woraufhin ein männlicher Kunde, der offenbar gerade den Laden betreten hatte, mit dröhnender Stimme etwas erwiderte .
Alexis brach den Blickkontakt zu Taylor ab. „Der Pullover ist ... hübsch. Ich nehme ihn .“
„Okay.“
Sie schluckte. „Ich ... ich warte an der Kasse auf dich .“
Taylor brummte eine Erwiderung .
Beinahe hätte sie den Vorhang abgerissen, als sie so schnell wie möglich die Kabine verließ, um außer Reichweite von Taylor zu gelangen. In seiner Gegenwart konnte sie sich selbst nicht trauen .
„Oh, hallo“, wurde sie von einer älteren Verkäuferin begrüßt, die hinter der Theke stand und sie verwundert betrachtete. „Ich hatte gar nicht gehört, dass wir Kundschaft haben .“
Alexis war sich bewusst, dass sie ziemlich rot im Gesicht sein musste, als sie den neugierigen Blicken der Verkäuferin und des Kunden begegnete und wie jemand wirkte, der gerade bei etwas Unanständigem ertappt worden war .
„Wir wollten uns nur kurz einen Pullover ansehen. Mein ... Freund probiert ihn gerade an .“
„Falls Sie Hilfe brauchen, lassen Sie es mich wissen“, erklärte die Verkäuferin freundlich .
„Vielen Dank“, entgegnete Alexis und bemühte sich darum, den grinsenden Mann zu ignorieren, der breitbeinig an der Theke stand und sie betrachtete, als wäre sie ein saftiges Steak und er ein Mann, der sein Fleisch gerne blutig aß. Eigentlich war Alexis solche und ähnliche Blicke gewohnt, aber die Mischung aus seinen geifernden Augen, dem breitbeinigen Stand und seiner merkwürdigen Frisur mit einem unnatürlich breiten, nach vorn gekämmten Pony ließ Unbehagen in ihr aufkommen .
„Einen Moment, Mr. Green, ich schaue im Lager nach, ob die Bestellung Ihrer Mutter schon da ist .“
„Danke, Dolores“, erwiderte er träge, um gleich darauf Alexis anzuquatschen, sobald die Verkäuferin im Hinterzimmer verschwunden war. „Ich kenne dich doch .“
Alexis hielt es für besser, ein paar wirklich hässliche Männerhemden zu begutachten, als mit ihm ein Schwätzchen zu halten. Sie lächelte unverbindlich. „Ganz sicher nicht .“
„Doch, ich bin mir sicher. Stehst du nicht bei Sampsons hinter der Bar ?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein .“
„Echt nicht?“ Er kratzte sich am Kopf. „Ich hätte es schwören können! Da steht auch eine Blondine hinter der Bar, die aussieht wie du .“
Obwohl das Hawaii-Hemd wahnsinnig hässlich war, nahm sie es in die Hand und betrachtete es eingehend .
Dass sie ihm nicht geantwortet hatte, hielt ihn nicht davon ab, weiter auf sie einzureden. „Kommst du hier aus der Gegend ?“
Glücklicherweise wurde in diesem Moment der Vorhang der Umkleide zur Seite gerissen und Taylor erschien fertig angezogen mit dem grünen Pullover in der Hand. Alexis hätte ihn küssen können – nun, das hätte sie auch vor ein paar Minuten tun wollen, aber jetzt gerade vor allem aus Dankbarkeit .
„Ich bin fertig“, verkündete er und zog die Augenbrauen zusammen, als er das Hawaii-Hemd in ihrer Hand sah. „Ist das dein Ernst ?“
„Es würde dir sicherlich gut stehen“, neckte sie ihn, hing es jedoch sofort zurück und kam auf ihn zu, um ihm den Pullover abzunehmen .
„Hey, Hollywood !“
„Hey, Frank“, erwiderte Taylor spröde und nickte dem Kerl mit der schrägen Frisur knapp zu, während er Alexis einen Arm um die Schulter legte und zur Kasse trat. Zum Glück hatte er sich an ihre rechte Seite gestellt, sodass Taylor nun zwischen ihr und dem aufdringlichen Typen stand. Er war ihr schon gerade nicht sonderlich sympathisch gewesen, und auch Taylor schien ihn nicht leiden zu können .
„Lange nicht gesehen, Hollywood .“
„Mhm“, erwiderte er auskunftsarm .
Ungefragt erzählte der andere Mann: „Bei mir läuft es richtig gut. Mom und ich sind in ein größeres Haus gezogen. Dein Dad hat dir bestimmt erzählt, dass wir gleich zwei Badezimmer von ihm haben einrichten lassen. Hat ne schöne Stange Geld gekostet, aber das war’s wert .“
„Schön für dich, Frank .“
„Von dir hört man schon lange nichts mehr. Mit der Musik läuft es wohl nicht mehr, oder ?“
Alexis zog die Augenbrauen in die Höhe und spähte an Taylor vorbei zu dem Mann, dem die Schadenfreude ins Gesicht geschrieben stand. Ihr stellte sich das Nackenfell auf. Taylor dagegen blieb ziemlich gelassen .
„Ich kann nicht klagen .“
„Echt nicht? Das wundert mich aber. Die Leute rätseln schon drüber nach, ob du zurück nach Oregon ziehst, um wieder bei deinen Eltern zu wohnen. Hätteste mal was Ordentliches gelernt .“
Taylor nickte leichthin. „Tja, wir können nicht alle Schlachter werden so wie du .“
Der Typ war Schlachter? Was für ein verrückter Kerl war dieser Frank eigentlich, der davon sprach ...
Abrupt zuckte Alexis zusammen .
Der verrückte Frank !
Sie musste Taylor nicht einmal fragen, ob der andere Mann wirklich der Frank war, der Bess’ Staubsauger entehrt hatte, weil Taylors Mundwinkel zuckten, als hätte er genau gemerkt, wann bei ihr endlich der Groschen gefallen war .
Bevor sie ein weiteres Mal an ihm vorbei zu dem Mann schauen konnte, der vermutlich deshalb so breitbeinig gegen die Theke gelehnt stand, weil er sich von seinem Unfall noch nicht erholt hatte, erschien die Verkäuferin und bemerkte Taylor. „Oh! Hallo, Taylor! Wie nett, dass du mal wieder vorbeischaust .“
„Hallo, Dolores. Wir waren auf der Suche nach einem Geschenk für Dad .“
„Ah ... das ist ja schön.“ Unschlüssig sah sie zwischen Taylor und Alexis hin und her und fixierte den Arm, den Taylor vertraulich über ihre Schulter gelegt hatte. Es war ihr deutlich anzusehen, was sie dachte .
Auch Taylor musste die Neugier der anderen Frau erkannt haben. „Das ist meine Freundin. Wir sind zusammen aus Los Angeles gekommen, um Dads Geburtstag zu feiern .“
Sofort glühte das Gesicht der Verkäuferin auf und aufgeregt erklärte sie an Alexis gewandt: „Ach, jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne! Ich dachte gerade schon, dass Sie mir so bekannt vorkommen! Bess hat mir bereits erzählt, dass Taylor mit seiner neuen Freundin zu Besuch kommt, um Henrys Geburtstag zu feiern.“ Sie kicherte auf. „Wir haben hier eigentlich nie prominente Gäste in unserer Stadt – und ganz sicher nicht Superstars wie Sie, Ivy .“
Obwohl Alexis es gewohnt war, dass sie überall als Ivy angesprochen wurde, war ihr der Überschwang der Frau ein bisschen unangenehm. Eigentlich hatte es ihr gefallen, schlicht und ergreifend Alexis zu sein – Taylors Freundin .
„Ich würde gerne den grünen Pullover kaufen.“ Sie reichte der Frau das Kleidungsstück und zückte das Portemonnaie in der Hoffnung, dieser merkwürdigen Situation schnell zu entkommen. „Wir müssen leider gleich schon weiterfahren .“
„Natürlich! Das verstehe ich doch.“ Offenbar hatte Dolores vergessen, dass Frank auf die Waren seiner Mutter wartete, weil sie sofort den Pullover an sich nahm und das Preisschild einscannte .
Während Alexis Geld auf die Theke legte, faltete Dolores den Pullover und hob ihn anschließend hoch. „Warten Sie eine Minute, Ivy. Ich packe Ihnen das gute Stück hübsch ein, wenn er ein Geschenk sein soll.“ Und dann rauschte sie schon wieder eilig ins Hinterzimmer .
Entschuldigend schaute Alexis zu Taylor hoch .
„Gut, dass der Pullover ein Geschenk für deinen Dad ist. Ich dachte schon, dass deine Frau deine Kleidung bezahlen muss.“ Der verrückte Frank lachte, als hätte er gerade den Witz des Jahrhunderts gerissen. „Mir könnte das nicht passieren. Meine Frau dürfte nicht mehr Geld haben als ich .“
Was vermutlich erklärte, warum er eine Beziehung mit einem wehrlosen Staubsauger eingegangen war. Für einen Mann, der den Staubsauger anderer Leute bumsen musste, um zum Schuss zu kommen, hatte er eine ziemlich große Klappe .
„Aber vielleicht ist das in Hollywood so“, mutmaßte Frank mit einem hämischen Lachen .
Alexis musste nicht einmal in Taylors Richtung sehen, um zu bemerken, dass er wütend war. Sie holte tief Luft und wollte Frank gerade sagen, dass das Staubsaugerzubehör woanders zu kaufen war, als Taylor sie an sich zog. Vermutlich hatte er geahnt, dass sie am liebsten mit gestreckten Fingernägeln auf diesen Idioten losgegangen wäre .
Dass Frank ein Idiot war, bewies er mit seinem nächsten Satz, der an sie gerichtet war. „Ich hab meiner Mom mal ne Platte von dir geschenkt. In echt siehst du viel kleiner aus als auf Fotos .“
Mit einem zuckersüßen Lächeln wandte sie sich an den Staubsaugerfetischisten: „Das werden die meisten Frauen wohl auch zu dir sagen .“
„Was?“ Er schaute sie verständnislos an .
Taylor dagegen hustete unterdrückt .
Alexis blinzelte unschuldig. „Keine Sorge – es gibt gute Prothesen .“
„So! Da wäre ich schon wieder“, flötete Dolores, ohne zu wissen, in welches Gespräch sie gerade hineinplatzte .
Mit einem gemurmelten Dank schnappte sich Taylor die Plastiktüte, in der sich der Pullover befand, und zog Alexis hinter sich her .
Sie konnte sich jedoch nicht verkneifen, dem verdatterten Frank zu raten: „Beim nächsten Mal würde ich keinen Staubsauger benutzen, der Dirt Devil heißt! Da ist der Name Programm !“
* * *
D as Fielding Inn war bis auf den letzten Platz belegt .
Taylor hätte es sich denken können, immerhin war das Restaurant des einzigen Country Clubs der ganzen Gegend das beliebteste Lokal und an jedem Wochenende gut besucht. Die Tische im Saal waren hübsch dekoriert, das Essen war ziemlich gut, und eine Band spielte auf der kleinen Bühne, vor der es eine Tanzfläche gab, auf der einige Paare ihre Runden drehten .
Die Gäste hatten sich in Schale geworfen und genossen einen Abend, an dem ihnen von den Kellnern alle Wünsche von den Augen abgelesen wurden .
Seine Stiefmutter war ganz in ihrem Element, trug ihr bestes Kleid und schalt seinen Dad, weil der seine Rippchen mit den Fingern aß, obwohl das auch alle anderen Gäste taten, die dieses Gericht bestellt hatten. Trotz der Tatsache, dass er an seinem eigenen Geburtstag einen Anzug tragen musste, war sein Dad eigentlich ganz gut drauf .
Auch Alexis amüsierte sich blendend, was man von Taylor nicht unbedingt behaupten konnte .
Für ihn war der ganze Tag total beschissen gelaufen, und er konnte es kaum erwarten, morgen zurück nach Los Angeles zu fahren, auch wenn er der dreizehnstündigen Fahrt allein mit Alexis nicht gerade mit Freude entgegensah .
Wie sollte er sich auch fühlen außer beschissen ?
Erst hatte sie ihn in dieser Umkleide völlig verrückt gemacht und angesehen, als müsste sie sterben, wenn er sie nicht augenblicklich küsste, und kurz darauf hatte sie sich im Sportgeschäft von ihm erklären lassen, woran man eine gute Angel erkannte, als ob nichts passiert wäre .
Während Taylor nur daran denken konnte, wie sie ihn berührt hatte und wie gut sich ihre Hände durch den Pullover auf seiner Haut angefühlt hatten, begutachtete Alexis Angelspulen und machte absurde Kommentare zu Lebendködern .
Und jetzt saß sie in einem grauen Seidenkleid neben ihm, hatte ihr blondes Haar hochgesteckt und sah so wunderschön aus, dass es ihm körperliche Schmerzen bereitete. Dazu kamen ihr lieblicher Duft, den er permanent in der Nase hatte, und ihr melodisches Lachen, das in seinem Kopf wiederhallte. Taylor konnte nichts anderes tun, als die Zähne zusammenzupressen und nicht daran zu denken, wie ihre vollen Lippen aussahen, wenn sie sich ein saftiges Stück Hähnchenfilet in den Mund schob und ...
„Haben wir eigentlich schon erzählt, dass wir heute den verrückten Frank getroffen haben ?“
Auch das noch !
„Nein, das habt ihr nicht erzählt“, erwiderte seine Stiefmutter, die angesichts der bedeutungsvollen Blicke, die sie ihm und Alexis ständig schenkte, vermutlich schon Namen für ihre potenziellen Enkelkinder aussuchte. Auch das würde er nicht vermissen, wenn er zurück in L. A. war – seinen Eltern eine Beziehung vorzugaukeln, die es nicht gab .
„Wir waren in diesem kleinen Bekleidungsgeschäft und haben ihn dort getroffen .“
„Und woher wusstest du, dass es Frank war ?“
Äußerst fröhlich gab Alexis zu Protokoll: „Als Taylor ihn Frank nannte, fiel bei mir irgendwann der Groschen. Angesichts seines breitbeinigen Ganges hätte ich es eigentlich sofort wissen müssen .“
Beide Frauen kicherten auf .
Sein Dad und er sahen sich währenddessen schweigend an. Frank mochte noch so gestört sein, aber Penisverletzungen waren ein heikles Thema! Taylor würde sicherlich nie wieder einen Staubsauger ansehen können, ohne dabei panisch zusammenzuzucken. Frank war ein Vollidiot ohne Freunde und mit einer etwas zu intensiven Beziehung zu seiner Mom, aber das hieß nicht, dass er es verdient hatte, durch ein Haushaltsgerät entmannt zu werden .
„Hat er etwas gesagt ?“
„Und ob er das hat.“ Alexis’ Miene verfinsterte sich. „Mich wundert es nicht, dass er sich Staubsauger als Sexualpartnerinnern auserkoren hat. Er ist ein so unsympathischer Kerl, dass keine Frau freiwillig mit ihm ausgehen würde .“
„Herrje“, seufzte Bess auf. „Hat er dich etwa beleidigt ?“
„Er hat Taylor durch den Kakao gezogen“, vertraute Alexis seinen Eltern mit gesenkter Stimme an und griff nach seiner Hand, die er auf die Tischplatte gelegt hatte .
Im ersten Moment war er verwundert, dass Alexis seine Hand in ihre nahm, aber dann begriff er, dass sie vor seinen Eltern etwas demonstrieren wollte. Es war lediglich Show .
„Was hat er denn gesagt?“ Das kam von seinem Dad, der sich bislang aus der Diskussion herausgehalten hatte und sich nun neugierig nach vorn beugte .
Erzürnt entgegnete Alexis: „Er spielte darauf an, dass Taylor schon lange kein neues Album veröffentlicht hat, und tat so, als würde er sich von mir aushalten lassen müssen. Es war widerlich. Am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht geboxt .“
„Das klingt gar nicht nach Frank“, murmelte sein Dad unsicher .
Alexis drückte seine Hand. „Taylor hat nichts zu ihm gesagt, aber ich hätte ihm gerne unter die Nase gerieben, was für ein fantastischer Musiker Taylor ist und ...“
Taylor unterbrach sie, indem er ihr die Hand entzog und sich erhob. „Entschuldigt ihr mich kurz? Mein Weinglas ist fast leer .“
Vielleicht war es nicht die feine englische Art, das Gespräch am Tisch auf diese Weise zu unterbrechen, aber Taylor war nicht in Stimmung, sich von Alexis verteidigen zu lassen und von ihr hören zu müssen, wie talentiert er doch sei. Also schnappte er sich sein Glas und machte sich auf den Weg zur Bar, an der er sich einen Scotch bestellte. Gerade war ihm nach etwas Stärkerem als nach Weißwein .
Er nippte an seinem Glas, nachdem der Barkeeper es ihm gereicht hatte, und sagte sich, dass er kein Sexist war, der nicht damit zurechtkam, dass seine Frau erfolgreicher, reicher und berühmter war als er. Erstens war Alexis nicht seine Frau und zweitens neidete er ihr nichts. Alexis war ein Ausnahmetalent, das sich den Erfolg hart erarbeitet hatte. Tatsächlich war er stolz auf das, was sie erreicht hatte. Punkt .
Was ihn störte, war die schlichte Tatsache, dass er sich wie ein Arschloch vorkam, das von Alexis’ Berühmtheit profitierte. Die Kommentare, die Frank Green heute vom Stapel gelassen hatten, waren wie eine Erinnerung daran gewesen, dass er nur deshalb Alexis’ Freund spielte, um an einen Plattenvertrag zu kommen. Im Grunde ließ er sich dafür bezahlen, mit Alexis zusammen zu sein .
War er nicht genauso wie dieses Arschloch Paxton, der Alexis ausgenutzt hatte ?
Und was sagte es über ihn aus, dass Alexis meinte, ihn vor seinen Eltern und vor Frank Green verteidigen zu müssen? Dachte sie, dass er beleidigt sein könnte, wenn sie mehr Aufmerksamkeit bekam als er ?
„Bist du wütend auf mich ?“
Taylor fuhr herum, als er ihre Stimme hinter sich hörte .
Skeptisch und verunsichert schaute sie ihn an und hatte ihre Hände vor sich verschränkt .
„Nein, ich bin nicht wütend auf dich“, versicherte er ihr mit einem schwachen Lächeln und stellte sein Scotchglas zurück auf die Theke .
„So siehst du aber aus“, entgegnete sie und trat näher zu ihm, um nicht im Weg zu stehen, als ein paar Kellner mit voll beladenen Tabletts an ihnen vorbeieilten. „Habe ich irgendetwas gesagt, was dich verärgert hat ?“
„Ich bin nicht wütend auf dich“, versicherte er ihr und seufzte dabei .
„Sondern?“
Achtlos zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Sagen wir doch einfach, dass die Situation nicht leicht ist. Okay ?“
„Okay“, murmelte sie und reichte ihm die Hand. „Tanzt du mit mir ?“
Taylor fragte erst gar nicht, warum sie mit ihm tanzen wollte. Vermutlich hatte sie gemerkt, dass die anderen Gäste sie nach und nach erkannt hatten, und wollte ihnen nun demonstrieren, wie verliebt sie beide waren .
Wortlos zog er sie auf die Tanzfläche, auf der augenblicklich ein neuer Song erklang .
Tennessee Whiskey .
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn es ein schnellerer Song gewesen wäre anstatt des langsamen Countrysongs, zu dem man sich eigentlich nur aneinander schmiegen konnte. Während die ersten Gitarrentöne erklangen, zog er Alexis eng an sich und legte seinen rechten Arm um ihre Hüften, während er mit seiner linken Hand ihre festhielt, die sie auf seine Brust gelegt hatte .
Sie standen nun so eng beieinander, dass er ihren Körper dicht an seinen gepresst fühlen konnte, als er sich langsam zu den gemächlichen Rhythmen des Liedes zu bewegen begann .
Alexis passte sich ihm perfekt an, schmiegte sich an ihn und legte den Kopf zurück, um ihm ins Gesicht schauen zu können, während der Sänger den souligen Countrysong zum Besten gab .
Obwohl er wusste, dass sie beobachtet wurden, hatte er nur Augen für Alexis, fühlte den schweren Bass der Musik unter seinen Füßen und schmiegte sich zum Rhythmus des Liedes an sie. Gänsehaut zog sich über seinen Körper, die nicht davon kam, dass der Sänger besonders gut war. Den Song hatte Taylor schon dutzendmal besser singen hören. Nein, die Gänsehaut kam von dem intensiven Gefühl, Alexis so nah zu sein. Die Reibung ihrer Körper aneinander, der Blick aus ihren blauen Augen und ihre winzige Hand, die über seinen Brustkorb nach oben fuhr und sich in seinen Nacken legte, bewirkten, dass schwere Süße sich in ihm ausbreitete .
Sanfte Gitarrenklänge schwebten durch den Saal, das Licht wurde gedämmt und Taylor zog Alexis noch näher an sich heran. Sie seufzte leise und ließ ihre Fingerspitzen quälend langsam über seinen Nacken wandern .
Und dann setzte sein Herzschlag für eine kurze Sekunde aus, denn sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schloss ihre Augen und gab ihm den süßesten Kuss, den er jemals erhalten hatte. Zärtlich erwiderte er den Kuss – mitten auf der Tanzfläche des Countryclubs – und scherte sich nicht darum, wer ihnen womöglich zusah. Stattdessen ließ er seine Lippen über ihre gleiten und genoss das sanfte Saugen ihres Mundes an seinem. Vorsichtig erkundete er ihren Mund und drückte federleichte Küsse auf ihren Mundwinkel, als sich Alexis langsam zurück auf die Füße sinken ließ und ihren Kopf unter sein Kinn schmiegte .
Noch immer fühlte sich sein Herz an, als würde es gleich zerspringen, und auf seinen Lippen konnte er sie schmecken. Sie schmeckte so wahnsinnig gut, dass er sich dazu zwingen musste, Alexis nicht gleich ein zweites Mal zu küssen. Und ein drittes und ein viertes Mal .
Sobald die letzten Töne des Liedes verklangen und alle Tanzpaare der Band applaudierten, stellte sich Alexis wieder auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm vertraulich zu: „Vergiss nicht, gleich meine Hand zu nehmen, wenn wir zurück zum Tisch gehen. Ein paar der Gäste haben Fotos von uns gemacht, als wir getanzt haben.“ Sie legte ihre Hand auf seine Wange, sah ihn verliebt an und raunte lächelnd: „Außerdem sehen deine Eltern zu, also küss mich noch einmal, Baby .“
Der Kuss war nur gespielt gewesen, weil Gäste Fotos von ihnen gemacht hatten ?
Enttäuschung wallte in ihm hoch, denn er hatte den Kuss nicht spielen müssen .
Und irgendwie war er davon ausgegangen, dass auch Alexis ihm nichts vorgespielt hatte .