13.
Violetta war extrem sauer. Sie hatte die anderen keines Blickes mehr gewürdigt und erst recht nicht den Abschiedsgruß erwidert. Dampfte im Schneidersitz vor sich hin, während die Menschen nach und nach fröhlich singend den Zeltplatz verließen, um die Auftritte der Bands hautnah mitzuerleben. Arschlöcher alle! Das konnte doch nicht die Wahrheit sein? Was dachte sich Jella dabei? Seit sie angekommen waren, spielte sie wieder die große Schwester, über allem erhaben, voll cool, vor allem, was ihre blöde, kleine Halbsis betraf. Aber nicht mit ihr!
Violetta wechselte auf Orga-Lasses Campingstuhl. Brütete weiter. Übte Kunststücke mit Sportsfreund, blödes tick, tick, tick. Packte ihn zurück in seinen Aufenthaltskarton. Die Großen rächen sich an den Kleinen. Jella an Violetta und Violetta an Sportsfreund und Sportsfreund? Der Letzte in der Kette. Muss in der Kiste bleiben!
Puh. Langweilig. Vom Gelände wehte Musik herüber und die gute Laune aller anderen. Nein, sie würde nicht den ganzen Tag hier sitzen bleiben. Das Handy klingelte, und Violetta war wild entschlossen, nicht dranzugehen, wenn es Jella war. Die sollte sich mal schön Sorgen machen. Aber es war nicht Jella. Sie machte sich noch nicht mal Sorgen.
»Lettachen, meine Kleine, wie geht’s euch? Mensch, ich mache mir hier schon ein bisschen Gedanken.« Immerhin. Ihre Mutter wenigstens. Kurz die Lust, ihr alles zu erzählen, Jella voll hinzuhängen, das hätte sie dann davon, aber dann doch nicht. Brachte nur Ärger für alle.
»Musst du nicht, uns geht’s total gut hier. Alle haben gute Laune, da kann einem überhaupt gar nichts passieren.«
»Und Jella?«
»Jella, ja, die passt gut auf mich auf, lässt mich nicht aus den Augen, echt, ich kann keinen Schritt machen, ohne dass sie es sieht!«
Erleichterung auf der anderen Seite.
»Schön. Na ja, aber das habe ich eigentlich auch nicht anders erwartet.« Phh, von wegen! »Wie hat sie das mit ihrem Vater aufgenommen? Warum hast du das überhaupt erzählt?«
»Ist mir rausgerutscht, sorry.« Violetta zog die Wackelpostkarte aus ihrer Hosentasche und ließ Locken-Rocko mal mit und mal ohne Weste posen. »War, glaub ich, schon ein bisschen hart für sie. Aber hier ist sie ja abgelenkt!«
»Ja, das ist gut. Schade, dass ich nicht bei euch sein kann. Hätte ich jetzt auch richtig Lust drauf.«
»Ja, du hättest bestimmt Spaß …!« Ein Gedanke flog in Violettas Kopf. Ein guter Gedanke. »Mama, ich muss Schluss machen, da kommt jetzt eine saugeile Band!«
»Alles klar. Freu mich, dass es euch gut geht!«
Violetta stand auf. Entschlossener Gesichtsausdruck, Rücken gerade und große Schritte. Große Schritte Richtung Festivalgelände.