Kapitel Zwei
Die Reifen der Maschine gruben sich zuverlässig durch das Gemisch aus Asche, Dreck und trockener Erde. Dex hatte fast eine Stunde gebraucht, um einen sicheren Weg zu finden, der ihn von den belebteren Gebieten fernhielt. Der alte Einsatzanzug, den er einem toten Legionär nach dem Krieg abgenommen hatte, passte ihm bis heute nicht richtig, obwohl er bereits unzählige Justierungen daran vorgenommen hatte. Er spannte und rieb an allen möglichen Stellen und Dex fragte sich langsam, ob dies wirklich den Tatsachen entsprach oder der Grund für seine Abneigung gegenüber dem Anzug allein in seinem Kopf zu finden war. Manche Dinge schlossen sich einfach gegenseitig aus und selbst die größten Bemühungen und Opfer konnten nichts daran ändern. Die Gesetzlosen wären auf jeden Fall nicht begeistert, wenn sie ihn in einem Kampfanzug der Regentschaft erwischen würden, weshalb er möglichen Begegnungen bereits im Vorfeld aus dem Weg ging und nur die abgelegensten Routen nutzte, um zur Hinrichtungsstätte zu gelangen.
Seine Gedanken hingen währenddessen nach wie vor beim Inquisitor, den Louis ohne zu zögern bei sich aufgenommen hatte. Der Präfekt des Außenpostens spielte ein riskantes Spiel. Aber Dex war sich sicher, dass er sich dessen bewusst war. Er schien eigene Ziele zu verfolgen, und Dex fragte sich, ob er ein Teil davon war oder am Ende deswegen vielleicht unter die Räder kommen würde. Die Gedanken erschreckten ihn, weil sie ihm klarmachten, dass seine angebliche Freundschaft mit Louis wohl keinem ernsthaften Stresstest standhalten würde und vermutlich nie existiert hatte. Ihre Abmachung würde nur bestehen, solange es keine Probleme gab. Aber so, wie es aussah, war die relativ unbeschwerte Zeit bis auf Weiteres vorbei.
Dex durchquerte eine kleine Ebene, kämpfte sich einen Hang mit Geröll hinauf und hielt neben einem Felsen, um seine Umgebung mit dem Feldstecher abzusuchen. In vielleicht tausend Metern Entfernung ragte das verdammte Kreuz der alten Verbrennungsstätte hoch in den Himmel auf. Die Reflexionen vereinzelter Sonnenstrahlen am Querbalken aus Stahl waren deutlich zu sehen. Wie ein falsches Leuchtfeuer, das Reisende vom sicheren Weg abbringen sollte, um sie in die ewige Verdammnis zu locken.
Dex wollte der Gedanke, das Purgatorium betreten zu müssen nicht gefallen, aber Louis hatte darauf bestanden, weshalb er seinen Ärger geschluckt und sich auf den Weg gemacht hatte. Insgeheim hoffte er, dass es mittlerweile keinen Grund mehr für den Inquisitor gab, hier aufzutauchen. Vielleicht waren andere Templer gekommen und hatten geholt, was dort zu finden war. Vielleicht waren Plünderer zufällig – über was auch immer – gestolpert und hatten sich mit ihrer Beute aus dem Staub gemacht. Oder es gab gar nichts zu finden. Manchmal hatten Crypter-Decrypter-Verbindungen Fehlfunktionen und gaben Daten aus, die nicht korrekt waren. Also warum nicht auch in diesem Fall?
Dex atmete aus, steckte den Feldstecher zurück in die Koppel und durchquerte die graue Fläche vor ihm, bis er die Geschwindigkeit verringerte und in die Hinrichtungsstätte einfuhr. Als er den zentralen Platz erreichte, stieg ein lautstark protestierender Schwarm Raben auf, der das obere Drittel des gewaltigen Kreuzes belagert hatte. Das Mahnmal der Angst erhob sich hoch über die flachen Bauten, die im Halbkreis dahinter errichtet worden waren. Zwei Internierungsblöcke, um die verlorenen Seelen einzusperren und unter Drogen zu setzen. Eine Kaserne für die Templer, eine Unterkunft für den zuständigen Operator und eine Halle für den Fuhrpark, in der noch heute ein gepanzerter Lastwagen stand, mit dem die Asche der Ketzer in die Wüste geschafft worden war. Dex war nicht zum ersten Mal hier. Trotzdem lief ihm jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken, sobald er das Gelände betrat.
Im Zentrum befand sich das riesige Kreuz, das die Höhe eines aufgestellten Linienbusses hatte und zum größten Teil aus miteinander verschweißten Stahlträgern bestand, die mittlerweile Rost angesetzt hatten. Der Sockel und die Hälfte des vertikalen Balkens waren mit einer dicken Schicht aus Ruß und geschmolzenem Körperfett belegt. Oben im Zentrum waren vielleicht hundert menschliche Schädel befestigt worden, die wissend herab grinsten und die Verurteilten auf ihrem letzten Weg begleitet hatten.
Dex konnte die Schreie der Verdammten noch heute in seinen Träumen hören. Das Gewimmer ließ ihn fast jede Nacht mit dem Drang erwachen, einem Templer den Schädel zu zertrümmern, um endlich Erlösung zu finden – aber diese Zeiten waren vorbei und er würde sich mit den dunklen Eindrücken seiner Vergangenheit arrangieren müssen. So schwer ihm dies auch fiel.
In einigen der Schädel konnte er Vogelnester entdecken. Andere befanden sich an den unzähligen Ketten, die vom Querbalken hingen oder mit dem vertikalen Teil des Kreuzes verbunden waren. Am Fuß der Konstruktion war eine vier mal vier Meter große Stahlplatte angebracht worden, die runde Löcher besaß und nach unten weggeklappt werden konnte, um die verkohlten Überreste in einen Graben fallen zu lassen, wo sie später abtransportiert wurden. Anscheinend war der letzte Transport schon lange her, denn der Berg aus Asche türmte sich bis knapp unter die Platte. Dex konnte Hüftgelenke, künstliche Knie und andere kybernetische Implantate darin erkennen, die das Gemisch aus langsam brennenden Napalm überstanden hatten. Dex fröstelte bei dem Anblick. Als er feststellte, dass er im Schatten des Kreuzes gehalten hatte, stieg er ab und schob die Maschine zu einem der Gebäude. Er versteckte sie in einer schlecht einsehbaren Nische, zog die Shotgun und machte sich daran, das Areal und die Bauten abzusuchen.
Im Inneren der flachen Behausungen roch es nach Moder und alten Zeiten. Kabel hingen wie Eingeweide aus dunklen Löchern, abgehängte Decken waren teilweise eingestürzt und die Böden aufgerissen. In die Wände des Gefängniskomplexes waren letzte Botschaften der zum Tode geweihten eingeritzt worden, in denen der Kasernen die Sprüche der wachhabenden Templer, die ihren Dienst loyal bis zum offiziellen Ende der Verfolgungen verrichtet hatten.
Dex stolperte benommen aus dem Zellenblock und brauchte einen Moment, bis er sich der Unterkunft des Operators widmen konnte. Die Eindrücke waren zu verstörend und holten all die Erinnerungen nach oben, die er während der letzten fünf Jahre nicht hatte wahrhaben wollen. Eine Art Selbstschutz, der, mit der Wahrheit konfrontiert, wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzte. Er ließ sich auf die Knie sinken und zwang sich, ruhig zu bleiben, obwohl ihn in dieser Einöde ohnehin niemand würde brüllen hören. Kurz darauf verfluchte er sich für sein Duckmäusertum und schrie seinen aufgestauten Schmerz hinaus in eine Welt aus Asche, die jeden verschlang, der ihr nicht die Stirn bot.
Nach einigen Minuten stand er auf, klopfte sich den Staub vom Einsatzanzug und machte sich daran, den letzten Bau zu durchsuchen. Aber auch hier war, bis auf Moder, Schimmelpilze und Spinnweben, nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Dex verließ erleichtert das marode Gebäude, um Louis Bericht zu erstatten, als sein Blick auf eine merkwürdig aussehende Gesteinswand hinter einem Flachbau fiel, der nicht wirklich ins Bild zu passen schien. Er zog gewarnt die Shotgun, kletterte über eine Außenleiter aufs Dach des Baus und näherte sich dessen Rand. Eine Sekunde später sah er durch den Feldstecher und ließ seinen Blick angestrengt über die Umgebung schweifen, bis er fand, wonach er gesucht hatte. In vielleicht fünfzehn Metern Entfernung befand sich ein wuchtiger Felsen, der ein weiteres Gebäude hätte sein können. An dessen Wand schien ein Tarnnetz gespannt worden zu sein, das aufgrund seiner grauen Farben nur schwer zu erkennen war. Darunter befand sich etwas.
Dex blieb fluchend stehen und zögerte. Noch hatte er die Chance, Louis zu melden, dass er nichts Verdächtiges gefunden hatte. Auf der anderen Seite wollte er den Präfekten des Außenpostens nicht hintergehen. Immerhin hatte er Dex bei sich aufgenommen und dafür gesorgt, dass ihn die Suchtrupps des Interrex nicht hatten aufspüren können. Nach Ende des Krieges waren unzählige Kopfgeldjäger, Vernichtungstrupps und Milizen wochenlang durchs Reich gezogen, um die vogelfreien Abtrünnigen ihrer angeblich gerechten Strafe zuzuführen. Tausende waren erhängt, erschlagen und in der Asche erstickt worden, bevor der Enthusiasmus der Regentschaft nachgelassen und die Regulatoren ihr Augenmerk auf wichtigere Probleme gelenkt hatten. Dex hatte den größten Teil dieser dunklen Zeit in Louis’ Außenposten verbracht. Niemand hatte Fragen gestellt oder Anstalten gemacht, mehr über seine Vergangenheit herauszufinden. Weder Louis noch seine Frau oder seine abgerissenen Templer, die erst nach und nach in der Basis aufgetaucht waren. Dex hatte Louis und Gabrielle unterstützt, wo er konnte. Er wollte nichts geschenkt und war bereit gewesen, für den Schutz zu arbeiten, den der abgetakelte Präfekt ihm gewährte. Dex schuldete dem Mann genug, um ihm im Grunde keinen einzigen Wunsch abschlagen zu können. Nicht mal dann, wenn dieser desaströse Konsequenzen für alle nach sich ziehen würde.
Dex fluchte erneut, ließ sich am Vorsprung des Dachs herunter und ging unentschlossen zum Tarnnetz. Nach der Hälfte der Strecke entdeckte er einen grauen Transporter, der unter einem Überhang abgestellt war und mit dem Netz vor allzu neugierigen Blicken geschützt wurde.
Niemand war zu sehen. Er näherte sich der Fahrerkabine mit vorgehaltener Waffe. Kurz darauf vergewisserte er sich, dass die Türen verschlossen waren, bevor er zur Heckklappe schlich, die sich ebenfalls nicht öffnen ließ. Der Transporter wirkte verkratzt und abgenutzt, wie alle Fahrzeuge der gesetzlosen und Verstoßenen. Dex fand Einschusslöcher und Roststellen, die nur schwer von den Blutspritzern zu unterscheiden waren, die vor allem Kühlergrill und Motorhaube zierten. Der Heckspoiler fehlte komplett, die Beifahrertür war eingedrückt und ein Scheinwerfer zersplittert. Die Reifen schienen neu zu sein, ebenso die Solarplatten am Dach. Dex ließ die Finger über die Seitenwand gleiten, presste sein Ohr gegen das verrostete, an mehreren Stellen gespachtelte Stahlblech, und schloss die Augen. Nichts. Als er sie wieder öffnen wollte, spürte er einen dumpfen Schlag von innen und stolperte erschrocken zurück. Die Vibrationen waren deutlich zu spüren gewesen. Er sah sich nervös um, presste das Ohr erneut gegen das kühle Material und versuchte, die Aufregung zu unterdrücken, bis er jemanden im Innern um Hilfe wimmern hörte. Es schien sich um eine junge Frau zu handeln. Dex konnte das Geräusch von Ketten hören, die über den blanken Boden gezogen wurden und Fingernägel, die an der Wand entlang kratzten. Danach erklang schwaches Klopfen, bis ein Körper dumpf auf den Boden schlug und die Geräusche verstummten.
Dreck! Es war wirklich an der Zeit, Bericht zu erstatten. Louis spielte mit dem Feuer und Dex wollte ihm ein letztes Mal ins Gewissen reden, bevor es zu spät war. Auch wenn dies die ohnehin brüchige Beziehung zwischen ihnen ernsthaft gefährden würde.
Er ging zur Maschine, steckte sich den Knopf ins Ohr und ließ eine Verbindung zum Außenposten aufbauen.
»Was hast du gefunden?«, erklang Louis’ Stimme einen Moment später, als ob er vor der Kommunikationseinheit gesessen und bereits auf Dex’ Nachricht gewartet hatte.
»Einen Transporter …«
»Das ist alles? «
»Im Laderaum scheint eine Frau gefangengehalten zu werden.«
»Gab es Kontakte?«
»Nein. Niemand ist hier.«
»Ich meinte mit der Gefangenen.« Louis’ Stimme klang lauernd.
»Natürlich nicht.«
»Gut. Du wirst den Transporter bis morgen bewachen, verstanden?«
»Warum?«
»Weil ich es dir befehle.«
Dex biss knurrend die Zähne zusammen und verzichtete auf einen Kommentar.
»Ich hab noch was zu klären, bevor du zurückkommen kannst«
»Willst du das wirklich durchziehen?«
»Was meinst du?« Er hörte sich überrascht an.
»Ich bin nicht dumm, Louis«, erwiderte er. »Templer, die verdeckt in deinem Territorium operieren. Ein verdammter Inquisitor, eine Gefangene der Regentschaft. Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich hoffe, dass du die Risiken mit einkalkuliert hast.«
»Dir wird schon nichts passieren ...«, tat Louis gleichgültig ab.
»Ich rede nicht von mir! Was ist mit Gabrielle und den anderen?«
»Das geht dich verflucht noch mal nichts an! Ich werde mich um alles kümmern, okay? Niemandem wird auch nur ein Haar gekrümmt werden. Einschließlich dir. Aber du musst mir den Rücken freihalten. Sorg dafür, dass sich niemand dem Transporter nähert.«
»Warum?«
»Weil ich es so will! «
»Ich hoffe wirklich, du weißt, was du machst ...«
»Lass das meine Sorge sein. Und Dex«, er machte eine Pause, um den folgenden Worten genug Geltung zu verleihen, »halt dich von dem Wagen fern, okay? Du sollst ihn nur bewachen. Ignorier die Frau und auch alles andere, was dir einen zweiten Blick wert wäre. Stell nur sicher, dass er nicht verschwindet.«
»Wie du willst«, gab er schließlich auf. »Melde dich, wenn du so weit bist.«
Louis trennte die Verbindung und ließ Dex fluchend zurück. Was zur Hölle dachte sich der Kerl nur? Dass die Regentschaft vor ihm kuschen würde? Wenn es hart auf hart käme – und das würde es – würden sie dafür sorgen, dass niemand übrigblieb, der von den Vorfällen berichten konnte. Einschließlich seiner Gastgeber. Louis war vielleicht der Meinung, er würde noch Einfluss in Ankhrom besitzen, aber die Zeiten hatten sich geändert und der allgegenwärtige Opportunismus ließ keinen Platz für alte Gefallen oder Sympathien. Die Verantwortlichen waren sich selbst am nächsten und niemand bekam einen Vorteil, ohne jemand anderem einen zu verschaffen. Und Louis hatte verdammt noch mal nichts anzubieten. Jedenfalls nichts, von dem Dex wusste.
Er versteckte die erbeuteten Ersatzmagazine und die Maschinenpistole in der Nähe seiner Maschine und begab sich anschließend wieder aufs Dach des Gebäudes, um eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Er setzte sich an den Rand und ließ die Beine baumeln, während er abwesend aufs Tarnnetz starrte und sich den Kopf zerbrach, wen die Regentschaft wohl darin eingesperrt hatte und vor allem, warum. Gleichzeitig machte ihm die Geheimniskrämerei zu schaffen, mit der die Templer vorgegangen waren. Sie hatten sich wie Gesetzlose gekleidet. Selbst der Inquisitor war auf den ersten Blick nicht von einem Scragger zu unterscheiden gewesen. Aber wozu der Aufwand?
Dex würgte eine der Nährstoffplatten mit einem Schluck Wasser herunter und ließ seine Fingerknöchel knacken. Einen nach dem anderen, bis er durch war und von vorne begann. Irgendwann kletterte er vom Dach und setzte sich fünf Meter vor dem Transporter auf den Boden. Von seiner Position aus war nichts zu hören. Trotzdem wagte er es nicht, sich dem Wagen weiter zu nähern. Nicht wegen Louis’ Anweisung oder der drohenden Katastrophe, die vermutlich ohnehin nicht mehr aufzuhalten war. Sondern aufgrund der immanenten Gefahr, schließlich doch noch von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden. Einer Vergangenheit, der er lieber weiterhin aus dem Weg gegangen wäre. Auch wenn der alte Dex nicht lange gezögert und nachgesehen hätte, der neue hatte keinen weiteren Bedarf an lächerlichem Heldentum und Risiken, die einfach nicht abzuschätzen waren.
Feigling!
Dex ignorierte die Stimme und ließ den Blick über den Horizont schweifen, der sich bereits deutlich verdunkelt hatte und einen weiteren Aschesturm ankündigte. Louis würde ihn erst am Morgen des nächsten Tages kontaktieren können, nachdem die durch den Sturm hervorgerufenen Interferenzen sich verzogen hatten. Dex würden über zwölf Stunden in relativer Einsamkeit durchstehen müssen. Zwölf Stunden, die sein Gewissen gegen ihn verwenden würde. Eine grauenvolle Vorstellung. Außerdem war er nicht begeistert, eine weitere Nacht im Freien zu verbringen. Trotzdem zog er die Asche den trostlosen Gebäuden des Purgatoriums jederzeit vor.
Louis saß vor der Kommunikationseinheit des Bunkers und tippte mit den Fingerkuppen auf die Platte der Ablage. Es war trotz des halbwegs funktionierenden Heizstrahlers kalt. Staub und Ascheflocken bedeckten den rauen Boden, die durch den Raum gewirbelt wurden, sobald jemand die Tür öffnete. Beim Anblick der verdammten Asche wurde Louis wütend. Die graue Substanz fand ihren Weg in jeden noch so abgeschirmten Bereich und es machte keinen Unterschied, ob es sich dabei um einen gut gesicherten Raum oder den Organismus eines Menschen handelte. Die winzigen vergifteten Partikel befielen vorzugsweise den Rachenraum, die Bronchien und am Ende die Lunge, je nach Konstitution des Betroffenen. Vorgeschädigte waren ohne entsprechende medizinische Maßnahmen zu einem langsamen qualvollen Tod verdammt – außer sie bekamen eine spezielle Therapie zugeteilt. Allerdings gab es diese Art von Behandlung nur in den Kliniken der Megaplexe und ausschließlich für privilegierte Gruppen, zu denen Louis nicht mehr gehörte. Ob das Wissen über die Gefangene ausreichen würde, ihn zurück nach Ankhrom zu bringen, würde sich erst herausstellen müssen. Trotzdem war er bereit, alles zu riskieren, um Gabrielle die dringend nötige Therapie zu verschaffen. Er hoffte, dass Dex sich zurückhalten würde, bis er mehr in Erfahrung gebracht hatte. Louis hatte nur diese eine Chance und er wollte sie nicht verlieren, weil Dex sich nicht unter Kontrolle hatte. Dessen ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl gegenüber allem und jeden und der in ihm schlummernde Widerstand gegen die Regentschaft würden ihn irgendwann ohnehin den Kopf kosten. Louis hatte allerdings nicht vor, dann in seiner Nähe zu sein. Er musste ihn nur unter Kontrolle halten, bis er sein Ziel erreicht hatte. Danach war Dex auf sich alleine gestellt.
Louis interessierte nicht, wen die Templer im Transporter gefangen hielten oder warum. Ihm war nur wichtig, dass sich die Frau unter seiner Kontrolle befand. Dieses Faustpfand und der angeschlagene Inquisitor waren zwei Trümpfe, die er gegen den verantwortlichen Regulator ins Feld führen wollte. Zwei Trümpfe, die dieser nicht würde ignorieren können. Denn eine fehlgeschlagene verdeckte Operation konnte auch einem Mann in gehobener Position gefährlich werden. Vor allem, wenn ein potentieller Nachfolger bereits an seinem Stuhl sägte. Louis musste sich nur auf seine Instinkte verlassen und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Ihm war durchaus bewusst, dass er mit dem Feuer spielte. Aber Gabrielles Zustand ließ kein zögerliches Vorgehen zu. Nicht mehr. Weshalb Louis beschlossen hatte, volles Risiko zu fahren und alles auf eine Karte zu setzen.
Die Verbindung wurde einige Minuten später aufgebaut. Louis atmete ein letztes Mal durch und nahm den Kontaktversuch entgegen.
»Regulator Victrix.«
»Präfekt …«, erklang eine lauernde kratzige Stimme. »Mir wurde zugetragen, dass sich ein Vorfall in Eurem Territorium ereignet hat, der mich betreffen könnte.«
»Sofern Euch ein Inquisitor und mehrere Templer abhandengekommen sind, könnte dies durchaus zutreffen«, erwiderte Louis kalt. »Sie haben sich unangemeldet in meinem Sektor aufgehalten. Andernfalls hätte ich dafür gesorgt, dass sie ihn ohne Verluste durchquert hätten.«
»Verluste?«
»Der Inquisitor hat überlebt. Alle anderen sind tot. «
Der Regulator begann aufgeregt zu husten. »Wo befindet sich der Mann Gottes?«
»In meiner Obhut.«
»Ich will mit ihm sprechen.«
»Das ist nicht möglich. Er ist bewusstlos und erholt sich von seinen Verletzungen.«
»Wie lange?«
»So lange ich es für richtig halte«, erwiderte Louis kalt.
»Ihr überschätzt Euren Einfluss, Präfekt. Ich kann jederzeit einen weiteren Zug entsenden lassen und …«
»Könnt Ihr das?«, unterbrach Louis den Mann, der in der Hierarchie der Regentschaft weit über ihm stand. »Ich hab die Namen und Ränge der Toten mit Hilfe der eingebrannten Codes in ihren Netzhäuten ermittelt. Ich weiß, wie der Name des Inquisitors lautet – und ich weiß von der Gefangenen, die Eure Templer in der Aschewüste verloren haben.«
Stille.
»Ich könnte mir vorstellen, dass der Interrex und sein Stab von Eurem Versagen nicht begeistert wären. Vermutlich würden Sie Euch Eures Amtes entheben und ein Exempel statuieren, um Eurem Nachfolger zu verdeutlichen, mit welchen Konsequenzen er zu rechnen hätte, falls er sich ebenso unvorsichtig verhalten würde.« Louis bildete sich ein, die vor Wut knirschenden Zähne des Regulators hören zu können, während er entschlossen fortfuhr. »Ein Exempel der Schande, das für immer in Eurer Linie verhaftet wäre. Wie ein unendlicher Makel, der nur durch die reinigenden Flammen eines Purgatoriums entfernt werden könnte – zusammen mit Eurer Seele.« Louis wartete einen Moment, um die Worte wirken zu lassen. »Aber das muss nicht so kommen. Ich wäre bereit, Euren Inquisitor zu unterstützen – ohne Fragen zu stellen oder mich in Eure Angelegenheiten einzumischen.«
»Und was würdet Ihr im Gegenzug für diesen Gefallen von mir erwarten, Präfekt?« Victrix schien sich wieder gefangen zu haben.
»Ankhrom. Ich will zurück nach Ankhrom, Regulator. Das ist alles.«
»Ich nehme an, Ihr wurdet nicht ohne Grund an den Rand des Reichs versetzt, Präfekt.«
Die implizierte Andeutung, Louis hätte ein Verbrechen begangen und das Exil verdient, machte ihn wütend.
»Ich war der Kollateralschaden politischer Intrigen, die mich als Konsequenz der Absetzung meines Mentors mit in den Abgrund gerissen hatten. Außer dem Umstand, auf den falschen Mann gesetzt zu haben, hab ich mir nichts zu Schulden kommen lassen, Regulator. Ich hab die Prinzipien der Regentschaft gegen die Rebellen verteidigt und wurde zum Dank ins Niemandsland abgeschoben – und ich hab die verdammte Aschewüste satt!«
»Es scheint, auch Ihr habt Euch nicht allzu vorsichtig verhalten, Präfekt«, stellte Victrix süffisant fest und fuhr schnell fort, bevor Louis etwas erwidern konnte. »Allerdings bin ich mit dem Haifischbecken des politischen Alltags bestens vertraut und kann Euch versichern, dass sich nichts geändert hat. Die Starken fressen die Schwachen und lassen niemanden übrig, der ihnen gefährlich werden könnte. Weder Familienangehörige noch Freunde noch Bekannte. Jeder, der ihnen im Weg steht, muss gehen. Dabei ist das Exil noch die harmloseste Bestrafung.«
»Ein langsamer Tod mag harmlos sein«, wandte Louis ein. »Aber ehrenvoll ist er nicht.«
»Ihr seid ein Mann von Ehre?« Victrix schien aufzuhorchen. » Nennt mir Euren vollständigen Namen und Euren einstigen Rang, Präfekt. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe, bevor ich mich für Euch einsetze.«
»Ich bin ein Niemand«, ruderte Louis gewarnt zurück. »Allerdings weiß ich auch als solcher die Annehmlichkeiten eines Megaplexes zu schätzen.«
»Und wie soll ein Niemand meinen Inquisitor angemessen unterstützen?«, hakte Victrix nach. »Wenn ich für Euch und Euer Anliegen eintreten soll, erwarte ich eine entsprechende Gegenleistung.«
»Hier herrschen andere Gesetze als in Eurem Umfeld. Die Wüste wird von Aasgeiern, Gesetzlosen und Vertriebenen beherrscht. Menschen, die sich einen Dreck um den Interrex oder die Regentschaft scheren. Ich weiß mit diesen Beeinträchtigungen umzugehen, Regulator. Und das ist weit mehr, als Euer Inquisitor von sich behaupten kann, der bewusstlos in meinem Lazarett liegt. Wenn Ihr Eure Mission beendet sehen wollt, werde ich mich darum kümmern. Wenn nicht, wird mich das auch nicht weiter stören. Ich hab nur eine Chance gesehen, meine Situation zu verbessern. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Ich weiß Eure Ehrlichkeit zu schätzen, Präfekt«, erwiderte Victrix lauernd. »Aber Ihr werdet es mir sicher nachsehen, mich zuerst mit meinem Stab absprechen zu müssen. Danach werde ich Euch über meine Entscheidung in Kenntnis setzen lassen. Haltet meinen Inquisitor am Leben und sorgt dafür, dass niemand Kontakt zu der Gefangenen erhält. Niemand, verstanden? Sie geht Euch nichts an.«
»Wie Ihr wünscht, Regulator«, erwiderte Louis. »Vale, Victrix. Hoch lebe der Interrex.«
»Vale, Präfekt.« Er kappte die Verbindung.
Louis lehnte sich zurück und atmete erleichtert auf. Allein die Tatsache, dass Victrix sich persönlich bei ihm gemeldet hatte, gab ihm Hoffnung. Die Gefangene schien ihm wichtig zu sein und Louis hatte sie unter seiner Kontrolle. Genauso wie den verdammten Inquisitor. Sobald Victrix das Angebot akzeptierte, würde Louis seine Bedingungen stellen. Danach würde die nächste Phase des Spiels beginnen.
Louis erhob sich, verließ den Bunker und blieb mitten im Hof der Anlage stehen, um abwesend in den grauen Himmel zu starren. Am Horizont bildete sich eine Sturmfront, die bereits am Abend über sie herfallen und die vergifteten Partikel überall verteilen würde. Noch während er ins Nichts starrte, ertönte die dumpfe Sirene des Außenpostens. Kurz darauf liefen acht Templer aus dem Kasernenblock, stürmten die Leitern hoch und besetzten die schweren Maschinengewehre des Walls. Louis ging derweilen zum gewaltigen Tor und dem Mann, der Alarm geschlagen hatte.
»Gibt es Probleme, Baldwin?«
»Zwanzig Scragger auf Motorrädern aus westlicher Richtung, Präfekt. Sie eskortieren einen Panzerwagen.«
»Welcher Clan?«
»Ich konnte kein Abzeichen erkennen«, erwiderte der dünne Templer und tippte auf seinen Feldstecher. »Es scheint, als ob sie keinem angehören.«
»Bist du sicher?«
»Bin ich, Präfekt.«
Louis verzog den Mund, stieg eine Leiter hinauf und zückte sein Fernglas. Die Fahrer der Motorräder sahen aus wie gewöhnliche Outlaws: abgenutzte Kleidung, wild zusammengewürfelte Ausrüstungsgegenstände und Waffen. Der Radpanzer war ein Modell aus alten Beständen der Templer. Vermutlich gestohlen. Allerdings gab es hier draußen niemanden, der sich daran stören würde.
Der Verbund hielt in angemessenem Abstand zu den Maschinengewehren. Danach wurde der Außenposten über eine Standardfrequenz gerufen.
Louis ging zu einer der fest installierten Komm-Stationen, aktivierte dessen Endgerät und nahm die Anfrage entgegen.
»Hier spricht Präfekt Louis Octavius, Befehlshaber des Außenpostens-44. Was ist Euer Anliegen?«
»Wir sind Nomaden und ersuchen Schutz vor dem aufziehenden Sturm«, erklang eine elektronisch verzerrte Stimme. »Unser Vorrat an Filtern ist erschöpft.«
»Ich befehlige einen militärischen Außenposten der Regentschaft und keinen Schutzbunker«, erwiderte er kalt. »Ich schlage vor, Ihr sucht Euch einen anderen Unterschlupf.«
»Wir ersuchen Eure Hilfe in Anlehnung an den Codex Imperialis der Alten Welt, Präfekt. Helft den Todgeweihten, wo immer Ihr deren Weg kreuzt!«
Louis biss knurrend die Zähne zusammen. »Das ist lange her …«
»Aber nicht vergessen«, hielt der Fremde entgegen. »Ich hoffe, die alten Schriften haben in dieser gottverlassenen Gegend noch das Gewicht, das ihnen zusteht.«
Louis warf einen Blick zu Baldwin, der mit aufgerissenen Augen verneinend den Kopf schüttelte. Louis’ Templer wären den Nomaden vermutlich zahlenmäßig unterlegen. Außerdem würde er seine Männer mit einer Aufgabe belasten, die sie nichts anging. Die Wüste forderte jede Nacht ihre Opfer: vom Weg Abgekommene, Ausgeraubte und Liegengelassene, Verstoßene und Verdammte. Es würde keinen Unterschied machen, ob die Nomaden heute oder morgen starben, denn für heimatlose Menschen bedeutete die Aschewüste auf Dauer ohnehin den sicheren Tod.
Auf der anderen Seite fühlte sich Louis der Alten Ordnung nach wie vor verpflichtet. Der Kaiser hätte sein Volk nicht entmündigt, unterdrückt und verbrannt. So wie der Interrex, der nur durch Beziehungen und der zugrundeliegenden Gier einiger weniger Geschäftsmänner ins Amt gehoben worden war, und seine Gegner zusammen mit den Verdammten hatte verschwinden lassen. Louis wusste, dass er die Fremden besser sich selbst überlassen sollte. Nichtsdestotrotz aktivierte er die Sendeeinheit und führte das Endstück zu seinen trockenen rissigen Lippen.
»Eine Nacht ist alles, was ich Euch anbieten kann. Sorgt dafür, dass ich diese Entscheidung nicht bereuen werde.«
»Natürlich, Präfekt«, erwiderte der Fremde. »Ihr habt mein Wort.«
Louis schnaubte verächtlich. »Sammelt die Waffen Eurer Männer ein und lasst sie im Radpanzer. Ich kann kein unnötiges Risiko eingehen … auch wenn ich mit voller Überzeugung hinter dem Codex stehe.«
»Die Zeiten haben sich geändert, Präfekt …«
»Das haben sie.«
»… trotzdem nehmen wir Euer Angebot an.«
Louis wich dem tadelnden Blick Baldwins aus und befahl dem Rest seiner Templer, die Wälle zu besetzen und einen Teil der Mannschaftsquartiere für die Nomaden vorzubereiten. Er verlangte nach Ben, trug Gabrielle auf, sich um den Inquisitor zu kümmern und verbot ihr, die Unterkunft zu verlassen. Außerdem ließ er den Bunker und die anderen taktisch wichtigen Gebäude verschließen und bewachen. Danach besetzte er vier der schweren Maschinengewehre, deren Läufe auf die verstaubten Fahrzeuge der Nomaden gerichtet blieben, als diese in den Außenposten einfuhren. Louis hielt angestrengt nach Waffen Ausschau, aber der Fremde schien Wort gehalten zu haben. Als sein Blick über das dreiachsige gepanzerte Fahrzeug schweifte, verzog er überrascht den Mund. Der Radpanzer war bis zum Anschlag mit Treibstoffkanistern, Munitionskisten und Ausrüstungsgegenständen beladen. Dazwischen befanden sich funktionstüchtige Solarplatten. Louis konnte allerdings keine Gepäckstücke ausmachen, die für Nomaden typisch waren. Keine Zelte, keine Felle, keine Ersatzkleidung. Vielleicht gehörte der Stoßtrupp zu einem größeren Verband, der nicht weit vom Außenposten entfernt das Lager aufgeschlagen hatte. Und vielleicht waren die Nomaden nur hier, um die Situation vor Ort auszukundschaften.
Louis biss die Zähne zusammen und warf Ben einen warnenden Blick zu, als die Fahrzeuge von den Templern ins Zentrum des Hofs gelotst wurden, während die Läufe der schweren Maschinengewehre ihnen unbeirrt folgten.
Die Veteranen versammelten sich hinter Louis und beobachteten skeptisch, wie die Nomaden von den Motorrädern stiegen und sich aufmerksam umsahen. Einige Sekunden später verließen weitere acht Männer den Radpanzer, dessen gewaltige Reifen sich tief in den mit Asche überzogenen Boden gegraben hatten. Einer der Kerle, ein Mann in Louis’ Alter, trat vor und nickte ihm zu. Seine kurzgeschorenen grauen Haare waren mit Staub und Ascheflocken durchsetzt. Eine Narbe zog sich von seiner Stirn über die Nase bis zur Wange. Vermutlich das Andenken einer Klinge, deren Streich er nur knapp überlebt hatte. Seine Augen waren hellwach, überflogen das Areal, die Maschinengewehre und die unbesetzten Geschütze. Danach musterte er beiläufig die Templer und am Ende ihren Anführer.
Louis hatte das Gefühl, einer Schlange gestattet zu haben, eine Nacht in einem Hasenbau verbringen zu dürfen und verfluchte seine Entscheidung, die vorwiegend auf sentimentalen Erinnerungen an bessere Zeiten basierte. Der Fremde trug einen grauen Poncho über seiner Kleidung, der seine Koppel und etwaige versteckte Waffen bedeckte. Als er Louis’ misstrauischen Blick bemerkte, legte er das abgewetzte Stück ab und gab es einem seiner Männer. Danach zog er ein Kampfmesser aus einer Scheide am Gürtel, warf es in einer kurzen Bewegung aus dem Handgelenk in die Luft und fing es an der Klinge, um es Louis anzubieten. Das Emblem des alten Kaisers war nicht zu übersehen.
»Ich bin Pius. Bitte nehmt dieses Messer als Dank für Eure Hilfsbereitschaft an, Präfekt. Ein Geschenk unter Freunden.«
Louis waren die skeptischen Blicke Bens nicht entgangen, der vermutlich zum gleichen Schluss wie er gekommen war: Bei den angeblichen Nomaden schien es sich um verdammte Renegaten zu handeln. Denn nur Rebellen schmückten sich ungeniert mit den Symbolen der alten Ordnung, deren alleiniger Besitz mit dem Tod bestraft wurde. Allerdings war ihm seit Jahren keiner mehr über den Weg gelaufen und er war davon ausgegangen, dass der Widerstand nicht mehr existierte.
»Ich denke, dass ist nicht nötig«, erwiderte er und versuchte ein Lächeln aufzusetzen, während sich der Blick seines Gastes verhärtete.
»Ich bestehe darauf …«
Louis rümpfte die Nase, nahm die Waffe und starrte abwesend auf das Symbol des letzten Cäsaren, der von Teilen seines Senats abgesetzt und ermordet worden war. Das Messer war hervorragend austariert und lag wie angegossen in seiner Hand.
»Manchmal sind es die alten, bewährten Dinge, auf die wir unsere Zukunft richten sollten«, bemerkte Pius beiläufig, dem Louis’ Reaktion nicht entgangen war.
»Manche Träume bleiben für immer Träume.«
»Manche, ja«, erwiderte Pius lauernd. »Andere werden zu Alpträumen, die ganze Nationen in die Knie zwingen können.« Er setzte ein Lächeln auf. »Aber genug geplaudert. Wenn Ihr so freundich wärt und uns die Unterkunft zeigen würdet, Präfekt?«
»Ben wird Euch in die Quartiere führen und versuchen, Euch und Eure Männer angemessen zu versorgen.«
»Das ist nicht nötig«, winkte Pius ab. »Wir bedurften nur Eures Schutzes vor dem aufziehenden Sturm. Wir haben unsere eigenen Vorräte und sind bereit, diese mit Euch und den Templern zu teilen.« Er machte eine ausholende Bewegung mit dem Arm. »Ein Angebot des Friedens.«
»Das wird nicht nötig sein«, erwiderte Louis. »Ich …«
»Ich erwarte Euch in einer Stunde, Präfekt. Wir haben etwas zu bereden und ich möchte das erledigen, bevor wir wieder aufbrechen.«
Louis hob überrascht eine Augenbraue.
»Keine Sorge«, wiegelte Pius ab. »Es betrifft weder Euch noch diesen Außenposten. Also kann ich mit Euch rechnen?«
Louis hielt dem bohrenden Blick des Mannes stand, bis er schließlich nickte. »Ich werde da sein.«
Danach wandte er sich ab, ignorierte die tadelnden Blicke der Templer und ging zu seiner Unterkunft, um Gabrielle von dem seltsamen Gast zu erzählen.