32. Kapitel
Kate
N
ein, nichts fehlt, erkläre ich den Polizeibeamten noch einmal, wir haben alles überprüft.
Ja, ich bin vollkommen sicher … nein, ich habe niemanden gesehen, aber ich weiß, dass jemand da war. Ich habe ihn gespürt – ja, durch die Tür – und Schritte gehört.
Dieses Mal ist der Blick, den sie wechseln, einfach zu deuten. Der zweite Polizist, der mit dem Block, hat schon aufgehört, Dinge aufzuschreiben.
Es läuft alles falsch.
Bis die Vögel zu singen begannen und der Himmel hell wurde, blieb ich im Schlafzimmer. Erst als ich den Motor hörte und das saubere rote Auto meiner Schwester vor dem Fenster sah, brachte ich es über mich, die Tür zu öffnen. Ich rannte barfuß hinunter, über den Kies, und fiel ihr um den Hals, was beide überraschte.
»Deine armen Füße, Kate«, sagte Charlotte und schlug die Autotür zu.
Dad stieg auf der anderen Seite aus, steif von der Fahrt. »Diese Steine … und sie versauen den Wagen, wenn man nicht aufpasst.«
»Meinen Füßen geht es gut. Ich bin so froh, dass ihr hier seid.«
Sie folgten mir hinein, redeten über die Fahrt hierher – sie sind gut durchgekommen, so früh vor der Stoßzeit. Hier draußen gibt es das eigentlich nicht, das wissen wir alle, aber es rührte mich, dass sie so schnell gekommen waren – und ich war so erleichtert.
Da ich sie nicht erschrecken will, warte ich, bis wir in der Küche sind.
»Es war jemand im Haus, mitten in der Nacht, ein Einbrecher. Nein, keine Sorge« – als die Fragen kamen –, »mir geht es gut.«
Dad rief sofort die Polizei an, 999, während mich Charlotte alles erzählen ließ; dann gingen wir gemeinsam durch das Haus, zu dritt in einer engen Gruppe. Am meisten Sorge hatte ich wegen Sophies Zimmer, aber es war unberührt. Auch der Rest schien unangetastet zu sein.
»Ich glaube
nicht, dass was fehlt«, wiederholte ich immer wieder, auf eine unangenehme Überraschung vorbereitet – Schubladen herausgerissen; Kabel, die aus der Wand ragten, wo ein Fernseher weggezogen wurde; Kleidung und Besitztümer über den Boden verteilt. Dann verstand ich – ich erinnerte mich an den Traum von neulich, die Suche in meinem geplünderten Zuhause. Aber nichts fehlte. Alles war an seinem Platz.
Das sorgte dafür, dass ich mich noch unwohler fühlte.
Die beiden Polizisten kamen an, uniformiert im Einsatzwagen; den Mann erkannte ich vom letzten Mal wieder, als ich jemanden im Garten gesehen hatte: der Jüngere mit dem offenen, runden Gesicht. Diesmal lasse ich mir ihre Namen geben – die Kontrolle behalten. Er ist PC Kaur; seine Kollegin, PC Sweet, ist gedrungen und professionell, mit sorgfältig aufgelegtem Make-up.
Selbstverständlich ist es viel zu spät, um etwas zu tun, das ist offensichtlich. Ich glaube, es muss so halb drei gewesen sein, sage ich ihnen, aber ich habe nicht einmal auf den Wecker geschaut, bis ich irgendwann meinen Platz am Fenster verlassen habe, um mir die grünen Ziffern einzuprägen: 03:21.
Es fällt Kaur zu, es auszusprechen, als wir alle in der Küche versammelt sind.
»Mrs Harlow, wie soll jemand hineingelangt sein? Es gibt keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Und Sie haben selbst gesagt, es gibt zwei Schlösser an der Eingangstür, und beim Hinausgehen haben sie beide aufgeschlossen.«
Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Während sie sich drinnen und draußen alles angesehen haben, die Türen und Fenster überprüft, habe ich heimlich auch etwas nachgesehen, während Dad und Charlotte einen Kessel Tee aufgesetzt haben.
Am besten zeige ich es ihnen.
»Kommen Sie mit und sehen Sie selbst«, erkläre ich. »Wir können zur Hintertür raus.«
Nacheinander gehen wir durch die Waschküche; erst die Polizisten, dahinter meine Familie. Für einen Augenblick erinnert es mich an mein altes Leben: eine Gastgeberin, die ihre Gäste in den Garten führt. Was ist nur mit mir geschehen?
Draußen bringe ich sie zur Seite des Hauses und hebe den Ziegel an, der unter einem Busch versteckt ist. Krabbeltiere huschen vom Licht aufgeschreckt davon, graben sich zurück in die dunkle Erde. Die Schlüssel liegen noch da: der Sicherheitsschlüssel und der schwerere für das Riegelschloss.
»Ich habe vorhin nachgesehen«, erläutere ich. »Und sie gefunden. Ich hatte komplett vergessen, dass sie da sind. Wir haben sie für Sophie, meine Tochter, hier versteckt, wenn sie aus der Schule kam und ich nicht da war. Und als sie weglief, nun, es hat sie wohl einfach nie jemand weggenommen.«
Die Gegend ist ohnehin so sicher. Wer sollte sie schon finden? Dann war nur noch ich hier, und der Gedanke ist mir nie gekommen.
Hinter mir hustet jemand.
»Und das sind Schlüssel für die Hintertür?«, fragt PC Kaur.
»Nein, für die Haustür.«
Jetzt ist es Sweet, in beeindruckend neutralem Ton: »Mrs Harlow, wollen Sie damit sagen, dass jemand diese Schlüssel benutzt hat, um durch die Haustür einzudringen, und sie nachher wieder hierhergelegt hat?«
»Ich glaube nicht, dass Einbrecher so was machen, Schatz«, erklärt Dad.
»Ich weiß, dass sie das nicht tun«, erwidere ich ruhig. »Aber das ist die einzige Sache, die mir eingefallen ist. Und wissen Sie, selbst falls ich die Kette abends vorgelegt habe …«
»Kate!«
Dad, natürlich.
»… ich weiß, ich sollte das tun, und vielleicht habe ich es auch, ich erinnere mich nicht. Egal, jedenfalls ist die Kette gerade lang genug, dass man die Hand durchbekommt und sie öffnen kann. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen das.«
Ich sehe in ihre Gesichter: die der Polizisten ausdruckslos, die meiner Familie sorgenvoll.
Ich fülle die Stille: »Ich meine, natürlich werde ich eine neue besorgen. Und wohl auch die Schlösser austauschen.«
»Das ist eine … gute Idee«, stellt Kaur fest. »Haben Sie schon darüber nachgedacht, wo Sie heute übernachten werden, falls Sie Angst haben? Immerhin gab es da ja schon die Sache neulich, nicht wahr?«
Er ist zu nett.
»Noch nicht. Ich meine, ich habe ja meine Familie.« Ich deute in ihre Richtung. »Aber wie geht es jetzt weiter?«
Ein Gedanke steigt auf: Wissen sie von den Anrufen aus der Telefonzelle? Würde Nicholls diese Informationen weitergeben?
»Nun, wir haben alles abgesucht«, erläutert die Frau. »Es gibt keinerlei Hinweise auf ein Eindringen, wie Sie sagen, es fehlt nichts. Falls sich das ändert, geben Sie uns bitte Bescheid.«
»Aber werden Sie nicht nach Fingerabdrücken suchen?« Ich wende mich an Kaur. »Nach dieser Gestalt in meinem Garten neulich, als Sie auch schon kamen …«
»Ich glaube nicht, dass das in diesem Fall nötig ist, Mrs Harlow«, erwidert Kaur. »Wir nehmen das auf, natürlich. Wenn also doch etwas fehlt, haben Sie schon eine Aktennummer und können das Ihrer Versicherung melden.«
Sweet redet weiter. Es wäre vielleicht schlau, wenn ich erst mal bei Freunden oder Familie bleibe, nur eine oder zwei Nächte, bis ich mich mehr … wie ich selbst fühle. Dad und Charlotte sagen natürlich sofort, dass ich bei ihnen bleiben kann, für eine ganze Weile; vielleicht wäre es das Beste. Ich sage nichts mehr.
Danach bleiben die beiden Polizisten nicht mehr lange. Inzwischen bin ich sicher. Sie wissen Bescheid. Sie wissen von den Anrufen. Es stand in einer Datenbank, oder jemand hat es erwähnt. Irgendwie.
Und sie glauben mir kein Wort über letzte Nacht.