Kapitel Dreizehn

D as Wirtshaus zum Bären war gedrängt voll. Streunende Hunde bettelten und bekamen Essensreste hingeworfen, Betrunkene grölten, das Licht von Öllampen und Talgkerzen spielte auf lachenden Gesichtern und verzerrte sie zu Fratzen. Ein Hund jaulte auf, als ein streitsüchtiger Trunkenbold ihm vor Zorn über das dünne Ale einen Fußtritt versetzte. Der Schankwirt, ein breitschultriger Mann mit gewaltigem Bauch, trat dem randalierenden Gast den Schemel weg, sodass der Mann lang hinschlug. Ein kräftiger Schlag mit der fleischigen Hand gegen den Kopf machte den Saufbold besinnungslos. Der Schankwirt schleifte ihn zur Tür und warf ihn ohne große Mühe hinaus in die Gasse.

An den Tischen teilte man sich Fleisch, Brot und Käse. Henry und sein Beschützer hatten in einer Ecke Platz genommen, sodass der Waffenknecht die Gaststube gut überblicken konnte. Sie hatten bereits den größten Teil des Nachmittags in dem Wirtshaus zugebracht, und nun sank Henrys Kopf auf die Arme, die er auf dem Tisch verschränkt hatte. Draußen dämmerte der Abend, als die Tür zur Gaststube schwungvoll geöffnet wurde, und vier Männer an einem Tisch begrüßten einen spät eintreffenden Kameraden. Als Henry ihre lauten Stimmen hörte, hob er den Kopf. Er bemerkte, wie sein Begleiter den Neuankömmling anschaute. «Du kennst ihn?»

Gifford nickte. «Er hat unter Warwick gedient, sein Name fällt mir gerade nicht ein. Wo der ist, gibt es Ärger.»

Henry schaute von dem Fremden zu seinem Begleiter. «Warum?»

Gifford zuckte die Achseln und trank einen kleinen Schluck von seinem Ale. Henry seufzte und ließ den Kopf wieder auf die Arme sinken. Trinken war eine ernsthafte Angelegenheit. «Du hältst nicht mit, Hugh. Ale muss man saufen, nicht nur daran nippen.»

«Du trinkst genug für uns beide.»

«Ich bin ein treuer Diener meiner Langeweile. Ich trinke ihretwegen. Mein Studium ist anspruchsvoll, aber nicht schwierig.» Damit bestellte er noch mehr Ale.

Während der nächsten Stunde beachteten sie die ausgelassenen Männer nicht. Henry trank weiter und redete immer nachdrücklicher auf Gifford ein, doch lesen und schreiben zu lernen, er werde es ihm beibringen – schon seit Monaten versuchte er, seinen Beschützer davon zu überzeugen.

Gifford seufzte. «Jedes Mal, wenn du zu viel trinkst, willst du mich zu jemandem machen, der ich nicht bin. Und der ich auch gar nicht sein will. Ich sehe keinen Sinn im Lesen und Schreiben. Ich folge dem Befehl meines Herrn, dem ich die Treue geschworen habe. Wenn ich kämpfe, folge ich der Trommel und der Trompete. Die Kirchenglocken sagen mir, wann es Zeit ist aufzustehen, zu schlafen, zu beten. Was nutzen Worte auf Pergament? Was nutzen Bücher einem Mann wie mir, der sich ohnehin niemals leisten könnte, eins zu kaufen? Bücher sind für solche wie dich. Du bist ein Gelehrter.»

Henry schlürfte sein Ale. Er blickte gedankenverloren in die Kerzenflamme, die verschwommener schien als noch vor zwei Stunden. «Ich bin kein richtiger Gelehrter. Ja, ich habe Bücher schon immer geliebt. Diese Leidenschaft ist ein Vermächtnis meiner Mutter.» Henry verzog das Gesicht, als er daran dachte, wie seine Mutter vor all den Jahren ermordet worden war – die Erinnerung würde ihn ewig begleiten.

Gifford musterte ihn einen Moment lang. Er wusste eigentlich gar nichts über den kräftigen jungen Mann, der hier neben ihm saß. Wo hatte ein Student gelernt, so mit dem Schwert umzugehen? Woher hatte er die Kraft und Zähigkeit, sich mit einem Krieger wie ihm zu messen?

«Und dein Vater? Wo ist er?», fragte Gifford. Er hatte immer angenommen, der Knabe sei früh verwaist und in den Haushalt eines Edelmannes aufgenommen worden, wo man ihn in diesen Fertigkeiten unterwiesen habe. Der Waffenknecht hatte auch schon oft danach gefragt. Nun fragte er wieder, denn wann immer der junge Mann einiges getrunken hatte und sich entspannte, witterte Gifford eine Chance, dass Henry etwas mehr über sich preisgeben könnte. Dass er vielleicht endlich das Geheimnis lüften würde, das seinen Schützling umgab. Doch er bekam nie eine Antwort.

Henry war abgelenkt, er lauschte auf das Gespräch der Männer am anderen Tisch. Gifford erkannte, dass Henry einen Becher zu viel getrunken hatte, und er gab das Fragen auf.

«Master Henry, genug jetzt, wir sollten gehen. Der Gestank der Talgkerzen und der furzenden Männer wird allmählich zu viel.»

Henry blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem gesprächigen Fremden hinüber. «Er hört sich gern reden.»

«Jetzt erinnere ich mich, sein Name ist Flemyng. Er ist aus Warwicks Dienst ausgeschieden und hat sich als Söldner verdingt. Nicht immer bei denen, die auf unserer Seite kämpften.»

«So etwas kommt vor. Wenn Kriege enden, müssen die Männer sich einen neuen Broterwerb suchen.»

Gifford trank den letzten Schluck aus seinem Becher. «Schon, aber Flemyng hielt für einen französischen Edelmann eine kleine Stadt und hat sie dann an Söldner verraten. Die haben sich einen Spaß daraus gemacht, Einwohner in Säcke einzunähen und zu ersäufen. Die Franzosen haben ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Wo der auftaucht, gibt es Ärger. Lass uns gehen.»

Henry hielt den Blick fest auf den Maulhelden gerichtet und schien angestrengt zu lauschen. «Hast du gehört, was er eben gesagt hat?», murmelte er, kam taumelnd auf die Beine und stützte sich auf dem Tisch ab.

Gifford griff nach ihm, um ihn zurückzuhalten. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Henry in einer Schankstube einen Streit anfing. «Es spielt keine Rolle, was er gesagt hat.»

«Für mich schon, Hugh. Wenn Abschaum wie der Lügen verbreitet, vergiftet er alles um sich herum, es ist wie ein Pesthauch.»

Er rief zum Tisch der Männer hinüber. «Ich habe dich eben sagen hören, du hättest mit Thomas Blackstone gekämpft?», fragte er. «Mit dem Kriegsherrn des Königs?»

Die Männer verstummten und drehten sich zu ihm um. Sie musterten ihn von oben bis unten, sahen seinen schwarzen Talar und den Hut auf dem Tisch. Ein Student.

«Du belauschst, was andere reden?», erwiderte einer von ihnen.

Gifford witterte Gefahr. Er kannte ein paar der Männer am Tisch – sie tranken regelmäßig in den Wirtshäusern der Stadt –, und wenn Flemyng mit ihnen bekannt war, würden sie für ihn Partei ergreifen. Gifford legte Henry eine Hand auf den Arm, doch der wich ihm aus, den Becher in der Hand, und lehnte sich rücklings an den Tisch.

«Ich konnte nicht anders, als es mit anzuhören. Euer Freund will offenbar aller Welt kundtun, dass er unter Sir Thomas gedient hat.» Er trank aus seinem Becher, ohne die Männer dabei aus den Augen zu lassen.

«Lass es gut sein», redete Gifford ihm zu.

Henry warf ihm einen Blick zu. «Hugh, dieser Mann gibt an, Blackstone zu kennen. Wie viele können wohl von sich behaupten, an seiner Seite gekämpft zu haben?»

Der Aufschneider erhob sich und funkelte Henry an. «Du nennst mich einen Lügner?»

«Ich bin fasziniert. Ich mag nur ein einfacher Student sein, aber ich habe von Thomas Blackstones Taten gehört.» Er schwieg kurz. «Und von seinen Männern.»

«Ja, ich kenne sie alle. Sie sind wie meine Brüder.»

«Ich hörte von einem Mann, der unter ihm dient, sein Name ist Will Longdon. Man sagt, er sei genauso groß und stark wie Blackstone.»

«So groß und auch so angesehen, ja», bestätigte der Mann mit Nachdruck. «Und im Schwertkampf kann es keiner außer Blackstone selbst mit ihm aufnehmen.»

Henry gab sich beeindruckt, er mimte den eifrigen Bewunderer. «Ich habe noch von einem anderen gehört, einem Normannen. Er dient schon seit vielen Jahren unter Sir Thomas. Meulon soll er heißen.»

«Von so einem Mann weiß ich nichts. Als ich Sir Thomas zuletzt sah, kämpfte er in Kastilien gegen eine Horde Mauren. Er hat zwanzig oder dreißig von ihnen erledigt.»

«Er allein, so viele?», fragte Henry nach.

«Ja, ein Riese von einem Mann, dieser Thomas Blackstone.»

«Und du hast überlebt, dabei sind doch sicher viele umgekommen.»

«Viele. Ich hatte Glück.»

«Glück, dass niemand deine Lügen durchschaut hat», sagte Henry ruhig.

Flemyng stand von der Bank auf, aber ein Kamerad packte ihn am Arm, als der Wirt quer durch den Raum rief: «Nicht hier. Tragt eure Streitigkeiten draußen aus.» Dabei blieb er auf Abstand. Das hier waren keine gewöhnlichen Trunkenbolde wie der, den er vorhin niedergeschlagen hatte. Diese Männer waren unliebsame Zeitgenossen und betrunken genug, um sich von ihrer schlechtesten Seite zu zeigen.

Flemyng nickte. Ein Kampf im Bären würde die Stadtwache auf den Plan rufen. «Du bist ein Student, und du nennst einen Waffenknecht, der in Poitiers mit dem Prinzen gekämpft, der unter Warwick gedient hat, einen Lügner. Du Gossenlümmel. Du bist nicht mal der Mühe wert, dass ich dir den Bauch aufschlitze.»

Gifford unterdrückte einen Fluch. Gleich würde es zu Handgreiflichkeiten kommen. Henry machte einen Schritt nach vorn, sein Ale noch immer in der Hand, aber sein Beschützer wusste, dass er jeden Moment mit dem Becher zuschlagen konnte, und dann würde das Messer in Henrys freier Hand sein. Er ging um den Tisch herum.

«Flemyng. Ich bin Hugh Gifford. Wir haben gemeinsam unter Warwick gedient. Lass die Sache auf sich beruhen. Der Bursche hier hat zu viel getrunken.»

Der Mann musterte Gifford im schwachen Licht mit zusammengekniffenen Augen. «Ich kenne dich nicht.»

«Es ist einige Zeit her.»

«Du bist mit diesem Jungen bekannt?»

«Ja. Wir gehen jetzt. Wenn du gestattest, Flemyng. Er meint es nicht böse.»

Henry hatte sich nicht gerührt und Gifford nicht angesehen. Sein Blick ruhte auf dem Lügner. «Mein Freund hat recht, Master Flemyng. Ich werde mich dafür entschuldigen, dass ich dich beleidigt habe.»

Der Mann knurrte. Sein Kamerad zog ihn am Arm. «Lass gut sein. Der Junge hat sich entschuldigt.»

«Nein», widersprach Henry. «Ich sagte, ich werde mich entschuldigen, aber unter einem Vorbehalt. Ich entschuldige mich, wenn er seine Lügen eingesteht. Ein Lügner badet schon in Ruhm, wenn er auch nur im Schatten eines Mannes wie des Kriegsherrn unseres Königs steht.»

Flemyng machte einen Schritt auf ihn zu, aber seine Freunde hielten ihn zurück. Gifford trat zwischen die beiden.

Henry hatte sich nicht von der Stelle gerührt. «Will Longdon ist ein Bogenschütze. Er ist klein und stämmig. Ein guter Freund von Thomas Blackstone, die beiden haben schon in Crécy zusammen gekämpft. Damals war ich noch nicht geboren. Und der Normanne, Meulon, ist ein großer Mann, ein Speerkämpfer. Auch er ist ein treuer Freund des Mannes, den du zu kennen behauptest.»

Bei Henrys Worten schauten die anderen Flemyng fragend an.

«Das kannst du nicht wissen», platzte der heraus.

«Ich weiß es, weil ich diese Männer kenne.»

«Du hast Gerüchte gehört, weiter nichts. Wenn du ihn wirklich kennen würdest, dann wüsstest du auch, dass der Prinz Blackstone eingesperrt hat, weil er König Pedro von Kastilien bedroht hat. Eingesperrt, jawohl», wiederholte der Mann, als er Henrys verunsicherte Miene sah. «In Aquitanien, in der Nähe von Bordeaux, sitzt er in Haft. Er wird dort verschimmeln, ganz gleich, wie hoch er in der Gunst des Prinzen stand. Ein gemeiner Mann bedroht nicht einen König. Ich bin vor einem Monat aus Aquitanien zurückgekehrt, und das ist die Wahrheit.»

Alle hörten gebannt zu und schauten dabei Flemyng und Henry abwechselnd an.

«Traurige Neuigkeiten. Vor fünf Jahren war ich als Knabe in Avignon. Ein gedungener Mörder tötete meinen Freund in dem Glauben, dass ich es sei. Ich habe ihn gerächt und wurde dabei verwundet, aber ich bin wieder genesen und wurde zu meiner Sicherheit hierher gebracht. Thomas Blackstone hätte an jenem Tag beinahe seinen Sohn verloren, und nun muss ich die Schmach erdulden mit anzuhören, wie ein Feigling hier seine Lügen verbreitet.»

Flemyng ging auf ihn zu. «Du Hurensohn. Ich werde dich aufschlitzen.» Als er bis auf Armeslänge heran war, gebot Gifford ihm mit erhobener Hand Einhalt.

«Damit würdest du dich in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, denn mein Vater würde davon erfahren und dich aufspüren.» Henry lächelte. «Mein Vater. Ich bin Henry Blackstone», sagte er und neigte den Kopf wie zum Gruß.

Gifford sah aus, als habe ihm jemand einen Faustschlag versetzt. Dem Lügner fiel die Kinnlade herunter, doch seine Hand griff zum Messer. Er war zu langsam. Henry wich Gifford aus, der ihn zurückhalten wollte, schleuderte dem Mann den irdenen Becher ins Gesicht und versetzte ihm einen kräftigen Tritt zwischen die Beine. Flemyng fiel auf die Knie. Schon war Henry über ihm und packte ihn mit einer Hand am Bart, während er ihm mit der anderen sein Messer an die Kehle hielt. Das alles geschah so schnell, dass weder Gifford noch die anderen eingreifen konnten.

«Nein!», rief Henry scharf, ehe jemand sich rührte. Dann starrte er Flemyng finster an. «Du hast nie an der Seite meines Vaters gekämpft.»

Er drückte die Messerspitze fest genug an den Hals, dass ein Rinnsal Blut herauslief. Flemyng schossen Tränen in die Augen, er keuchte vor Schmerz. «Hab ich nicht», brachte er heraus.

Henry nickte befriedigt, dann schnitt er dem Mann eine Handvoll von seinem Bart ab. «Das nächste Mal ist deine verlogene Zunge dran.» Er stieß ihn mit einem Fußtritt von sich, sodass Flemyng zwischen seine Kameraden stürzte.

Während die anderen Flemyng aufhalfen, schob Gifford Henry rasch zur Tür. Im Gehen stieß er noch eine Drohung aus. «Lasst es gut sein. Wenn einer von euch uns durch diese Tür folgt, schlitze ich ihm die Kehle auf.»

Als sie ins Freie traten, rief der Lügner ihnen nach: «Wenn du wirklich sein Sohn bist, dann sollst du wissen, dass er in Gefangenschaft verschimmelt. Das wenigstens ist die Wahrheit.»

Gifford schlug die schwere Tür zu und schob Henry weiter in die gepflasterte Gasse.

«Bei der Heiligen Jungfrau! Ist das wahr? Du bist Henry Blackstone?»

«Es ist wahr», bestätigte Henry. «Ich bin es.»

«Gütiger Gott, kein Wunder, dass du unter dem Schutz des Königs stehst. Aber jetzt wird sich die Kunde verbreiten wie die Pest. Der Kriegsherr des Königs ist eine Legende, aber er hat auch viele Feinde, und hier in Oxford gibt es Franzosen, die nichts lieber täten, als seinen Sohn umzubringen. Die Sünden des Vaters suchen den Sohn heim.»

«Ich benutze den Namen meiner Mutter, und ich halte sie in Ehren, aber es ist an der Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich bin Henry Blackstone.»

«Und ein verdammter Narr, der zu viel trinkt und eine Fährte legt, damit eine Meute Hunde Jagd auf uns macht.»

«Du brauchst ja nicht bei mir zu bleiben. Sag doch deinem Herrn, dein Schützling ist seiner Wege gegangen.»

Gifford verstellte Henry den Weg. «Du bist ein Schwachkopf. Selbst wenn Flemyng nicht auf Rache sinnen sollte, wird er dich wenigstens für Geld verraten. Fortan wirst du in keiner Schankstube, keinem Wirtshaus und keiner Gasse mehr sicher sein.»

«Ich kann auf mich selbst achtgeben!», behauptete Henry.

«Du bist ein Gelehrter. Warum sonst hätte man dich hergeschickt?»

«Ich kann kämpfen!», erklärte Henry und beging den Fehler, Gifford beiseitestoßen zu wollen. Der Waffenknecht wehrte seinen Arm ab und schlug ihm ins Gesicht, dass Henrys Lippe aufplatzte und er rücklings gegen eine Mauer taumelte. Instinktiv griff er nach seinem Messer, aber Gifford versetzte ihm einen so heftigen Faustschlag gegen die Schulter, dass Henrys Arm ganz taub wurde. Henry verzog das Gesicht vor Schmerz, da ließ Gifford einen Kopfstoß folgen, der ihn niederstreckte.

Benommen wälzte Henry sich auf die Seite. Er war schlagartig nüchtern.

«Du besitzt einiges Geschick, Master Henry, und ich habe dich schon früher bei Wirtshausschlägereien gesehen, aber du bist kein Straßenkämpfer. Und du hast auch nicht den Instinkt, dich auf einem Schlachtfeld dem Wahnsinn hinzugeben, den es braucht, um sich dem Feind im Nahkampf entgegenzustellen. Darum bist du hier zum Studium und nicht an der Seite deines Vaters.»

Henry spuckte Blut aus. «Heilige Muttergottes, du redest wie er. Dabei wollte ich nie etwas anderes, als an seiner Seite zu sein.»

«Aber er muss erkannt haben, dass du was Besseres bist als solche wie wir.» Gifford streckte Henry die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen. Dann drückte er den Handballen auf Henrys aufgeplatzte Lippe und wischte das Blut ab. Gifford seufzte. In seiner Stimme lagen nun Nachsicht und ein Anflug von Verständnis. «Jetzt hat dein Stolz alles verändert.»

Henry war kleinlaut. Es war töricht von ihm gewesen, es mit Gifford aufnehmen zu wollen. «Ich hoffe, du kannst mir verzeihen. Ich wollte nicht respektlos sein.»

«Was passiert ist, ist passiert, Junge. Es gibt kein böses Blut zwischen uns.»

«Dann sollten wir jetzt schnell verschwinden, bevor Leute, die mir übelwollen, meine Herberge ausfindig machen.»

«Verschwinden?», wiederholte Gifford.

«Nach Frankreich», sagte Henry.

«Ich kann England nicht verlassen. Ich stehe hier in der Pflicht.»

Henry grinste. «Deine Pflicht ist, mich zu beschützen. Wir müssen durchs Stadttor, ehe die Glocke zur Sperrstunde läutet, und dann über den Dead Man’s Walk aufs offene Gelände hinaus. Die Brücke über den Fluss wird bald von der Nachtwache geschlossen.»

Während Henry raschen Schrittes weiterging, stand Hugh Gifford wie angewurzelt da. Seine Gedanken rasten. Er saß in einer Bärengrube gefangen, aus der es keinen Ausweg gab. Er hatte den Befehl, einen Studenten zu beschützen, von dem sich nun herausgestellt hatte, dass er der Sohn des Kriegsherrn des Königs war. Der Waffenknecht starrte in die Dämmerung. Henry war bereits außer Sicht. Gifford rannte los.

«Warte auf mich, verdammt.»