B lackstone und seine Männer ritten von Estella nordwärts in der Erwartung, dass die Armee des Prinzen ihnen auf dem Marsch von Pamplona gen Süden entgegenkommen würde. Auf diese Weise würden etwaige argwöhnische Geister im Lager die Geschichte bestätigt finden, Blackstone sei vorausgeschickt worden, um den Weg zur Stadt Logroño auszukundschaften, wo Don Pedros treue Garnison noch immer die Stellung hielt. Aber als Blackstones Trupp Estella fünfzehn Meilen hinter sich gelassen hatte, war von der Armee noch immer nichts zu sehen. Regenwolken ballten sich um die Berggipfel, und stürmischer Wind trieb die Unwetter hinunter in die Täler, wo sie ihre Wut austobten. Dann rissen die Wolken auf, und die Sonne schien strahlend herab, himmlische Führung für das törichte Menschengeschlecht auf Erden.
Renfred und seine Männer kehrten gerade von einem Erkundungsritt zurück. Der Hauptmann zügelte sein Pferd. «Sir Thomas, mehrere Meilen voraus sind wir auf ein paar Nachzügler gestoßen. Der Prinz hat die Marschroute geändert.»
Blackstone starrte den deutschen Waffenknecht ungläubig an. «Es gibt keine andere Route. Der Weg führt über Estella nach Logroño.»
Renfred schüttelte den Kopf. «Nein, Sir Thomas, sie sind von Pamplona aus nach Norden und dann nach Westen gezogen.»
Die Männer schwiegen verblüfft, bis Meulon das Wort ergriff. «Das ist wirklich übles Gelände. Renfred, bist du auch sicher, dass die Nachzügler das gesagt haben?»
«Sie sind erschöpft und haben alle Mühe, nicht noch weiter zurückzufallen. Der Prinz treibt die Armee zu einem Gewaltmarsch an. Die Männer, mit denen ich gesprochen habe, sagten, die Armee marschiere auf Vitoria. Von dort wollen sie nach Kastilien hinein und dann gen Burgos.» Renfred zuckte die Schultern. «Bis auf die paar Nachzügler war keine Spur von ihnen zu sehen, Sir Thomas. Sie sind fort.»
John Jacob blickte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. «Eine schlimmere Route hätten sie sich gar nicht aussuchen können. Wenn wir umkehren und über die Gebirgspässe nach Nordwesten reiten, können wir sie vielleicht abfangen.»
Blackstone drehte sich um und folgte dem Blick seines Knappen. «Die Flüsse werden durch das Tauwetter angeschwollen sein. Wir müssten schon Glück haben, eine Furt zu finden, und Trastámara hat sicher Trupps in die Berge ausgeschickt, um uns mit Angriffen zuzusetzen.»
Sie beobachteten eine dräuend schwarze Regenwolke, die der Wind über das Tal in ihre Richtung trieb.
«Es dunkelt bald. Renfred, können wir irgendwo an diesem Weg Zuflucht finden?»
«Ja, eine Meile weiter gibt es ein verlassenes Bauerngehöft.»
Renfred wendete sein Pferd und trieb es an. Blackstone und die Männer folgten ihm. Es war eine verlockende Aussicht, dem Unwetter zu entgehen und die Nacht im Trockenen zu verbringen.
Das Dach der Scheune war noch gut genug instand, um den schlimmsten Regen abzuhalten, als das Unwetter losbrach. Blackstone und seine Männer kauerten um ein Feuer, das sie rasch entzündet hatten. Die Pferde ließen sie gesattelt und mit Beinfesseln versehen auf der anderen Seite der Scheune stehen, sodass Männer und Tiere sich den Raum und die kümmerliche Wärme darin teilten. Donner rollte über die Berge, der Wind trieb den Regen bald in diese, bald in jene Richtung.
Wasser drang durch eine Ritze und tröpfelte Blackstone in den Kragen. Er wischte sich mit der Hand über den Hals, dann zeigte er mit einem Stock auf den groben Plan der Gegend, den er in den Boden gekratzt hatte. Die Orte waren mit Steinen markiert. «Wenn der Prinz von Pamplona westwärts gezogen ist, wird er bald … hier sein, in Salvatierra.»
Aicart zeigte mit dem Finger auf die eingeritzten Linien. «Dieses Tal, Sir Thomas, und diese Berge werden Männern und Pferden das Äußerste abverlangen. Renfred, du kennst die Route vom letzten Mal. Wie weit muss die Armee marschieren?»
Der Deutsche beugte sich vor und tippte mit dem Finger auf die Stelle, wo Blackstone Salvatierra markiert hatte. «Von Pamplona nach Salvatierra sind es knapp fünfzig Meilen, vielleicht weniger. Der Pass bei Arruazu ist schmal. Mit Pferden und Maultieren wird er schwer zu überwinden sein, und Ritter, die ihre Rüstung auf Packpferden mit sich führen, werden den Tag verfluchen. Und wenn er von dort nach Vitoria weiterzieht» – er platzierte einen weiteren Stein in dem Modell –, «dann sind das noch mal zwanzig Meilen. Bei diesem Wetter und mit Truppen unter französischem Kommando hat Trastámara zahlreiche Möglichkeiten, wann und wo er die Kolonne angreift.» Er blickte von dem Modell zu Blackstone auf, dem vollauf bewusst war, was für eine schlechte Entscheidung der Prinz getroffen hatte. «Die Berge von Álava, Sir Thomas. Vor dieser Gegend wurden wir gewarnt, als wir das letzte Mal auf dem Weg nach Kastilien waren.»
«Weshalb wir diese Route gemieden haben», ergänzte Blackstone.
«Er hätte auf uns warten sollen», sagte Meulon. «Der Prinz hatte uns die Aufgabe anvertraut, ihn durch die Berge zu führen.»
«Unser Prinz ist kein geduldiger Mann», entgegnete Blackstone. «Und er hat andere an seiner Seite, die seine Entscheidungen beeinflussen können. Da Bertrand du Guesclin und Marschall d’Audrehem den Krieg für Trastámara führen, werden sie die Pässe blockieren und die Kolonne immer wieder plötzlich attackieren, um ebenso schnell wieder zu verschwinden. Auf eine regelrechte Feldschlacht werden sie sich wohlweislich nicht einlassen.»
Ashford lachte. «Ja, Auray war ihnen eine Lehre.»
«Und Poitiers!», ergänzte John Jacob. Er seufzte. «Nein, sie werden uns nicht auf offenem Gelände gegenübertreten. Aber ihre Marodeure werden uns auf dem Weg nach Kastilien bluten lassen.»
Blackstone warf den Stock ins Feuer. «Ich sehe für die Armee keine andere Möglichkeit, als nach Vitoria weiterzuziehen. Wir müssen dort zum Prinzen stoßen. Dann führen wir ihn nach Süden. Er kann die Männer nicht weiter durch Gelände marschieren lassen, in dem sie Überfällen schutzlos ausgeliefert sind.»
Blackstone stand auf und ging zum Eingang, wo stürmische Böen an der windschiefen Tür rüttelten. «Seht zu, dass ihr etwas Schlaf bekommt. Wir brechen auf, sobald es hell wird. Wenn wir Glück haben, hat sich das Unwetter bis dahin erschöpft.» Er trat in die Nacht hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Regen peitschte, vom Wind getrieben, Wolken jagten über den Nachthimmel, dazwischen waren funkelnde Sterne und die Sichel des neuen Mondes zu sehen. Das Licht genügte, um in der Ferne die schwarzen Umrisse der Berge auszumachen; ein Weg lenkte seinen Blick dorthin. Irgendwo verlor er sich in der Düsternis des nächsten Unwetters, das bereits heranzog. Ein Schauder kroch Blackstone über den Rücken. Jemand beobachtete ihn. Er fuhr herum. Zwanzig Schritt hinter ihm stand mit von Regen glänzendem Fell das Bastardpferd. Seine Augen funkelten im kalten Licht, die Ohren waren gespitzt.
Blackstone hatte das Tier getrennt von den anderen in dem Unterstand an der Schmalseite des Gebäudes untergebracht. Offenbar hatte es gehört oder gespürt, wie er die Scheune verließ, sich von dem Anbindepfosten losgerissen, und nun stand es bereit. Blackstone ging auf das Pferd zu. Es hob den unförmigen Kopf, neigte ihn zur Seite und schnaubte. Sein Schweif zuckte; ein Vorderhuf scharrte auf der Erde, sonst regte es sich nicht. Blackstone, stets auf der Hut vor den gelben Zähnen, die jederzeit zuschnappen konnten, legte eine Hand auf die Stirn des Rosses und strich ihm über die Wange. Das Bastardpferd schien weniger streitlustig als sonst. Ein Augenblick der Ruhe, eine Flaute im Sturm. Sie standen Auge in Auge. Das Tier war sein ständiger Begleiter. Sie beide trugen die Narben vergangener Schlachten.
«Vor uns liegt ein schwerer Weg», sagte Blackstone und wagte es, das Pferd an seiner flachen Hand schnuppern zu lassen. «Du wirst mich wieder einmal in den Krieg tragen.» Die Nüstern blähten sich. Dann ließ das Pferd sich von ihm zurück in den Unterstand führen, während eine Windbö ihnen Regen entgegenschleuderte. «Aber wie lange werden wir noch kämpfen?», sinnierte er, selbst überrascht über seine nachdenkliche Stimmung. «Wie lange noch?», wiederholte er, und der Wind trug seine Worte davon.