Kapitel Einunddreißig

B lackstone schritt durch das Lager, zwischen Männern hindurch, die in nasse Decken gehüllt am Boden kauerten. Ihre Lagerfeuer kamen kaum gegen den böigen Wind und den Regen an. Manche erkannten den Kriegsherrn und neigten respektvoll den Kopf. Je länger er so ging, umso deutlicher wurde ihm bewusst, wie gering ihre Erfolgsaussichten für die bevorstehende Unternehmung waren.

Sir Hugh Calveleys Zelt war nicht so herrschaftlich wie das des Prinzen, aber es zeugte doch davon, dass sein Besitzer Ehren und reichliche Bezahlung von Trastámara empfangen hatte, als er für Pedros Widersacher gekämpft hatte. «Thomas! Tritt ein. Das verdammte Wetter ist hier in Spanien noch schlimmer als daheim.» Sein Bart teilte sich zu einem Grinsen. «Wo immer das sein mag.» Der breitschultrige Ritter aus Cheshire lachte dröhnend.

Blackstone und der Söldnerführer gaben sich die Hand. «Deine Männer lagern über das Gelände verteilt, Hugh. Ich habe kaum Wachposten gesehen.»

Calveley goss zwei Becher Wein ein. «Sie brauchen den Schlaf. Niemand wäre so töricht, sich in einer Nacht wie dieser mit einem Schwert in der Hand draußen herumzutreiben. Man stolpert ja über die eigenen Füße.»

«Trotzdem sollte man auf alles gefasst sein», erwiderte Blackstone. «Trastámaras Stärke liegt in schnellen, überraschenden Angriffen.»

Calveley hob seinen Becher. «Thomas, du vergisst, dass ich für ihn gekämpft habe. Cavalgada ist eine Sache in den Sommermonaten, wenn der Boden fest ist und leicht bewaffnete Reiter nicht von Wind und Regen geblendet werden. Ich rechne nicht mit Ärger.» Er runzelte die Stirn. «Bist du etwa gekommen, um mir zu sagen, dass ich mehr Wachen aufstellen sollte?»

«Nein, um dich in die Nähe des Prinzen zu holen. Chandos, du und ich, wir müssen den Prinzen dazu bewegen, dass er auf uns hört.»

Calveley knurrte und ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder. «Tja, nun, John of Gaunt zieht die Fäden.»

«Der Prinz weiß, dass er einen Fehler begangen hat, indem er den Rat seines Bruders befolgte. Gemeinsam können wir drei ihn in die richtige Richtung lenken.»

«Du bist der Kriegsherr des Königs, Thomas. Du und Chandos, ihr seid diejenigen, auf die er hören sollte. Ich bin nur ein Hauptmann, der Männer befehligt und die Hand aufhält.»

«Trotzdem. Du hast ebenso wie ich in Kastilien gekämpft. Wir kennen das Land. Wir dürfen nicht zulassen, dass Gaunt die Entscheidungen diktiert oder dass Pedro an Einfluss gewinnt. Drei geeinte Stimmen. Du, ich und Chandos.»

Calveley trank einen Schluck, dann nickte er. «Gemäß der Marschordnung habe ich meinen Platz weit hinten, Thomas, deshalb musste ich mich hier am Rand der Armee niederlassen. Mir wäre es auch lieber, wenn meine Männer näher beim Prinzen wären. Gleich hinter ihm und Gaunt. Ich tauge besser für die Vorhut.»

Blackstone trank seinen Becher leer und erhob sich zum Gehen. «Dann sei morgen zur Stelle, um deine Stimme geltend zu machen, und bring deine Männer mit. Und, Hugh, verdopple deine Wachen. Wenn ich d’Audrehem wäre, würde ich eine Nacht wie diese für einen Angriff nutzen.»

Calveley blieb sitzen. «Du bist du, Thomas. Aber wir anderen brauchen Essen, Wein und Schlaf. Also dann, bis morgen.»

Blackstone nickte ihm zum Abschied zu und trat wieder in die Nacht hinaus. Als er bei seinen Männern ankam, hatte es aufgehört zu regnen. Die Armee schlief unruhig. Beim Pavillon des Prinzen brannten Feuerbecken, drinnen verbreitete eine Laterne ihren warmen Schein. In der Nähe von John of Gaunts Zelt traf Blackstone John Jacob und die Männer an, die mit dem Rücken zu einer felsigen Erhebung lagerten. Sie hatten an einer durch Felsbrocken geschützten Stelle ein Feuer entfacht. Die Pferde waren mit Beinfesseln versehen und mit Futtersäcken versorgt. In den Flammen stand ein rußgeschwärzter eiserner Kochtopf. William Ashford schöpfte Eintopf in einen Napf und reichte ihn Blackstone. Der ließ sich auf dem Schlaflager nieder, das sein Knappe schon für ihn bereitet hatte.

Ashford nickte. «Die Jungs haben gegessen, Sir Thomas. John und ich haben Wachen aufgestellt. Ich denke, hier im Herzen des Lagers sind wir einigermaßen sicher, aber Renfred hat sich mit zwei seiner Jungs in der Nähe von Pedros Zelt postiert. Nur für den Fall, dass die bewusste Dame eine ähnlich gesinnte Schwester hat.»

Blackstone blies auf sein dampfendes Essen.

«Brot gibt es nicht, Sir Thomas», sagte John Jacob. «Wir haben gekocht, was wir bei uns hatten. An Vorräten mangelt es ebenso wie an trockenem Wetter.»

Weder Ashford noch dem Knappen schienen die Unannehmlichkeiten etwas auszumachen. Blackstones Männer schliefen bereits tief und fest.

«Aber wir hatten genug Wein, den haben wir uns geteilt.» John Jacob grinste und wies mit einer Kopfbewegung auf die erschöpften Männer.

«Das ist das Mindeste, was sie verdient haben», erwiderte Blackstone. Er berichtete von seinen Unterredungen mit dem Prinzen, Chandos und Calveley. «Morgen überzeugen wir den Prinzen, die Richtung zu ändern.»

«Dann führen wir die Armee wieder an?», fragte Ashford.

Blackstone schüttelte den Kopf und schluckte den letzten Bissen von seiner Mahlzeit hinunter. «Ich will nicht, dass Sir Gilbert und die anderen von uns getrennt bleiben. Wir schließen zu Felton auf und lassen die Armee nachkommen.» Er zog die klamme Decke über sich. Mit einem Blick zu den Wolken stellte er fest, dass der Wind gedreht hatte. Blackstone schob mit der Schulter einen störenden Stein zur Seite und war Augenblicke später bereits eingeschlafen.

 

Blackstone lag verwundet mit dem Gesicht nach unten im Schlamm. Sein linker Arm gehorchte ihm nicht. Schmerz presste seine Brust zusammen, als laste ein schwerer Stein darauf. Das Atmen war mühsam. Geister aus vergangenen Schlachten stiegen quälend auf. Stimmen riefen. Er antwortete. Sie waren nicht mehr da. Das Gift von damals nach der Flucht aus Kastilien wollte ihn ersticken. Es hatte ihn fest im Griff, eine Faust im Panzerhandschuh, die sein Herz umklammerte. Mühsam öffnete er die Augen. Er lag auf dem Rücken. Dräuende Wolken jagten über den Himmel, in den sich wandelnden Formen meinte er schwarze Pferde zu erkennen, die in wilder Jagd über ihn hinwegdonnerten.

Der Instinkt trieb ihn, aus seinem Traum aufzutauchen, und schon war er auf den Beinen.

«Zu den Waffen!», brüllte er, ohne selbst recht zu wissen, ob es die Nachwirkungen des Traums waren oder ob sein sechster Sinn ihn gewarnt hatte.

Seine Männer reagierten schnell. Geduckt standen sie da, die Waffen in den Händen, angestrengt in die Dunkelheit spähend, wo schemenhaft die Gestalten erwachender Soldaten auszumachen waren. Blackstone glaubte schon, falschen Alarm geschlagen zu haben, doch da ertönten plötzlich Gebrüll und Schreie von der anderen Seite des Lagers.

«Reiter! Sie greifen Calveley an!», schrie er. Seine eigenen Männer weckten die anderen. Er drängte sich zwischen den schlaftrunkenen und verunsicherten Soldaten hindurch. Trat nach denen, die nicht schnell genug aus ihren Decken kamen. «Hoch mit euch, verdammt!»

Er sah Sir John Chandos aus seinem Zelt stürzen, bewaffnet und kampfbereit. Blackstone rief ihm zu: «John! Der Prinz! Schützt den Prinzen!», dann rannte er in die Richtung, von wo der Kampflärm kam. Jinetes , kastilische leichte Reiter, waren in Hugh Calveleys schlecht geschützte Flanke gestürmt und drangen tiefer in das Lager der erschöpften Armee vor.

Blackstones Männer waren hinter ihm, eine Phalanx, geformt wie die Blattspitze eines Pfeils, um in die Linie der Reiter vorzustoßen. Von hinten trug der Wind Alarmrufe zu ihm herüber, da die Armee wach wurde und erkannte, dass sie angegriffen wurde. Blackstone stieß mit der Schulter Männer beiseite, bahnte sich einen Weg zum Feind. Und dann waren die Reiter vor ihm, keine dreißig Schritt entfernt. Mit Hauen und Stechen brachen Blackstones Männer die Formation der Kastilier auf. Reiter wendeten ihre Pferde bald da-, bald dorthin, wüteten überall im Lager. Calveleys Männer starben, wo sie schliefen. Andere wurden niedergemetzelt, als sie völlig überrumpelt versuchten, den Angriff abzuwehren. Der Gepäcktross wurde geplündert. Wichtige Waffen und Vorräte gingen an einen wagemutigen Feind verloren.

Blackstone bedauerte, dass Will Longdon und Jack Halfpenny nicht bei ihm waren. Ihre Bogenschützen hätten die Reiter abgeschossen und hilflose Fußsoldaten vor Speer und Schwert bewahrt. Er stieß das Wolfsschwert einem Spanier unter die Achsel, als der – zu spät – den Arm zum Schlag gegen ihn hob. Pferde pflügten durch die Menge unberittener Männer. Blackstone wich einem massigen Ross mit weit aufgerissenen Augen und gebleckten Zähnen aus, dessen Reiter heftig an den Zügeln zerrte, während er sein blutiges Schwert in weitem Bogen schwang. Blackstone ließ das Wolfsschwert los, sodass es nur noch am Faustriemen hing, packte den Schild des Mannes und riss ihn mit einem Ruck aus dem Sattel. Der Reiter stürzte ins Getümmel, doch er konnte sich vor den Hufen seines sich aufbäumenden Rosses in Sicherheit bringen und kam schnell wieder auf die Beine. Als das Pferd gegen Blackstone stieß und ihn aus dem Gleichgewicht brachte, hatte der Spanier Gelegenheit zu einem Ausfall. John Jacob ging dazwischen. Er senkte eine Schulter, knickte in der Hüfte ab und schlug von unten zu. Der gehärtete Stahl trennte dem Spanier die Hand ab. Während der Gegner noch verstümmelt dastand, wirbelte Jacob herum und stieß seine Schwertklinge unter den Kinnriemen des Mannes.

Blackstone kämpfte sich vorwärts, John Jacob folgte einen Schritt hinter ihm. Die Dunkelheit machte das Getümmel umso chaotischer. Sie bahnten sich mit ihren Schwertern einen Weg durch das Gemetzel, Jacob durchtrennte Pferden die Beinsehnen, Blackstone tötete die Reiter. Die prächtigen Rosse wälzten sich schrill wiehernd am Boden. Männer sprangen zurück, um sich vor den schlagenden Hufen zu retten; manche wurden getroffen, Knochen brachen; die Verwundeten, lahm und angreifbar, gaben leichte Beute ab und wurden abgeschlachtet.

Blackstone packte ein Pferd am Zügel, warf sich gegen das panische Tier und brachte es zu Fall, wobei es den Reiter unter sich begrub. John Jacob stützte sich auf sein Schwertheft und stieß die Klinge in den Hals des Mannes. William Ashford und Renfred bildeten ein ebenso tödliches Zweiergespann wie Blackstone und sein Knappe. Renfred hob einen am Boden liegenden Wurfspeer auf und rammte ihn einem Pferd zwischen die Rippen. Als das Tier sich aufbäumte und seinen Reiter abwarf, tötete Ashford ihn mit seinem Streithammer, der Helm und Schädel des Mannes durchschlug. Blackstones Männer, im Nahkampf geübt, bewegten sich instinktiv: Ein Paar schloss sich mit einem anderen zusammen, zu viert erledigten sie einen Gegner, dann trennten sie sich wieder. Ein Mann löste sich aus einer Gruppe, um einem anderen einzelnen Kämpfer beizustehen. Und währenddessen rückten sie stetig gegen den Feind vor, zerschmetterten ihn wie eine Faust im Panzerhandschuh.

Ein Reiter gab seinem Ross die Sporen und riss es herum, sodass es gegen Blackstone prallte und ihn zu Boden warf. Blackstone schlug so hart auf, dass ihm die Luft wegblieb. Ein plötzlicher stechender Schmerz durchfuhr seinen ganzen Körper. Auf der anderen Seite des Pferdes kämpfte John Jacob gegen den Reiter, doch der erfahrene Jinete parierte seine Schläge und stieß immer wieder mit seinem Speer zu. Dann brachte er Jacob mit einer plötzlichen Wendung seines Rosses zu Fall. Eisenbeschlagene Hufe schlugen nach Blackstones Knappen. Jacob wälzte sich zur Seite, rappelte sich wieder auf. Ein benommener Blackstone kam unter Schmerzen auf die Knie hoch, wobei er das Wolfsschwert als Stütze gebrauchte. Wieder prallte der mächtige Pferdeleib gegen ihn. Der kastilische Reiter sah eine leichte Beute und hob seinen Speer. Da schnellte zwischen den leblos am Boden liegenden Körpern ein gewaltiger Schatten heran. Das Letzte, was der Jinete sah, war das Gesicht eines bärtigen Riesen mit gebleckten Zähnen. Die Klinge nahm er nicht wahr, ehe sie sich in seinen Schädel bohrte.

Meulon sprang zurück. Der Reiter fiel aus dem Sattel, das Pferd ging durch. Der hünenhafte Normanne half Blackstone auf die Beine. «Die Ersten wenden ihre Pferde, Sir Thomas. Sie ziehen sich zurück.»

John Jacob spuckte Blut aus. «Gegen diese spanischen Reiter ist nicht leicht anzukommen. Entschlossene Hurensöhne.»

«Ja», pflichtete Blackstone ihm bei. «Und wir haben sie praktisch eingeladen. Wir waren nicht auf der Hut.»

Der Angriff geriet ins Stocken. Blackstone sah, wie die Reiter in kleinen Pulks den Rückzug antraten. John of Gaunt und Chandos hatten ihre Männer von der rechten Flanke in den Kampf geführt. In fester Schlachtformation waren sie unerschütterlich durch die Schar der Angreifer gepflügt. Dabei hatten sie den Prinzen geschützt, der langsamer war, als Blackstone ihn je gesehen hatte, als koste jeder Schwertschlag ihn ungeheure Anstrengung. Don Pedro war kein Feigling, und er und sein persönliches Gefolge hatten sich John of Gaunt angeschlossen, allerdings wurde er gegen die Kämpfe abgeschirmt – wahrscheinlich auf Befehl des Prinzen, dachte Blackstone. Pedros Sicherheit hatte oberste Priorität, schließlich war das Ziel dieser ganzen Unternehmung, für ihn den Thron zurückzuerobern. Als die Zahl der Verteidiger rapide wuchs, konnte die Armee das Blatt zu ihren Gunsten wenden. Und dann waren die Reiter wieder verschwunden. Doch ihr Blitzangriff war ein Erfolg gewesen, er wirkte entmutigend auf den Prinzen und seine Hauptleute.

Blackstone sah, dass seine Männer überlebt hatten. Schwer atmend vor Erschöpfung, stützten sie sich auf ihre Waffen, um die strapazierten Muskeln zu schonen. Die meisten hatten ein paar Schrammen und blaue Flecken davongetragen, manche auch Wunden, aber ihr Kampfgeist war ungebrochen.

Don Pedro trat aus den Reihen der Verteidiger hervor, schritt über das Gelände und stieß sein Schwert mehrmals in einen toten Reiter. Der Prinz wies ihn zurecht: «Der Mann ist tot, mein Herr. Er kann Euch nichts mehr anhaben.»

«Diese Leute sind Verräter. Es sind Kastilier, und doch haben sie sich gegen mich gewandt. Für sie kann es keine Gnade geben, nicht einmal im Tod.»

Blackstone sah den kaum verhohlenen Abscheu des Prinzen, dann wandte er sich ab und ging zu dem Pferch, wo die Pferde seiner Leute standen.

Der Prinz rief nach ihm. «Thomas?»

Blackstone blieb nur eben lange genug stehen, dass der Prinz seine Erwiderung hören konnte. Der Wind rauschte den Männern noch immer in den Ohren und trug die Schreie der Verwundeten über das Gelände.

«Wenn sie uns angegriffen haben, dann haben sie sicher auch William Felton und Sir Gilbert angegriffen.»

Blackstone wartete die Antwort nicht ab. Killbere und seine Männer befanden sich in tödlicher Gefahr.