Kapitel Fünfunddreißig

D ie Armee hatte ihr Tempo gesteigert und marschierte mit größerer Entschlossenheit. Nun, nachdem der Prinz entschieden hatte, in die Offensive zu gehen, und da Blackstone wieder die Führung übernommen hatte, witterten die Männer bereits den Sieg. Städte und Dörfer am Weg hatten ihre Tore geöffnet, und die Bevölkerung war herausgeströmt, um der gewaltigen englischen Armee und dem berühmten Prince of Wales und Herzog von Aquitanien zuzujubeln. Killbere teilte seine Gedanken dazu mit Blackstone, der an seiner Seite ritt.

«Ich wette, Don Pedro sieht in diesem Empfang eine persönliche Bestätigung, dass das Volk ihn wieder auf dem kastilischen Thron sehen will. Aber wenn ich ein Bauer wäre und diese Heerschar sähe, mit Bannern und Wimpeln, die im Wind flattern, und Tausenden Pferden, Rittern und berittenen Bogenschützen, dann würde ich dem verrückten Hurensohn auch zujubeln. Du nicht?»

«Ob sie nun seinetwegen jubeln oder nicht, Nachrichten verbreiten sich schnell. Es kann uns nur recht sein, wenn Trastámara denkt, Don Pedro würde freudig wieder in seinem Land empfangen. Das setzt ihn unter Druck, rasch und entschieden gegen uns vorzugehen, und diesmal werden wir bereit sein», erwiderte Blackstone.

Sechs Tage, nachdem sie ihr Lager bei Vitoria abgebrochen hatten, führte Blackstone die Armee auf der großen steinernen Brücke bei Logroño über den Ebro. Die Armee schlug ihr Lager zwischen den Obstgärten und Olivenhainen außerhalb der befestigten Stadt auf und wartete darauf, dass Renfred und seine Kundschafter mit Berichten über Trastámaras Standort zurückkehrten. Sobald der deutsche Hauptmann eintraf, führte Blackstone ihn auf der Stelle – ungewaschen und zerrauft, wie er nach dem langen Erkundungsritt war – in den Pavillon des Prinzen.

Blackstone trat vor Edward, seinen Bruder, Chandos und Don Pedro. «Hoheit, meine Leute sind zurück, und Renfred hat Trastámaras Lager gesehen.» Er nickte Renfred zu, der anfing, mit einem Stock eine Skizze in den Boden zu kratzen.

«Wir sind hier, die Garnison und der Fluss decken uns den Rücken, und Trastámara ist wie erwartet von Westen unseren Bewegungen gefolgt. Er hält das Westufer des Flusses Najerilla hier», erklärte Renfred.

«Wie weit ist er von uns entfernt?», wollte Chandos wissen.

«Ein Dutzend Meilen höchstens, Herr», antwortete der deutsche Hauptmann.

«Seine Armee hat dort ihr Lager?», fragte John of Gaunt.

«Ja, Herr. Es ist eine gewaltige Heerschar. Wir haben ihre Wappen gesehen – kastilische, französische und bretonische. Er hat seine gesamte Streitmacht in den Süden geführt. Er hält die Straße nach Burgos.»

Auf ein Kopfnicken von Blackstone verbeugte Renfred sich und verließ den Pavillon.

Blackstone nahm den Stock und ritzte noch eine Linie in den Boden. «Zwischen uns liegt offenes Gelände. Hier ist ein Dorf, und wenn wir die Armee dorthin führen, können wir versuchen, ihn zur Schlacht herauszufordern.»

«Hoheit?», sagte John of Gaunt, an den König gewandt. «Kennt Ihr diesen Ort?»

Don Pedro betrachtete die krude Skizze auf dem Boden. «Navarrete. Es taugt nur als Lagerplatz. Aber wenn wir den Fluss überqueren müssen, dessen Ufer er kontrolliert, dann sind wir im Nachteil.»

«Er wird sich uns nicht auf offenem Gelände zur Schlacht stellen, Thomas», sagte der Prinz. «Er wird uns weiter mit kleineren Überfällen zusetzen. Wir müssen ihn dazu bringen, uns entgegenzumarschieren.»

«Solange die Franzosen und Bretonen ihn beraten, wird das nicht gelingen», wandte Chandos ein. «Sie werden nicht zulassen, dass er sich auf eine Feldschlacht einlässt.»

Don Pedro hatte geschwiegen, während seine Unterstützer das Problem erörterten. Nun trat er vor. «Ich kenne diesen Bastard, der sich zum König aufgeschwungen hat. Wie will er jemals fest und sicher auf dem Thron sitzen, wenn er nicht kämpft? Wie könnte überhaupt ein König sein Land und sein Volk beherrschen, wenn er nicht kämpft? Es ist eine Frage der Politik, meine Herren. Er ist bereits dadurch geschwächt, dass wir mit einer großen Streitmacht angerückt sind, um meinen Thron zurückzuerobern. Das Volk wird einen schwachen König nicht dulden.» Er wandte sich an den Prinzen. «Wir verhöhnen ihn. Wir beleidigen ihn. Wir fordern ihn heraus. Er weiß, wenn er als stark gesehen werden will, muss er sich über den Rat der Franzosen und Bretonen hinwegsetzen. Seine eigenen kastilischen Berater wissen das auch. Jetzt ist der rechte Zeitpunkt.»

John of Gaunt wandte sich an seinen Bruder. «Einen König beleidigen – das sollte am besten einer tun, der sich darauf versteht.»

Alle Blicke richteten sich auf Blackstone.

 

Blackstones Männer warteten auf ihrer Seite des schmalen Flusses Najerilla, während Blackstone und Killbere durch die Furt ritten. Auf den Pavillons flatterten Fahnen. Vor jedem Zelt lagen Schilde. Blackstone erkannte die Wappen von Rittern und Edelmännern, Angehörigen der berühmten Orden de la Banda, Calatrava, Santiago und dem des Heiligen Johannes. Es war eine gewaltige Heerschar, noch größer als die Armee des Prinzen.

«Ein erhabener Anblick, Thomas», bemerkte Killbere. «Ich höre schon die Trompeten und Trommeln. Das wird ein glorreicher Tag, wenn wir ihnen auf dem Schlachtfeld gegenübertreten.»

Blackstone warf dem alten Ritter einen zweifelnden Blick zu. Killbere fuhr achselzuckend fort: «Um Himmels willen, sie werden uns abschlachten. Wie können wir es mit so vielen aufnehmen?»

«Wir haben dergleichen schon früher getan», entgegnete Blackstone.

«Ja, aber da hatte Gott sich von unseren Feinden abgewandt, und jetzt fürchte ich, dass Er Seine Hand vielleicht nicht länger über uns hält. Wann haben wir zuletzt die Beichte abgelegt? Ein Mann sollte nicht sterben, ohne dass er vorher seine Sünden gebeichtet und die Absolution empfangen hat.»

«Und du hast reichlich Sünden auf dem Gewissen», stellte Blackstone fest.

«Nicht mehr als andere auch.»

«Nach all den Jahren an deiner Seite möchte ich das bezweifeln», sagte Blackstone. «Schau mal dort, ein Stück flussabwärts gibt es ein Kloster. Vielleicht haben sie dort einen Priester, der die nächste Woche damit zubringen könnte, sich deine Beichte anzuhören. Wir könnten die Schlacht aufschieben, bis er vor Erschöpfung kapituliert.»

Die Pferde erreichten das andere Ufer.

«Wir sollten uns dort jedenfalls mal umschauen, Thomas. Wer weiß, vielleicht gibt es sogar Nonnen.»

Blackstone trieb sein Pferd an. Man hatte sie schon von Weitem kommen sehen, lange bevor sie durch die Furt geritten waren. Nun kamen die lagernden Soldaten auf die Beine und bildeten eine Gasse für den Abgesandten des englischen Prinzen. Dreißig und mehr Pavillons standen um den von Trastámara herum, und hochrangige Edelmänner und sagenumwobene Ritter traten ins Freie, als Blackstone und Killbere ihre Pferde anhielten.

Blackstone erkannte die Wappen der Männer, die ihnen entgegengingen. Marschall Arnoul d’Audrehem hatte bei Poitiers gegen den Prinzen und Blackstone gekämpft; der Bretone Bertrand du Guesclin war vor drei Jahren bei Auray unter Blackstones Gegnern gewesen. Neben den beiden standen noch andere Männer mit berühmten Namen. Söldnerführer schlossen sich ihnen an. Gegen jeden dieser Männer hatte Blackstone schon irgendwann einmal gekämpft.

Killbere seufzte, dann flüsterte er: «Herrgott, Thomas. All die Großen und Edlen sind hier versammelt. Das gäbe Lösegeld. Nach diesem Kampf könnten wir uns zur Ruhe setzen.»

«Sir Thomas», sagte der französische Marschall.

«Mein Herr. Ich bringe eine Botschaft von meinem Prinzen.»

«Dann lasst sie uns hören», forderte ein stämmiger Waffenknecht ihn auf.

«Petit Meschin», redete Blackstone den Mann an. «Ich meinte doch, im Lager einen fauligen Gestank gerochen zu haben. Wie kann es sein, dass ein König einen Räuber in seiner Nähe duldet? Auch wenn der König ein Bastard ist, der kein Recht hat, die Krone zu tragen?»

Der Affront genügte, schon griff der hitzige Söldner nach seinem Schwert. Doch der französische Marschall hob eine Hand. «Gewalt ist hier nicht am Platze. Sir Thomas Blackstone ist ein Herold des Prinzen. Und Sir Gilbert, ich sehe, Ihr seid noch immer an seiner Seite.»

«So ist es, mein Herr. Seine scharfe Zunge und sein Schwert haben mich die letzten Jahre am Leben erhalten.»

«Dann wird Kastilien wohl der Ort sein, wo Euer Leben endet. Auch wenn ich es nicht wünsche. Ihr seid würdige Gegner auf dem Schlachtfeld und genießt Respekt.»

«Jedoch seid Ihr in der Gesellschaft von Männern von Charakter nicht willkommen», ergriff du Guesclin das Wort. «Ihr beleidigt jene, die unter anderen Umständen an Eurer Seite in die Schlacht ziehen könnten. Selbst unter Feinden ist Höflichkeit geboten.»

Blackstone beugte sich im Sattel vor, um ihn direkt anzureden. «Ihr habt einmal zu oft die falsche Seite gewählt. Gegen den Prinzen könnt Ihr nicht siegen, und das wisst Ihr. Vielleicht ist es an der Zeit, Euer Schwert an die Engländer zu verkaufen.»

Killbere unterdrückte ein Stöhnen. Blackstone war hier, um den Usurpator auf dem Thron zu beleidigen, nicht die Männer, die Einfluss auf ihn hatten. Ihre Feindseligkeit konnte weitere Blitzangriffe zur Folge haben, die die Armee des Prinzen weiter schwächen würden. In diesem Moment trat der Mann, der über Blackstones Tod und die Niederlage des Prince of Wales frohlockt hätte, aus seinem Pavillon. Ein dünner Bart bedeckte die untere Gesichtshälfte; seine schmale Nase und der kleine Mund erinnerten Killbere an ein schmollendes Kind. Bei ihm war ein zweiter Mann.

«Mein Bruder Don Tello ließ mich wissen, dass Ihr eine Botschaft vom erstgeborenen Sohn des englischen Königs bringt», sagte Heinrich von Trastámara.

Der Mann neben ihm trug zwar das königliche Wappen, war aber weniger prächtig gekleidet und sah eher aus wie ein einfacher Waffenknecht. Offensichtlich war er Don Tello, der Mann, der für die Blitzangriffe auf die Truppen des Prinzen verantwortlich war.

«Ich bringe eine Botschaft an den Grafen von Trastámara», entgegnete Blackstone, «auch bekannt als der Usurpator auf dem Königsthron von Kastilien.»

Es war eine unverhohlene Beleidigung. Don Tello wollte nach Blackstones Zügel greifen, aber das Bastardpferd schnappte mit seinen gelben Zähnen, sodass er zurückweichen musste. Trastámara legte seinem Bruder beschwichtigend eine Hand auf den Arm. «Lass dich von diesem gemeinen Mann nicht provozieren, Bruder. Er weiß sehr wohl, dass er mit dem König von Kastilien spricht.» Er trat näher an Blackstone heran. «Ihr und der Sohn des Königs verteidigt einen Mörder. Einen unheiligen Mann.» Indem er den rechtmäßigen Titel des Prinzen nicht nannte, gab Trastámara die erlittene Herabsetzung zurück. «Und es ist undenkbar, dass der Sohn Eures Königs, der sich als frommer Ritter gibt, so etwas tut.»

Blackstone starrte Trastámara durchdringend an. Er und sein Bruder hatten der Armee des Prinzen schwere Verluste beigebracht. Wenn es nicht gelang, sie gegen den Rat des französischen Königs und seines Marschalls aufs Schlachtfeld zu locken, dann bestand keine Aussicht, sie zu schlagen.

«Euer Vater hat zehn illegitime Kinder gezeugt. Ihr seid nur einer aus dieser Brut. Don Pedro hat das gottgegebene Recht zu herrschen. Ihr greift bei Nacht schlafende Männer an wie ein feiger Hund, der sich vor Prügeln fürchtet. Ihr seid eine Marionette des französischen Königs und dieser Männer hier, die er entsandt hat, um Euch zu lenken. Ihr habt kein Recht, König zu sein. Ein wahrer König tanzt nicht nach der Pfeife anderer. Ich kenne die Franzosen – ich habe gegen sie gekämpft, ich bin ihr Feind –, Ihr jedoch seid nichts. Ihr besitzt keinen Mut als jenen, den diese Männer Euch verleihen. Der Prince of Wales und Herzog von Aquitanien ist ein Krieger. Er ist der Sohn eines Kriegerkönigs. Er verabscheut Feigheit.»

Trastámaras aufgedunsene Wangen röteten sich. Seine Stimme bebte. Mit zitterndem Finger zeigte er auf Blackstone. «Ihr wollt mich provozieren, damit ich mich dazu hinreißen lasse, Euch in einer offenen Feldschlacht entgegenzutreten, Sir Thomas. Nun, ich habe bereits Hunderte Eurer Männer abgeschlachtet. Ich bin bereit, es mit Euch aufzunehmen – nicht wegen Eurer Beleidigungen, sondern weil ich gesehen habe, wie schwach Eure Armee ist.»

Blackstone bemerkte den ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht des französischen Marschalls. Arnoul d’Audrehem trat vor und sprach in geradezu flehentlichem Ton. «Hoheit, der Prinz und seine Armee sind uns auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Seine Männer fallen in immer größerer Zahl. Auf diese Weise werden wir sie schlagen.»

Trastámara hatte den Blick nicht von Blackstone gewandt, und der narbengesichtige Ritter hielt ihm stand.

«Euer französischer Herr hat Einwände», stellte Blackstone fest.

Trastámara fuhr auf. «Wir ziehen in die Schlacht!» Er deutete auf das Gelände zu seiner Seite. «Morgen kommen wir über den Fluss. Sagt meinem unheiligen Bruder, dort wird er sterben. Und Eurem Prinzen könnt Ihr ausrichten, dass ihn Schmach und Schande erwarten. Sagt ihm das.»

Trastámara wandte sich ab und schritt zurück zu seinem Pavillon. Der triumphierende Ausdruck auf Tellos Gesicht stand in krassem Gegensatz zu der düsteren Miene des französischen Marschalls und der von Bertrand du Guesclin.

Blackstone lächelte. «Meine Herren», sagte er. «Ihr solltet morgen noch vor Tagesanbruch das Sakrament nehmen, denn viele von Euch werden den Abend nicht mehr erleben.»

Er und Killbere trieben ihre Pferde an und ritten davon.