Kapitel Sechsunddreißig

D ie Armee des Prinzen machte sich vor Tagesanbruch bereit. Von ihrem Lager bei Navarrete führte die Straße direkt zum Schlachtfeld bei Nájera. Die Edelmänner und edlen Ritter aus der Armee des Prinzen versammelten sich in seinem Pavillon. John of Gaunt, Sir John Chandos, Don Pedro und sein engstes Gefolge, darunter der Graf von Osona – ein in Schande gefallener Sohn eines aragonischen Politikers, eines der zahlreichen Dissidenten, die sich auf die Seite des mordenden Königs geschlagen hatten. Hinter dem Prinzen und seinem Bruder standen die beiden Marschälle der Armee, Steven Cusington und Guichard d’Angle; die Gascogner Bertucat d’Albret und Jean de Grailly, der Captal de Buch, der ein langjähriger Freund Blackstones war; der Graf von Armagnac; der exilierte König Jakob von Mallorca hatte seine eigenen aragonischen Anhänger bei sich. Die Rüstungen all dieser Krieger glänzten im schwachen Schein der Laternen, ihre Wappen kündeten von Ehre und Tapferkeit. Söldnerführer standen Schulter an Schulter am Eingang des Pavillons. Sie alle würden die Worte des Prinzen hören und seine Befehle an ihre Hauptleute und die Tausenden wartenden Männer weitergeben.

Der Prinz, prächtig in seiner Rüstung und ohne ein Anzeichen des Leidens, das ihn noch jüngst geplagt hatte, sprach zu ihnen. In seiner klangvollen Stimme lagen Zuversicht und Autorität, in seinen Worten die eifrige Erwartung von Kampf und Sieg.

«Der Kriegsherr unseres Vaters, Sir Thomas Blackstone, wird die Marschordnung anführen. Als Nächster folgt unser Bruder John. Meine Herren, wir reiten unserem Feind nicht direkt entgegen. Sir Thomas hat eine Route durch die Berge ausfindig gemacht, vorbei an dem Dorf Huércanos. Auf diesem Weg sind wir durch einen Höhenzug vor Blicken geschützt, und er führt uns an Trastámaras linke Flanke. So müssen er und seine Kommandeure zu uns herumschwenken und werden aus der Schlachtformation gebracht. Wir haben die Nacht mit Vorbereitungen und Gebeten zugebracht. Wir wünschen Euch viel Glück, und möge der Herr Euch sicher bewahren. Nun seht nach Euren Männern.»

Blackstone führte die Armee auf die weite, baumlose Ebene zwischen dem Lager des Prinzen und dem Ort, den Trastámara für die Schlacht bestimmt hatte. Nach zwei Meilen verließ er die Straße und folgte seinem deutschen Hauptmann Renfred und dessen Kundschaftern, die sie bergan führten. Es war nichts zu hören bis auf die eintönigen, rhythmischen Laute einer marschierenden Armee. Da und dort das Klimpern von Zaumzeug, doch in diesem Gelände würde der Wind die Geräusche nicht weit tragen, da Höhenzüge sie gegen den Feind abschirmten. Ein gewundener Grat stieg steil zum höchsten Gipfel zwischen der Armee und Trastámaras Männern an. Mehrere Meilen weiter führte Blackstone sie um einen kegelförmigen Berg herum und durch eine breiter werdende Klamm nördlich der Stelle, wo Trastámara in Schlachtformation wartete. Blackstone ließ die Kolonne anhalten. Er und Renfred saßen ab und schlichen geduckt vorwärts, um auf ihren Feind hinunterzuschauen. Trastámaras Armee war zu der Straße hin ausgerichtet, die nach Navarrete führte – er erwartete noch immer, dass der Prinz ihnen direkt entgegenreiten würde.

Blackstone und sein Hauptmann machten kehrt, um dem Prinzen zu berichten.

«Hoheit, es ist, wie wir gehofft haben. Wir sind an ihrer Flanke. Wenn wir über den Kamm kommen, werden sie uns sehen. Uns trennen dann noch vierhundert Schritt voneinander, aber wir behalten den Vorteil, von höher gelegenem Gelände aus anzugreifen. Wenn wir schnell sind, können unsere Bogenschützen binnen weniger Hundert Herzschläge in Schussweite sein.»

«Wer steht uns gegenüber?», wollte der Prinz wissen.

«Die Frontreihen sind Reiter, dahinter die Haupttruppe der Armee. Sie hätten uns schon im Aufmarschieren angegriffen und unsere Armee auseinandergetrieben, ehe wir in Stellung gewesen wären. Nun müssen sie erst herumschwenken. Bertrand du Guesclins Wappen steht mit dem des französischen Marschalls in der Vorhut. Trastámaras Standarte ist bei seinen kastilischen Edelmännern und den Kreuzfahrerorden.»

«Thomas, Ihr werdet in der Vorhut die Mitte halten. Sir John und unser Bruder stehen bei Euch.»

Der Prinz saß ab, und die anderen folgten seinem Beispiel. Dann erteilte er seinen Marschällen und den versammelten Hauptleuten Befehle zu ihrer Marschlinie. Sir John Chandos ehrte er mit dem Privileg, das große seidene Banner zu entrollen. Er drehte sich zu Blackstone um. «Zeigt Euer Wappen, Thomas. Sie sollen sehen, wir sind Défiant à la Mort

John Jacob hob Blackstones Banner. Killbere hielt sich mit dem Finger erst das eine, dann das andere Nasenloch zu und schnäuzte sich.

«Sir Gilbert», redete der Prinz ihn an, «seid Ihr denn schon wieder kampftüchtig? Was ist mit Eurer Kopfverletzung?»

«Herr, ich schnaube Rotz aus, nicht mein Hirn.»

Der Prinz trat einen Schritt näher und senkte die Stimme. «Gilbert, wir schätzen Euch. Jüngere Männer können die Vorhut übernehmen.»

Killberes Zurückhaltung war bewundernswert. Blackstone wusste, dass er sich heftig auf die Zunge gebissen haben musste, ehe er erwiderte: «Sire, ich habe die siebzig Jahre, die mir vorbestimmt sind, noch nicht vollendet. Der französische Marschall d’Audrehem hat bereits die sechzig überschritten. Wollt Ihr mir etwa Schmach antun, mein Prinz? Wollt Ihr mir verwehren, an der Schlacht teilzunehmen? Es braucht eine scharfe Axt, um eine mächtige Eiche zu fällen. Nicht allein die Kraft eines Kriegers zählt, sondern seine Fertigkeit. Deshalb, mein Herr, zieht so manche junge Frau einen Mann von reiferen Jahren vor.»

Der Prinz verhehlte nicht, dass ihm Killberes Antwort gefiel. «Wie stets erinnert Ihr Euren Prinzen an den Wert treuer, unerschütterlicher Männer, Gilbert. Wir werden den Weibern in den Tavernen von Burgos Euren Besuch ankündigen lassen.»

«Nicht nötig, Hoheit. Ich habe ihnen gesagt, dass ich wiederkomme.»

Der Austausch mit dem altgedienten Ritter hatte die Laune des Prinzen gehoben. Lachend wandte er sich an seine Offiziere. «Wir rücken hinter Sir Thomas Blackstone und Sir Gilbert vor. Sorgt dafür, dass jeder Mann seinen Platz kennt und wacker kämpft.»

Die Morgendämmerung erhellte den Himmel. Banner wurden entrollt; Wimpel in allen Farben ragten auf wie Blumen auf einer Wiese.

Blackstone wandte sich dem Höhenkamm zu.

Der Prince of Wales und Herzog von Aquitanien mit seiner englisch-gascognischen Armee folgte ihm.