Kapitel Siebenunddreißig

A ngst durchfuhr Trastámaras geordnete Reihen wie ein Messerstich.

Trompetenstöße und Trommelschläge schollen über das Schlachtfeld. Rufe wurden laut: «Sankt Georg! Sankt Georg!» und «Guînes und Prinz Edward!».

Das überraschende Erscheinen der Engländer an ihrer linken Flanke stürzte die Kavallerie in der Frontlinie in Verwirrung. Während Bertrand du Guesclin seine Reiter neu ausrichtete, entstand unter den zehntausend Fußsoldaten, die in dichter Formation hinter den Pferden aufgestellt waren, Gedränge und Verunsicherung. Ihre Hauptleute brüllten Kommandos, zu der heranstürmenden englischen Horde herumzuschwenken, doch die Männer wussten nicht recht, wie sie das Manöver ausführen sollten.

Du Guesclin war mit den Kampffertigkeiten der Engländer vertraut. Er und Marschall d’Audrehem hatten Trastámara und seinen Bruder Tello beschworen, die Zusage gegenüber Blackstone zurückzuziehen. Überraschungsangriffe und Zermürbungstaktik waren die einzige Möglichkeit, die Engländer zu schlagen, in einer offenen Feldschlacht konnte es nicht gelingen. Aber der Erfolg der Blitzangriffe hatte Trastámara allzu siegesgewiss gemacht und ihn zu dieser vermessenen Unternehmung verleitet. Nun blieb kaum Zeit, die Jinetes zu retten. An beiden Flanken der Armee des Prinzen liefen englische und walisische Bogenschützen – gegen sie würde solche leichte Kavallerie ohne schwere Rüstung nicht lange überleben. Und die kastilische schwere Kavallerie erachtete es für unter ihrer Würde, abzusitzen und zu Fuß zu kämpfen. Du Guesclin blieb nichts anderes übrig, als der englischen Vorhut entgegenzustürmen und zu hoffen, dass die Fußsoldaten ihm dicht auf den Fersen blieben. Wenn er eine Schneise in die englischen Reihen schlagen konnte, bestand immer noch die Gefahr, dass sie ihn an den Flanken umgingen und einschlossen. Er hob seinen Schild und zog sein Schwert. Die Männer um ihn herum bändigten ihre Rosse, brachten Speer und Lanze in Anschlag und griffen an.

 

Blackstone und seine Männer erreichten den Ort, wo die Armee in Stellung gehen sollte. Will Longdon und Jack Halfpenny hatten ihre Bogenschützen bereits angewiesen, Pfeile mit Blattspitzen zu benutzen. John of Gaunts Bogenschützen an beiden Flanken würden einen Hagel von Pfeilen mit Ahlspitzen auf die Reiter abschießen, Longdons Pfeile jedoch würden die Pferde schwer verwunden oder töten.

Du Guesclins Ansturm geriet ins Stocken, als die erste Pfeilsalve niederging. Reiter, die unverletzt im Sattel blieben, wendeten ihre Rosse da- und dorthin in dem Versuch, dem tödlichen Hagel zu entgehen. Pferde prallten gegeneinander; Männer stürzten und gerieten unter die Hufe. Doch sie setzten den Angriff fort. An Mut fehlte es diesen Kriegern nicht. Ihr Hass auf Don Pedro und seine englisch-gascognischen Verbündeten trieb sie voran. Ruhm und Ehre winkten. Männer, die vom ritterlichen Kodex durchdrungen waren, die Ritter de la Banda unter ihrer rot-goldenen Standarte, flößten anderen Mut ein und ließen sie ihre Angst vergessen. Doch der Angriff in all seiner Pracht, mit seiner Fülle an Wappen edler Herren, war zum Scheitern verurteilt.

Meulons Leute rammten die Enden ihrer Speerschäfte in den Boden. Je zwei Männer packten einen Schaft und hielten ihn schräg nach oben gerichtet. Reiter versuchten, den messerscharfen Spitzen auszuweichen, und lenkten dabei ihre Pferde ungeordnet in die Richtung von Blackstone und seinen Waffenknechten, die nach den Tieren stachen und hieben, Reiter aus dem Sattel zerrten, Schwertspitzen in hilflose Männer bohrten. Streithämmer zertrümmerten Knochen. Killberes Streitflegel machte Gegner kampfunfähig, sodass sie zu Boden gingen und abgeschlachtet wurden. Der Gestank sich entleerender Gedärme mischte sich in den tagelang ungewaschener, verschwitzter Leiber, Angst und Tod gewannen die Oberhand. Männer schrien, ihr Flehen um Gnade ging in der Kakofonie aus Schmerzenslauten, schrillem Pferdegewieher, Trompeten und Trommeln unter. Krieger hatten nichts als Töten im Sinn. Die meisten von denen, die ihr Handwerk verstanden, blieben am Leben; andere wurden ihrer Tüchtigkeit zum Trotz überwältigt, von eisenbeschlagenen Hufen niedergetrampelt oder, wenn das Schicksal es so wollte, von der Spitze eines aufs Geratewohl geschleuderten Speers durchbohrt.

Wieder und wieder griff die Kavallerie an, bis ihre Banner wankten und fielen. Überlebende flohen vom Schlachtfeld, machten Platz für die wogende Masse der Fußsoldaten. Die Armee des Prinzen hielt fest ihre Stellung. Nun rückten die Männer in Reihen vor, stiegen über die Gefallenen hinweg. Der Feind wurde abgeschlachtet, da Welle um Welle gegen einen unnachgiebigen Wall aus Schilden und Stahl anbrandete. Kastilier kämpften gegen ihre eigenen Landsleute in den Reihen der Engländer: Familien waren zerrissen worden durch einen tollwütigen König und einen illegitimen Sohn ohne Thronanspruch. Bruder gegen Bruder.

«Wo ist Sir Gilbert?», rief Blackstone.

In dem wütenden Getümmel wandten die Kämpfenden sich bald da-, bald dorthin, kehrten dem Feind für einen Moment den Rücken und fuhren gleich wieder herum, während Hiebe niederprasselten, und Männer gingen miteinander ringend zu Boden, wälzten sich im Kampf ums nackte Überleben.

Keine Antwort.

John Jacob hielt Blackstones Banner hoch. Blackstone sah, wie die Masse von Trastámaras Armee sich gegen seine Männer und die anderen in der Vorhut warf. Gaunts Leute hielten stand, ebenso die von Chandos.

«Jetzt, John!», rief Blackstone.

Jacob schwenkte die Fahne in einer kreisenden Bewegung. Männer wichen Schritt für Schritt zurück, Schulter an Schulter, teilten Schwerthiebe gegen jene aus, die es wagten, sie zu verfolgen, da es schien, als gäbe Blackstones Vorhut nach. Blackstone sah, wie John Jacob zu Boden ging; sein Banner fiel, blieb auf der Erde liegen, bis jemand Blackstones Knappen aufhalf. Das Banner wurde wieder erhoben. Die Gegner rückten vor, langsam und stetig, doch sie waren es, die unter den Klingen von Blackstones Männern fielen. Will Longdons und Jack Halfpennys Bogenschützen schossen in die Masse des Feindes, bis ihnen die Pfeile ausgingen. Da gab Blackstone den Befehl, die Stellung zu halten, nicht weiter zurückzuweichen. «Halt!», brüllte er.

Männer stemmten sich gegen ihre Schilde, die Köpfe tief geduckt, und durch die Ritzen sahen sie den Feind dicht vor sich, so nah, dass einer den Schweiß und den stinkenden Atem des anderen roch. Der Feind war ins Herz der Armee des Prinzen vorgedrungen.

Trompeten gaben das Signal. Jetzt war für den Prinzen der Moment gekommen, dem Gegner den Todesstoß zu versetzen.

Die Flanken zu beiden Seiten von Blackstone rückten zusammen und schlossen die wogende Masse der Fußsoldaten ein – die Falle war zugeschnappt. Blackstones Männer drängten vorwärts, Wimpel drohten zu fallen. Blackstone sah, wie ein Ritter von Gaunts Waffenknechten bedrängt wurde. Er kämpfte tapfer. Sein Kettenhemd war blutig, Blackstone wusste nicht, ob von seinem Blut oder dem eines anderen. Blackstone bahnte sich einen Weg zu ihm, stieß andere Krieger mit der Schulter beiseite.

Der Schild des Ritters zeigte einen schwarzköpfigen Greifen mit einem Schwert in den Klauen. Der Mann war Sancha Ferrandes’ Onkel.

Blackstone schwang das Wolfsschwert mit schnellen, gnadenlosen Schlägen, sodass der Ritter gezwungen war, sein Gewicht nach hinten zu verlagern. Doch statt zurückzuweichen, gewann der Mann das Gleichgewicht wieder, ging in die hohe Hut und griff mit neuer Energie den Mann an, von dem er wusste, dass er ein berühmter Krieger war. Die Klinge des Ritters glitt am gehärteten Stahl des Wolfsschwerts entlang, blieb an der Parierstange hängen, und wäre der Faustriemen nicht gewesen, dann hätte Blackstone womöglich seine Waffe verloren. Um die beiden herum wogte das Getümmel weiter, doch der Kampf zwischen Blackstone und Don Fernando Ferrandes von Kastilien blieb ein Duell – alle anderen Männer mieden die beiden. Don Fernandos Standartenträger lag tot neben ihm am Boden, quer über den Leichen seiner kastilischen Landsleute. Der Spanier machte eine Finte und brachte Blackstone für einen Moment aus der Balance. Blackstone drehte sich auf der Ferse und spürte dabei, wie die Klinge des Gegners seinen linken Arm streifte. Sein Kettenhemd schützte ihn, aber er trug dennoch eine Fleischwunde davon. Diese Verletzung nutzte er zu seinem Vorteil: Er senkte sein Schwert und ließ die Schulter hängen wie vor Schmerz, ging leicht in die Knie, nahm eine geduckte Haltung ein und bot dem Ritter die Chance zu einem tödlichen Treffer. Der Schlag aus der hohen Hut kam schnell. Tödlich und wohlgezielt – auf die Stelle, wo Blackstone eben noch gewesen war. Doch der hatte im selben Moment einen Schritt zur Seite gemacht, und durch den Schwung des Angriffs geriet der Gegner kurz aus dem Gleichgewicht. Blackstone drehte das Wolfsschwert um und schlug dem Mann mit Wucht den Knauf in den Nacken. Don Fernando brach zusammen. Zäh, wie er war, wälzte er sich noch zur Seite, um dem tödlichen Stich zwischen die Schulterblätter zu entgehen, der zweifellos folgen würde. Blackstone stellte einen Fuß auf seine Schwertklinge, sodass der Kastilier wehrlos dalag, die Spitze des Wolfsschwerts an der Kehle.

«Ergebt Euch! Es ist keine Schande, Don Fernando.»

Der Mann klappte mit der freien Hand sein Visier hoch. «Ich ergebe mich.»

Blackstone und sein Gefangener atmeten schweigend die kalte Morgenluft ein. Langsam kam der Spanier wieder auf die Beine, sein Schwert hatte er vor Blackstones Füßen abgelegt. Nachdem der Zweikampf beendet war, schauten sie sich um. Sie befanden sich nun nicht mehr mitten im Getümmel, denn die Masse der Kämpfenden hatte sich inzwischen weiterbewegt. Die Schlacht hatte an Heftigkeit verloren. Ritter ergaben sich, würden auf Ehrenwort wieder freikommen. Lösegeld würde gezahlt werden.

Im Laufe des Kampfes waren Trastámaras Fußsoldaten weiter zurückgeschlagen worden, von beiden Seiten bedrängt, sodass ihre Zahl stetig schwand. Blackstone und sein Gefangener waren von Toten und Sterbenden umgeben. Erschöpfte Männer waren auf die Knie gesunken; andere standen über ihre Schwerter gebeugt. John Jacob stützte sich schwer atmend auf die Stange mit dem Banner, das blutige Schwert in der Hand. Blackstone konnte Killbere noch immer nirgends entdecken. Meulon führte in einiger Entfernung einen Ansturm gegen den letzten Widerstand des geschlagenen Feindes an. Wo waren Will Longdon und Jack Halfpenny? Sie und ihre Bogenschützen hatten mit Buckler und Bastardschwert weitergekämpft, nachdem sie ihre Pfeile verschossen hatten. Blackstone bangte um seine Hauptleute. Außer Meulon war keiner von ihnen zu sehen.

Die Würde des kastilischen Ritters blieb trotz seiner Niederlage unbeschädigt. «Ich bin nichts wert. Don Pedro hat meine Familie getötet und unser Land in Besitz genommen. Es kann kein Lösegeld gezahlt werden.»

«Ihr habt Grundbesitz in Frankreich», stellte Blackstone fest.

«Es gehörte meinem Bruder. Er ist tot. Und seine Familie ebenfalls.»

«Nicht alle», sagte Blackstone.