Kapitel Vierundsechzig

I m Laufe der nächsten Tage verstärkten Blackstones Männer weiter alle Schwachstellen in den Mauern des Châteaus. Man konnte nicht wissen, wie viele Söldner la Griffe hinter sich versammelt hatte.

Killbere und John Jacob hockten mit Blackstone und seinen Hauptleuten um eine in den Boden gekratzte Skizze der Befestigungsanlagen. Markierungen zeigten an, wo auf den Mauern die Männer im Falle eines Angriffs in Stellung gehen sollten.

«Wir müssen noch entscheiden, wer Henrys Männer unter sein Kommando nimmt», sagte Blackstone.

Aicart hob eine Hand. «Ich nehme Bezián. Es wäre gut, die Gascogner zusammenzuhalten, Sir Thomas. Und er hat bereits einen Ruf, das wird meinen Leuten gefallen.»

«Brun könnte ja mit mir reiten», meldete sich Renfred zu Wort, «aber er ist zu groß und zu schwer, um schnell weite Strecken zurückzulegen.»

«Nein, ich nehme ihn», sagte Meulon. «Er wird einen guten Speerkämpfer abgeben. Ich traue ihm zu, einem Angriff standzuhalten. Die schwereren Männer taugen am besten für den Schildwall.»

«Ich kann keinen von denen brauchen», ließ Will Longdon sich vernehmen. «Es ist kein Bogenschütze darunter.»

«Damit sind noch Walter Mallin und Terrel übrig», stellte Blackstone fest. «Mallin sollte bei den Packpferden bleiben. Das ist für ihn und die Tiere das Beste.»

Er wandte sich an Renfred. «Terrel?»

Renfred schüttelte den Kopf. «Nicht zu mir. Er passt nicht in meine Truppe.»

Kein anderer bot an, Terrel in seine Einheit aufzunehmen.

«William?»

Ashford verzog das Gesicht. «Ich bitte dich, Sir Thomas, nötige ihn mir nicht auf. Wir haben durchaus schon Männer von niederem Charakter unter uns, aber sie sind treu und kämpfen mit großem Einsatz für dich. Terrel ist übelster Abschaum. Ich wette, er endet bald an einem Strick.»

Blackstone seufzte und schaute zu Killbere.

«Wenn er mit mir reitet, reitet er auch mit dir», gab der alte Ritter zu bedenken. «John Jacob und ich haben eine Truppe aus guten Männern zusammengeschmiedet, die in der Vorhut an deiner Seite sind. Terrel wäre eine Schwachstelle, die wir nicht brauchen können. Du solltest ihn einfach davonjagen.»

«Er hat Henry die Treue gehalten», wandte John Jacob ein. «Vielleicht könnte er zusammen mit Walter Mallin bei den Pferden bleiben.»

«Ihm wird es ganz recht sein, nicht mitkämpfen zu müssen», bemerkte Aicart. «Ich habe von Bezián gehört, dass Terrel lieber davonläuft, wenn es hart auf hart kommt.»

«Damit wäre das entschieden», schloss Blackstone.

Killbere knurrte. «Wenn la Griffe mit mehr als hundert Mann anrückt, könnte es sein, dass er Henry vergisst und stattdessen uns angreift. Er hat die Unterstützung des französischen Königs und einen Sack voller Geld, um marodierende Söldner anzuwerben. Er könnte sich ausrechnen, dass er am Hof in der Gunst aufsteigt, wenn er den König von einer Geißel befreit, die Frankreich schon oft hat bluten lassen.»

Renfred kratzte mit dem Finger eine weitere Markierung in den Boden, eine gekrümmte Linie über das Gelände außerhalb des Châteaus. «Ich könnte mit meinen Kundschaftern hier draußen ausschwärmen, Sir Thomas, ein paar Meilen südlich. Damit wir rechtzeitig Bescheid wissen, wenn sie anrücken.»

«Ihr seid zu wenige, um ein so großes Gebiet abzudecken», sagte John Jacob.

Renfred schüttelte den Kopf, dann wandte er sich an die anderen Hauptleute. «Jeder meiner Männer weiß, wo seine nächsten Kameraden sind, sodass wir uns gleichmäßig aufteilen. Wenn la Griffe von Süden kommt, und davon gehen wir ja aus, dann wären wir vorgewarnt. Sollte er mit einer großen Truppe anrücken, könnten wir ihm entweder schon auf dem Weg zusetzen, während einer meiner Männer die Nachricht überbringt, oder wir alle kehren zurück, um euch hier zu verstärken.»

«Er kommt vom Grafen de Foix», bemerkte Killbere. «Möglicherweise wird er auf derselben Route herkommen wie wir.»

«Renfred, nimm deine Leute und tu, was du vorgeschlagen hast. Aber greift ihn nicht an. Du und dein Trupp, ihr seid meine Augen und Ohren, und ich will nicht plötzlich taub und blind sein.»

Der deutsche Hauptmann stand auf und ging zu seinen Kundschaftern hinüber. Die anderen riefen ihm gute Wünsche nach.

«Wir wissen nicht, wie viele Tage es dauert, bis er uns erreicht», stellte Meulon fest.

«Aber wenn dieser Hurensohn kommt, um Henry zum Zweikampf zu fordern … Was, wenn der Junge bis dahin noch nicht bereit ist?», fragte Will Longdon. «Ich habe ihn mit Gifford gesehen … Er ist, nun ja …» Der altgediente Bogenschütze zuckte die Achseln. «Beeindruckend. Ja, ich glaube, er macht Fortschritte.»

«Du lügst noch schlechter, als du kochst, verdammt, und beides kann einen Mann auf unterschiedliche Art vergiften», knurrte Killbere. «Ich und Thomas, wir müssen dem Jungen in den Hintern treten und ihm begreiflich machen, womit er es zu tun bekommt.»

«Überlasst Henry mir», sagte Blackstone in die Runde. Er schwieg kurz, dann erkundigte er sich: «Wie geht es dem verwundeten Franzosen?»

«De Roche kommt allmählich wieder zu Kräften», berichtete Aicart. «Er kann seinen Arm schon besser gebrauchen, und seine Rippen sind verbunden. De Fleur kümmert sich gut um ihn. Wirst du ihn und de Roche auffordern, uns gegen la Griffe zu unterstützen?»

«Nein. Ich will, dass sie von hier verschwinden.»

«Sobald sie uns verlassen, gilt ihr Ehrenwort nicht mehr», gab John Jacob zu bedenken.

«Wir sollten den Franzmann benutzen, um Trastámara aufzuspüren», ließ Longdon sich vernehmen.

«Außerdem würde er womöglich dort draußen dem Hurensohn begegnen, der es auf Henry abgesehen hat, und ihm erzählen, wie wenige wir sind», fügte Killbere hinzu. «Und wenn dieser Abschaum erfährt, dass wir die Frau hier bei uns haben, wird er erst recht entschlossen sein, uns anzugreifen.»

«De Fleur und sein Gefährte werden nicht zu Trastámara reiten. Wenigstens vorerst nicht. Sie werden an einem Ort Zuflucht suchen, der fest in französischer Hand ist.»

«Das kannst du nicht wissen», widersprach Killbere.

«Ich schicke Sancha Ferrandes mit ihnen.» Blackstone schaute seine Männer der Reihe nach an. «Ich hätte sie ja als Köder benutzt, um zu sehen, ob de Fleur uns zu Trastámara führt, wenn er es nur auf ihre Mitgift und ihren Grundbesitz abgesehen hätte. Aber seine Gefühle für die Frau sind echt. Er wird ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel setzen. Was immer geschieht, er wird sie beschützen wollen. Nein, wir lassen sie ziehen, damit wir die Verantwortung los sind, und wenn hier alles geklärt ist, reiten wir weiter. Dann schließen wir uns mit Chandos zusammen und greifen Verstärkungstruppen auf dem Weg nach Süden an.»

«Was sagen Ferrandes und de Fleur dazu?», erkundigte sich Killbere.

Blackstone erhob sich. «Ich werde es ihnen gleich mitteilen. Gilbert, erkläre den anderen inzwischen unseren Plan zu einem Gegenangriff für den Fall, dass sie den Landsitz bestürmen. Aicart, schicke einen deiner Männer zu de Fleur, er soll ihn in die Räume der Frau bringen.» Der Gascogner Hauptmann stand auf, um den Befehl auszuführen. «Und, Aicart, hole auch den Priester.»

 

Eine Dienerin führte Blackstone in Sanchas Gemächer. Ihre Herrin entließ sie und blieb abwartend an der Feuerstelle stehen. Blackstone hielt Abstand von der Frau, die er begehrt hatte. Noch immer begehrte – auch wenn er das Gefühl nicht zuließ. Er hatte sich innerlich gegen den Gedanken gewappnet.

«Ich hatte noch keine Gelegenheit, Euch dafür zu danken, dass Ihr Gautier zu mir gebracht habt.»

«Der Dank gebührt meinem Sohn Henry. Er war es, der ihn gerettet hat.»

«Gautier und Louis de Roche haben mir erzählt, was geschehen ist. Ich werde nach einer Gelegenheit suchen, mit Eurem Sohn zu sprechen, aber er übt so viele Stunden mit seinem Schwertkampflehrer, und ich wollte ihn nicht ablenken.»

«Werdet Ihr heiraten?»

Die direkte Frage überraschte sie, doch der Gedankengang dahinter war klar. «Ja.»

«Dann tut es gleich», sagte Blackstone ernst und nüchtern. «Ihr und der Franzose geht von hier fort.»

Ehe sie etwas erwidern konnte, klopfte es an der Tür. Blackstone öffnete. An der Schwelle stand einer von Aicarts Männern. «Ich habe ihn mitgebracht, Sir Thomas.»

Er trat beiseite. De Fleur kam herein, schaute erst Sancha an, dann Blackstone, dann ging er zu ihr und stellte sich zwischen sie und den Engländer, dessen vernarbtes Gesicht bedrohlich wirkte.

«Ich stehe noch immer in Eurer Schuld, Sir Thomas, aber sollte es zwischen uns zum Konflikt kommen, so bitte ich Euch, die Angelegenheit im Privaten auszutragen, nicht hier.»

«Ich habe nicht die Absicht, Euch Leid zuzufügen.»

«Sir Thomas wünscht, dass wir von hier fortgehen», erklärte Sancha und fasste de Fleur instinktiv am Arm. Blackstone entging die Geste nicht. Eine weitere Bestätigung dafür, wie es um ihre Gefühle bestellt war.

«Es ist kein Wunsch, es ist ein Befehl. Er weiß so gut wie ich, dass Söldner, angeführt von einem Mörder, auf dem Weg hierher sind. Und da Euer König ihnen Geld zur Verfügung gestellt hat, werden sie in großer Zahl anrücken», sagte Blackstone und zeigte anklagend mit dem Finger auf de Fleur. «Dass Ihr Franzose seid, wird weder Euch noch sie retten, falls sie uns überwältigen.»

«Louis und ich können an Eurer Seite kämpfen.»

«Um Himmels willen, seht doch den Tatsachen ins Auge.» Blackstone warf einen Blick zu Sancha. «Ich gebe mich keinen Illusionen hin.»

Sancha Ferrandes glaubte, in seinen Augen einen Ausdruck des Bedauerns zu lesen.

De Fleur versuchte, den Kriegsherrn umzustimmen. «La Griffes Leute werden sehen, dass dieser Ort verteidigt wird. Wenn Ihr abzieht, kann ich mir eine eigene Truppe zusammenstellen. De Roche und ich können Männer rekrutieren, die nach dem Krieg aus ihrem Dienst entlassen wurden.»

Blackstone gab sich wenig Mühe, seine Ungeduld zu verhehlen. «Dazu bleibt Euch keine Zeit. Sobald die Angelegenheit mit la Griffe geklärt ist, wäret Ihr allein. Ein streitbarer Priester, der eine schwarze Fahne schwenkt, wird Euch nur kurze Zeit schützen. Bringt sie von hier fort, de Fleur. Ihr könnt Euch ein gemeinsames Leben aufbauen. Werdet Ihr irgendwo Zuflucht finden?»

De Fleur nickte.

«Dann tut, was ich sage. Nutzt die Zeit, um gute Männer aufzutreiben. Bezahlt sie anständig. Und dann kommt zurück, wenn der Konflikt in Spanien zu Ende ausgetragen ist, denn Trastámara wird die Niederlage nicht hinnehmen.» Blackstones Ton wurde milder. «Es wird zum Krieg kommen. Der französische König lässt sich noch Zeit, aber das Unwetter braut sich zusammen. Ihr und ich könnten schon bald auf gegnerischen Seiten stehen.»

«Ich werde nicht gegen Euch kämpfen, Sir Thomas. Ich gebe Euch mein Wort.»

«Aber an meiner Stelle werden andere kommen, also nutzt die Zeit, um Euch vorzubereiten. Ihr habt eine vortreffliche Frau mit großem Mut zum Weibe.»

«Wir sind noch nicht verheiratet.»

Blackstone öffnete die Tür. Der Priester stand zögernd im Eingang. Blackstone bedeutete ihm einzutreten.

«Dann verliert keine Zeit.»