23

Vera hatte sich kurzerhand entschlossen, den Nachmittag in Frankfurt zum Shoppen zu nutzen. Sie verabschiedete sich von Saitelhö-fer, nahm die U-Bahn Richtung Innenstadt und stieg an der Alten Oper aus. Das schöne Wetter und der nahe Feierabend hatten bereits viele in die Stadt gezogen. Am Springbrunnen auf dem Opernplatz saßen überwiegend junge Leute in der Sonne, die sich lebhaft unterhielten, ihren Kaffee tranken oder miteinander flirteten. Eine Gruppe von Asiaten mit Sonnenschirmen stand neben Vera und machte Selfies mit der Skyline von Frankfurt. Gut gelaunt ging Vera weiter die Fressgass entlang. Die Straßencafés waren voll, ein Pantomimenkünstler imitierte die vorbeieilenden Passanten. Am Goetheplatz sprangen Kinder zwischen den Wasserfontänen des Boden-Springbrunnens hin und her. »Was für ein schöner Tag!«, dachte Vera und beschloss, ihre Tour mit einem Stück Kuchen zu starten. Beim »Alten Café« reihte sie sich in die Schlange ein und bestellte Erdbeertorte mit Sahne und einen Milchkaffee. Der freundlichen Bedienung gab sie ein großzügiges Trinkgeld und suchte sich einen leeren Stehtisch. Ihr Smartphone vibrierte, eine Mitteilung von Monika. »Oh Gott. Bestimmt schon wieder ein Katastrophendate. Das kann warten«, dachte sich Vera.

Sie wollte gerade ihren Kuchen essen, als ein Herr höflich fragte:

»Stört es Sie, wenn ich mich zu Ihnen stelle?«

»Nein, überhaupt nicht«, heuchelte Vera, denn eigentlich suchte sie keine Gesellschaft. Schweigend aß sie ihren Kuchen. Am Tisch nebenan amüsierte sich eine Gruppe von Frauen lautstark.

»Entschuldigen Sie. Sie haben da Milchschaum auf der Oberlippe«, kam plötzlich wieder die Stimme des unbekannten Herrn, begleitet von einem jungenhaften Grinsen. Er war wenigstens 1,90 m groß, um die vierzig, hatte eine breitschultrige Statur, braune Haare und trug ein weißes Poloshirt zu einer lässigen Jeans.

»Danke.« Vera fuhr sich mit dem Finger über die Oberlippe. »Sind Sie öfter hier?«, fragte der Fremde.

»Sprechen Sie hier öfter Frauen an?«, konterte Vera.

»Immer! Vor allem, wenn sie hübsch sind«, lächelte ihr Gegenüber mit einem spitzbübischen Charme. Etwas abweisend erwiderte Vera:

»Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich bin so gut wie nie in Frankfurt. Ich komme aus NRW und bin heute nur beruflich hier.« »Treffer und versenkt«, dachte sie bei sich, und die Reaktion ihres Gegenübers gab ihr recht.

»Okay, verstanden. Aber wenn Sie mal wieder beruflich in Frankfurt sind: Ich heiße Robert Schönbusch. Und Sie können mich im Internet finden«, sagte der selbstbewusste Fremde, trank seinen Kaffee aus und verschwand. »Was für ein eingebildeter Affe!«, dachte sich Vera. Trotzdem musste sie grinsen. Bei den Mädels am Tisch nebenan brach sich wieder die Heiterkeit Bahn. Einen Moment zögerte Vera, dann holte sie ihr Smartphone aus der Tasche, öffnete die Memo-Funktion, tippte den Namen »Robert Schönbusch« ein und drückte auf Speichern.