Vera und Saitelhöfer wollten gerade in die Mittagspause gehen, als sich die Tür öffnete und Jan-Luca Stern ins Büro stürmte, gefolgt von einem genervten Kollegen.
»Ihr wolltet den Zeugen doch ohnehin nochmal sprechen, also habe ich ihn reingelassen«, entschuldigte sich dieser und verschwand wieder. Jan-Luca Stern wirkte zumindest etwas gefasster als bei seinem letzten Besuch.
»Tut mir leid, dass ich hier so reinplatze«, sagte er leicht außer Atem. »Ich komme auch gleich zur Sache. Das habe ich gestern in meinem Briefkasten gefunden.« Jan-Luca Stern warf einen Zettel in Klarsichtfolie auf den Schreibtisch. Zusammengeklebt aus Wortfetzen einer Zeitung stand darauf: »VERGESSEN SIE, WAS SIE IM WALD GESEHEN HABEN. UND GEBEN SIE MIR MEINE SACHEN ZURÜCK!« Für einen Moment herrschte Stille. Dann meinte Doris trocken:
»Na, da hat wohl jemand zu viele Krimis geguckt! Aber vielleicht sind ja Fingerabdrücke dran. Ich bring das mal zur Spurensicherung.« Mit dem Zettel in der Hand verließ sie das Büro.
Jan-Luca Stern nahm ungefragt Platz. Dann fuhr er fort:
»Ich habe das erst mal nicht so ernst genommen und mir gedacht, dass es sich vielleicht um einen blöden Witz handelt. Heute Morgen habe ich aber einen Anruf mit unterdrückter Nummer bekommen. Eine blecherne und verstellte Stimme hat mich gefragt: ›Haben Sie meine Nachricht erhalten?‹ Ich habe schnell geantwortet, dass ich im Wald nichts und niemanden erkennen konnte, weil ich meine Brille verloren hatte. ›Gut für Sie. Und wo sind meine Sachen?‹, meinte der Anrufer dann.« Jan-Luca Stern wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Ich habe keine Ahnung, was für Sachen das sein sollen. Das habe ich dem Anrufer auch erklärt. Dann wurde die Stimme wütend und schrie: ›Spielen Sie keine Spielchen mit mir, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist.‹« Jan-Luca Stern machte eine kurze Pause. »Ich habe dem Anrufer dann geschworen, dass ich im Wald keine Sachen gefunden oder mitgenommen habe. ›Das hoffe ich für Sie! Aber ich melde mich wieder. Und kein Wort zur Polizei!‹, hat er dann gesagt und aufgelegt.« Sichtlich mitgenommen beendete der Zeuge seinen Monolog.
»Jetzt können wir sicher sein, dass Sie den Mörder im Wald gesehen und mit ihm telefoniert haben«, meinte Vera.
»Gesehen haben Sie ihn. Aber nicht erkannt«, ergriff Saitelhöfer das Wort. »Und offenbar hat der Mörder etwas im Wald verloren. Vermutlich Teile seiner Verkleidung oder die Perücke, die Träsch erwähnt hat. Ich schicke die Kollegen von der Spurensuche nochmal zum Tatort. Vielleicht haben die ja etwas übersehen. Wir nehmen jetzt erst mal alles gemeinsam in Ruhe auf«, sagte Saitelhöfer zu dem Zeugen. »Außerdem werde ich veranlassen, dass eine Polizeistreife regelmäßig an Ihrer Wohnung vorbeifährt, und wir sehen zu, dass wir den Anrufer identifizieren können. Aber versprechen kann ich da nichts. Mehr können wir im Moment leider nicht tun.«
»Das habe ich befürchtet. Trotzdem danke«, gab Jan-Luca Stern etwas enttäuscht zurück.