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Endlich hatte Staatsanwältin Steuer den Durchsuchungsbeschluss für das Haus von Rosi Weintraud genehmigt bekommen. Der Ermittlungsrichter hatte sich vom öffentlichen Druck in der Sache offenbar nicht einschüchtern lassen und seine Entscheidung mit der notwendigen Zeit und sorgfältig getroffen. So fanden sich Doris, Vera und Saitelhöfer am nächsten Morgen vor dem Haus der Ermordeten in Breitenbergen wieder. Es war ein hübsches, offenbar frisch in Weiß gestrichenes großes Haus. Auf den blauen Ziegeln des Daches glänzte die Sonne. Der große Vorgarten war sehr gepflegt. Auf dem englischen Rasen waren Rhododendronbüsche, ein Magnolienbaum, zwei Tannen und ein Kirschbaum verteilt. Rechts und links entlang des Weges zum Hauseingang befanden sich Lavendelsträucher, in denen die Bienen summten. »Traumhaft. Da hatte jemand offenbar Geschmack und einen grünen Daumen«, meinte Vera.

»Oder einen guten Gärtner«, entgegnete Doris. Dann verzog sie das Gesicht, als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte, und raunte: »Oh, da kommt ja schon unsere Frau Staatsanwältin.«

Staatsanwältin Steuer aus Gießen war im Anmarsch. Die zwei für die Hausdurchsuchung abkommandierten Beamten folgten ihr stumm. Dem Anlass entsprechend trug sie ein gedecktes graues Kostüm und eine weiße Bluse. Ihre schwarz gefärbten, kurz gelockten Haare rundeten das Gesamtbild ab. Der einzige Farbtupfer an ihrem Äußeren war die markante rote Brille. Mit übertriebener Freundlichkeit begrüßten sich Doris und die Staatsanwältin. Vera und Saitelhöfer mussten ihr Grinsen unterdrücken.

»Guten Morgen«, warf die Staatsanwältin in die Runde. »Auf meinem Weg hierher hat sich der Polizeipräsident bereits bei mir gemeldet. Er hat mir nochmal deutlich gemacht, wie viel Wert man auf eine schnelle Aufklärung des Falles legt. Es machen bereits Gerüchte die Runde. Ich hoffe daher auf gute und vor allem erfolgreiche Zusammenarbeit!«, verkündete sie mit der Autorität ihres Amtes. »Wir sind hier mit einer der Schwestern der Ermordeten verabredet. Also, an die Arbeit.«

Zu ihrer Überraschung wartete vor dem Hauseingang bereits Pedro Aldonovia auf sie. Neben ihm stand eine mittelgroße ältere Dame.

»Guten Morgen. Damit hätten Sie wohl nicht gerechnet, dass wir uns so schnell wiedersehen? Ich habe gehört, dass Sie noch ein paar Fragen an mich haben, da bin ich spontan hier vorbeigekommen, auch wenn im Haus sehr viele schmerzhafte Erinnerungen auf mich warten«, meinte der Verlobte von Rosi Weintraud mit gespielter Trauer.

»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, erwiderte Saitelhöfer sarkastisch. Dann fuhr Aldonovia fort:

»Darf ich vorstellen: Margot Burgund, Rosis ältere Schwester. Sie hat mich um seelischen Beistand bei der Hausdurchsuchung gebeten.«

Margot Burgund mischte sich in das Gespräch ein:

»Kommen Sie doch herein. Die Wohnung im ersten Stock ist vermietet. Die Mieter sind kurz vor Rosis Tod für vier Wochen in den Urlaub auf eine Australien-Rundreise aufgebrochen. Die werden aus allen Wolken fallen, wenn sie zurückkommen.«

»Der Durchsuchungsbeschluss erstreckt sich allein auf die Wohnräume der Verstorbenen. Die Anliegerwohnung interessiert uns erst mal nicht«, stellte Staatsanwältin Steuer klar und musterte Pedro Aldonovia von oben bis unten.

»Sie sind dann wohl der Verlobte von Rosi Weintraud. Ich schlage vor, dass Sie mich und die Kollegen bei der Hausdurchsuchung begleiten, während Frau Derneck und Herr Saitelhöfer zunächst Frau Burgund befragen. Dann kommen wir zu Ihnen«, gab sie den Ton an. Von der Bestimmtheit der Staatsanwältin offenbar beeindruckt, nickte Pedro Aldonovia nur stumm.

»Und was darf ich tun?«, fragte Doris leicht verärgert.

»Frau Dornbirn, am besten folgen Sie mir durchs Haus«, antwortete die Staatsanwältin kühl. »Wir beginnen in der Küche. Herr Aldonovia, ich darf Sie bitten. Und die Kollegen durchsuchen den Keller.« Stumm verzogen sich die beiden Hilfsbeamten in die untere Etage. Mit einem Augenrollen trabte Doris der Entourage hinterher.