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Seit fünf Tagen in Kourou, bei unerträglicher Hitze. Schrecklich schwül. Das gleiche Klima wie damals, mit meinen Eltern und Lena in Santo Domingo, im Ferienclub. Nur hier ohne Pool, ohne Aircondition, ohne Cocktails. So sieht das echte Leben aus, das damals war nur Urlaub für verwöhnte Europäer. Mein Platz ist jetzt hier. Ans Klima werde ich mich schon gewöhnen.
Kourou, wo wir eingelaufen sind, ist eine nette kleine Stadt. Zivilisiert. Bunt und fröhlich. Nach der Ankunft stundenlange, holprige Fahrt durch ein paar gottverlassene Nester. Trotzdem viel schöner als bei uns. Wahrscheinlich wegen der Sonne und den Palmen.
Unterwegs immer wieder Menschen, die uns misstrauisch angestarrt haben. Wir wollen ihnen doch helfen, warum haben sie Angst?
Dann der Dschungel. Nicht so wild, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Eher ein dichter Wald. Nur heißer. Grüner. Lauter.
Schließlich Ankunft in unserem Regiment. Endlich wieder Ordnung.
Vor dem Essen erstes Zusammentreffen mit meiner Einheit. Wir sind sieben, ein paar kenne ich schon: Panda, Fire, dann ein sympathischer Kerl, den sie »Cuistot«, also Koch rufen, weil er ständig von irgendwelchen Rezepten erzählt, die er uns zubereiten will. Außerdem Raivo, der Spaßvogel vom Schiff. Dann noch ein Österreicher, der bei allen nur »le Poète« heißt. Ziemlich misstrauischer Typ, der ständig seine Stiefel wienert und sie hütet wie einen Schatz. Niemand darf sich ihnen nähern. Er bewahrt irgendwelche Erinnerungsstücke darin auf. Scheint ein Tick von ihm zu sein. Schließlich noch unser Caporal, Georges. Eine tolle Truppe. Aber ich werde mich vor Fire in Acht nehmen. Der hat eine kurze Lunte.
Schon am ersten Abend dann gemeinsames Essen. Cuistot hat gekocht, ein Gericht aus seiner Heimat. Riz Casimir. Habe mit viel Appetit gegessen. Und dabei die Menschen genauer betrachtet, mit denen ich die nächsten Jahre verbringen werde. Meine neue Familie. Sie sind in Ordnung, aber sie sind hart. Hart im Nehmen, aber sicherlich auch beim Austeilen. Werde mich noch mehr anstrengen müssen, um mit ihnen mithalten zu können.
Nach dem Essen kurze Ansprache von Georges. Nimmt seinen Auftrag sehr ernst. Macht seine Sache gut. Aber auch er ist hart. Unser Einsatz: nicht wie erwartet Sicherung und Schutz des Weltraumbahnhofs in Kourou. Stattdessen werden wir uns um die Grenze zu Surinam und Brasilien kümmern. Viel interessanter. Hier, mitten in Zentralamerika, verläuft eine Außengrenze Frankreichs. Wir müssen sie schützen. Gegen Schmuggler, Flüchtlinge, Drogenkuriere. Und ihren Verlauf kartographieren. Im Dschungel ist die genaue Lage unklar. Darüber hinaus muss die Legion Präsenz zeigen, um illegale Goldgräber abzuschrecken. Und wir sichern die Stromtrassen der großen Konzerne, die den Menschen hier ein würdiges Leben mit Elektrizität ermöglichen. Es könnte keine wichtigeren Aufgaben für uns geben. Bin stolz, Teil der »Cellule forêt« zu sein.
Vor dem Einsatz aber noch Dschungel-Lehrgang. Wir werden lernen, in der Wildnis zu überleben. Überall zu überleben.
Heute einen Tag freigehabt, um uns einzugewöhnen. Ein paar Untersuchungen, Erkundung des Standorts. In Kourou trifft man auf Franzosen, Kreolen, Brasilianer, Amis und viele Glücksritter aus aller Herren Länder.
Leider gibt es viele Stechmücken hier, moustiques, das nervt. Ansonsten ist für alles gesorgt: Schwimmbad, Kiosk, Bar, sogar ein angegliederter Puff für die Legionäre. Bordel militaire contrôlé.
Habe Cuistot beim Erkundungsgang in der Stadt getroffen. Er wirkt noch unsicher. So wie ich vor vielen Wochen. Das ist für mich vorbei, zum Glück. Nun kann ich meinem Kameraden helfen. Die Frauen hier haben es dem Schweizer angetan. Aber man muss vorsichtig sein.
Ich wollte mit Georges reden, aber er war seltsam distanziert. Wahrscheinlich wegen seiner Führungsposition und der gestiegenen Verantwortung. Schade. Aber ich verstehe das. Ich muss keine Karriere machen, aber man braucht solche Männer wie ihn hier. Seine erste Bewährungsprobe hatte er schon: Beim Begrüßungsappell hat Raivo Fire einen Zettel an den Rücken geheftet, auf dem auf Französisch stand: »Wenn das Dach rostet, ist der Keller feucht«. Alle haben gelacht, nur der Kompaniechef und Georges nicht. Jeder Blödsinn wird auf seinem Konto verbucht. Er hatte eine Unterredung mit Raivo. Kurz darauf ist er abgehauen. Sie suchen ihn noch. Aber selbst wenn sie ihn finden sollten: Den sehen wir nie wieder, hat Georges gesagt. Ich weiß nicht, was er zu ihm gesagt hat, aber ich bin froh, denn Deserteure brauchen wir hier nicht.