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Essen hilft. Um ruhiger zu werden. Zu vergessen. Abzuhaken, was gestern war: die Hitze, den Regen. Um auf morgen zu blicken. Sind von heute an für einige Tage und Nächte im Dschungel unterwegs.
Heute Abend hat Cuistot im Busch für uns gekocht, auf dem offenen Feuer. Exzellent. Jambalaya mit Gürteltier und einer Piranha-Art. Er liebt die kreolische Küche mittlerweile mehr als seine eigene. Und bei ihm kann man sicher sein, dass man sich nichts holt. Er kann alles kochen, was uns in die Fallen geht. Alles schmeckt, wenn es frisch ist.
Fire hatte den »ver macaque«. Fiese Würmer, die Larven haben sich unter seiner Haut bewegt. Eklig. Habe sie ihm gestern rausgeschnitten. Bin im Dschungel so etwas wie der Sanitäter geworden, ganz ohne Ausbildung. Weil es mich am wenigsten ekelt. Und weil ich es einfach gemacht habe. Im Busch musst du alles selber können.
Habe immer »Taiffa« dabei, weißen Rum. Trinke ihn aber nicht. Ist nur zur Desinfektion. Jetzt, nach all den Wochen, ist meine Dschungelausrüstung perfekt. Habe auf eigene Kosten aufgerüstet, im Laden unseres Regiments: ein besseres, dichtes Hamac, eine Hängematte mit Schutzdach und Moskitonetz. Und eine scharfe Machete. Vor allem aber mein neues »Camulus«. Ich liebe dieses Messer, es ist mein wichtigstes Werkzeug hier draußen. Und Autan. Immer wieder Autan. Brauche es gegen die Moskitos. Die anderen auch gegen die Sackratten, die sie sich jedes Mal im Puff holen. Weiß nicht, warum sie sich nicht endlich komplett rasieren. Wie Panda. An seinem Körper ist kein Haar mehr. Aber viel rasieren musste er dafür gar nicht. Er geht allerdings nicht ins Bordell. Hat gerade ziemliche Probleme mit Malaria, obwohl er was nimmt, wie wir alle. Er beißt sich durch. Lässt sich nichts anmerken. Zäher Kamerad.
Ansonsten heute ruhiger Tag im Dschungel. Dampfende Hitze, aber keine Goldgräber, keine Rebellen, keine Drogenkuriere gesehen. Sind Patrouille gefahren auf dem Fluss, mit unserem Einbaum, der Piroge. Der Kreole, der ihn fährt, ist zuverlässig. Wir vertrauen ihm allmählich.
Auf dem Rückweg einen großen Fischotter geschossen. Gibt es morgen als Geschnetzeltes. Cuistot hat ihn schon eingelegt mit Chili und Kräutern aus dem Dschungel.
Gestern war mehr los. Scheißtag. Schon morgens hat mich ein Skorpion erwischt, weil ich vergessen hatte, die Schnüre meiner Hängematte mit Rasierschaum einzuschmieren gegen die Viecher. Habe das Gift aus der Wunde gesaugt und ausgespuckt. Dann Rum drüber. Tut kaum noch weh.
Was dann kam, war viel schlimmer. Haben einen Stoßtrupp gebildet, zur Erkundung: Fire, Cuistot und ich. Nach einer halben Stunde auf dem Fluss haben wir verdächtige Boote am Ufer gesehen. Sie gehörten illegalen Goldgräbern. Die wirken wie einfache Leute, das ist ihre Masche. Aber anscheinend schmuggeln sie neben Gold auch Kokain.
Fire war ziemlich geladen: Hatte Schmerzen wegen der Würmer. Sollten die Typen nur vertreiben und ihre Hütten plattmachen. Schauen, dass sie nicht wiederkommen und ihr Material zerstören.
Aber Fire hat sich sofort einen ausgesucht, ihn provoziert, weil er ihm das Treibstofflager für ihre Maschinen und Generatoren nicht gezeigt hat. Er hat es trotzdem gefunden, hat ihn in die Baracke reingestoßen und auf die Tanks geschossen. Riesige Explosion. Danach sind wir gefahren. Keine Verluste bei uns, keine weiteren Verletzten auf gegnerischer Seite. Die Typen sind nach der Explosion alle abgehauen. Fire war stolz.
Danach sind wir in die Kaserne zurück. Ich war bei Georges. Allein. Cuistot wollte nicht mitkommen. Ich verstehe ihn. Er möchte nur seine Schulden im echten Leben begleichen, will keinen Ärger. Habe nicht darauf bestanden. Dennoch war mein Bericht an Georges nötig.
Ich wollte nur, dass er mit Fire redet. Diese übertriebene Brutalität schadet uns. Schadet der Kompanie. Der Legion. Der Französischen Republik. Georges sieht es weniger dramatisch. Er sagt: »Abschreckung hilft.« Und: »Whatever happens in the jungle, stays in the jungle.« Ich bin anderer Meinung. Wir haben einen Auftrag. Einen Kodex. Aber ich kann nichts weiter tun. Georges ist mein Caporal. Ich habe meine Pflicht getan und Bericht erstattet. Entscheiden muss er.
Georges zählt auf mich. Ich bin jetzt der Fitteste von allen. Liegt an meinen Extra-Trainingseinheiten. Gestern meinte er, ich soll mich lockerer machen, mit den anderen in den Puff gehen. Aber ich will nicht. Will mir nichts holen. Keine Sackratten, keinen Tripper. Ich seh doch die anderen. Die Nutten können nichts dafür, sie haben es ja von den Legionären. Können sich ihre Kunden nicht aussuchen. Dass das von der Legion geduldet, ja organisiert wird, widert mich an.
War jetzt schon zweimal Bester im Ranking unserer Kompanie. Das ist eine Mischung aus Punkten für Sportlichkeit, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Ordnung in der Stube, wenn wir nicht gerade im Busch schlafen wie heute. Dafür gibt es Bonus für unsere Gruppe. Die anderen haben also auch was davon. Mehr Freizeit, mehr Ausgang. Ich selbst? Genugtuung. Stolz. Und jedes Mal einen Gutschein für den Puff. Werde den letzten an Fire verschenken. Vielleicht macht es ihn ruhiger.