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Morgen kommt es darauf an. Unser wichtigster Einsatz bisher. Es wird heikel werden. Um Leben und Tod gehen. Bei uns wie bei unseren Gegnern. Aber auch dafür sind wir Legionäre da, dafür haben wir vor ein paar Monaten unterschrieben, im Rekrutierungsbüro.
Vielleicht mein letzter Eintrag im Tagebuch? Es wird sich zeigen.
Unsere Einheit wurde ausgewählt. Weil wir die Besten sind. Aber heute Abend sind alle nervös. Sogar Fire. Er boxt seit einer Stunde auf den Sandsack ein. Auch Panda hat noch ein paar Trainingseinheiten eingelegt. Er ist schnell, flink. Auch ohne Waffe. Le poète hat wieder ein Gedicht geschrieben, irgendein politischer Mist. Wittert überall böse Mächte und Verschwörungen. Will nach der Legion Schriftsteller werden, oder Journalist. Würde ihm eher Letzteres empfehlen, die Gedichte sind unsäglich. Oder er wird Schuhputzer. Hat heute mal wieder eine ganze Stunde seine Stiefel gewienert.
Cuistot ist in die Stadt. Hat anscheinend was Festes mit einer Kreolin. Hoffentlich ist er vorsichtig, sonst sieht er seine Berge und seinen geliebten See zu Hause nie wieder. Die Leute hier mögen es nicht, wenn Legionäre sich an ihre Frauen ranmachen. Außer im Puff, aber die meisten da sind Brasilianerinnen, keine Einheimischen. Vor einigen Wochen hatte ein Kamerad von der Dschungelkampfschule ein Messer im Bauch. War anscheinend besoffen, hat provoziert. Streit mit einem Typen in der Stadt. Danach eine Weile nachts Ausgangssperre und verschärfte Kontrollen im Regiment. Sicherheitswarnungen. Wir müssen uns in Acht nehmen, überlegen, wem wir vertrauen können. Auf jeden Fall uns. Untereinander.
Gerade zum dritten Mal die Ausrüstung gecheckt, die Waffen geputzt, geölt und geladen.
Weiß nicht genau, was uns morgen erwarten wird. Geheime Kommandosache. Befehle kommen erst kurz vorher. Nicht dass etwas durchsickert. Es macht mich stolz, dass man die Legion für die Mission ausgewählt hat. Frankreich weiß, was es an uns hat. Wir sind die Elite, der sie vertrauen. Wird auf jeden Fall ein harter Dschungeleinsatz, hat man uns gewarnt.
Auch Georges hat noch keine genauen Direktiven. Geht um internationalen Drogenhandel im großen Stil, der schlimmsten Schaden anrichtet. Gefährliche Leute, die sich als normale Landbevölkerung tarnen. Sie sind schwer bewaffnet. Habe schon mal davon gehört. Hinterhältige Sache. Bin gespannt. Werden wir ein Waffenlager ausheben? Ein Labor zerstören, in der sie Kokain herstellen? Oder noch schlimmer: das verdammte Chrystal Meth?
Morgen um diese Zeit werden wir es wissen. So oder so.
Georges hat uns noch mal auf unsere Pflichten eingeschworen: Wir werden womöglich vielen das Leben retten, wahrscheinlich weit von hier entfernt. In Europa, Nordamerika. Das Leben von Kindern – das Leben von Unschuldigen. Überall dort, wo diese Schweine mit ihren dreckigen Drogen Geld verdienen. Ich weiß, was mit Lena geschehen ist, was für ein Mensch ich durch das Zeug geworden bin, bevor sie starb.
Ich bin bereit. Auch wenn wir töten müssen. Oder getötet werden. Für die Sache, den Frieden, unsere Zivilisation, hat Georges gemeint. Was ist schon das Leben eines Soldaten oder Drogenhändlers für das Leben unzähliger Unschuldiger?
Muss jetzt Schluss machen. Noch einmal die Waffen kontrollieren. Meine Stiefel putzen. Dann schlafen. Muss fit sein. Für morgen.