3
Bislang war Andrejs Woche recht gut verlaufen. Sein Chef hatte weniger Terz gemacht als erwartet, als er mit dem Wunsch angekommen war, künftig montags und mittwochs schon um fünf abzuhauen. Wie durch ein Wunder hatte dieser es ihm gestattet. Natürlich musste er die fehlenden Stunden an anderen Tagen einarbeiten, das war ja logisch.
Am Donnerstag rief Lars ihn an, denn der hatte spannende Neuigkeiten.
„Es stimmt wirklich, was Basti gesagt hat“, kam es aufgeregt aus dem Telefon.
„Du meinst …“
„Ja, die Sache mit Timo Kohnen! Es stimmt. Er trainiert jetzt wirklich bei uns in der Halle. Weißt du, ich war gestern Abend noch unterwegs. In den Clubs. Da hab ich Elisa getroffen. Du weißt schon, die kleine Brünette, die Bodenturnerin. Sie wusste auch davon. Angeblich wurde Timo Kohnen in der Halle auch schon gesichtet. So, wie ich es verstanden habe, bekommt er unsere bisherigen Trainingszeiten.“
„Okay“, sagte Andrej gedehnt.
Stimmte es also doch? Ein Kribbeln stieg in ihm auf und in seinem Kopf ploppte wieder dieses Bild auf. Es zeigte Timo Kohnen, wie er auf demselben Trampolin trainierte wie er. War das aufregend!
„Na, wenn es doch stimmt“, sagte er nun zu Lars, „und Timo Kohnen zu unseren bisherigen Trainingszeiten die Halle nutzt, bedeutet dies ja, dass er uns zwangsläufig über den Weg laufen müsste. Unsere Zeiten wurden ja nur vorgerückt. Er würde also jedes Mal nach uns in die Halle kommen.“
„Bingo! So sieht‘s aus.“
„Abgefahren!“
Nun war es Samstagvormittag und Andrej befand sich auf dem winzigen Balkon seiner Wohnung. Es gab hier einen ausziehbaren Wäscheständer, auf dem er gerade seine nassen Frittenbuden-Shirts aufhängte.
Die Herbstsonne schien an diesem Tag kräftig und er hatte das komplette Wochenende frei. So gesehen war es wirklich eine gute Woche. Die Grünanlage, die zwölf Etagen unter seinem Balkon lag, war voller Leute. Das Wetter hatte alle aus ihren Wohnungen gelockt. Kinder quietschten und schrien, dass es bis hier herauf hörbar war.
Andrej brachte den leeren Wäschekorb zurück ins Badezimmer, dann ging er noch einmal auf den Balkon und schaute über die Brüstung. Kurz blieb sein Blick auf der Tiefgaragenentlüftung haften, mit der er so unangenehme Erinnerungen verband. Nicht einmal das konnte seine Stimmung trüben, dafür war er zu gut gelaunt.
Auf einem der Balkone des anderen Wohnturms erblickte er einen alten Mann, der ein ähnliches Gesicht hatte wie das Krümelmonster aus der Sesamstraße, bloß viel unfreundlicher. Er rief auch nicht „Kekse! Kekse!“, sondern „Ruhe! Ruhe!“
„Halt die Fresse, du alter Sack“, keifte jemand von unten.
Andrej schmunzelte. So war es eben, das Leben in den Kerschtürmen.
„Ey, Mandy, gib mir endlich meine Haarbürste!“, kam es plötzlich von oben.
„Cynthia! Das ist nicht deine
Haarbürste!“
„Ey, behauptest du etwa, es wäre deine, du Schlampe!“
„Muuum! Cynthia hat mich Schlampe genannt!“
„Und Mandy hat die Bürste und gibt sie mir nicht …“
Andrej rollte mit den Augen. Seine Halbschwestern unterhielten wieder einmal die ganze Nachbarschaft, wie peinlich! Aber selbst darüber konnte er sich an diesem Tag nicht ärgern.
Das Theater wollte er sich trotzdem nicht länger geben, also begab er sich zurück in die Wohnung und kickte die Balkontür zu. Ein Sofa besaß er nicht, also warf er sich in sein Ein-Personen-Bett, das noch aus seiner Jugendzeit in der oberen Wohnung stammte.
Er hatte noch eine gute Stunde, dann fing das Training an, also nahm er eines der Superman-Hefte von dem Stapel, der sich in Ermangelung eines Nachttischs neben dem Bett auf dem Boden befand, und blätterte darin. Es war eine herrliche Art zu entspannen.
Wann er sich den ersten Superman-Comic gekauft hatte, wusste er nicht mehr. Auf alle Fälle war er noch ein Kind gewesen. Losgekommen war er von Superman nie. Die Hefte liebte er immer noch. Dass er mit seinen zwanzig Jahren ja schon eigentlich aus dem Comic-Alter raus war, spielte da keine Rolle.
Wenn er auf dem Trampolin hoch in die Luft stieg, fühlte er sich manchmal ein bisschen wie der Comic-Held. In den allerersten Geschichten konnte Superman ja auch noch gar nicht fliegen, sondern bloß sehr hoch springen. Im Grunde war Superman also nichts anderes als ein Trampolinspringer gewesen, bloß ohne Trampolin.
Andrej besaß sogar ein riesiges Superman-Poster, das über seinem Bett hing, und
zugegebenermaßen auch ein paar Superman-Unterhosen. Blaue Retro-Pants mit dem rot-gelben Logo auf dem Hintern.
Für Grindr hatte er sich einmal in diesen Shorts fotografiert. Daraufhin meldete sich ein recht schnuckeliger Typ, der ein Sexdate wollte und sich wünschte, dass Andrej in diesen Shorts zu ihm kommen sollte. Er machte ihm die Freude und der Typ hatte ein sichtliches Vergnügen daran, von Superman durchgevögelt zu werden. Es kam sogar zu einem zweiten und dritten Date. Als der Typ aber herausfand, dass Andrej in Wirklichkeit nicht Superman war, sondern ein Frittenverkäufer aus den Kerschtürmen, blockierte er ihn.
Nun blätterte er sich durch das Heft, legte es aber bereits nach wenigen Seiten wieder auf den Stapel, denn plötzlich richtete sich Andrejs Interesse auf jemand anderen, sodass nicht einmal Superman mithalten konnte.
Er nahm sein Handy, öffnete Youtube und gab Timo Kohnen
in das Suchfeld ein. Wenn es stimmte, was alle sagten, dann müsste er ihm doch demnächst in der Halle begegnen. Vielleicht ja schon heute. Auch die Samstagseinheit war ja angeblich aus diesem Grund vorverlegt worden, nach ihnen müsste also Timo auftauchen. Deshalb bekam er jetzt Lust, sich ein paar Wettkampfvideos dieses grandiosen Sportlers reinzuziehen. Er suchte nach ein paar passenden Clips – Timos Finalübung bei den letzten Staatsmeisterschaften, jene aus dem Jahr davor und natürlich seinen fantastischen Auftritt bei Olympia in Rio.
Er fand eine besonders beeindruckende Passage, die er wieder und wieder abspielte. Bei den Staatsmeisterschaften hatte Timo ja gleich zwei Triffis hintereinander gezeigt, Dreifachsaltos mit jeweils einer halben Schraube. Weltklasse! Er hatte schwer etwas drauf, daran bestand kein Zweifel. Er war göttlich! Rein sportlich gesehen …
Er scrollte sich weiter durch die Videos und kam zu einem Interview, das Timo anlässlich seiner Medaille im ARD-Olympiastudio gegeben hatte. Auch dieses spielte er mehrmals ab und stellte fest, dass Timo nicht nur ein fantastischer Trampolinturner war, sondern auch höllisch gut aussah. Ja, er war extrem hübsch. Ein feingliedriges Gesicht und helle, aufgeweckte Augen. Brünettes Haar, das kleine Löckchen bildete, dazu ein hübsch geschwungener Mund.
Himmel, ein heißes Kribbeln stieg in ihm auf.
Und Timo war auch sympathisch. Jedenfalls wirkte er in dem Interview so. Im Gegensatz zu den vielen Sportlern, die auf Reporterfragen gerne muffelig reagierten, gab er nur freundliche Antworten und wenn er gerade nichts sagte, lächelte er einfach. Andrej hätte ihm stundenlang dabei zusehen können. Gott, war dieser Typ süß!
Auf einmal zuckte etwas in seiner Hose. Bekam er jetzt etwa einen Ständer? Wegen
Timo Kohnen? Das konnte doch nicht sein. Über sich selbst den Kopf schüttelnd schloss er Youtube, surfte aber weiter. Er tippte Timos Namen bei Google ein.
Wow, Timo Kohnen besaß sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag! Er öffnete ihn. Das war viel Text auf einmal, also schaute er sich lieber die Bilder an. Auch da lächelte ihm das süße Gesicht entgegen. Das Kribbeln wollte nicht aufhören.
Dies konnte nur daran liegen, dass er noch nie jemandem persönlich begegnet war, der einen eigenen Wikipedia-Eintrag hatte und dies eben bald der Fall sein würde. Nur deshalb war er plötzlich so aufgeregt, ganz bestimmt nur deshalb, redete er sich ein. Timo Kohnen war eben der beste Trampolinspringer des Landes. Nur darin lag der Grund für das Herzklopfen, das jetzt ebenfalls einsetzte.
Schneller als gedacht war die Stunde vorüber, also holte Andrej Trikot und Turnhose vom Wäscheständer und packte die Sachen in die Sporttasche. Dann machte er sich auf den Weg in die Halle.
Das Training verlief so, wie der Tag begonnen hatte: sehr angenehm. Zuerst machten sie Krafttraining und wie immer konzentrierten sie sich dabei auf die Beinmuskulatur. Dies war wichtig für die Sprungkraft. Ihre Oberkörper durften hingegen nicht zu viel Muskelmasse ansetzen. Sie mussten schlank sein. Alles andere wäre beim Springen hinderlich gewesen.
Danach stiegen sie für das Techniktraining auf die Trampoline. Sie übten vor allem Rückwärtssaltos und Andrej brachte diese bravourös aufs Trampolin. Rainer lobte ihn und er war auch zufrieden mit sich selbst. Das kam nicht oft vor.
Nach dem Training marschierte er mit den anderen fröhlich zurück in die Umkleide. Nur Jonas nervte wieder einmal mit seiner Angeberei. Weil er derjenige war, der für das Einzeltraining ausgewählt worden war, hatte sich seine Überzeugung, der Allerbeste der Gruppe zu sein, noch weiter verfestigt.
„Leute, Leute“, stöhnte er, als er sich das Trikot über den Kopf zog. „Ich sag‘s euch: diese Gruppenstunden!“ Er überdrehte die Augen. „Nee, die sind nichts für mich. Nur Warterei. Ist doch stinklangweilig, da geht überhaupt nichts weiter, pah!“ Er klemmte sich den Waschbeutel unter den Arm und steuerte die Mannschaftsdusche an. „Keine Ahnung, wie lange ich mir das noch antue. Vielleicht mach ich bald nur noch Einzeltraining. Ist doch viel besser, viel effektiver, nicht wahr?“
Niemand erwiderte etwas, denn die anderen waren damit beschäftigt, sich Blicke zuzuwerfen.
Lars schmunzelte. „Weißt du, für die Gaumeisterschaften bin ich dieses Jahr motiviert wie noch nie“, sagte er zu Andrej und schlüpfte aus seinen Trampolinschuhen. „Allein, um es diesem eingebildeten Affen zu zeigen.“
Mit einem Grinsen signalisierte Andrej seinem Kumpel, dass er derselben Meinung war. Auf der Bank vor den Spinden ließen sie sich nieder und Lars wischte sich erschöpft über sein Gesicht, während Andrej den Zipp an seinem Trikotoberteil aufzog und seine verschwitzte Brust entblößte. Er fächerte sich Luft zu.
Ein paar Spinde weiter plauderten Theo und Basti miteinander. Auch sie hatten keine Eile, sich auszuziehen. Beim Duschen ließen sie gerne Jonas den Vortritt und warteten, bis er verschwunden war, um dann ungehemmt über ihn abzulästern. Es tat gut zu wissen, dass die anderen ähnlich über ihn dachten. So fiel es Andrej leichter, mit diesem verhaltensauffälligen Typen umzugehen.
Mit einem um die Hüfte geschlungenen Handtuch kam er nun aus der Dusche zurück. Er bewunderte sich im Spiegel, dann entfernte er das Handtuch und zog sich an. Dies war für Andrej der passende Zeitpunkt, seine Klamotten abzulegen. Lars, Basti und Theo machten es ihm nach. Unterhalb trug Andrej ein Suspensorium, das dafür sorgte, dass nichts zu sehr wackelte, wenn er Saltos schlug. Auch dieses zog er sich über die Beine und klemmte sich Handtuch und Duschgeltube unter den Arm.
Auf einmal ging die vom Eingangsbereich herführende Tür auf und drei Leute kamen herein. Andrej stockte der Atem.
Unter ihnen befand sich nämlich Timo Kohnen.
Auch Lars, Theo und Basti hielten in ihren Bewegungen inne. Im Gegensatz zu ihnen war Andrej schon splitterfasernackt. So stand er nun da und glotzte das Trio an. Nein, nicht das Trio, eigentlich nur die Person in der Mitte: Timo.
Dieser musste sich irgendwo anders umgezogen haben, denn er trug bereits seine Turnkleidung, eine lange, weiße Hose und ein Trikot aus weinrotem Glanzstoff. Andrej biss sich sanft auf die Lippe. Wow, in natura sah Timo ja noch leckerer aus als auf den Videos im Netz. Mittlerweile hatte er eine andere Frisur als damals bei dem Interview. An den Schläfen war das Haar raspelkurz geschoren, im Oberhaar fanden sich jedoch immer noch die Löckchen. Dazu das schmale Gesicht, der hübsch geschwungene Mund, die langen Wimpern …
Außerdem war Timo klein, so wie es die meisten Turner waren. Auf den Videos war dies gar nicht rübergekommen, es war jedoch auch nicht weiter verwunderlich. Mit seinen ein Meter vierundsiebzig schlug Andrej ja aus der Reihe. Er war größer als die allermeisten seiner Sportskameraden. Timo ging ihm höchstens bis zur Nase.
Dies änderte aber nichts daran, dass er eine Erscheinung war. Alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet. Flankiert von seinen Begleitern bewegte er sich an den Spinden entlang. Sein Gang
war federnd leicht. Er lächelte sympathisch und seine hellen Augen leuchteten.
„Hallo, Hallo“, sagte er und blickte jeden kurz an.
„Heeeej Timo!“, rief Jonas und warf seine Arme überschwänglich in die Luft.
Timo stutzte. Er nickte noch einmal in Jonas‘ Richtung. Sein Blick sagte aber, dass er keine Ahnung hatte, wer diese Person war, die gerade diese hysterische Nummer abzog. Dann steuerte er mit seinen Begleitern auf den anderen Ausgang zu, jenen, der in die Halle führte. Bei jedem Schritt schoben sich seine knackigen Arschbacken aneinander. Sah das sexy aus!
Andrej starrte sie an und schnupperte an dem Duft, den Timo hinter sich herzog. Es war der typische Polyestergeruch dabei, den Sporttrikots nun mal verströmten. Allerdings musste Timo auch ein hammermäßig gutes Deo benutzen. Er roch so geil! Es war antörnend. Hitze kroch in Andrejs Wangen. Er musste höllisch aufpassen, dass sein Schwanz nicht hart wurde. Er war ja nackt, verdammt.
Tief einatmen, langsam ausatmen. Er machte es drei, vier Mal, um sich zu beruhigen. Als das Trio die Umkleide verlassen hatte, setzte unter den anderen Jungs wildes Geplapper ein.
„Leute! Sagte ich es nicht?“, meinte Basti triumphierend. „Timo Kohnen, bitte sehr!“
„Na, ich wusste es schon viel früher“, konterte Jonas bissig. Er schloss den Gürtel und legte sich seinen Wollpullover über die Schultern, womit er sein Snob-Outfit komplettierte. Er schnappte seine sündteuer aussehende Ledersporttasche und marschierte mit dieser hinaus. „Na, vielleicht trainieren Timo und ich ja bald zu zweit“, sagte er im Gehen. „Doppeltraining. Wisst ihr, es ist sicher ‘ne feine Sache, wenn man mit jemandem trainiert, der sich auf einem ähnlichen Trainingsstand befindet und so ist es bei Timo und mir nun mal. Tja, Leute, bis denne!“ Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Lars prustete los. „Leute, ich kann mir nicht helfen, aber der Typ wird immer peinlicher, nicht wahr?“
Der Rest der Gruppe stimmte zu. Das Lästern ging los. Andrej sagte jedoch nicht allzu viel. Obwohl auch er Jonas absolut nicht ausstehen konnte, hielt er sich lieber zurück, denn er versuchte Ärger zu vermeiden, wo es nur ging.
Dafür zerrissen sich die anderen die Mäuler, als sie zu viert unter die Dusche traten. Erst als sie sich später ihre Straßenklamotten anzogen, wurde das Thema beendet.
Theo und Basti schulterten ihre Rucksäcke. „Leute, bis Montag!“ Mit High-Fives verabschiedeten sie sich von Lars und Andrej und verließen die Umkleide.
„Na, wäre spannend, dem Kohnen mal beim Trainieren über die Schulter zu schauen, hm?“, schlug Lars danach vor.
„Keine üble Idee“, fand Andrej, denn auch er war voller Neugier. Natürlich wollte er wissen, wie das Training eines Spitzensportlers ablief. Ob es da anders zuging, als bei ihnen.
„Na, komm!“ Lars gab ihm einen Wink und ging los.
Andrej folgte ihm und sie bewegten sich durch den spärlich beleuchteten Flur, der zur Halle führte. Zum Glück standen die Türen offen. So konnten sie im Dunkeln bleiben und zugucken, ohne bemerkt zu werden.
Auch Rainer befand sich jetzt wieder an der Trampolinanlage. Er und die beiden Männer, die Timo vorhin begleitet hatten, richteten ihre Blicke auf die Batude. Die Köpfe gingen auf und ab, denn Timo schoss hoch, schraubte sich durch die Luft, kam wieder auf dem Sprungtuch auf, dann folgte ein Salto.
Wow! Wie präzise er jede Bewegung vollzog! Die Körperspannung! Auf den Youtube-Videos war dies gar nicht so sehr zur Geltung gekommen. Kein Wackeln war zu sehen, nichts. Brillant! Jetzt kam eine Abfolge hochkarätiger Sprünge, selbst bei dieser machte er keinen sichtbaren Fehler. Es war Trampolinturnen in höchster Perfektion.
Mit offenem Mund beobachtete Andrej ihn. Vielleicht bloß fünf Minuten lang, vielleicht aber auch zehn oder zwanzig. Er gab in all der Zeit keinen Mucks von sich und nahm nichts anderes wahr als diesen perfekten Turnerkörper, der elegant durch die Luft wirbelte.
Auf einmal machte sich Lars wieder bemerkbar. „Du, Andrej, ich muss leider los“, teilte er mit.
„Jaja.“
Andrej blieb noch. Gebannt schaute er Timo weiter beim Springen zu. Ein Wohlgefühl erfasste ihn und sein Herz klopfte. Es war geradezu so, als würde es im selben Takt hüpfen wie Timo auf dem Trampolin.
Gerade war dieser wieder gelandet. Er stand nun auf dem Sprungtuch und erhielt von den Trainern ein paar Korrekturen. Da blickte er umher und genau in jenem Moment, als er die Hallentür anvisierte, huschte ein Lächeln über seinen hübschen Mund.
Andrej erschrak und sein Gesicht fing zu glühen an. Hatte Timo bemerkt, dass er einen heimlichen Zuschauer hatte? Im Rückwärtsgang entfernte er sich, und als er mit dem Rücken an die Tür zur Umkleide stieß, wendete er sich rasch um und ging hinein. Er schnappte seine Sporttasche und verließ den Raum in Richtung Ausgang. Etwas flatterte in seinem Magen, als er zur Bushaltestelle lief.