„Wir schreiben ein Buch über Scham und darüber, wie unsere Würde wiederhergestellt wird.“ – Wenn wir das erzählen, erhalten wir sehr unterschiedliche Reaktionen. Viele reagieren freudig: „Endlich ein Buch zu diesem Thema! Wann kann ich es haben?“ Andere sind nicht interessiert: „Ach, das Thema geht mich zum Glück nichts an.“ Schön für sie, aber da wären wir uns nicht so sicher. Ja, Scham ist für viele anscheinend kein Thema, obwohl es bei näherer Betrachtung Teil auch ihrer Lebensrealität ist. Wahrscheinlich haben sie keine Antenne dafür, weil über das Thema nur selten oder nie gesprochen wird und viele ein sehr begrenztes Verständnis von Beschämung und Scham haben.
Seit über dreißig Jahren sind wir mit dem Thema „Innere Heilung“ unterwegs. Wir haben gelehrt und geschrieben über Bitterkeit und harte Herzen, über Vergebung und Gottes Vaterliebe. Aber das Thema „Scham“ rückte erst vor etwa zehn Jahren in unser Blickfeld. Es gab damals auch kein Buch auf dem christlichen Buchmarkt, in dem das Thema „Beschämung und Scham“ aus seelsorgerlicher Sicht behandelt wurde. Die säkulare Fachliteratur zum Thema war gut, hat uns aber nicht besonders angesprochen; sie war uns zu fachlich und eher schwer lesbar. Zudem kannten die Autoren nicht die heilsamen Möglichkeiten Gottes.
Wir erinnern uns auch nicht an eine Predigt oder einen Vortrag zu diesem Thema, obwohl wir schon über sechs Jahrzehnten in christlichen Gemeinden, Werken und zu Konferenzen unterwegs sind. Im Gegensatz dazu wird das Thema „Scham (oder Schande) und Wiederherstellung der Würde“ in der Bibel häufig thematisiert. Für heutige Theologen und Pastoren scheint es jedoch nicht sehr relevant zu sein. Zum Thema „Schuld und Vergebung“ gibt es unendlich viele Bücher, Artikel, Predigten und Lieder. Aber dass es durch Jesus auch Erlösung und Befreiung aus dem persönlichen Schamgefängnis gibt, ist weithin unbekannt und wird selten gelehrt. Vielleicht liegt das Schweigen auch daran, dass viele selbst beschämt wurden und im Schweigen ihrer Scham gefangen sind.
Eine alte Vortragskassette eines amerikanischen Gastreferenten brachte uns vor Jahren auf das Thema, aber es zündete erst beim wiederholten Hören. Dann hatte unser Freund Klaus ein eindrückliches Erlebnis, von dem Sie im ersten Kapitel erfahren werden. So begannen wir, uns ernsthaft mit dem Thema „Scham“ zu beschäftigen, und entdeckten die Tragweite von beschämenden Kindheitserfahrungen und wie durch eine Begegnung mit Jesus tiefe Heilung möglich wird.
Je mehr wir die Zusammenhänge verstanden und beachtliche Trosterfahrungen bei den Ratsuchenden erlebten, umso mehr waren wir fasziniert davon, wie tief die Erlösung durch Jesus erlebbar ist. Die Ratsuchenden verstehen endlich die tieferliegenden Zusammenhänge ihres Minderwertigkeitsgefühls und ihres anstrengenden Lebens und sind dankbar, Hilfe und Befreiung zu erfahren. Seit etlichen Jahren ist das Thema „Scham, Trost und Wiederherstellung unserer Würde“ fester Teil unserer Ausbildungsgänge zum Seelsorger und christlichen Lebensberater an der Team.F-Akademie.
Um Betroffene und Berater zu ermutigen, sich mit dem Thema „Scham“ zu beschäftigen, schreiben wir dieses Buch, angeregt durch eigene Erlebnisse und Erfahrungen aus der Seelsorge. Es ist kein Fachbuch, das alle Aspekte des Themas beschreibt, sondern ein Buch, das zum Verstehen und Erleben einladen will. Darum haben wir viele persönliche Erlebnisse eingearbeitet, die die fachlichen Aspekte anschaulich werden lassen. Wir wenden uns damit zuerst an Christen, die zu Jesus, zum persönlichen Gebet und zu den biblischen Bezügen Zugang haben.
Warum heißt der Titel des Buches „Trost finden“, wo es inhaltlich doch um Beschämung und Scham geht?
Bei „Trost“ denken wir zuerst an den Tod einer geliebten Person oder an andere Verluste, wenn uns Schmerz und Trauer überwältigen. Starke Verlusterfahrungen lähmen unser Denken und unser Leben und sind nur schwer zu verarbeiten. Da lindert Trost den Schmerz und stärkt die Hoffnung auf bessere Zeiten. Aber was hat Trost mit Scham zu tun? – Beschämte Menschen haben tatsächlich einen starken Verlust erlitten. Meist in der Kindheit haben sie ohne eigenes Verschulden ihre Würde und Ehre verloren, sie waren zutiefst erschüttert, konnten aber nie darüber trauern. Niemand nahm sie ernst, keiner sah ihren Schmerz und so erlebten sie nie Zuspruch und Trost, der ihre tiefe Wunde hätte heilen können. Im Gegenteil, oft wurden sie noch verurteilt und verlacht wegen ihres schmerzlich empfundenen Mangels. So haben sie Schmerz und Trauer viele Jahre oder gar Jahrzehnte verdrängen müssen und nahmen stattdessen nur die lähmenden Gefühle von Scham und Minderwertigkeit wahr. Auch wenn sie sich vielleicht nicht mehr erinnern können – erledigt und verarbeitet sind die Erlebnisse damit nicht. Im Denken und Leben sind die Folgen deutlich erkennbar. Manche sind in einem gewissen Maß resigniert, aber tief unter der Resignation glimmt die Sehnsucht, endlich den Trost zu finden, den man damals vermisst hat, und die vage Hoffnung, vielleicht doch noch die Wiederherstellung seiner Würde zu erleben.
Gerne nehmen wir Sie als Leser mit auf die Reise zur Wiederherstellung Ihrer Würde. Wir beschreiben, welche Auswirkungen beschämende Erlebnisse haben und dass Beschämung häufiger vorkommt als vermutet. Dann zeigen wir die fatalen Folgen der Schamangst und lassen etliche Menschen zu Wort kommen, die Trost und Befreiung aus ihrer Lebensscham und von ihrer „Versager-Identität“ erlebt haben. Die Zeugnisgeber waren gerne bereit, ihre Geschichten zu erzählen, um damit anderen Betroffenen Hoffnung und Mut zu machen, die Schritte zur Wiedererlangung ihrer Selbstachtung zu gehen. Ihre Mitwirkung ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass sie Trost erlebt haben und ihre Würde wiederhergestellt wurde. Die meisten Namen haben wir jedoch zum Schutz ihrer Persönlichkeit verändert.
Etliche Geschichten ziehen sich durch mehrere Kapitel. Wenn Sie die Beiträge im Zusammenhang lesen möchten und an weiteren Geschichten Interesse haben, dann besuchen Sie unsere Internetseite www.lebensspurmedien.de.