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Er setzt das Wohnmobil im Schritttempo zurück, bis es an der richtigen Stelle steht, dreht den Schlüssel herum und steigt aus. Der Platz ist von hüfthohen, teils verdorrten Büschen umgeben und liegt am äußersten Rand des Campingplatzes. Der Boden ist steinig und leicht abschüssig, Gras wächst nur noch in kleinen Inseln hier und da. Alles in allem kein sonderlich schöner Platz, aber das ist ihm egal. Er wird sowieso nur ein, zwei Nächte bleiben. Je nachdem …

Er macht ein paar Schritte und betrachtet die umliegenden Stellplätze. Einige davon sind mit Wohnmobilen, andere mit Wohnwagen belegt, von denen die meisten Vorzelte haben. Die Besitzer der Wohnmobile begnügen sich meist mit ausgefahrenen Markisen. Vor einigen der mobilen Behausungen sitzen Leute beim Frühstück. Auf dem Platz schräg gegenüber hocken ein Mann und eine Frau um die fünfzig unter der Markise und sehen zu ihm herüber. Er zwingt sich zu einem Lächeln und hebt zur Begrüßung die Hand, was beide mit einem freundlichen Kopfnicken beantworten.

Da sitzt ihr mit euren fetten Ärschen in euren Campingstühlen und grinst dämlich, denkt er, während er den Blick von den beiden abwendet und sich angewidert umdreht. Aber in Wahrheit schert ihr euch einen Dreck darum, was um euch herum passiert. Nur wenn es um euer eigenes beschissenes Leben geht, fangt ihr an zu winseln und zu betteln und wünscht euch, es käme jemand, der euch hilft. Feiges Pack.

Er öffnet die Tür des Wohnmobils und geht hinein. Er ist müde und durcheinander. Es fällt ihm plötzlich schwer, seine Gedanken zusammenzuhalten. Er wird ein paar Tabletten nehmen und sich ein wenig hinlegen. Nach ein paar Stunden Schlaf wird es ihm wieder besser gehen. Nicht gut, aber besser. Dass es ihm gut gegangen ist, ist schon so lange her, dass er vergessen hat, wie es sich anfühlt.

Sein Blick fällt auf die Anmeldung, die auf dem Tisch liegt. Dieses Mal war es simpel. Er hat einfach einen Phantasienamen und eine Adresse in Verona in das Formular eingetragen und den Preis für zwei Nächte in bar bezahlt, und der Kerl an der Rezeption war zufrieden. Die Adresse hat er im Internet gefunden, dort hat ein italienischer Arzt seine Praxis.

Er hat sie herausgesucht, weil das italienische Kennzeichen, das er von einem ausgemusterten Auto abmontiert hat, aus der Provinz Verona stammt. Bisher ist niemand in Deutschland auf die Idee gekommen, nachzuforschen, ob das Kennzeichen überhaupt gültig und auf welchen Namen es eingetragen ist.

Auf manchen Plätzen ist es schwieriger, dort wollen sie einen Ausweis sehen. Er sagt dann mit angedeutetem italienischem Akzent, dass er ihn zu Hause vergessen hat. Oft ist das kein Problem, wenn er die Platzmiete im Voraus bezahlt, aber manchmal sind die Betreiber stur, dann muss er weiterfahren.

Er wendet sich ab und öffnet die Tür zu dem kleinen Bad, wo in einem Hängeschrank seine Tabletten liegen.

Nachdem er sich drei Stück auf die Handfläche gelegt und geschluckt hat, lässt er sich auf das breite Bett fallen, das das gesamte Heck des Wohnmobils ausfüllt, und schließt die Augen. Es dauert nur Sekunden, bis die Bilder wieder da sind, und mit ihnen steigt der Hass in ihm hoch. Er weiß, beides wird bald wieder verschwinden, und er wird in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen, dafür werden die Tabletten sorgen.

In ein oder zwei Stunden wird er wieder aufwachen und sich so fit fühlen, dass er sich auf die Suche machen kann. Nach jemandem, der es verdient hat, bestraft zu werden. Wegen Selbstsucht und Feigheit. Noch einmal lodert der Hass wie glühend heiße Lava durch seinen Körper, dann lässt er nach, und alles wird egal.