TAG 10
MONTAG - IV

Wir hatten unser Ziel erreicht. Obwohl es sich (technisch gesehen) um ein Dorf handelte, erscheint diese Bezeichnung unangemessen, wenn nicht sogar herabwürdigend. Nachdem die Ritter von Aetheria von ihren Pferden gestiegen waren, fiel auf, dass das Licht der Mondlaternen unvergleichlich heller strahlte als das ihrer Laternen. Nun gut, die Laternen der Ritter waren ja auch nicht zur Beleuchtung gedacht, sondern sollten Achtung symbolisieren. Es war eine Art, ihre Freunde mit Respekt zu begrüßen. Doch ihr Gruß wurde nicht erwidert …

Das Dorf war so wunderschön und atemberaubend elegant, wie aus einer anderen Welt. Aber es war auch ebenso leer. Verlassen. Keine einzige Mondelfe war zu sehen. Das einzige Geräusch, das man hören konnte, war der Widerhall unserer Schritte auf einem Steinboden, der recht ungewöhnlich aussah. Die Stille war verstörend.

— Sie müssen nach Nepheridyll aufgebrochen sein, sagte Elric. Das ist eine größere Elfenstadt westlich von hier. Ich glaube zwar nicht, dass noch jemand hier ist, aber wir sollten uns vorsichtshalber vergewissern.

Er blickte uns an.

— Wollt ihr mir dabei helfen?

Acht Dorfbewohner nickten gleichzeitig mit dem Kopf. Nein, sieben. Lola war gerade abgelenkt und betrachtete eine hellblaue Blume, deren Blütenblätter mit metallischen Miniwürfeln geschmückt waren. Vermutlich handelte es sich um eine Mineralienblume. Bisher hatte ich nur von ihnen gehört. Von Mineralienblumen ist viel in Märchen, die sich die alten Bauern in warmen Sommernächten erzählen, die Rede. Dabei strahlen die Augen der Bauern nicht nur wegen des nahen Ofens, sondern auch voller Hoffnung, eines Tages in den Besitz jenes legendären Metalls zu gelangen, das in diesen Blumen enthalten sein soll, zu gelangen. Ich habe nie daran geglaubt. Das einzige Metall, das diese Blume wohl enthält, ist Eisen.

Alices Vater hatte besonders mich im Blick, als er sagte:

— Vergesst nicht, was ich euch gesagt habe!

— Wir werden uns nicht entfernen, antwortete Alice.

— Und verhaltet euch anständig, fügte Brio hinzu. Wir sind nur Gäste hier, keine Plünderer. Sonst …

Ich beendete den Satz für ihn.

— Sonst werden Sie persönlich dafür sorgen, dass unsere Ausbildung in der Hauptstadt im Wesentlichen aus Pilzragout besteht.

Er lächelte mich verschmitzt an.

— Das kannst du mir glauben.

Max war schon vorgegangen. Mit Buch und Feder in der Hand sah er aus, als wolle er sich sofort Notizen machen, sobald er etwas Ungewöhnliches sah.

— Alles klar, murmelte Hartmut und rannte ihm hinterher. He! Eierkopf! Warte auf mich!

Wir anderen hefteten uns an ihre Fersen und sahen uns fasziniert dieses seltsame, in geisterhaft grünes Licht getauchte Dorf näher an.

Alice bummelte hinter uns her. Bevor sie uns einholte, blickte sie noch einmal auf die verlassenen Häuser.