TAG 8
SAMSTAG - XXII

Auf dem langen Weg zurück nach Eulenfeld löcherte ich S mit Fragen. Er schien über alles bestens Bescheid zu wissen, warum also hätte ich mich zurückhalten sollen?

Leider jedoch entwickelte sich mein Interview nicht ganz so ergiebig, wie ich es erhofft hatte. S antwortete mir eben wie ein Mensch, was für einen einfachen Dorfbewohner wie mich ziemlich verwirrend war.

— Warum ist der Himmel blau?

— Weil er auf der Erde blau ist. Das Spiel sähe komisch aus, wenn der Himmel violett wäre.

Oh! Warum haben die Dorfbewohnerjungen große Nasen und die Mädchen kleine?

— Ich glaube, es war Entitys Idee. Er und seine Leute haben an einem neuen Servermodus gearbeitet, der die Dorfbewohner realistischer aussehen lässt. Sie bekamen also ein unterschiedliches Aussehen, unterschiedliche Charaktere und verhielten sich auch unterschiedlich. Danach beschwerten sich viele Spieler darüber, dass die Mädchen hässlich seien. So hat Entity ihnen kleinere Nasen und Haare verpasst. Schließlich haben die Autoren – eine Handvoll ausgewählter Spieler, die die Aufgabe hatten, die Geschichte des Spiels niederzuschreiben – in einem Satz erwähnt, dass sich die Dorfbewohnerjungen ihren Schädel aus traditionellen Gründen rasierten. Nach dem Bug des Servers wurde jedes Wort der Autoren wahr.

— Ich verstehe gar nichts mehr. Was ist denn ein Bug? Was ist da passiert?

Schließlich erzählte S mir, dass die vollständige Zerstörung ihrer Welt, der Erde, im Jahr 2039 unmittelbar bevorstand.

Als ihre letzte Stunde geschlagen hatte, haben sich einige von ihnen in die Virtuelle Realität (auch als VR bezeichnet) geflüchtet. Offenbar genügte es, sich einen Helm aufzusetzen, um in eine andere Welt zu gelangen. Allerdings gab es dieses Universum nur in ihrer Vorstellung, es war also nur eine Illusion. Die Welt, in die sie geflüchtet waren, ist allerdings diese – damals unter dem Namen Aetheria-Server bekannt. Nachdem sie zuvor bereits Hunderte von Stunden in dieser virtuellen Welt verbracht hatten, hatten die meisten von ihnen hier viele Freunde, von denen sie sich nun verabschieden wollten. Sie waren alle süchtig nach diesem Spiel und hatten mehr Zeit in Aetheria verbracht als in ihrer eigenen Welt. In der Wirklichkeit hatten sie oft keine Freunde und auch keine Familie. Daher war es auch völlig normal für sie, ihre letzten Augenblicke in einer Welt zu verbringen, in der sie sich wohlfühlten und von all ihren virtuellen Freunden umgeben waren …

— Aber was ist dann passiert? Die Welt, also eure echte meine ich, ist doch gar nicht untergegangen, oder?

— Woher sollen wir das wissen? Als die Zeit abgelaufen war, sind diejenigen, die noch im Spiel eingeloggt waren, ohnmächtig geworden und schließlich in allen möglichen Gegenden aufgewacht. Sie befanden sich allerdings immer noch im Spiel. Aber das Spiel war jetzt anders. Es war real. Man konnte sich auch nicht wieder ausloggen und das Spiel verlassen. Mittlerweile ist es uns gelungen, in das Hauptmenü des Spiels, das nur den Administratoren vorbehalten ist, vorzudringen. Aber es reagiert nicht.

Oh!

Mein Blick schweifte verloren umher, bis irgendetwas meine Aufmerksamkeit erregte.

He, schau mal! Eine Kohleader! Lasst uns ein Päuschen machen und sie ausgraben!

 

S blickte mich erstaunt an

und stieß einen Seufzer aus.