Betretenes Schweigen machte sich unter den Anwesenden breit.Schließlich begann Esmeralda, nervös zu lachen.
— Wow, das … äh … soll das ein Witz sein, oder was?
— Ich glaube kaum, antwortete Max. Das ist das Siegel des Königs. Die Flamme der Ewigen Laterne. Nur der große Meister weiß, wie es hergestellt wird.
— Welcher Tag ist heute?, fragte Mastoc, der 23.?
Er hatte einen Enderpuffscone (einen Enderscone, um es abzukürzen) in der Hand, bisher aber kaum etwas gegessen. Das bedeutete ganz eindeutig, dass er Angst hatte.
— Der 3. des Diamantsterns … das sind ja nur noch zehn Tage!,
stellte Alice mit großem Bedauern fest. Ihr Vater seufzte tief.
— Aetheria ist weit von Zuhause weg, und wir haben absolut keine Ahnung, worin eure Ausbildung besteht. Deshalb hat der Rat sich überlegt, dass es grausam wäre, euch ohne Kenntnisse der Oberwelt so weit fort zu schicken.
Er wandte sich an seine Tochter.
— Alice, es tut mir wirklich leid, wir können nichts dagegen tun.
— Echt jetzt?, fragte Mastoc. Gibt es keine Möglichkeit, zu verweigern? Müssen wir wirklich dorthin?
— So ist es.
Alice versank mit überkreuzten Armen in ihrem Stuhl, stieß einen langen Seufzer aus und sah ihren Vater bitterböse an.
— Naja, also ich finde es genial!, rief Lola aus. Was für eine tolle Überraschung! Ist euch klar, dass wir dort den König treffen werden? Was soll ich denn zu dieser Gelegenheit bloß anziehen …?
— Wenn das von mir verlangt wird, so werde ich gehen, sagte Ophelia. Jetzt war sie wieder ganz sie selbst. Ich bin mir sicher, die Mitglieder meines Teams stehen geschlossen hinter mir.
Sie blickte uns entschlossen, wenn auch ein wenig traurig, an.
— Sie werden mir fehlen, sagte sie und meinte damit ihre Freunde, die anderen Mitglieder des Teams Flower Power. Warum sind sie eigentlich nicht hier?
— Sie wollten kommen, antwortete Brio. Aber dann dachten sie, es sei klüger, in Dorfstadt zu bleiben, falls es zu einem neuen Angriff kommen würde. Es ist dir wirklich gelungen, in ihnen ein ausgeprägtes Pflichtgefühl zu wecken. Die Mannschaft von Hartmut dagegen schien nicht sonderlich berührt zu sein. Offensichtlich stehen sie ihrem Kapitän nicht allzu nah.
Just in diesem Augenblick tauchte der Kapitän auf, von dem die Rede war (vielleicht sollten wir ihn besser der Dieb nennen). Hartmut sah erst unsere gleichermaßen betrübten wie begeisterten Gesichter an, betrachtete dann die Schmiede und schließlich den Brief des Königs. Dann blickte er Ophelia an, die sich hingekniet hatte, um irgendetwas zu Ehren des Dorfes zu sagen.
— O.k., sieht so aus, als hätte ich was verpasst.
Blöd kichernd fügte er hinzu:
— Und ich meine damit nicht das Inventar irgendwelcher Leute.
Im gleichen Augenblick waren Schreie aus der Ferne zu vernehmen.
Alices Vater funkelte Hartmut wütend an.
— Idiot! Gib sofort zurück, was du gestohlen hast!
— Nur die Ruhe, das war doch nichts! Ich habe nur einen Ring mitgehen lassen. Er zeigte uns einen Obsidianring und betrachtete ihn eingehend.
— Dieses Ding ist absolut irre. Bin bald wieder zurück, Leute.
Ich stand noch zu sehr unter Schock, um irgendetwas zu sagen. Esmeralda hingegen wurde immer aufgeregter, umso öfter sie den Brief las. Schließlich stellte sie genau die Frage, die mir auch gerade durch den Kopf ging.
— Äh … wie viele Türen haben wir in Dorfstadt?
— 375, antwortete Max. Nee … warte! Wenn wir den Südturm mitzählen, sind es sogar 379.
— Ach ja!, sagte sie und zwinkerte uns zu. He, Leute, ich glaube, Dorfstadt braucht eine kleine Aufhübschung. Sind wir doch mal ehrlich: All diese Türen sind doch eigentlich nur Monsterattrappen. Was denn? Schaut mich doch nicht so an! Einer muss sich doch Gedanken um unsere Sicherheit machen.
So zog sich die Unterhaltung eine Weile in die Länge. Der Inhalt der Bekanntmachung war einfach unfassbar und die Einzelheiten alles andere als klar.
Alices Vater vermutete, dass unsere Ausbildung in der Hauptstadt vergleichbar sein würde mit der, die wir in unserer Schule genossen hatten, nur eben intensiver. Doch es gab noch viele weitere Fragen, auf die er ebenfalls keine Antwort hatte. Wie lange würden wir dort bleiben? Wie würde das Leben in der Hauptstadt sein? Würden wir unsere Eltern besuchen dürfen?
Als uns allmählich die Fragen ausgingen, blickten wir alle auf Max, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte. Zur allgemeinen Überraschung hatte er die Schmiede der Ewigkeit zu sich hingezogen, beugte sich gerade über sie und legte vorsichtig in einer diagonalen Linie Prismarinkristalle darauf aus. Plötzlich blitzte es grün auf und eine blaue Lichtsäule loderte über jedem Kristall. Dann vereinigten sich die einzelnen Kristalle und formten sich zu einem festen Stab, den man vielleicht als Prismarinstock bezeichnen könnte.
Doch kaum war um den Gegenstand ein violetter Lichtkreis entstanden, hörten wir ein seltsames, fast schon traurig klingendes Geräusch, und der Stock verschwand in einer kleinen Rauchwolke. Das violette Licht überdauerte den gescheiterten Craftingversuch noch einen kurzen Augenblick.
Sogar um diese Zeit war der Speisesaal nicht ganz leer und einige Personen hatten das kleine Experiment von Max sowie Esmeraldas donnernde Bemerkung aufmerksam verfolgt. Die meisten begnügten sich damit, in ihrer Ecke über uns zu lachen. Ich blickte mich um und bemerkte, dass Alice wortlos verschwunden war.
Kurz darauf fand ich sie auf einem Balkon in der oberen Etage. Sie war allein und betrachtete mit verschränkten Armen den Sternenhimmel …