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Vögel stehen häufig an der Spitze von Nahrungsketten. Ein Beispiel – einfach und komplex zugleich: Meisen fressen bevorzugt kleine Raupen. Raupen sind die Larven von tag- oder nachtaktiven Schmetterlingen. Aus dem Ei geschlüpft fressen Raupen von grünen Pflanzenteilen, bis sie groß genug sind, sich zu verpuppen. In der Puppe verwandelt sich die Raupe in den Falter. Der erwachsene Schmetterling ernährt sich dann von Nektar, den nur blühende Pflanzen bereitstellen. Es müssen geeignete Blumen oder Sträucher im Garten wachsen, und oft sind das wieder ganz andere als die Pflanzen, von denen die Raupen fressen. Bei einigen Schmetterlingsarten überwintern die Tiere als Raupe, bei anderen in der Puppe oder einem Kokon, wieder andere überleben den Winter als fertiger Schmetterling an geschützten Stellen. Damit Raupen als Nahrung für die Meisen vorkommen, muss der Lebensraum also erstmal die Bedingungen für die Schmetterlinge erfüllen: Nahrung, Fortpflanzung, Schutz. Und dafür müssen wiederum die Standortbedingungen für die passenden Pflanzen erfüllt sein: gesunder Boden, Wasser, Licht.

Komplexe Abhängigkeiten

Tatsächlich ist das Beispiel der Raupen fressenden Meise gar nicht einfach, sondern Pflanzen und Tiere sind untereinander über ein kompliziertes Netz miteinander verbunden und voneinander abhängig. Die Meisen fressen zudem ja nicht nur Raupen, und zwar von verschiedenen Schmetterlingsarten mit unterschiedlichen Wirtspflanzen, sondern auch andere Insekten und Spinnen. Im Winter brauchen sie dann Sämereien, die sie in den Samenständen von Pflanzen finden – das können wieder ganz andere als die Raupenfutter- und Nektarpflanzen der Schmetterlinge sein.

Die Vögel zeigen es!

Vögel sind sogenannte Schirmarten: Wenn Vögel im Garten leben, kommen auch andere Tierarten vor, zum Beispiel Wirbellose als Nahrungstiere. Der Großteil der Tiere im Garten sind Wirbellose. Das sind all die kleinen Krabbel- und Kriechtiere ohne Knochengerüst, von Insekten über Spinnen, Asseln und Tausendfüßer bis hin zu Schnecken und Würmern mit einer überraschend großen Artenvielfalt.

Weitere Tiere fressen ebenfalls Insekten, Spinnen, Würmer oder Schnecken, zum Beispiel Frösche oder Eidechsen, Igel oder Fledermäuse. Die Vögel, die sich sehr gut beobachten und bestimmen lassen, gelten als Indikatoren. Sie belegen nicht nur ihre eigene Existenz, sondern auch die anderer Organismen im selben Lebensraum.

Viele Nischen, viele Arten

Je mehr verschiedene Angebote an Nahrung, Unterschlupf, Nistplätzen usw. im Garten vorhanden sind, umso mehr verschiedene Tiere, auch unterschiedliche Arten, können vorkommen. Die verschiedenen Möglichkeiten nebeneinander nennt man ökologische Nischen, der Prozess der Anpassung einer Art im Laufe der Evolution heißt Einnischung.

Es gibt zeitliche und räumliche Nischen, Anpassungen an Nahrung oder Nistmaterial. Alle Gegebenheiten in einem Lebensraum erfüllen in unterschiedlicher Kombination die Bedingungen verschiedener Tierarten.

Blaumeise und Kohlmeise suchen Insekten und deren Larven zwischen Blättern und Ästen. Die kleinere und leichtere Blaumeise nutzt dafür die äußeren Zweige, die Kohlmeise klettert weiter im Inneren von Bäumen und Sträuchern umher. Beide Meisenarten brüten in Höhlen und stehen in Konkurrenz um geeignete Nistplätze. Die Kohlmeise beginnt jedoch etwas eher im Jahr mit der Brut. Dafür kann die Blaumeise auch in Höhlen mit kleinerem Einflugloch schlüpfen.

Hausrotschwanz und Zauneidechse ernähren sich beide von Insekten. Der Hausrotschwanz fängt Beute in der Luft, die Zauneidechse legt sich auf Holz oder Steinen auf die Lauer. Fledermäuse und Igel sind nachtaktive Insektenfresser. Sie gehen sich nachts buchstäblich aus dem Weg, indem die Fledermaus im Luftraum jagt und der Igel am Boden nach der nächsten Mahlzeit sucht.

Wo ein Zaunkönig ist …

Noch ein Beispiel gefällig? Der Zaunkönig (Bild unten) frisst kleine Insekten, hauptsächlich Käfer, aber auch Spinnen, die er am Boden sucht. Und das auch im Winter, denn der Zaunkönig zieht nicht nach Süden wie die meisten anderen Insektenfresser. Im Laub unter Sträuchern findet er überwinternde Kleintiere. Dichtes Gestrüpp oder Reisighaufen bieten ihm Schutz und Deckung. Vielleicht baut er hier im Frühjahr dann auch ein Nest – wenn er Moos und Laub, Haare und Federn als Nistmaterial finden kann.

Ohne Kleingetier kein Zaunkönig, das ist der Kreislauf der Natur.

… mag es auch die Erdkröte

Den Reisighaufen mögen auch andere Tiere. Oben im Reisighaufen brütet vielleicht der Zaunkönig, zwischen den Zweigen am Boden könnten Erdkröte oder Igel wohnen. Vorausgesetzt es gibt ausreichend Nahrung für alle, denn auch Erdkröte und Igel fressen Wirbellose. Während der Zaunkönig aber eher kleinere Insekten sucht, mögen die anderen beispielsweise Würmer lieber. Die Erdkröte erbeutet sie am Tag, der Igel nachts.

BIODIVERSITÄT

Biodiversität setzt sich zusammen aus der Vielfalt verschiedener Arten (Artenvielfalt), der Varianz innerhalb einer Art (Genetik) und der Vielfalt unterschiedlicher Lebensräume. Oft muss Artenvielfalt als Synonym für Biodiversität herhalten. Biodiversität ist jedoch viel mehr.

Hier profitieren viele: In der Krone sucht die Blaumeise nach Insekten, am Stamm der Kleiber und die Singdrossel am Boden. Und für uns Menschen gibt es feine Äpfel im wohltuenden Schatten mit bestem Vogelkonzert.

Von Nahrungsketten zu Nahrungsnetzen

Unsere Gartenvögel haben unterschiedliche Gewohnheiten. Zum Beispiel gibt es Körner- und Insektenfresser. Wenn eine Vogelart vorkommt, belegt das, dass die richtige Nahrung ebenfalls vorkommt – bei Nahrungstieren entsprechend auch deren Nahrung. Abhängig davon, was man betrachtet, sind Nahrungsketten unterschiedlich lang, mit unterschiedlich vielen Beteiligten. Am richtigen Standort wächst beispielsweise die Kardendistel, der Stieglitz frisst die Distelsamen. Komplizierter wird es schon beim Sperber, der eine Grasmücke erbeutet: Grasmücken sind Insektenfresser, fast ausschließlich Fluginsekten, von denen sich die meisten von Nektar ernähren. Es braucht also Pflanzen für Insekten, die von der Grasmücke gefressen werden, die dann der Sperber erbeutet. Wenn ein Element wegfällt, ist das gesamte System gestört. Das leuchtet ein!

Jetzt muss man allerdings noch berücksichtigen, dass viele Insekten mehrere verschiedene Pflanzen nutzen, Grasmücken unterschiedliche Insekten fressen und auch der Sperber nicht nur Grasmücken, sondern auch andere Kleinvögel fängt. Schon hat man ein komplexes Nahrungsnetz und die Konsequenzen bei Störungen sind viel weitreichender und schwerer zu überblicken.

Lebende Insekten zur Jungenaufzucht

Fast alle Vögel füttern ihre Jungen mit Insekten und deren Larven. Körnerfresser wie Spatzen, Grünfink oder Stieglitz nur in den ersten Tagen, später wird der Nachwuchs bereits mit im Kropf der Eltern vorgeweichten Körnern gefüttert. Pestizideinsatz im Garten vernichtet also nicht nur die Nahrungsgrundlage beispielsweise von Hausrotschwanz, Mönchsgrasmücke oder Mehlschwalbe, die Vernichtung von Insekten schränkt auch den Bruterfolg anderer Vogelarten immens ein.

Eine Ausnahme unter unseren Gartenvögeln sind Ringel- und Türkentaube, die ihre Jungen ausschließlich mit einer sogenannten Kropfmilch füttern. Die Altvögel produzieren dieses Sekret im Kropf, daher der Name. Weil Tauben überhaupt nicht auf Insekten angewiesen sind, können sie das ganze Jahr über Nachwuchs großziehen, auch in milden Wintermonaten.

Die wenigsten kleinen Jungvögel sind Vegetarier, daher gibt es bei Familie Grauschnäpper heute Libelle.

Stabilisierung des ökologischen Gefüges

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde unsere Tierwelt in „Nützlinge“ und „Schädlinge“ eingeteilt, je nachdem, wer was frisst. Heute sind diese Bezeichnungen eigentlich überholt. Blattläuse sollten nicht als Schädlinge betrachtet werden, im naturnahen Garten sind sie wichtiges Erstlingsfutter für Blaumeisen und andere kleine Vögel. Ältere Junge von Meisen werden mit kleinen Raupen aufgezogen. Diese Raupen können im Gemüsebeet keinen Schaden mehr anrichten. Meisen beispielsweise haben anscheinend auch gelernt, die Raupen des Buchsbaumzünslers aus den Gespinsten zu picken.

Der Hausrotschwanz erbeutet unter anderem auch Schmetterlinge. Für viele sind Schmetterlinge an bunten Blumen Sinnbild eines intakten Gartens. Ist der Hausrotschwanz nun ein „Schädling“?

Gimpel wurden früher in Obstplantagen bekämpft, da sie mit Vorliebe die frischen Knospen der Bäume anknabbern. Elstern werden als „Schädlinge“ betrachtet, weil sie auch Eier und Jungvögel fressen. Das machen zuweilen auch Buntspechte oder Eichhörnchen – die werden aber nicht verteufelt. Wo viele Arten vorkommen, sind die Nahrungsnetze komplexer und damit resilienter. Das ist gut so, das ökologische Gefüge wird dadurch stabiler. Im Garten sollte man versuchen, nachhaltig mit der Natur zu wirtschaften und sich zu freuen, wenn es funktioniert. Je reichhaltiger und vielfältiger der Garten, umso besser. Vor der eigenen Haustür zu beobachten, wie ein jagender Sperber in rasantem Flug einen Kleinvogel erbeutet, ist doch auch ein spektakuläres Erlebnis!

ZAHLEN & FAKTEN

Wildbienen sind wichtig als Bestäuber: Ohne sie gäbe es keine Samen, Beeren und Früchte, sprich Nahrung für Vögel und viele andere Tiere.

Insekten und ihre Larven in allen Stadien sind Nahrung für viele Vögel und andere Tiere, besonders beliebt sind Raupen.