Kapitel 9
Lilith
E s ist wieder abends. Genau genommen kurz vor 22 Uhr, bevor das Licht ausgeht, als Zero das Zimmer betritt und ich auf dem Bett in meiner frischen Kleidung, das blonde Haar zusammengebunden, und mit einem fragenden Blick zurückweiche. Er trägt wie immer seine Maske und seine Handschuhe und dieses Mal einen Parka, schwere Schnürschuhe und graue schmal geschnittene Jeanshosen. Sein dunkles Haar ist unter der Kapuze des Parkas nicht zu sehen, dafür sein Hals mit dem ausgeprägten Adamsapfel und dem glatt rasierten Unterkiefer.
»Hallo, meine Angebetete.«
»Verschwinde, du Psychopath«, bringe ich über die Lippen, rutsche auf dem Bett so weit wie möglich in die hinterste Ecke und starre ihn böse an.
Neben ihm steht Nummer zwölf in der Tür, den ich daran erkenne, weil er jeden Tag dieselben schwarzen Turnschuhe mit dem roten Nikelogo trägt.
»Ihr scheint euch ja hervorragend zu verstehen«, kann sich Vier seinen Spruch nicht verkneifen. Sofort dreht sich Zero zu ihm um, bekommt ihn an der Jacke zu fassen und zieht ihn ruppig an sich.
»Pass auf, was du sagst. Dich hat niemand um deine Meinung gebeten. Warte vor der Tür«, knurrt er in einem fließenden unheilvollen Spanisch, sodass sich mein Magen zusammenknotet. Endlich sehe ich einen anderen Teil von ihm. Einen Teil, der zeigt, wozu er fähig ist, wenn ihm etwas nicht passt.
Sein Mann prallt rückwärtsstolpernd gegen die Wand im Korridor, bevor er sich fängt und die Tür mit den Worten »Kommt nicht wieder vor« leise schließt.
Nun fährt Zero zu mir herum. Ich blicke von der Tür zu ihm und schlucke hart. »Ich habe dir etwas mitgebracht. Es wird dir nicht helfen, in der Dunkelheit zu sehen, dafür am Tag.«
Wie bitte? »Komm schon, nicht so schüchtern. So bist du nicht.«
Als würde er das jeden Tag tun, Gefangene besuchen und ihnen etwas mitbringen, setzt er sich auf das Bett neben mich und zieht etwas aus der Parkatasche. Etwas, was verdammt aussieht wie eine Kontaktlinsenhülle.
Ich umfasse die Kette, die von meinem Fußgelenk zum Bettbein führt, und schüttele den Kopf. »Du musst mir keine Kontaktlinsen bringen.«
»Die wolltest du immer haben, oder täusche ich mich?«
Äh, woher will er das wissen? Hat er Menschen befragt, denen ich davon erzählt habe? »Ich … Mir würde meine Brille genügen.«
»Mit der du aussiehst wie eine Streberin?« Er reicht mir mit einer Hand die Dose und zieht aus der anderen Tasche Kontaktlinsenflüssigkeit hervor. Was soll das?
»Ich sehe nicht aus wie eine Streberin. Mir gefällt meine Brille.«
»Mir aber nicht. Sie ist unpraktisch und zudem hässlich. Jetzt nimm die Kontaktlinsen und setz sie morgen ein.« Wenn er dann Ruhe gibt.
Ich schnappe die Dose und die Flasche, erhebe mich in einem sicheren Abstand vom Bett und stelle beides auf dem Waschbeckenrand ab.
»Geht doch«, höre ich ihn sprechen und spüre seine Finger unvermittelt über mein Rückgrat gleiten. Sofort stoppe ich in meiner Bewegung, schaue mir im Metallspiegel entgegen und hole flach Luft.
»Wie lautet deine Antwort?«, fragt er hinter mir.
»Wenn ich nicht mehr mit dir schlafen muss, ja.«
»Autsch. Ich glaube, ich habe bisher keine fiesere Abfuhr erteilt bekommen«, spricht er hinter mir, erhebt sich vom Bett und schiebt dabei seine Finger unter mein T-Shirt. Sie rutschen über meinen Bauch zu meinen Brüsten hoch und reiben meine rechte Brustwarze. »Ich habe anderes gesehen. Ich dachte, du hättest es dir überlegt und dir hätte es doch gefallen.«
Gefallen würde ich es nicht nennen. Aber es über mich ergehen lassen auch nicht.
»Du hast mein Ja bekommen«, antworte ich ihm, umfasse seine Hand, die sich unter meinem T-Shirt befindet, und will sie wegschieben.
»Du hast sie mit einer Bedingung verknüpft, Lilith. Und ich werde auf keine deiner Bedingungen eingehen.«
Gerade als er seine Hand um meine Hüfte legt und meine Brust fest umfasst, geht das Licht aus.
»Aber ich habe zugestimmt und du wolltest mich aus dieser Zelle gehen lassen.«
»Die Regeln haben sich geändert, Lilith. Du hast zu lange gewartet.«
Nein, das denke ich nicht. Ich denke eher, dass er von mir besessen ist und eine Frau festhält, die er ausnutzen kann.
»Also interessiert es dich nicht mehr, dass ich für dich arbeiten soll? Oder soll ich jetzt deine persönliche Hure sein, die du jederzeit besuchen und bestei…«
Augenblicklich wird eine Hand auf meinen Mund gepresst. Ich spüre seinen Atem zwar nicht auf meiner Haut, da er die Maske trägt, dennoch hat er sein Gesicht zu meinem Kopf herabgebeugt.
»Du bist nicht meine Hure. Ich habe Gefallen an dir gefunden und ich finde dich anziehend und interessant. Und ich denke, dir geht es ebenso. Nur weil du keiner Organisation angehörst, die Terequeraz und die Muerte Negra hasst, kommt es dir falsch vor. Es ist nichts falsch daran …«
Im nächsten Augenblick zieht er mein Shirt höher über meine Brüste. Seine Worte stimmen. Ich mag beide Gruppierungen nicht sonderlich. Und ich will nicht als die gefangene Sexsklavin gehalten werden.
»Okay«, antworte ich und halte ihn davon ab, mir das Shirt auszuziehen. »Ab morgen lässt du mich gehen?«, hake ich nach und drehe das Gesicht zu ihm über die Schulter.
»Ich lasse dich sogar direkt danach gehen«, antwortet er gewieft. Ich weiß genau, was er mit danach meint. »Allerdings nur, wenn du dich mir nicht widersetzt und dich nicht querstellst.«
Noch einmal mit ihm schlafen und er würde mich tatsächlich aus der Zelle entlassen? Zwar glaube ich ihm nicht, trotzdem kann ich nur herausfinden, ob er die Wahrheit sagt, wenn ich tue, was er will.
Und ganz ehrlich, er hat mich gestern Nacht nicht geschlagen, mich nicht beleidigt, mich nicht eingeengt und ausgenutzt, sondern wollte, dass ich es genieße. Wer zögert nicht manchmal, ob der One-Night-Stand, den man im Club kennengelernt hat und aufreißt, kein Fehler ist? Im Gegensatz zu einem ONS kenne ich einige Details über ihn. Nicht viele, aber einige.
Daher … Ich lecke über die Lippen, nicke und hebe die Arme.
»Ich widersetze mich dir nicht.«
Kurz wirkt er überrascht, was ich an seinem Zögern merke. Oder aber er rechnet mit einer hinterhältigen Attacke von mir. Doch er ist wieder im absoluten Vorteil; er sieht im Dunkeln besser als ich.
»Das höre ich gern«, raunt er erfreut hinter mir und zieht mir das Shirt langsam aus. Da ich weder Top noch BH trage, stehe ich oberkörperfrei vor ihm. Etwas macht es mir Angst, dass er mehr sieht als ich. Mich sieht, während ich ihn nur wie einen Geist spüren und hören kann.
»Aber ich möchte nicht, dass du dich zu einer willenlosen Puppe entwickelst, sondern dein stürmisches, interessantes Wesen behältst.« Das will er wirklich? Das ist das erste Mal, dass jemand meine freche, unkontrollierte, rebellische Art als etwas Schönes betrachtet.
Langsam drehe ich mich vor ihm um, hebe die Hände vorsichtig in die Luft und suche blind nach seinen Schultern. Ich taste über seine Arme, seinen Parka und spüre anschließend die harte PVC-Maske auf seinem Gesicht. Jede einzelne Erhebung der Maske versuche ich mir einzuprägen.
»Dieses Wesen wird mir niemand austreiben«, antworte ich lächelnd. Seit Ewigkeiten ertappe ich mich dabei, zu lächeln. Ausgerechnet vor ihm.
Als ich die Finger wieder über den Parka gleiten lasse, öffne ich ihn und spüre darunter einen lockeren Stoff, der mit einem tiefen Ausschnitt über seine Brust verläuft. Es ist wieder ein loses Muskelshirt mit tiefem Ausschnitt und Armlöchern, wie es Basketballer und Sportler tragen.
Da es in der Zelle nicht gerade warm ist, friere ich vor ihm, spüre die Gänsehaut sich auf meinem nackten Oberkörper ausbreiten und meine Brustwarzen sich hart zusammenziehen.
Er greift in mein Haar, löst den Haargummi und schiebt die Finger auf meinen Hinterkopf. Ohne ein Wort zu sagen, lässt er es zu, dass ich mit den Händen unter sein Shirt gleite und jeden Bauchmuskel und Brustmuskel ertaste. Er ist verdammt gut trainiert und macht vermutlich drei- bis viermal wöchentlich Sport. Feine Härchen zeichnen sich unterhalb seines Bauchnabels ab.
Seine Hand streichelt über meine Schulter zu meinen Brüsten hinab. Er zeichnet sie mit seinen behandschuhten Fingern nach, als würde er die Konturen haargenau sehen.
»Du bist so teuflisch schön«, höre ich ihn sagen, was mich in meiner Bewegung stoppen lässt.
Wieder zucken meine Mundwinkel, und auch wenn ich nicht in seine Augen blicken kann, höre ich am Klang seiner Stimme, dass er es ernst meint.
Ich überwinde die restliche Distanz zu ihm, greife zu seiner Maske und ziehe sie von seinem Gesicht. Kurz wirkt er wie erstarrt, bis ich die Fingerkuppen über seinen Hals, höher zu seinem Kiefer wandern lasse. Ich will sein Gesicht nicht ertasten, nur Halt finden, um mich an ihm hochzuziehen und ihn zu küssen.
Kaum treffen meine Lippen auf seine, spüre ich seinen warmen angenehmen Atem, öffne meinen Mund und suche mit meiner Zunge seine.
Ich weiß, dass es sich vielleicht absolut idiotisch anhört, aber er kann wirklich den Bannkreis brechen. Bisher gelang es keinem Mann zuvor. Bloß Iron. Aber ihn habe ich nur geküsst, nie mit ihm geschlafen.
Wenn ihm mein stürmisches Wesen wirklich gefällt, dann habe ich keine Hemmung, auf ihn zuzugehen. Denn schüchtern oder zurückhaltend war ich nie, wenn ich weiß, was ich will. Und gerade will ich ihn küssen. Einfach spüren und seinen Duft einatmen.
Mit jeder weiteren Sekunde verschmelzen unsere Zungen mehr, ohne dass einer den Kuss unterbricht. Obwohl ich diejenige war, die den Kuss eingefordert hat, übernimmt er recht schnell die Führung. Finger umfassen mein Kinn, seine Zunge forscht in meinem Mund und fährt hungrig meine Zahnreihen entlang. Ich keuche, reibe mit meinen Lippen über seinen Mund, küsse seinen Mundwinkel und lecke über seinen Unterkiefer. Anschließend ertappe ich mich dabei, wie ich nur von der leichten Berührung um meine Brüste, erregt bin. Wie sich ein verlangendes Pochen in meinem Becken ausbreitet.
Ich taste mit den Fingern unter seinem Parka entlang, den ich gleich darauf von seinen Schultern schiebe. Dann geht es ziemlich schnell. Er wird seine Handschuhe los, trennt sich von meinen Lippen und streift sein Shirt über den Kopf. Zumindest höre ich das Rascheln des Stoffs und spüre anschließend seine nackte warme Haut unter meiner Hand.
Dieses Mal umfasst er meinen Hals und küsst mich erneut so verdammt gierig, dass sich mein Herzschlag beschleunigt und mir heiß und kalt auf einmal wird. Er schmeckt verdammt gut, nach Freiheit, Entschlossenheit und Willenskraft.
Ich fahre mit den Fingern tiefer zu seiner Hose und ertaste ungewollt seinen erigierten Schwanz unter dem Stoff. Ich gefalle ihm wirklich, selbst im Dunkeln. Und er gefällt mir auch, auch wenn ich sein Gesicht nicht sehen kann. Aber was ich von ihm ertastet habe, spricht mich an. Ein markanter Kiefer, seidiges handlanges Haar und diese dunklen faszinierenden Augen.
Ich weiß, dass er nicht sprechen wird, damit ich seine Stimme nicht irgendwann draußen wiedererkenne, und es ist mir egal. Er hat auch einen Schwachpunkt, wie ich so viele habe.
Ohne zu überlegen, öffne ich seine Hose, er schiebt meine hinunter und umfasst meine Pobacken.
Ein anzügliches Keuchen ist an meiner Stirn zu hören. Genau in dem Moment, als seine Hose herunterrutscht und ich seinen Schwanz, der – heilige Scheiße! – verdammt groß ist, mit meinen Fingern umschließe und berühre.
»Ich hoffe sehr, du belügst mich nicht.« Statt mir zu antworten, treffen seine Lippen auf meine. Ich werde von dem Kuss wieder in eine andere Welt katapultiert, die nicht einsam ist, die nicht düster ist, die nicht tödlich ist. Diese Dunkelheit um mich herum beschützt mich auf seltsame Weise.
Obwohl ich es selbst nicht von mir erwartet hätte, lege ich meine Handgelenke um seinen Nacken und springe an ihm komplett nackt hoch. Er begreift sofort, was ich vorhabe. Ich höre ihn an meinem Ohr dunkel lachen, höre das Klirren meiner Fußkette und spüre, wie er seine Hände um meinen Po legt und langsam zum Bett zurückgeht. Auf der schäbigen Matratze nimmt er Platz, ich schiebe meine Knie rechts und links neben seine Oberschenkel und hebe mein Becken.
Meine Lippen treffen verlangend seine, als er mit seinen Fingern durch meine Pussy gleitet und spüren dürfte, wie verdammt feucht ich bin. Mit einem frivolen Knurren knabbert er hart an meiner Unterlippe, zieht sie zu sich und positioniert seine Schwanzspitze an meiner Pussyöffnung.
Beide Hände ruhen um mein Becken, ich hole zittrig Luft, bis ich mein Becken auf seinen Schwanz senke und er mir entgegenkommt. Er dringt gefühlt bis zur Hälfte in mich ein, als ich den Kopf in den Nacken lege und die Augen schließe. Einen Moment ziept es. Doch schon eine Sekunde später gewöhne ich mich an seine Größe. Beim nächsten Stoß beißt er in meine Brustwarze, und ich schreie auf, denn zugleich dringt er komplett in meine Pussy und füllt mich mit seinem großen Phallus aus.
Ein Schauder wandert über mein Rückgrat, als er in mir ist und meine Brustwarze mit der Zunge umkreist. Wie ein elektrischer Impuls wandert das Kribbeln von meiner Brustwarze in mein Becken, und ich beginne von allein, mich auf ihm auf und ab zu bewegen. Mit den Händen umfasse ich seine breiten Schultern, um Halt zu finden, drücke mein Rückgrat durch und reite ihn.
Reite ihn mit jeder Minute selbstbewusster und intensiver. Ich will wieder sein erregtes Stöhnen hören. Ich will für diesen Augenblick, dass er mir gehört und ich ihm, egal, wer er ist. Meine Brüste bewegen sich in einem immer schneller werdenden Rhythmus. Seine Finger graben sich fester in meine Pobacken, zugleich reibt er feucht über meine Klit.
Doch er muss mich nicht noch mehr stimulieren, da bereits seine Schwanzspitze über eine empfindliche Stelle in mir reibt, die ich nie zuvor gespürt habe. Und verdammt, mit jedem Stoß bebt, schwitzt und kribbelt mein Körper mehr.
Ich höre mich selbst keuchen, leise stöhnen, bis sich meine Scheidenwände zusammenziehen. Als wüsste er, dass ich jeden Moment von der Klippe springe und zum Höhepunkt komme, übernimmt er die Kontrolle und hebt mich auf seiner Hüfte auf und ab. So heftig, dass sein Schwanz noch härter und tiefer in mich eindringt. Zugleich saugt und beißt er in meine linke Brustwarze, und sein Atem beschlägt die Partie zwischen meinen Brüsten, was kitzelt.
»Fuck, verdammt!«, stöhne ich mit rauen Stimmbändern, kralle mich an seiner Schulter und in seinem Haar fest, als ich laut stöhnend zum Höhepunkt komme.
Ein kehliges Lachen ist zu hören, eine Zunge, die zwischen meinen Brüsten entlang leckt, ist zu spüren, und seine ungezähmte Gier. Denn nun nimmt er sich alles und vögelt mich schneller. Nicht mehr ich reite ihn, sondern er fickt mich. Und das so gut. Wie … »Nein«, keuche ich.
Doch schon geht die erste Hitzewelle, die meinen Körper durchflutet hat, in eine zweite über. Meine Pussy kontrahiert, meine Beine zittern und können mich kaum halten, als er mit den letzten tiefen Stößen in mir kommt und sich in mir ergießt.
Wieder lausche ich seinem dunklen Knurren zwischen meinen Brüsten, das in ein lustvolles Stöhnen übergeht.
Ob ich es zugeben will oder nicht, aber ich wurde in keiner Sekunde von meinen grauenhaften Erinnerungsmonstern überfallen. Sie waren nicht da. Ich habe nur ihn gespürt, ihn gerochen und gehört. Und ich weiß bereits jetzt, ich will davon mehr. Es fühlt sich an, als hätte er eine Tür in mir aufgestoßen, die ich nie zuvor entdeckt habe.
Mein Atem beruhigt sich, mein Puls verlangsamt sich, als ich über seinen Hals lecke. Jedes Mal muss ich aufpassen, ihn nicht versehentlich woanders zu berühren als geplant. An seinen Schultern halte ich mich fest, um von ihm zu steigen.
Er will mich davon abhalten, doch ich finde, für den Anfang genügt es. Wir sind schließlich kein Paar oder Vertraute. Als ich mich aus seinem Griff winde, erhebe und vom Bett steigen will, kommt mir die verfluchte Kette in die Quere, die mich ausbremst. Ich verheddere mich in ihr, als ich von der Matratze steigen will, und keuche auf. Rechtzeitig bekommen mich Hände um meine Mitte zu fassen und ich höre ein dunkles Lachen.
»Du solltest nicht fliehen und dir dabei das Genick brechen«, höre ich ihn unter der Maske sprechen. Wann hat er seine Maske aufgesetzt?
Seine Hand liegt warm um meine Mitte, als er mich näher zu sich zieht.
»Ich wollte nicht fliehen.«
»Doch, wolltest du. Setz dich aufs Bett und warte einen Moment.«
»Weshalb?«, frage ich ihn. Wie manchmal gibt er mir keine Antwort auf meine Frage, dirigiert mich auf die Matratze und drückt mich an der Schulter hinunter, damit ich Platz nehme.
Anschließend höre ich das Klappern seines Gürtels und spüre die Luftströme, als er sich ankleidet.
»Zwölf, mach das Licht an.«
Augenblicklich geht das Licht an und mich treffen die hellen Strahlen der Wandleuchten wie grelle Blitze auf der Netzhaut.
Vor mir sehe ich Zero in seinem geschlossenen Parka, seiner grauen Hose und mit Maske vor mir stehen. Wäre sein Haar nicht noch etwas unter seiner Kapuze zerwühlt, könnte man meinen, wir wären nicht gerade im Dunkeln übereinander hergefallen.
Erst jetzt bemerke ich, dass er angezogen ist, während ich noch immer nackt auf dem Bett sitze. Rasch zerre ich die Decke um meinen Körper und kauere mich mit dem Rücken an die kühle Betonwand.
»Glotz nicht so.«
Er lacht geheimnisvoll. »Vor wenigen Augenblicken hat es dich nicht gestört, meine Angebetete.«
»Ich steh zu meinem Wort und lasse dich heute frei. Du wirst umziehen, in eine wesentlich bessere Wohnsituation. Allerdings vertraue ich dir nicht. Sosehr ich dein ungestümes, freches Wesen mag, weiß ich zugleich, wie eigensinnig und sturköpfig du sein kannst. Daher muss ich gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen.« Was meint er damit?
Er geht zur Tür, klopft dagegen und kommt zu mir zurück. Gleich darauf wird die Tür geöffnet und zwei Männer betreten den Raum. Einer hält eine Art Spritze in der Hand, der andere frische Kleidung.
»Nein, was wird das?«, will ich wissen und rutsche von ihnen weg. Doch der maskierte Typ mit der Spritze mit dem längeren Haar, das unter seiner Kapuze hervorquillt, greift nach meinem Handgelenk und setzt die Spritze an. Ehe ich meinen Arm aus dem Griff zerren kann, geht ein brennender Schmerz durch meinen Unterarm.
»Das ist ein Mikrochip, mit dem wir dich jederzeit überall aufspüren können«, erklärt Zero gelassen.
»Ihr verpasst mir einen Peilsender wie einem Hund?«, frage ich verärgert und verziehe vor Schmerz das Gesicht. Ruppig zerre ich meinen Arm aus dem Griff der Frau. Dass sie eine Frau ist, erkenne ich an ihrem Körperbau.
Ein feuerroter Fleck breitet sich auf meinem Unterarm aus, der höllisch brennt.
»Ich bin nicht dämlich, Lilith. Ich weiß, dass du sofort deine Chance zur Flucht nutzen würdest, sobald du sie witterst.« Gut erkannt und schlecht für mich.
Aber ich könnte mir den Chip aus dem Arm schneiden, wenn es sein muss.
»Jetzt zieh dich an und schnapp dir deine Kontaktlinsen. In einer Viertelstunde siedelst du um.«
Dieser Schuft! Aber er steht zu seinem Wort. Ich bin ziemlich gespannt, wohin sie mich bringen werden, wie meine neue Unterkunft aussehen wird.
Ehe ich ihn fragen kann, wohin ich gebracht werde, hat er den Raum verlassen und lässt mich mit seinen beiden Anhängern allein, die mir die Decke vom Körper reißen und mir frische Wäsche, Kamm und Waschzeug vor die Nase halten.
Okay, wohin auch immer mich alles führen wird, schlimmer als an diesem Ort kann es nicht sein. Oh, doch. Es kann wesentlich schlimmer kommen. Doch ein klitzekleiner Teil von mir vertraut Zero. Er hält sein Wort. Ich kann mir selbst kaum erklären, warum ich ihm traue, da ich lange Zeit niemandem mehr über den Weg getraut habe – nicht einmal meinen Arbeitskollegen im Loonys oder den lästernden Frauen in der Wäscherei oder den Hotelangestellten im Holiday-Inn-Hotel, in dem ich die Zimmer gereinigt habe.
Diese drei Jobs werde ich endgültig los und werden sicher von neuen Bewerbern besetzt worden sein. Somit habe ich nur noch meine Wohnung, Zeros Wort und ein Geldbündel von 10.000 US-Dollar.