»Muss nur noch kurz die Welt retten«
Tim Bendzko
»Au!«, rief Lara. »Was soll das?«
»Wir haben etwas zu besprechen«, erklärte eine bekannte Stimme.
Lara sah erstaunt auf. Neben ihr stand Mila und schaute sie mit ihren rehbraunen Augen an. Die blonden Haare standen wirr in alle Richtungen ab. Ein Blick um sie herum ließ Lara verblüfft schweigen. Sie stand nicht mehr am Bahngleis in Baden-Baden. Sie stand am Ufer des Mummelsees. Umgeben von dichten Tannen schimmerte der dunkle See ruhig im schwindenden Tageslicht. Nur wenige Wanderer waren auf der gegenüberliegenden Seeseite unterwegs.
»Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte Lara.
Sie kannte den Ort zur Genüge. Zweimal schon war sie aus ihm aufgetaucht, als sie aus dem Totenreich zurückgekehrt war. Die Legenden erzählten, dass dieser See mit anderen magischen Orten auf der Welt unterirdisch verbunden war. Die Leute hatten ja keine Ahnung, wie recht diese Legenden hatten. Der See war nicht nur mit anderen Orten auf der Erde verbunden, er war mit anderen Welten verbunden.
»Styx hat dich hergebeamt«, erklärte Mila.
Lara sah an sich herunter. Da saß sie. Die dicke Katze, die sich die Pfoten leckte, als sei nichts geschehen. »Sie hat mich ... was?!«
»Hierher gebeamt. Damit wir in Ruhe reden ...«
»Du kannst mich nicht einfach durch die Gegend beamen!«, rief Lara wütend.
Die Katze hob den Blick und sah Lara an. »Natürlich kann ich das. Das weißt du doch.«
Lara erstarrte. Styx hatte gesprochen. Nicht wie sie oder Mila. Lara hatte die Stimme in ihrem Inneren gehört. Wie damals beim Auge. »Seit wann kannst du sprechen?«
»Sie kann schon immer sprechen«, mischte sich Mila genervt ein.
»Ich habe sie nie gehört!«, rief Lara.
»Du hast mit deinem Willen den Tod überwunden«, machte Styx sich wieder bemerkbar. Es war wie ein Kribbeln im Magen. Das Gefühl, ein bisschen verliebt zu sein. Und ein bisschen verrückt. »Was bedeutet, dass du jetzt mehr sehen, mehr hören, mehr fühlen kannst.«
Lara brauchte noch einen Moment, um die neue Form der Kommunikation mit der Katze zu verdauen, ehe sie die nächste Frage an sie richten konnte. »Also ist es wahr? Der Schimmer um die Steine herum? Das ist alles echt?«
»Ja. Das ist echt. Das ist auch der Grund, warum du Timo sehen kannst.«
Lara drehte sich um und suchte ihn. Sie sah zu den Tannen, die neben dem Weg wuchsen. Sah zu dem Bootsanleger, an dem man sich für eine halbe Stunde ein Ruderboot mieten konnte. Kein Timo.
»Wo ist er?«, fragte sie nervös.
»Ich blockiere ihn«, erwiderte Styx gelassen.
»Was? Warum?«
»Was wir zu besprechen haben, ist nicht für ihn bestimmt. Er hat andere Aufgaben.«
»Hör auf, ihn zu blockieren!«
Die Katze erwiderte Laras Blick. Diese Farben, als würde die Sonne untergehen. Die Wärme und unendliche Güte, die Lara in Sty Augen sah, ließen jeden Zorn verebben. »Die ganze Zeit redet ihr davon, dass ihr euch nicht einmischen dürft. Aber ständig mischt ihr euch ein«, protestierte sie nur noch halbherzig. »Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?«
»Glaub mir, das würde ich so gerne«, konterte Mila. »Wir brauchen dich.« Diese Worte hatten Mila sichtlich Überwindung gekostet. »Und krieg dich wieder ein. Du kannst Timo nachher wiedersehen. Für den Moment weiß er nur nicht, wo du steckst.«
Lara war erleichtert, ehe sie die Katze wieder streng ansah. »Und hör auf, mich zu beamen«, forderte sie Styx auf. »Ich bin jetzt schwanger. Das ist bestimmt nicht gut für Körnchen.«
Sty Körper schüttelte sich, und Lara hörte ein Lachen in ihrem Inneren. Es kribbelte so sehr in ihrem Magen, dass sie fast mitgelacht hätte. »Hör auf!«, rief sie stattdessen.
»Was glaubst du denn«, Styx kicherte ungerührt, »wie Johanna in dich reingekommen ist?«
Lara starrte die Katze an.
»Die Seelen beamen sich, wenn sie auf die Erde kommen. Das weißt du doch«, führte Mila weiter aus.
»Wer ist Johanna?«, fragte Lara.
»Deine Tochter«, ließ Mila vernehmen.
»Ich weiß noch gar nicht, was Körnchen wird.«
»Ein Mädchen. Du wirst sie Johanna nennen.«
»Nein! Werde ich nicht!« Lara sah Mila und Styx wütend an. »Vielleicht wird es ein Junge.«
Lara spürte die Sinnlosigkeit ihrer Argumentation. Mit einer angehenden Weltenhüterin und einer Katze mit magischen Fähigkeiten zu diskutieren, schien sinnlos. Aber Lara hatte selbst entdecken wollen, wer da in ihr heranwuchs. Hatte sich auf den Moment gefreut, in dem man erkennen konnte, ob Körnchen ein Mädchen oder Junge sein würde. Es durfte einfach nicht sein, dass Styx ihr dieses Mysterium genommen hatte.
»Entschuldige«, hörte sie Sty Stimme. »Ich vergesse manchmal, dass du eben doch nicht alles sehen kannst.«
»Körnchen wird nicht Johanna heißen«, erklärte Lara trotzig. Auch wenn sie den Namen wunderschön fand. Hier ging es ums Prinzip.
»Wie auch immer«, mischte sich Mila ein. »Deinem Kind kann durch Beamen nichts passieren.«
»Was ist mit Karin? Deine Mutter steht am Bahnhof und wartet auf mich.«
Mila zögerte einen winzigen Moment, ehe sie entschlossen abwinkte. »Erklär es ihr später.«
»Erklären? Was soll ich ihr denn erklären? Ich darf ja nichts sagen.«
»Und doch hast du Ayse vorhin versprochen, ihr heute noch alles zu erzählen«, warf Styx ein.
»Bitte was?«, empörte sich Mila.
»Sie ist sauer auf mich.«
»Sie wird sich von selbst erinnern«, behauptete Mila. »Wenn der Moment dafür gekommen ist. Bis dahin ist die Geheimhaltung äußerst wichtig. «
Lara atmete genervt durch.
»Du bist leider nicht die Einzige, die unsere Geheimhaltung in Zweifel zieht«, erklärte Styx wieder mit ihrer friedlichen Stimme, was etwas extrem Beruhigendes hatte, wie Lara feststellte. »Isabel will den Menschen von der Existenz der anderen Welten berichten.«
Lara schwieg verdutzt. Deshalb hatte Isabel die Karte der magischen Orte gestohlen und war zu den anderen Welten gereist?! Es war eine magische Karte, die die Ein- und Ausgänge der Welten anzeigte. Eigentlich war sie im Besitz des amtierenden Weltenhüters. Aber bei der Beerdigung ihres Vaters hatte Lara die Karte von Rasmus, dem alten Weltenhüter, überreicht bekommen. Mit Hilfe dieser Karte waren sie um die Welten gereist. Als Mila das gute Stück nach Laras Rückkehr zurückverlangt hatte, war sie verschwunden gewesen. Geklaut von Isabel – Marcs Ex-Freundin, die nur zufällig mit im Auto saß, als die Flasche mit dem Schimmer sich geöffnet und sie alle auf die Welt der Krieger gebeamt hatte.
»Wie will sie das denn machen?«, fragte Lara nach.
»Sie hat ihre Kamera geholt und macht Fotos der Welten. Diese Fotos will sie dann herumzeigen.«
Lara konnte es nicht fassen. Die ängstliche Isabel, die die halbe Reise durch die Welten in einer Art Schockstarre verbracht und erst ganz am Ende ihre Ängste überwunden hatte, machte jetzt eine Art Welten-Reportage?
»Sie war auf der Welt der Krieger. Dann bei ihr . Dort habe ich sie zuletzt gesehen. Seitdem ist sie verschollen.«
Lara starrte Mila an, als hätte sie den Verstand verloren. Von all dem, was Mila schon zu ihr gesagt hatte, ergab diese Aussage am wenigsten Sinn. »Wie ist das möglich? Du kannst doch mit Zwitscher überall hinsehen. Genau wie die anderen Weltenhüter. Warum findet sie keiner?«
Schweigen. Lara sah von Mila zu Styx, die nun leise erklärte: »Wir wissen es nicht.«
»Ihr wisst es nicht? Die Weltenhüterin und was auch immer du bist ... wisst es nicht?«
»Ich bin noch keine Weltenhüterin. Das ist ja das Problem!«, rief Mila frustriert. »Das Ritual, das mich zur Weltenhüterin macht, kann nur mit der Karte stattfinden. Die Karte wird dann an mich weitergereicht. Von Rasmus. Dem letzten Weltenhüter. Solange das nicht passiert, bin ich nichts weiter als eine Sechsjährige mit einem Auge in der Hand.« Mila trat nun näher an Lara heran. »Ich darf die anderen Welten nur als Weltenhüterin besuchen. Außerdem kann ich hier nicht weg. Aber du bist schon dort gewesen. Du kannst sie finden.«
»Ich kann nicht sechs Planeten nach Isabel absuchen. Das ist unmöglich!«
»Doch. Das kannst du. Weil du eine Fähigkeit geschenkt bekommst.«
Lara sah zu Styx, die neben sie trat.
»Ich gebe dir eine meiner Gaben, die es dir ermöglicht, eine ganze Welt in kurzer Zeit nach Isabel abzusuchen.«
Lara hockte sich neben Styx. »Was genau bist du?«
»Ich bin ein Teil von euch. Und ihr seid ein Teil von mir.«
»Das ist wenig hilfreich«, stellte Lara fest .
»Du wirst verstehen«, versprach Styx. »Und jetzt sieh mich an.«
»Moment!« Lara stand wieder auf. »Ich habe nicht gesagt, dass ich es mache.«
»Du musst«, fand Mila.
»Ich muss gar nichts. Ich habe einen eigenen Willen. Und ich erwarte ein Kind. Ich muss tausend Entscheidungen treffen. Welchen Beruf ich wähle. Wie alles weitergehen soll. Ich kann nicht schon wieder zu den anderen Welten. Ich ...«
»Lara.« Die Ernsthaftigkeit in Milas Stimme ließ Lara verstummen. »Unsere Welt hat im Moment keinen Weltenhüter. Und du bist die Einzige, die diesen Zustand beenden kann.«
»Was genau machst du überhaupt als Weltenhüterin? Du darfst immer nur zugucken und nicht eingreifen. Das kannst du auch ohne deine Karte.«
»Sie kennt den Willen eines jeden Wesens auf dieser Welt«, ließ Styx in Laras Inneren vernehmen. »Sie weiß, was ihr wirklich braucht. Sie sieht, wenn ihr Irrwege geht. Sie sendet euch Zeichen, wenn ihr Entscheidungen treffen wollt. Wenn ein bestimmtes Buch in eure Hände fällt und ihr es nicht mehr aus der Hand legen könnt, blättert sie die Seiten um. Wenn ihr einem Menschen begegnet, den ihr bereits zu kennen glaubt, obwohl ihr ihn noch nie getroffen habt, hat sie ihn geschickt. Wenn ein bestimmtes Lied im Radio läuft, das genau eure Situation widerspiegelt und euch dazu animiert, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, dann hat sie das Radio angeschaltet.«
Verblüfft starrte Lara zu der kleinen Gestalt, die so zerbrechlich und so verwirrt wirkte. »Das kannst du? «
»Wenn ich die Karte habe«, erklärte Mila trotzig.
Lara schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Wie lange werde ich brauchen?«
»Du bist zurück, lange bevor Johanna auf die Welt kommt.«
»Körnchen heißt nicht Johanna!«, rief Lara verärgert.
Mila verdrehte die Augen.
»Und diese Reise ... ist sie nicht gefährlich für mein Kind?«
»Deinem Kind wird nichts geschehen«, hörte Lara Sty Stimme in sich. »Das verspreche ich dir. Du trägst alles bei dir, was du zum Überleben brauchst. Die Weltenhüter sind über deine Durchreise informiert und werden dir helfen.«
Lara sah der Katze in die Augen und wusste, dass sie die Wahrheit sprach. Dennoch gab es einen Punkt, der Lara keine Ruhe ließ. »Was ist, wenn ich Isabel gar nicht aufhalten will?«
Mila zog hörbar Luft ein.
»Warum sollen die Menschen nicht davon erfahren? Für mich ist unsere Welt nur noch wertvoller geworden, seit ich die anderen Welten kennengelernt habe.«
»Die Seelen sind noch nicht so weit«, betonte Mila.
»Woher willst du das wissen? Die ganze Menschheit hat gerade erlebt, dass der Tod ausgesetzt hat. Für viele kam das einem Wunder gleich. Vielleicht hat sie diese Erfahrung offener gemacht? Außerdem suchen so viele Astronomen bereits nach anderen bewohnten Planeten. Für manche Menschen ist total klar, dass es sie geben muss.«
»Ihr habt euch von je her den Geheimnissen dieser Welten langsam angenähert«, betonte Styx ruhig. »Schritt für Schritt habt ihr euch zurechtgefunden. Aber vor jedem neuen Schritt habt ihr Angst. Angst vor dem, was ihr nicht kennt. Diese Angst führt dazu, dass alle neuen Erkenntnisse meist zu Beginn verspottet und verneint werden. Sie führt sogar dazu, dass ihre Überbringer verfolgt und getötet werden. Deshalb muss diese Angst immer im Gleichgewicht stehen zu Mut und Liebe. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem ihr die anderen Welten entdeckt. Dann seid ihr bereit. Jetzt die Existenz dieser Welten aufzudecken und gleichzeitig das Wissen zu erlangen, dass diese Welten durch einen kleinen Sprung erreichbar sind ... und diese Welt durch einen kleinen Sprung für außerirdische Wesen erreichbar ist ... Es würde zu einem Ungleichgewicht führen, dessen Konsequenz wir nicht abschätzen können.«
Nachdenklich schwieg Lara. Hätte Mila diese Rede gehalten, hätte sie trotzig gekontert, dass man es eben darauf ankommen lassen müsse. Aber diese Worte von einer dicken Katze zu hören, die sich echte Sorgen zu machen schien, war etwas anderes. Was auch immer Styx war – wenn sie sich Sorgen machte, dann gab es Grund dazu.
»Okay. Ich mache es.«
Lara war mehr als verdutzt, als Mila sich in ihre Arme warf und fest an sich drückte.
»Danke«, flüsterte sie. Schnell löste sich Mila von ihr und sah Styx geschäftig an. »Fang an.«
»Moment!«, rief Lara. »Was genau passiert jetzt?«
Die Katze setzte sich auf ihren dicken Hintern. »Diese Welt unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von allen anderen Welten: Ihr habt einen eigenen Willen.«
Lara dachte an die Krieger, die sich gegenseitig abschlachteten. An die Frauen, die durch ihren Gesang Früchte zum Wachsen brachten. An die Welten der Pflanzen und Tiere. An die Welt der Träumer. »Die Frauen und die Krieger haben keinen eigenen Willen?«
»Sie unterstehen dem Willen ihrer Hüter. Sie tun das, was allen dient. Ihr seid anders. Ihr dient euch selbst, und im Idealfall dient das der Gemeinschaft. Dieser Willen, der euch lenkt und der euch um euer Leben kämpfen lässt. Diesen Willen kann ich sehen.«
Lara musterte die Katze, deren Augen sich noch zu vergrößern schienen.
»Ich gebe dir nun die Gabe, diesen Willen ebenfalls zu sehen. Sobald du auf den anderen Welten eintriffst, werden die Hüter dich finden und an den Ort bringen, an dem du deine neue Gabe einsetzen kannst. Dieser Ort wird Der Kristall genannt. Dort kannst du in kurzer Zeit feststellen, ob du Isabels Willen auf dieser Welt siehst oder nicht. Benutz die Gabe nur in Begleitung der Weltenhüter. Das ist eine wichtige Regel, der du dich zu deinem eigenen Schutz nicht widersetzen darfst.«
Lara schluckte. »Weil sonst was passiert?«
»Unwichtig. Denn du wirst dich an die Regel halten«, betonte Mila.
»Beug dich zu mir runter«, sagte die Katze.
Lara spürte Misstrauen in sich aufkeimen. Ein Blick in Sty Augen fegte es hinweg. Sie beugte sich nah an die Katze, und ehe sie reagieren konnte, hob diese die Tatze und kratzte Lara einmal tief zwischen den Augen .
»Au!«, schrie Lara und wurde von dem Schmerz zurückgeworfen. Sie fand sich auf dem Rücken liegend am Boden wieder und fasste sich an die schmerzende Stelle. »Das tut weh!«
Der Schmerz ließ vermuten, dass sie einen tiefen Kratzer haben musste. Aber als sie die Stelle berührte, klebte an ihrem Finger kein Blut.
Lara richtete sich wieder auf und sah in Milas neugieriges Gesicht.
»Und? Siehst du schon was?«
Lara starrte sie verwirrt an.
»Es dauert seine Zeit«, erklärte Styx ruhig.
»Was genau hast du denn gemacht?«
»Sie hat dein drittes Auge freigelegt«, erklärte Mila.
»Mein drittes Auge?«
»Es ist euch angeboren. Aber nur wenige von euch benutzen es. Es muss freigelegt werden. Entweder durch eure Entwicklung oder ...«
»... durch deine Krallen«, konterte Lara trocken. Sie dachte an die indischen Frauen, die sich einen Stein zwischen die Augen klebten. Ayse und sie hatten das auch eine Zeit lang gemacht. Lara hatte es jedoch immer für Unfug gehalten, dass gerade an dieser Stelle irgendwas Magisches passieren sollte. Jetzt spürte sie, wie der Schmerz von einem Kribbeln abgelöst wurde.
»Es beginnt«, stellte Styx fest.
»Ich bringe dich heute Nacht an den Ausgang«, erklärte Mila.
Lara musterte ihre Cousine. »Was erzähle ich deiner Mutter? «
Mila schwieg.
»Ich kann nicht schon wieder verschwinden. Einfach so. Sie macht sich Sorgen.«
»Es gibt keine andere Lösung«, betonte Mila entschlossen.
Lara dachte mit Unbehagen an den Stein der Trauer, den Karin gewählt hatte. »Wenn du Weltenhüterin wirst, dann bist du für den Rest der Menschen unsichtbar. Richtig? So wie Rasmus?«
Mila nickte.
»Karin wird glauben müssen, dass du spurlos verschwunden bist.«
Das Kind schwieg.
»Sie wird denken, dass dir etwas zugestoßen ist. Dass dich jemand mitgenommen hat. Wahrscheinlich wird sie nie damit aufhören, dich zu suchen.«
»Sie hat dieses Leben gewählt!«
»Sie hat sich ausgesucht, die Weltenhüterin zu bekommen? Ihr einziges Kind, das ihr genommen wird?«
»Du verstehst das nicht.«
»Nein. Ich verstehe nicht, wie du ihr das antun kannst.«
»Sie darf es nicht erfahren«, beharrte Mila.
»Wer hat denn diese Regeln gemacht?«
»Ihr selbst«, mischte sich Styx ein. »Du weißt doch: Die negativen Gefühle sind genauso wichtig wie die positiven.«
»Ich kann sie nicht leiden sehen«, rief Lara verzweifelt. »Sie ist der beste Mensch, den ich kenne. Sie hat das nicht verdient!«
»Es geht dich nichts an!«, rief Mila. »Mama hat diesen Weg gewählt, und alles andere würde sie nicht verstehen. Misch dich nicht ein.«
»Aber die Welten nach Isabel abzusuchen, dafür bin ich gut genug.«
»Lara. Wir tun dies alles im Dienst für euch. Wir dienen eurem Willen. Und wir dienen Karins Willen. Du musst das akzeptieren. Auch wenn du es nicht verstehst.« Die Katze musterte Lara.
Einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann räusperte sich Mila. »Können wir dann?«
»Nein«, erklärte Lara entschlossen. »Es gibt da etwas, was ich vorher erledigen muss.«
Mila sah sie einen Moment an und verdrehte dann die Augen. »Er hat dir so oft gesagt, dass er dich nicht sehen will.« Offensichtlich konnte sie mittlerweile ihre Gedanken lesen.
»Das ist mir egal.«
»Warum könnt ihr nie den Willen der anderen respektieren?«
»Das sagst ausgerechnet du?«
»Lass sie.« Sty Stimme klang bestimmend, als sie Lara ansah. »Geh zu ihm. Ihr brecht heute Nacht auf.«