Blasen
Lara stieg in den Bus und löste beim Fahrer ein Ticket. Der etwas dickliche Mann, der seine kahle Stelle auf dem Kopf abdeckte, indem er ein paar Haarsträhnen darüber gelte, starrte sie an. »Bist du nicht die aus Berlin?«
Sie kam nicht zum Antworten, denn sobald der Fahrer ihr in die Augen sah, kribbelte ihr nun freigelegtes drittes Auge schmerzhaft. Über dem Busfahrer flimmerte die Luft, und über seinem Kopf erschien eine Blase. Genau wie bei Marc. Weiß leuchtend und pulsierend. Ein Herzschlag.
Lara sah ein Bild. Der Busfahrer, in einem schicken Büro. Hinter ihm ein Fenster mit Ausblick über eine Großstadt. Eine junge Frau reichte ihm Unterlagen und sah ihn flirtend an. Dann entstand ein zweites Bild. Derselbe Mann, aber mit schlanker Figur in einem Bergsteigeroutfit auf dem Hügel eines Berges. Ein befreites Strahlen im Gesicht.
»Hey! Einsteigen!«
Lara wurde von der Stimme des Fahrers aus ihrer Vision gerissen und setzte sich auf einen freien Platz. Während sie durch das unsanfte Anfahren des Busses in den Sitz gedrückt wurde, rätselte sie darüber, warum ein Mensch zwei so unterschiedliche Willen haben konnte. Der Mann in dem schicken Büro und der Mann auf dem Berg hatten ihrer Meinung nach nichts gemeinsam. Sie sah zu den anderen Fahrgästen, die meist teilnahmslos aus dem Fenster starrten. Ihr wurde bewusst, welchen Einblick diese neue Gabe gewährte.
War es richtig, die Menschen auf diese Weise zu betrachten? Es kam ihr so intim vor. Wie damals, als sie Isabel beim Träumen hatte zusehen können.
Der Bus hielt etwas unterhalb des Hexenhauses, und Lara ging die Straße entlang nach oben. Sie kam dabei am Holzwurm
vorbei, einem kleinen Hotel, in dem ein Paar aus dem angrenzenden Elsass neben dem Hotelbetrieb ein Café führte. Kuchen und Flammkuchen wurden angeboten. Die besten, die Lara je gegessen hatte. Eva, die Betreiberin des Cafés, bediente vor dem Hotel gerade einen Gast, als sie Lara sah. Sie lächelte und ging auf sie zu. Ihre dunkelblonden Haare waren glatt in einem Zopf gebunden, ihre Haut war so ebenmäßig, dass Lara immer an Elfen denken musste, wenn sie sie ansah. Auch sonst hatte Eva Ähnlichkeiten mit einer Elfe. Sie lächelte immer und wirkte so leicht, als würde sie jeden Moment abheben und davonschweben.
»Hey, Karin war vorhin hier. Sie hat dich gesucht.«
Eva sah Lara direkt in die grünen Augen, was zur Folge hatte, dass im selben Moment eine leuchtende Blase über ihrem Kopf entstand. Im ersten Moment wollte Lara wegsehen. Schließlich würde sie auch kein herumliegendes Tagebuch von Eva lesen. Aber die Versuchung war zu groß, die neue Gabe zu faszinierend. Sie schielte auf den flimmernden Bereich über Evas Kopf und sah die junge Frau in einem Kreis von sich unterhaltenden Frauen unterschiedlichen Alters. Eva reichte den Frauen Essen und Trinken und betrachtete lächelnd die kleine Truppe, die in angeregte Gespräche vertieft war. Sie sah dabei sehr
glücklich aus.
»Lara?«
Sie erwachte aus ihrer Vision und fühlte sich ein bisschen ertappt. »Entschuldige«, platzte es aus ihr heraus.
»Wofür? «
»Nichts«, beeilte sich Lara zu sagen. Nach einem Zögern fügte sie hinzu: »Gibt es in deinem Leben einige Frauen? Mit denen du zusammen etwas ... aufgebaut hast?«
Eva musterte sie überrascht. »Ich habe ein paar Freundinnen, die sich selbstständig gemacht haben. Ich hatte überlegt, eine Art Stammtisch zu machen. Bei dem wir uns treffen und austauschen können.«
Lara lächelte. »Mach das.«
Eva wirkte erstaunt. Lara lächelte sie unverbindlich an. »Ich bin auf dem Weg zu Karin.«
»Dany hat noch Baguette für sie. Wartest du kurz?«
Ehe Lara reagieren konnte, ging Eva schon eilig ins Hotel.
Lara wartete ungeduldig, obwohl sie nicht undankbar für den kleinen Aufschub war. Karin hatte sie gesucht, natürlich. Vielleicht hatte sie in Panik, dass Lara wieder für Wochen verschollen sein würde und wahlweise schwanger oder ohne Gedächtnis zurückkam, längst die Polizei gerufen. Jetzt würde Lara wieder verschwinden. Wie lange würden Karin und Jo das mitmachen? Erzählen durfte sie ihnen nichts. Zumindest nicht die Wahrheit. Sollte sie erzählen, dass sie für ein paar Wochen zu Ayse ging? Die beiden würden das sofort hinterfragen, da Lara in der kommenden Woche hier mit der Schule anfangen sollte. Außerdem hatte Lara den Verdacht, dass
Karin und Begüm in ständigem Kontakt standen und sich über Lara austauschten.
»Lara Feingeist?«
Sie sah auf. Der Gast, den Eva gerade noch bedient hatte, stand vor ihr. Er trug Jeans, Hemd und Sonnenbrille und ein charmantes Lächeln. Seine Gestalt schien so mächtig, dass er das Sonnenlicht verdunkelte. Wie groß war er? Zwei Meter?
»Wer will das wissen?«
»Philipp Hauser. Ich arbeite für den Badischen Blitz.
« Er reichte Lara die Hand, die sie kurz ergriff.
»Ich gebe keine Interviews.«
»Cem schickt mich.«
Lara horchte auf. Im Hintergrund trat Eva mit einem Stapel Baguettes aus dem Hotel.
»Cem? Davon hat er mir gar nichts gesagt.«
»Er hat mir ein ausführliches Interview gegeben. Er meinte, du wüsstest mehr und würdest mit mir reden.«
Lara war mehr als verwundert. Kein Wort zur Presse. Darin hatten sie alle eingewilligt. Außerdem fragte sich Lara, was Cem ihm überhaupt gesagt hatte, so ganz ohne Erinnerungen. Der Mann lügt,
dachte sie.
»Alles hat mit diesem Computerprogramm angefangen, richtig? Von deinem Vater?«
Eva trat hinzu und drückte Lara die Baguettes in die Hand. »Hier. Und jetzt geh. Karin wartet.« Sie sah Lara so eindrücklich an, dass diese verstand. Eva wollte sie von dem Mann fernhalten.
Lara versuchte, in seine Augen zu sehen, um seinen Willen zu erkennen. In diesem Fall hätte die
neue Gabe ihr helfen können, ihr Gegenüber zu entlarven. Aber die Sonnenbrille gewährte ihr keinen Einblick.
»Wie gesagt, ich gebe keine Interviews.«
»Weißt du, was ich rausgefunden habe?« Er trat etwas näher. »Der Tod hat schon einmal ausgesetzt. Es war von so kurzer Dauer, dass dem Ganzen keine besondere Beachtung geschenkt wurde. Aber an einem ganz bestimmten Tag ist für zwei Stunden kein Mensch auf dieser Erde gestorben.«
Lara drehte sich um.
»Das war an dem Tag, als du schon einmal verschwunden bist!«
Es arbeitete in ihr. Der Tod hatte ausgesetzt, da Ayse und Cem den weißen Raum verstopft hatten und deshalb keine Seelen mehr durchreisen konnten. Auch sie war für eine kurze Zeit im weißen Raum gestrandet, ehe ihre Reise durch das Totenreich begonnen hatte.
»Wie stellt man den Tod ab, Lara Feingeist?«
Lara drehte sich um und ging eilig davon. Sie hörte Evas Stimme, die den Mann aufforderte, zu gehen. Im Gehen schrieb Lara eine SMS an Cem.
Hast du mit einem Reporter gesprochen?
Es dauerte keine zehn Sekunden, bis die zu erwartende Antwort eintraf.
Reporter? Nö.
Außer Atem erreichte sie die Waldapotheke und lief eilig hinein. Eine kleine Glocke bimmelte, als sie die Tür öffnete. Jo verkaufte einer älteren Dame gerade Tabletten und sah nur kurz zu Lara, als diese eintrat. Anders als sonst hatte er kein Lächeln
für sie übrig.
Der kleine Verkaufsraum war mit Regalen vollgestellt. Neben den üblichen Produkten an Salben, Cremes, Pflastern und Säften waren zwei Regale voll mit Tees und Salben, die Karin selbst herstellte. Auch Laras Tante hatte Pharmazie studiert und war deshalb dazu berechtigt, die Tees als Arzneimittel zu verkaufen.
Eine ältere Dame ging mit einem Lächeln an Lara vorbei, und Lara wagte sich zu ihrem Onkel, auch wenn der sie keines Blickes würdigte.
»Ist Karin da?«, fragte sie.
»Hinten.«
Sie ging an der Theke vorbei und öffnete die Tür zum kleinen Labor, in dem Karin ihre Salben und Tees herstellte. Sie spürte förmlich Jos Blick auf ihr ruhen.
Karin füllte gerade Wollwachsfett in eine Fantaschale. Sie bereitete eine Salbe zu.
»Hallo, Karin.«
Sie reagierte nicht auf Lara. Sah nicht einmal auf.
»Eva hat mir Baguettes mitgegeben.«
Auch diese Information konnte Karin keine Reaktion entlocken. Lara legte die Baguettes auf einen Tisch und musterte Karin nachdenklich. Weder bei Jo noch bei ihr hatten sich bisher Blasen gezeigt. Es ist der Blickkontakt
, dachte Lara. Ohne Blickkontakt zeigt sich mir ihr Wille nicht.
»Auf dem Bahnhof, da ist mir was ganz Blödes passiert.« Aber was? Lara war immer noch keine plausible Ausrede eingefallen. Bis jetzt. »Ich bin zum falschen Ausgang und hab es nicht kapiert. Und als ich endlich am richtigen Ausgang war, da warst du weg.
«
Lara sah Karin abwartend an. Sie hoffte so sehr, dass Karin ihr die Ausrede abkaufte. Auch wenn sie sich selbst kein Wort geglaubt hätte.
Karin ließ Tropfen aus einer kleinen Flasche in das Fett tropfen. Meistens bereitete sie Ringelblumensalbe zu. Das kleine Allheilmittel.
»Baden-Baden hat nur einen Ausgang«, hörte Lara Jos Stimme hinter sich.
Sie drehte sich um. Jo sah ihr in die Augen. Und schwupp, baumelte eine Blase über seinem Kopf. Jo und Karin, Arm in Arm, mit Mila in ihrer Mitte. Strahlend vor Glück. Lara musste bei dem Anblick lächeln.
»Findest du das witzig?«, hörte sie Jos finstere Stimme.
Gerade noch sah Lara eine zweite Blase aufleuchten. Sie zeigte Jo im Kreise von Musikern. Mit geschlossenen Augen saß er am Klavier und spielte. Auch jetzt wieder hatte Lara das Gefühl, etwas Verbotenes zu sehen. Etwas, das nicht für sie bestimmt war. Und doch war es so spannend, einen Einblick in den Willen anderer zu erhalten.
Sie konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt und schaute in sein Gesicht. Er sah nicht glücklich aus. Kurz musterte er seine Frau, die scheinbar ganz in ihre Tätigkeit vertieft war. Nur die Ringe unter ihren Augen verrieten, welche Sorgen sie sich in den letzten Wochen gemacht hatte. Und diese Sorgen würden nicht weniger werden, wenn erst Lara wieder verschwand und dann, wenn Lara erfolgreich mit der magischen Karte zurückkommen sollte, ihre eigene Tochter verschwinden
würde.
Wenn Mila Weltenhüterin war, war sie für die Menschen unsichtbar. Hieß das eigentlich, dass sie ... starb? Dass Jo und Karin ihren leblosen Körper finden würden? Oder würde sie einfach so verschwinden? Lara wusste nicht, was für die beiden schlimmer sein würde. Und sie trug mit ihrer Mission dazu bei.
»Also gut, Lara«, begann Jo. »Karin hat offensichtlich aufgegeben. Aber ich will wissen, wo du warst. Und ich will wissen, warum du beim Bahnhof in Baden-Baden einfach abhaust und Karin dort stehen lässt.«
Karin vermischte das Fett mit den Tropfen. Drehte den Stößel immer in eine Richtung. Jo sah Lara in die Augen. Die Blasen über ihm waren immer noch da. Sie schimmerten jetzt nur weniger, waren verblasst.
»Du hast dich entschieden, bei uns zu leben. Was mich sehr freut. Aber wir sind kein Hotel. Wir sind eine Familie. Ich weiß, dass mein Bruder eine andere Vorstellung von Familie hatte. Aber hier läuft das so: Wir wissen immer, wo der andere gerade ist.«
Eine schöne Vorstellung, wie Lara fand. Ihr Vater hatte in den seltensten Fällen gewusst, wo sie ihren Tag verbrachte.
Jo atmete tief durch und sah noch einmal zu Karin, die die fertige Salbe in einen Tiegel umfüllte. Er wandte sich an Lara. »Wenn dir unsere Sorge, unsere Art der Familie zu viel ist, dann solltest du deine Entscheidung noch mal überdenken.«
Lara sah Jo erschrocken an, dessen Miene keinen Zweifel ließ. Er würde Lara wegschicken, wenn sie so weitermachte. Karin, die den Tiegel auf den Tisch
geklopft hatte, um die Salbe darin zu verteilen, hielt in ihrer Arbeit kurz inne und musterte Jo.
Lara dachte nach. Welche Möglichkeiten hatte sie? Wenn sie noch einmal ohne Erklärung verschwand – und das war genau das, was Mila und Styx von ihr verlangten –, konnte sie danach sofort ihren Koffer packen. Körnchen würde wie Lara ohne ihre Familie aufwachsen.
Was war Lara wichtiger? Die Regeln einer dicken Katze und einer Sechsjährigen oder ihre eigene familiäre Zukunft und die ihres Körnchens? Sie hatte von Lügen noch nie etwas gehalten.
Lara zögerte noch einen Moment. Dann holte sie tief Luft. »Nachdem ich Ayse verabschiedet habe, war Styx plötzlich da. Am Bahnhof. Sie hat mich in die Wade gebissen. Das ist so ein Trick von ihr. Sie kann mich auf diese Weise durch die Gegend beamen.«
Karin starrte Lara an. Genau wie Jo. Schon konnte Lara die Luft über Karin flirren sehen, sie brach den Blickkontakt ab. Sie wollte sich jetzt nicht von irgendwelchen Willensblasen ablenken lassen.
»Ich kann euch nicht sagen, wer oder was Styx ist. Ich weiß nur, dass sie meine Hilfe braucht. Weshalb ich heute Nacht noch einmal aufbrechen werde. Ich weiß nicht, wie lange ich weg bin. Ein paar Tage, hat Styx behauptet. Aber ich komme zurück. Und wenn ich zurückkomme, dann verspreche ich, dass ich die beste Nichte der Welt werde. Ich gehe zur Schule. Ich entscheide mich für eine Ausbildung. Ich will hier sein. Bei euch. Mit meinem Kind. Bitte schickt mich nicht weg!« Lara sah Karin und Jo abwartend an
.
Jetzt nahm sie sich die Zeit, Karins leuchtende Blase zu betrachten. Überrascht stellte sie fest, dass in der Blase ihrer Tante das exakte Spiegelbild dieser Welt war. Karin drehte gerade den Deckel auf den Tiegel. Ihr Spiegelbild in der Blase tat es ihr gleich. Dann beschriftete sie ein Schildchen und klebte dieses auf den Tiegel. Genau wie ihr Spiegelbild wischte sie sich die Hände ab und ging zu den Baguettes.
»Ich mache dir ein Vesper.«
Jo schien über diese Reaktion genauso überrascht wie Lara. Er musterte seine Frau, sah dann wieder zu Lara. »Ja, also, das ...«
»Nein, Jo. Das ist in Ordnung.«
»In welcher Welt ist das in Ordnung?«
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Lara über diese Formulierung lachen müssen.
Karin drehte sich mit den Baguettes in der Hand um und sah ihren Mann an. »Ich weiß nicht genau, was da vorgeht. Genauso wenig wie du. Aber ich weiß mittlerweile, dass unsere Tochter besondere Fähigkeiten hat. Vielleicht liegt es in der Familie. Und Lara hat sie auch. Was auch immer die beiden da treiben, ich glaube Lara.«
»Karin, sie behauptet, dass Styx sie beamt!«, rief Jo wütend. »Entweder ist sie verrückt oder sie verarscht uns!«
Lara wollte widersprechen, aber Karin kam ihr zuvor. »Und was willst du tun? Lara auch zu irgendwelchen Psychologen bringen? Wie Mila? Unsere Tochter hat Sachen gesehen, die sie nicht wissen konnte! Es gibt nun mal Dinge, die wir nicht verstehen.
«
»In deiner Welt vielleicht!«
Lara war der Streit, den sie ausgelöst hatte, mehr als unangenehm.
Karin stiefelte bereits aus dem Labor. »Lara. Komm mit.«
Ein Blick in Jos finsteres Gesicht reichte, damit Lara dieser Aufforderung augenblicklich nachkam.
Während Karin Lara ein Baguette mit selbst gemachter, vegetarischer Pastete bestrich, redete Karin weiter. »Jo lässt mich meine Salben machen. Und meine Tees. Die heilende Wirkung von Pflanzen stellt er nicht infrage. Aber alles, was man nicht messen und beweisen kann.« Karin goss kochendes Wasser in eine Thermoskanne. »Der Tee ist speziell für Schwangere. Da, wo du hingehst«, Karin musterte sie, »ist es da sicher für dein Kind?«
Lara nickte. Was Karin zu reichen schien. Sie wickelte das Baguette in Folie. Lara konnte nicht glauben, dass Karin wirklich damit einverstanden war.
»Geht Mila mit? Oder bleibt sie zur Abwechslung mal hier?«
»Sie geht nicht mit. Ich ... gehe an ihrer Stelle.«
Karin hielt kurz inne und sah Lara überrascht an. »Danke ... nehme ich an.«
Lara nickte wieder. Auch wenn es ihr im Herzen wehtat. Karin musste glauben, dass Lara Mila beschützte. Dabei würde sie ihre Tochter verlieren. Lara hatte so oft diesen Satz gehört: Kein Kind sollte vor seinen Eltern sterben. Es war das Schlimmste, was einer Mutter passieren konnte. Lara würde selbst Mutter werden.
Sie würde selbst erfahren, wie groß diese Liebe war. Diese Hingabe an ein kleines Geschöpf. Auf das man so lange gewartet hatte – wie Jo und Karin.
»Karin, wegen Mila ...« Lara wusste selbst nicht, was sie Karin sagen wollte. Aber sie kam auch nicht dazu, denn als hätte Mila Lunte gerochen, trat die kleine Person in genau diesem Moment in die Küche.
»Lara. Da bist du ja.«
Sie musterte Mila, die sie mahnend ansah. Sie litt definitiv an Kontrollwahn. Genau wie Zwitscher, die Lara finster anfunkelte. Über Mila entstand keine Blase. Vermutlich war sie ein einziger, lebendiger Wille auf zwei Beinen.