Westminsterpalast, London,
Januar 1649
D ie beiden Männer gingen durch die menschenüberfüllten Straßen, stiegen über die schmutzigen Rinnsteine im Kopfsteinpflaster, suchten sich einen Weg durch die verdreckten Gassen, bis sich die hohen Palastmauern vor ihnen erhoben und sie die Soldaten der New Model Army an den Toren sehen konnten. Vor den Wachen hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt.
»Wo ist der König jetzt untergebracht?«, fragte James mit gesenkter Stimme.
»Im St.-James-Palast. Sie haben einhundertfünfunddreißig Richter nach London berufen, die ihm den Prozess machen sollen. Aber ich schwöre, die Hälfte von ihnen wird es nicht wagen herzukommen. Und selbst wenn sie es tun, wird er ihnen keine Rechenschaft ablegen. Wie wollen sie ihn auch nur in den Gerichtssaal bringen?«
»Aber wenn sie kommen, und wenn er ihnen Rede und Antwort steht …«
Der namenlose Mann unterbrach ihn. »Das wird er nicht«, behauptete er fest. »Mit welchem Recht sollten sie ihn vorladen? Man kann keinen König vorladen. Niemand hat jemals einen König vorgeladen. Hätte sein Vater, König James, nach der Pfeife des Parlaments getanzt? Wäre Königin Elizabeth gehorsam herbeigetrottet? Kein Land auf der ganzen Welt hat je seinen König vor Gericht gestellt. Kein englischer Monarch hat je dem Parlament gehorcht.«
James nickte. Es war unfassbar, dass sich der Konflikt zwischen König und Parlament so schnell zu diesem unvorstellbaren Szenario entwickelt hatte. »Aber angenommen, sie tun es«, sagte er. »Haben sie einen Tag und eine Zeit genannt?«
»Morgen.«
»Was?«
»Ja.«
»Kann ich die Namen der Richter bekommen?«
»Ihr könnt die Namen derer bekommen, die herbestellt worden sind. Aber niemand weiß, wer kommen wird. Sie werden es selbst nicht wissen. Mehr als einer wird heute Nacht nicht schlafen können, während er mit der Entscheidung ringt.«
»Ist es möglich, dass keiner von ihnen kommt und der Prozess in sich zusammenfällt?«
James’ Führer spuckte in den gefrorenen Rinnstein. »Weiß der Teufel. Aber ich würde meinen, dass Cromwell dort sein wird, meint Ihr nicht? Und Männer, die ihm treu ergeben sind.«
»Die Gerichtsverhandlung ist öffentlich zugänglich?«
»Ja, aber glaubt bloß nicht, Ihr könnt aus der Menge hervorstürzen und ihn retten. Er wird so streng bewacht werden, dass keiner in seine Nähe gelangen kann. Sie rechnen mit einem Rettungsversuch. Risiken werden sie keine eingehen.«
»Die beste Zeit, ihn fortzuschaffen, wird sein, wenn er aus seinen Gemächern in St. James hierher nach Westminster kommt.« James dachte laut. »Wahrscheinlich auf einer Barke …«
Der Mann zog den Kopf ein. »Sagt es mir nicht, ich will es nicht wissen. Und ich habe keine Meinung.«
»Ich auch nicht«, sagte James. »Besorgen wir uns die Namen der Richter.«