D i e Spur der Füchsin

71. Tag der Erntezeit, 17. Jahr der Kuppel

Nach einer nahezu schlaflosen Nacht quälte sich Woulf aus seinem knarzenden Bett. Die Erinnerung daran, wie knapp er gestern der berüchtigten Gelben Burg und ihrem Folterkeller entronnen war, hatte ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Zwar tat ihm der Aschling leid, aber der war ja auch der eigentliche Übeltäter gewesen – und hatte ihn noch nicht mal geheilt. So hart werden sie Rami schon nicht anpacken, versuchte er sich wenig erfolgreich einzureden. Kaum jemand kam unversehrt aus den Blutkellern der Schildwache zurück – wenn überhaupt.

Er besann sich auf sein eigenes Schicksal. Ich bin ungestraft davongekommen. Ein Geschenk, das beinahe einer Neugeburt glich. Fünf unbezahlte Schichten im Tretrad waren kaum als Strafe zu bezeichnen. Zumal er sich von dieser Fron sogar freikaufen konnte. Es gab genug arme Schlammkriecher, die ihm diese Arbeit nur zu gern für eine Handvoll Kupferpfennige abnahmen. »Einen Kupferpfennig behalten ist besser, als ihn auszugeben«, kam ihm ein Leitspruch seines Vaters in den Sinn. Der tief in ihm verankerte Geiz stieg wie Sodbrennen auf. Ich könnte Nachtschichten am Tretrad übernehmen und so tagsüber die Kneipe geöffnet lassen.

Wozu?

Der Gedanke hatte seinen Kopf durchzuckt, ehe er sich dagegen wehren konnte. In dem kleinen Wort lag so viel Wahrheit, dass es fast eine Offenbarung war. Wozu arbeitete er so hart? Oder besser gesagt: Für wen? Für persönlichen Luxus sicherlich nicht. Angewidert blickte er auf das graufleckige Bettzeug und die durchgelegene Matratze, aus der an allen Ecken Stroh quoll. Beides hatte noch sein Vater angeschafft. Obwohl längst nicht mehr bequem oder gar ansehnlich, hatte Woulf die Bettstatt nie erneuert. Warum eigentlich nicht?

Weil es Verschwendung wäre, ächzte eine höhnische Stimme in seinem Kopf.

»Wirklich?«, fragte er in die Stille des engen, fensterlosen Schlafgemachs hinein. Ohne sich seine Frage zu beantworten, zog er sich an und trottete in die Küche. Von dort trat er hinaus in den winzigen Hof.

Eine feuchte Kühle empfing ihn. Der Himmel hinter der flirrenden magischen Schutzkuppel war so grau wie seine Gemütsverfassung. Nur ein leichtes Wabern verriet, dass Grubenstedt eine weitere Nacht unter dem Schutz des durchsichtigen Schildes verbracht hatte. Und Woulf hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Energisch zerrte er am Kragen seines ebenfalls abgetragenen Hemdes. Der hoch ummauerte Hof, die Kuppel, sein ganzes Leben, alles schien ihn mit einem Mal einzuengen. Er hielt sich am Rand des Brunnens fest und blickte keuchend in dessen schwarzen Schlund. Sein Herz raste, und der Schweiß schoss ihm aus allen Poren. Es dauerte einen Augenblick, bis der Anfall vorüber war. Als er sich wieder im Griff hatte, holte er einen gefüllten Eimer hoch und wusch sich. Das eiskalte Wasser brachte Klarheit in seine Gedanken. Es ist keine Verschwendung, wenn es für mich ist. Wofür stand er sonst jeden Tag auf, kochte, bediente, putzte, nur um am nächsten Tag das Gleiche zu tun? Er hatte keine Frau, keine Kinder, keine gebrechlichen Eltern, die er zu versorgen hatte.

Noch nicht mal Freunde. Da war sie wieder, die böse Stimme. Verrückterweise hörte sie sich an wie der Bariton einer der Schläger der Schlammwache. Woulf hatte sich seinen Namen nicht gemerkt, ihn aber insgeheim den Fäustling getauft.

Dennoch musste er dem imaginären Mann recht geben. Ich bin einsam. Diese Erkenntnis ängstigte Woulf nicht oder machte ihn traurig. Im Gegenteil. Er würde in Zukunft sein Leben genau danach ausrichten. Nur noch an mich denken. »Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht!«, rief er dem tristen Innenhof zu. Beginnen würde er diesen Lebensabschnitt, indem er sich neues Bettzeug gönnte. Und zwar nicht von einem der lausigen Händler seines eigenen schäbigen Rings. Nein, dafür würde er hoch in den Bronzering aufsteigen. Die Krämer dort versorgten auch die feine Zaubererkundschaft des Facettrings. Einmal hatte er bei einem von ihnen bunte Ballen mit herrlich weicher xafrorischer Seide bewundert. Ein süffisantes Lächeln umspielte seinen Mund. Ein wenig fühlte er sich wieder wie der Junge, der heimlich aus der Küche Honigkuchen gestohlen hatte. Ein gutes Gefühl. Seide in der Knospe , dafür wären selbst meinem Vater keine Flüche eingefallen.

Er betrachtete sich einen Moment im Wasser des Eimers. Eigentlich hatte er eine Rasur nötig. Sein übernächtigtes Gesicht war voller roter Stoppeln. Seit die ersten Barthaare bei ihm gesprossen waren, hatte er sich beinahe täglich rasiert – genauso wie sein Vater. »Damit ist jetzt Schluss!« Er hasste die Rasiererei ohnehin. Die Haut an seinem Hals wurde davon stets pickelig und entzündet. Ein Vollbart würde diesen Makel überdecken und seinem hageren Gesicht vielleicht sogar einen verwegenen Ausdruck verleihen. »Woulf der Rote«, frotzelte er und schüttete den Rest des Wassers aus.

Beschwingt ging er zurück in die Küche. Mit routiniertem Blick inspizierte er die Vorräte. Vom Bierbraten war noch ausreichend für die heutigen Gäste da. Fachmännisch roch er daran. Ein wenig Bärlauch und Wasser in der eingedickten Soße würde die Spezialität der Knospe wie frisch gekocht schmecken lassen. Morgen könnte er neues Fleisch kaufen – und dazu seidenes Bettzeug. Woulf meinte, den feinen Stoff bereits auf der Haut zu spüren.

Doch morgen war morgen, und heute war heute. Faulheit stand bei allem Veränderungswillen nicht auf seinem Plan, zumal es reichlich zu tun gab, nachdem die Schildwache und die Taschenräuber gleichzeitig der Knospe einen Besuch abgestattet hatten. Er war mehr als erleichtert gewesen, dass diese Unholde sein Gasthaus nicht komplett dem Erdboden gleichgemacht hatten. Summend besah er sich den Gastraum. Die Schäden hielten sich in Grenzen. Einige Bleiglasfenster waren zu Bruch gegangen, drei Stühle entzweigeschlagen und etliche Tonkrüge im Regal hinter dem Tresen umgefallen. Nichts, was nicht mit ein bisschen Schweiß und Spucke zu richten wäre.

Woulf nagelte als Erstes die defekten Fenster zu und fegte die Scherben zusammen. Er würde in den nächsten Tagen einen Bleiglaser bestellen. Vielleicht lasse ich mir sogar Buntglas mit dem Bild einer erblühten Knospe einsetzen, dachte er schelmisch. Die Stühle waren nicht zu retten, aber er hatte in einer Abstellkammer einige als Ersatz, die er pfeifend in den Gastraum trug. Am meisten Arbeit machte es, die Blutflecken auf den Holzdielen wegzuscheuern. Woulf genoss es. Von Fetthaar und seiner Bande habe ich wohl erst mal nichts zu befürchten. Er weigerte sich, genauer über ihr Schicksal nachzudenken und ob diese von Gunter und dessen Schlägern wirklich dauerhaft aus dem Verkehr gezogen worden waren. Es war an der Zeit, im Hier und Jetzt zu leben. Und hier und jetzt war er allein.

Nachdem er den Raum auf Vordermann gebracht hatte, ging er an seine üblichen Tätigkeiten, um auf die Gäste vorbereitet zu sein. Pünktlich wie ein Hahn klappte er am späten Vormittag das kupferfarbene Schild mit der Knospe aus, um zu signalisieren, dass das Gasthaus geöffnet hatte.

Es funktionierte wie schon seit Jahrzehnten. Nach nur wenigen Augenblicken schälte sich Pitter aus dem schäbigen Eingang des Nachbarhauses und kam hinkend auf die Knospe zugelaufen.

Woulf schenkte ihm ein breites Lächeln. Immerhin hatte er seinen Stammgast gestern nicht besonders gut behandelt. Weil es für mich besser war, das Gasthaus zu schließen, meldete sich der neue Woulf. Auf Gäste und deren klingende Münzen würde er dennoch auch in Zukunft nicht verzichten können. Schließlich brauchte er Geld, um sein neues Ich zu verwöhnen. Daher gab er wie immer den stets devoten Wirt. »Willkommen, Pitter. Schön, dich zu sehen.«

»Sei froh, dass ich überhaupt noch einen Fuß in dieses Drecksloch setze«, knurrte der rotnasige Trinker übel gelaunt.

Woulf überhörte es und warf stattdessen dem Schnarcher, dem Tretrad in der Nähe, einen kurzen Blick zu. Wir beide werden auf gar keinen Fall Bekanntschaft schließen, beschloss er in jenem Moment. Die paar Kupferpfennige als Ersatz für die Fronleistung konnte er erübrigen. Glücklich grinsend wandte er sich seinem ersten Gast zu. »Das Übliche?«

Pitter ließ sich schwerfällig auf seinen Stammplatz fallen. Ohne Woulf anzusehen, machte er mit Daumen und Zeigefinger ein Handzeichen.

»Ein Bier und ein Schälchen gerösteten Weizen«, übersetzte Woulf die Geste. »Kommt sofort. Und weil du es bist, gebe ich dir noch einen Schnaps dazu aus«, ließ sein neues Ich verlauten. »Was hältst du davon?«

Pitter drückte seine Freude über diese Geste der Versöhnung und Großzügigkeit mit einem undefinierbaren Grunzen aus.

Woulf war es egal. Eifrig lief er hinter seinen Tresen und machte sich daran, die Bestellung auszuführen. Die Silhouette einer groß gewachsenen Gestalt, die durch die Tür in den Schankraum trat, ließ ihn mitten in der Arbeit innehalten. Nicht nur das: Sie ließ sämtliche gute Laune und hehren Vorsätze zerplatzen wie ein zu prall gefüllter Sack Mehl.

»Guten Morgen, Woulf«, dröhnte die tiefe Stimme Gunter vom Adlersteins durch sein Gasthaus.

Der Hauptmann der Schlammwache hatte ihn also doch nicht vergessen!

Vor Schreck verschüttete Woulf einen gehörigen Schluck Bier. Elende Verschwendung, schoss ihm die Maxime seines Lebens durch den Kopf. Wie hatte er nur auf die Idee kommen können, dass er in der Lage wäre, seine sinnlose Existenz zu ändern?

»Hauptmann«, hauchte er mit piepsiger Stimme.

Pitter hob interessiert den Kopf – immerhin stand auf seinem Tisch noch kein Alkohol, dem er seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit hätte widmen können.

Woulf beschloss, dies zu ändern. Mit einem fragenden Blick auf seinen ungewollten Besucher belud er ein Tablett.

»Nur zu, ich will Euch nicht von Euren Geschäften abhalten, sondern nur etwas mit Euch besprechen.«

Da muss ich jetzt durch. Dem Aschling ist es schlimmer ergangen.

Was nicht ist, kann ja noch werden, höhnte die Stimme des Fäustlings in seinem Kopf.

Woulf ignorierte sie und servierte mit seinem falschen Wirtslächeln Pitters Bestellung. »Wohl bekomm’s!«

Mit zitternden Händen kippte der Stammgast den Schnaps in sich hinein.

Vom Adlerstein hatte es sich derweil am Tresen bequem gemacht. Versonnen rieb er über das polierte Holz. »Ihr seid auf Zack, das muss man Euch lassen«, sagte er, nachdem Woulf seinen Platz hinter der Theke eingenommen hatte.

»Wie meinen?«, fragte er irritiert. Dieser vom Adlerstein hatte eine Art, die ihn jedes Mal aus dem Konzept brachte.

Der Hauptmann vollführte eine ausladende Geste in Richtung des Schankraums. »Na, das alles. Meine Jungs und ich haben während des Geplänkels mit den Taschendieben hier gestern doch ordentlich gewütet …«

Geplänkel. Woulf dachte an die vielen Blutflecken, die er weggewischt hatte.

»Eigentlich müsstet Ihr uns dankbar sein. Die drei werden euer Etablissement auf lange Zeit nicht mehr besuchen. Sie nutzen jetzt bescheidenere Gemächer in der Gelben Burg. «

Woulf zwang sich zu einem Lächeln.

»Wir erfüllen nur unsere Pflicht.« Der Schlammwächter machte eine wegwerfende Geste. »Aber Ihr seid auch fleißig gewesen.« Mit einem langgezogenen Pfiff, der wohl Anerkennung ausdrücken sollte, sah er sich um. »Hier sieht schon wieder alles fast wie neu aus. Leider kann Euch die Staubwache etwaige Schäden nicht ersetzen. Das siebzehnte Dekret des Bürgermeisters ist da sehr eindeutig.« Er zuckte mit den Schultern, als wäre damit alles gesagt.

Woulf kannte dieses Dekret. Jeder Grubenstedter kannte es. Man nannte es auch den Freibrief der Schildwache. Wo immer die Wache etwas oder jemanden zerstörte, konnte sie sich darauf berufen, dass dies leider im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten zum Schutze der Stadt geschehen war. Die Schildwachen waren dadurch nahezu unantastbar. Eine eigene Instanz innerhalb der Hierarchie der Stadt. Wenn einer von ihnen zu sehr über die Stränge schlug, regelten sie das untereinander, ohne Richter und überaus brutal, munkelte man. Keine Schildwache hatte jemals vor einer Gerichtsbarkeit gestanden. Selbst mächtige Magier oder Adlige überlegten sich genau, ob sie sich mit ihnen anlegten. Die Fehden der einzelnen Ringwachen untereinander waren legendär. Nur wenn es gegen die Bürger geht, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Woulf versuchte, sich aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren. Vom Adlerstein war sicher nicht gekommen, um über die Gepflogenheiten der Schildwache zu diskutieren.

»Ich verstehe«, entgegnete er emotionslos.

»Ihr braucht Euch nicht extra zu bedanken, die Kerle waren uns schon eine Weile ein Dorn im Auge. Es war ein Glück, dass wir in Eurer schönen Knospe gleich zwei Verbrechen aufklären konnten.« Leutselig zwinkerte vom Adlerstein ihm zu.

Woulf wusste darauf nichts zu erwidern. Außerdem fürchtete er, dass er sich mit jedem Wort nur wieder in den rhetorischen Fallstricken des Hauptmanns verheddern würde.

»Nun, wie dem auch sei …« Vom Adlerstein seufzte lautstark. »Die Geschichte ist doch ziemlich glimpflich für Euch ausgegangen. Es sind ja sogar schon wieder Gäste hier.« Er nickte in Pitters Richtung.

»Das ist mein Stammgast …«, begann Woulf, aber vom Adlerstein unterbrach ihn.

»Und genau deswegen bin ich hier.«

»Wegen Pitter?« Woulf hasste sich dafür, dass er in Gesprächen mit dem Kommandanten immer klang, als wäre er schwer von Begriff.

»Nicht ganz!« Vom Adlerstein beugte sich verschwörerisch vor und tippte ihm auf die Brust. »Es geht um all Eure Gäste«, flüsterte er und grinste wie jemand, der einem Kleinkind gerade beigebracht hatte, sich in den Abort, statt in seine Hose zu erleichtern. »Ihr trefft so viele Leute, die so viele interessante Dinge wissen. Und des Öfteren mit gelockerter Zunge kundtun …« Er ließ den Rest ungesagt in der Luft stehen.

Woulf schwante Übles. »Wollt Ihr etwa, dass ich diese Leute für Euch«, er senkte die Stimme ebenfalls zu einem Wispern, »bespitzle?«

Vom Adlerstein zwinkerte ihm konspirativ zu. »Was seid Ihr doch für ein schlauer Bursche.«

Seltsamerweise freute sich Woulf über dieses vergiftete Lob. Trotzdem sträubte sich alles in ihm gegen diese Aufgabe. Natürlich belauschte er seine Gäste ständig, aber das war sein eigenes kleines Vergnügen. Er hatte nicht vor, den guten Ruf der Knospe zu gefährden, indem er für die Schildwache den Spitzel gab. Das konnte seine ganze Existenz aufs Spiel setzen. Niemand wollte in ein Gasthaus gehen, in dem die Obrigkeit die Lauscher aufhielt. Zu viele kleinere und größere Geheimnisse wurden im Dunst von Schweiß, Bierbraten, Schnaps und rauem Lachen geteilt. Woulf schluckte trocken. Heute Morgen wollte ich mir noch seidene Bettwäsche kaufen. Was war er doch für ein Narr.

Er nahm all seinen Mut zusammen. »Verehrter Herr Hauptmann, bei allem Respekt, aber ich kann das Vertrauen meiner Gäste nicht so schamlos ausnutzen.« Woulf verengte die Augen zu Schlitzen, weil er befürchtete, dass vom Adlerstein vor Zorn gewalttätig werden würde.

Zu seiner Überraschung sagte dieser jedoch ruhig: »Das verstehe ich. Ein Gasthaus wie Eures ist ein Rückzugsort. Hier kann der einfache Mann ganz offen sprechen.«

Woulf nickte zustimmend.

»Jeder hat doch etwas, das für niemandes Ohr bestimmt ist.« Wieder zwinkerte der Hauptmann kumpelhaft. »Die Frau, die man betrügt. Die ein oder andere Steuermünze, die am Säckel des Bürgermeisters vorbei verdient wird. Oder auch eine illegale Heilung, die das Wohl der ganzen Stadt gefährdet.« Gleichmütig blickte er Woulf an.

»Nun … ähm … Ich …«, stammelte der unsicher.

»Aber wie gesagt«, fuhr vom Adlerstein fort, »ich verstehe das. Natürlich sind nicht alle Schildwachen so großzügig. Unser Amtseid verpflichtet uns nun mal, das Wohl der Stadt zu wahren …« Er wischte sich gelassen eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor er hinzufügte: »…und alle, die es gefährden, zu bestrafen.«

»Eine hehre Aufgabe.«

»Gut, dass Ihr das so seht. Damit steht Ihr ganz auf der Seite meines Obristen. Ihm geht das Wohl der Stadt über alles. Für ihn ist es ein schweres Vergehen, wenn aus eigensinnigen Motiven die uns alle schützende Kuppel durchlässig wird. Er möchte Euch gern in der Gelben Burg sehen. Kommt!« Der Hauptmann erhob sich und bedeutete Woulf, ihm zu folgen.

»Aber …«, begann Woulf panisch, »Ihr hattet gesagt, dass fünf Runden im Tretrad ausreichen, um mein Vergehen zu sühnen.« Ängstlich schielte er hinüber zu Pitter, doch sein Stammgast war bereits vom Schnaps außer Gefecht gesetzt und schnarchte selig mit dem Kopf auf der Tischplatte. Woulf hatte den Fehler begangen und in der Aufregung die ganze Flasche auf seinem Tisch zurückgelassen.

»Das habe ich. Aber mein Vorgesetzter teilt meine Großzügigkeit nicht. Natürlich«, er zuckte mit den Schultern, »könnte ich ihm mitteilen, dass Ihr der Schildwache einen wertvollen Dienst erweist, um Eure Schuld zu tilgen, das würde ihn vermutlich besänftigen.« Er legte Woulf die Hand in den Nacken. »Ich bewundere Eure Prinzipien, Woulf. Wirklich. Der Gast ist König. Vergesst das nur nicht in den Kellern der Gelben Burg, dort kann es manchmal recht ruppig zugehen. Dennoch habt Ihr meinen vollen Respekt.« Sanft, aber bestimmt zog er Woulf hinter dem Tresen hervor. »Natürlich ist ein Wirtshaus ohne Wirt nur ein Haus.«

»Wartet!«, rief Woulf. »Wenn ich es mir recht überlege …«

»Ja?«, raunte ihm der Hauptmann ins Ohr.

»Es wäre ja im Sinne meiner Heimatstadt, wenn ich Euch etwas über ein übles Vergehen berichte.« Sofort ließ der Druck in seinem Nacken nach.

»Wie wunderbar.« Vom Adlerstein bugsierte ihn wieder hinter den Tresen und sich auf den davorstehenden Stuhl. »Wenn Ihr das wirklich wollt?«

Schicksalsergeben nickte Woulf.

»Dann lasst uns auf unsere Zusammenarbeit anstoßen.«

Mit zitternden Händen füllte Woulf zwei Krüge mit Bier. Seinen eigenen kaum bis zur Hälfte – alles andere wäre Verschwendung gewesen.

Zufrieden prostete vom Adlerstein ihm zu. »Danke für die Einladung.«

»Was soll ich für Euch herausfinden?«, murmelte Woulf, obwohl er es gar nicht wissen wollte.

»Ihr kommt gleich zur Sache. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Das ist die richtige Einstellung, wenn man im Dienst der Schildwache steht.« Die Stimme von Woulfs Gegenüber schrumpelte zu einem Flüstern zusammen. »Ich will, dass Ihr Euch nach einem Unheiler umhört.«

»Aber Ihr habt Rami doch bereits!«

Der Hauptmann verzog das Gesicht, als wäre das Bier schal. »Falls diese von Euch angestrebte Zusammenarbeit funktionieren soll, müsst Ihr Euch daran gewöhnen, mich ausreden zu lassen. Haben wir uns verstanden?« Die grauen Augen des Kommandanten funkelten ihn hart an.

»N-n-natürlich«, stotterte Woulf. Mit wem habe ich mich hier nur eingelassen?

»Es geht mir nicht um irgendeinen Unheiler, sondern um jemanden, dem man außergewöhnliche Kräfte nachsagt.«

Woulf wagte einen Blick auf seine Hand. Ein weiterer Finger hatte sich grau verfärbt. Zuckende Schmerzen quälten ihn. Genauso jemand, wie ich ihn brauche.

Vom Adlerstein entging nicht, woran er dachte. »Gut geschlussfolgert, Bürger. Ich suche eine Person, die selbst Eure verrottende Hand retten könnte.«

Woulf ärgerte sich über den Ausdruck, und gleichzeitig ängstigte er ihn. »Ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann.«

»Sehr gut!« Vom Adlerstein leerte seinen Humpen. »Mehr verlange ich gar nicht.« Grußlos stand er auf und ging zur Tür.

Erleichtert atmete Woulf durch. Er war froh, diesen Kerl endlich loszuwerden. Ich werde ihm in ein paar Tagen einfach sagen, dass ich leider nichts herausfinden konnte. Was will er da schon machen?

Abrupt blieb vom Adlerstein plötzlich im Türrahmen stehen. »Ach, bevor ich es vergesse«, er sah Woulf direkt in die Augen, »mein Obrist kann sehr ungehalten werden, wenn er an der Nase herumgeführt wird oder wenn man glaubt, ihn hinhalten zu können. In solchen Fällen übernimmt er die Befragung in den Folterkellern bisweilen selbst. Es wäre eine Schande, wenn Ihr auch noch Eure gesunde Hand verliert.«

Übelkeit stieg in Woulf auf. »Ich verstehe.«

»Gut.« Der Hauptmann lächelte nachsichtig. »Und denkt an Eure Runde im Tretrad oder die Ablassgebühr, wir wollen doch den Schein waren.« Mit einem Tippen an den nicht vorhandenen Hut verließ die Schildwache die Knospe endlich.

Im Laufe dieses – erneut – unangenehm ereignisreichen Tages füllte sich die Knospe gut mit Gästen. Woulf schenkte Bier und Schnaps aus, ließ Schälchen mit geröstetem Getreide über die Tische schlittern, servierte Braten und machte den ein oder anderen Wirtshausscherz. Genauso, wie man es von ihm gewohnt war und erwartete. Doch auch in der größten Hektik des Geschäfts vergaß er nicht den Auftrag des Hauptmanns. Stets hatte er an allen Tischen ein Ohr, um etwas zu erfahren, das ihm die Folter in der Gelben Burg ersparen würde. Doch er vernahm nur den üblichen Tratsch über gehörnte Ehemänner, Ärger mit den Schildwachen an der Bresche, Plünderungen im Umland durch den Blutsturm, Unmut über die Höhe der Bierpreise und der Steuern … Nichts, womit ich vom Adlerstein besänftigen könnte. Ließ ihn die graue Tür ausgerechnet jetzt im Stich? Nach allem, was er für sie geopfert hatte? Ängstlich betrachtete er seine versehrte linke Hand. Selbst einen Krug damit zu halten, fiel ihm zusehends schwerer. Vielleicht muss sie tatsächlich abgeschnitten werden. Ein schaler Geschmack breitete sich bei diesem Gedanken in seinem Mund aus. Falls mir die Schildwachen die andere Hand in ihren Kellern auch noch … Er zwang sich, nicht weiterzudenken.

Ein neuer Gast trat durch die Tür, was ihn ablenkte. »Willkommen in der Knospe , mein Herr«, rief er aufgesetzt unbeschwert.

Der hagere Mann nickte ihm knapp zu und blickte sich anschließend im Gastraum um.

Ganz der diensteifrige Wirt, fragte ihn Woulf: »Kann ich Euch helfen? Sucht Ihr jemanden?«

»Ja, ich …« Bevor der Neuankömmling den Satz zu Ende sprechen konnte, wurde er von mehrstimmigen Rufen unterbrochen, die vom allwöchentlichen Stammtisch der Fassträger kamen.

»Ich glaube es nicht. Schaut, wer da von den Toten auferstanden ist!«

Der Fremde grinste breit. Kurz wandte er sich zu Woulf um. »Danke, ich habe meine Leute schon gefunden. Ein Bier für mich.« Er vollführte eine wegscheuchende Geste. »Ach was … für den ganzen Tisch!«

»Hört, hört!«, riefen die breitschultrigen Fassträger und hämmerten mit ihren leeren Bechern auf die Platte. Mit viel Schulterklopfen und freudigen Ausrufen feierten sie ihren freigiebigen Mitstreiter. Der griff sich einen herumstehenden Stuhl und ließ sich in ihrer Mitte nieder. Sichtlich genoss er die Begrüßung.

Von den Toten auferstanden? Die Worte kreisten in Woulfs Kopf herum. Normalerweise hätte er derartiges Geschwätz ignoriert, aber in Anbetracht seines unfreiwilligen Auftrags wollte er unbedingt mehr darüber erfahren. Eilig befüllte er die Bierkrüge, um sie an den nun eng mit sieben Leuten besetzten Sechsertisch zu liefern. Würde er heute doch noch etwas Interessantes in Bezug auf einen allmächtigen Unheiler erfahren? Bedächtig näherte er sich der Gruppe mit den gefüllten Humpen.

»Nun sag schon, Hoger, wie geht es dir?« Dies schien sämtliche Fassträger brennend zu interessieren. Alle verstummten und blickten ihn an.

Nicht mal Woulf wagte laut zu schlucken oder gar die angespannte Stille mit seiner Bierlieferung zu stören.

Hoger nahm sich einen Moment, bis er antwortete: »Nun …«, stockend hielt er inne und fuhr sich durch das schüttere Haar, »es geht mir gut.«

Augen und Münder wurden aufgerissen.

»Was sage ich da?«, brüllte Hoger und schlug mit der flachen Hand so kräftig auf den Tisch, dass die darauf stehenden Becher klapperten. »Es geht mir sogar sehr gut! Ich fühle mich wie neugeboren!«

Woulf ging auf, dass er mitten im Gastraum mit einer Hand voller Bierkrüge stehen geblieben war. Ein äußerst merkwürdiger Anblick, der selbst den wiedererwachten Pit ter dazu brachte aufzusehen. Ein wenig zu schwungvoll setzte er sich in Bewegung. Bier schwappte dabei aus den nur zu etwa zwei Dritteln gefüllten Bechern. Er würde sie ordentlich auf den Tisch knallen müssen, damit der aufsteigende Schaum diese Sparmaßnahme überdeckte. »So die Herren«, begrüßte er die aufgeregte Gesellschaft. Bedächtig stellte er die Krüge auf dem Nachbartisch ab. »Ich werde hier erst einmal für Ordnung sorgen und abwischen.«

»Das ist nicht nötig, Wirt«, rief der breitschultrigste Fassträger, der den sinnigen Namen Bullfried trug. »Heute haben wir etwas zu feiern, da stört ein wenig Dreck auf dem Tisch nicht.«

Trotz dieser Worte ließen sich Woulf und sein Lappen nicht vom Wischen abbringen. Er wollte ja möglichst viel von dem Gespräch mitbekommen. »Ach so?«, sagte er daher scheinheilig. »Was gibt es denn zu feiern? Etwa eine kleinere Fassgröße?«

Verrückterweise zündete dieser Scherz sogar. Die Runde Vierschröter lachte lauthals auf.

»So gute Nachrichten nun auch wieder nicht.« Bullfried schnaubte belustigt. Er zwinkerte Hoger zu. »Aber unser junger Kollege hier hatte sich gleich an einem seiner ersten Tage bei der Arbeit schwer verletzt. Wir alle haben ihn schon verloren geglaubt und ihn wochenlang nicht mehr gesehen, doch nun spaziert er auf eigenen Beinen in unser Stammlokal.« Die hohe Stirn des kräftigen Mannes legte sich kurz in Falten. »Wie hast du das nur gemacht?«, raunte er und schien Woulf vergessen zu haben. »Ich habe dich mit meinen eigenen Händen«, er zeigte seine schwieligen Pranken, »unter dem umgestürzten Fässerstapel hervorgeholt. Du sahst aus wie die Reste meines Bratens.« Er verwies auf einige zerfetzte Fleischstücke auf seinem Teller.

Das nicht mehr zu essen, ist eine elende Verschwendung.

Woulf hasste sich für diesen Gedanken.

»Nun, ich …« Hoger warf Woulf einen vielsagenden Blick zu.

Verflixt. »Entschuldigt, ich bin gleich verschwunden.« Eiligst vollendete er seine Arbeit und knallte die bestellten Biere vor den Männern auf den Tisch. »Meldet euch, wenn ich euch noch etwas Gutes tun kann.«

Lautes Zuprosten schob ihn hinter seinen Tresen. Als er dort angekommen war, schrumpften die sonst so lautstarken Stimmen der Fassträger zu einem Flüstern. Nur einzelne Wortfetzen flogen ihm noch zu, doch sie reichten aus, um seine Neugier zu entflammen.

»…unglaublich … Unheilerin … hilft umsonst … viele Arme …«

Das könnte meine Rettung sein. In doppeltem Sinne. Das Bild der grauen Tür erschien vor seinem inneren Auge. Wusste ich doch, dass sie mich nicht im Stich lässt.

»Zahlen!«, scholl es von einem Tisch mit zwei Gewürzkaufleuten herüber.

Marionettenhaft kam Woulf den Rest des Abends seinen Aufgaben nach. Immer wieder schielte er zu dem Tisch der Fassträger hinüber. Reichlich Bier und Schnaps flossen dort, aber die Themen waren längst zu dem üblichen Blabla verkommen, das betrunkene Männer so von sich gaben. Hauptsächlich ging es um den anstehenden Wettkampf der Ringmannschaften, die Machenschaften des Bürgermeisters Dregelberg und natürlich um Frauen sowie deren körperliche Vorzüge. Es war spät in der Nacht, als sich die Gruppe schließlich zum Aufbruch bereit machte.

»Ich übernehme heute für lalle«, nuschelte Hoger und hielt sich schwankend am Tresen fest. Das Gesicht des jungen Mannes war gerötet vom Alkohol. Seine glänzenden Augen funkelten vor Glück.

»Ein Dank dem edlen Spender«, riefen die anderen Fassträger und klopften ihm beim Hinausgehen auf die Schulter.

»Wir sehen uns dann bei der nächsten Vollmondschicht«, verabschiedete sich Bullfried als Letzter. »Ich freue mich, dass du wieder dabei bist!«

Ein seliges Grinsen ob dieser Aussicht machte sich auf Hogers Gesicht breit.

Gedämpfte Ruhe kehrte ein, als sich nur noch Woulf und sein letzter Gast im Schankraum befanden.

Das ist meine Gelegenheit. Woulfs Herz klopfte bis zum Hals. Er wusste, dass von dem folgenden Gespräch viel abhing. Vielleicht mein Leben. Theatralisch legte er seine faulende Hand auf den Tresen und verzog übertrieben das Gesicht.

Hoger grinste weiterhin beglückt und würdigte Woulfs Pein nicht eines Blickes.

Selbst den ganzen Abend jammern und dann das Leid anderer ignorieren, ärgerte Woulf sich. Er versuchte es auf einem anderen Weg. »Nette Freunde hast du«, sagte er in einem kumpeligen Ton. »Schön, wenn es Menschen gibt, die einem beistehen, auch wenn es einem mal etwas schlechter geht.« Ungeschickt versuchte er, mit seiner kranken Hand einen leeren Krug zu greifen, wechselte dann aber auffällig zu seiner gesunden.

»Ja, das ist wunderbar. Was bin ich Euch schuldig?« Der junge Fassträger blieb ganz bei sich.

Ein genervtes Stöhnen unterdrückend, rechnete Woulf leise zusammen. »Sieben Bierbraten, zwei Flaschen Schnaps und …«, er kniff die Augen zusammen, um im trüben Kerzenlicht die Striche zählen zu können, die er mit einem Holzkohlestück auf sein Zählbrett gezeichnet hatte, »dreiundfünfzig Bier.«

Hoger pfiff anerkennend durch die Zähne. »Na, da hatten wir aber Durst.«

Woulf zwang sich zu einem verkniffenen Lächeln. Wie überdrüssig er dieses dämlichen Spruchs doch war. Leute tranken Alkohol, um sich zu benebeln, und nicht, weil sie Durst hatten. »Das macht dann sechs Silber- und vier Kupferpfennige. Ohne Trinkgeld.« Er lächelte dem Betrunkenen zu.

Sein Gegenüber schwankte – schuld daran war offensichtlich nicht der Alkohol. »Ähm …« Er blickte über die Schulter, um sich nach seinen Kumpanen umzuschauen, von denen allerdings keiner mehr auszumachen war.

Fragend zog Woulf die Augenbrauen hoch. »Hast du mich verstanden? Seeeechs Silllberlllinge …«, begann er. Er hatte schon oft erlebt, dass trinkwütige Gäste ihn nicht mehr richtig wahrnahmen. Vor allem wenn es um die Höhe der Rechnung ging.

»Jaja«, unterbrach ihn Hoger unwirsch. »Das habe ich. Nur leider habe ich nicht so viel Geld dabei.«

»Aha!« Woulf verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein überhebliches Gesicht. »Und was gedenkst du nun zu tun, Hoger Fassträger?« Er rieb ihm nur allzu gern unter die Nase, dass er seinen Namen kannte. »Ich kann gern zur Bresche laufen, um die dortige Turmbesatzung der Schildwache das Problem klären zu lassen. In der Gelben Burg fällt dir vielleicht ein, wo du Geld für deine Saufschulden auftreibst.«

Der junge Träger erblasste.

Woulf genoss es, dass zur Abwechslung mal jemand vor ihm Angst hatte – oder zumindest ebenso viel Angst vor der Schildwache wie er selbst. Er gab sich dennoch großzügig. »Wie viel hast du denn dabei?«

Sein klammer Gast wühlte in einer abgewetzten Ledertasche herum. Er beförderte einen Silberpfennig, fünf angelaufene Kupferpfennige, einen zerbrochenen Knopf sowie reichlich Brotkrumen zutage.

Übertrieben rümpfte Woulf die Nase. »Das ist kaum ein Viertel, das reicht nicht.«

Verzweifelt warf Hoger seine Arme in die Luft. »Mehr habe ich wirklich nicht. Ich konnte lange Zeit nicht arbeiten und …« Seine Stimme nahm jenen jammernden Tonfall an, den viele Menschen bemühten, wenn sie selbst verschuldet in Not geraten waren und einen Dummen suchten, der sie da wieder herausholte.

Woulf würde jener Dummkopf nicht sein. Ich hole den mir zustehenden Lohn. »Dann werde ich die Schildwache rufen müssen.« Er trat zum Schein zwei Schritte hinter seinem Tresen hervor.

»Nein, bitte nicht«, flehte Hoger. »Die Fassträgerzunft könnte mich verstoßen, wenn ich Ärger mit dem Gesetz bekomme. Ich wurde gerade erst wieder aufgenommen.«

Ha, von dieser Gesprächsführung kann sich selbst der verfluchte vom Adlerstein eine Scheibe abschneiden. Woulf freute sich über das Gelingen seiner Finte.

»Gerade erst bin ich gesundet, weil …« Hoger biss sich auf die Zunge.

Ja, einen Unheiler aufzusuchen ist verboten, junger Freund, ächzte Woulf im Geiste. »Nun, ich habe ein wenig von dem mitbekommen, was du deinen Kameraden erzählt hast.«

Die glasigen Augen des Mannes wurden groß.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Woulf beschwichtigend. »Ich habe euch nur zufällig reden gehört und benötige selbst die Hilfe eines Unheilers.«

»Warum?«

Er hätte seine Augen ebenfalls heilen lassen sollen! Stöhnend hob er seine Hand und hielt sie dem sehschwachen Fassträger direkt unter die Nase.

Der gab sich wenig beeindruckt. »Ach so.«

Woulf ließ die Falle zuschnappen. »Es erstaunt mich, dass du dir einen Unheiler leisten konntest, aber mir die Zeche schuldig bleibst.« Vom Adlerstein wäre stolz auf mich.

»Die Unheilerin arbeitet umsonst. Manche nennen sie auch die Erretterin der Armen.« Seine Stimme hatte einen träumerischen Tonfall angenommen. »Es heißt, sie hat schon hunderten Menschen geholfen. Ihre Fähigkeiten sind phänomenal.«

Genau das, was ich brauche. Für meine Hand und für vom Adlerstein. Er setzte zum finalen Schlag an. »Wo kann ich sie finden?«

Hoger zögerte.

»Als Dank für diese Auskunft gebe ich mich mit dem zufrieden, was du zahlen kannst.« Um seine Worte zu untermauern, legte er die kranke Hand besitzergreifend auf das auf dem Tresen liegende Geld.

Der Widerstand des jungen Mannes brach. »Niemand kennt den direkten Weg zur Unheilerin.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Man erreicht sie nur über eine Kette verschiedener Kontaktleute, und die …« Er unterbrach sich kopfschüttelnd selbst. »Wie dem auch sei …« Offensichtlich hatte es der Zechpreller mit einem Mal eilig. »Geht zum Staubring und fragt dort im Schlächter nach einem Mann namens Fachyd. Sagt nur diesen Namen. Alles Weitere wird sich dann ergeben.«

»Gut, danke. Was ist, wenn der Mann nicht –?«

Der junge Fassträger ging wohl davon aus, dass seine Schuld damit beglichen war. Hastigen Schrittes floh er zur Tür hinaus und ließ diese scheppernd ins Schloss krachen.

Müde rieb sich Woulf die Augen. Ausgerechnet der Schlächter. Die Schenke galt als eine der verrufensten in ganz Grubenstedt. Tunichtgute, Diebe und bezahlte Klingen gaben sich dort die Klinke in die Hand. Der Wirtskollege, ein feister Glatzkopf mit einer dicken Warze auf der Nase, servierte in seinem Laden Fleischgerichte von äußerst undurchsichtiger Herkunft. Rattenfleisch, schoss Woulf ein Gerücht durch den Kopf. Er schüttelte sich angewidert. Ich muss dort ja nichts essen. Dennoch würde er in das zwielichtige Etablissement einkehren. Noch heute Nacht. Ein kluger Spitzel sollte sicherlich immer überprüfen, ob die Informationen, die er weitergibt, auch korrekt sind. Versonnen rieb er sich über die Hand. Es sprach nichts dagegen, die verdächtige Unheilerin erst dann zu belangen, nachdem sie ihn geheilt hatte. Vielleicht warne ich sie, um vom Adlerstein eins auszuwischen. Leichtfüßig und aller Müdigkeit beraubt lief er in die Küche, um sich der Schürze zu entledigen. Er schlüpfte in seinen wollenen Kittel und zog sich die Gugel über den Kopf. Damit sollte er im Schlächter nicht allzu sehr auffallen. Oder wohin auch immer mich diese Nacht noch entführt.

Stöhnend ging er in die Knie und schob den Vorhang beiseite, der die graue Tür verbarg. »Du hilfst mir doch, nicht wahr?« Ungeschickt wischte er mit seiner versehrten Hand über das Holz und die Schlösser. »Du weißt doch, dass ich dir deswegen nicht böse bin. Heute Nacht bringe ich das in Ordnung, und dann werde ich dich auch mal wieder herauslassen. Versprochen!« Eine wärmende Glückseligkeit durchströmte ihn bei diesem Gedanken. Oder drang dieses Gefühl durch die Tür heraus? »Wir sehen uns morgen!«, sagte er und verließ sein Gasthaus.

Vor dem Schlächter trieben sich selbst zu dieser nachtschlafenden Zeit zahlreiche Gestalten herum. Sie beäugten Woulf, als würden sie ihm an der Nasenspitze ansehen, dass er nicht in ihren schäbigen Ring und schon gar nicht in die schäbige Kaschemme gehörte. Ein fieses Geruchsgemisch aus Urin und Erbrochenem erfüllte die Luft. Heiseres Lachen und das wilde Gekreische einer Frau waberten irgendwo hinter Woulf. Eine unangenehme Feuchte stieg vom Boden auf und ließ seine Hand stärker schmerzen als gewöhnlich.

Ich sollte mich hier nicht zu lange aufhalten. Zielstrebig ging er auf die Eingangstür des Gasthauses zu. Das Bild eines grinsenden Schweinskopfes, in den eine Axt geschlagen war, hing über dem Türrahmen. Bevor er nach dem Bügel des Eingangsportals greifen konnte, schob sich eine breitschultrige Gestalt davor.

»He«, brummte sie ihn mit heiserer Stimme an, »wo willst du denn hin?«

Was für eine selten dämliche Frage, hätte Woulf dem Unbekannten gern entgegengeschleudert, aber der einäugige Türwächter, dem eine lange Narbe das Gesicht teilte, war sicher niemand, den man mit derlei Frechheiten für sich gewinnen konnte.

»Nun«, begann er daher in geboten devotem Tonfall, »ich wollte ins Gasthaus, werter Herr.«

»Heute?«

Nein, ich wollte mich nur schnell nach den Spezialitäten erkundigen und dann morgen wiederkommen, schoss ihm erneut ein gefährlich spitzzüngiger Gedanke durch den Kopf. Die graue Tür hatte ihn derartig euphorisiert, dass er nur schwer an sich halten konnte. »Ja, heute.«

Der Hüne schüttelte den Glatzkopf. »Das geht nicht. Geschlossene Gesellschaft.«

Woulf streckte sich, um durch die dreckigen Fenster in den Innenraum zu blicken. Er sah höchstens eine Handvoll Silhouetten. Das Gasthaus war so gut wie leer.

»Es ist ein exklusiver Kreis, der nicht gestört werden will, wenn du verstehst, was ich meine.«

Woulf verstand nicht. Was für eine Verschwendung, all die anderen Plätze freizuhalten.

»Jetzt troll dich, Kleiner! Ich habe keine Lust, heute noch einen zu verprügeln.«

»Ich suche jemanden«, entwich es Woulfs Mund, ehe er sich eine Strategie zurechtlegen konnte.

»So?« Der Wachmann zog fragend eine Augenbraue hoch.

»Ja!« Aufgeregt nickte Woulf. »Einen Herrn namens Fachyd.«

Sein Gegenüber tat so, als müsste er überlegen. »Kenne ich nicht.«

Das darf nicht wahr sein! »Bitte, ich bin schwer krank und muss ihn unbedingt sprechen.« Flehend streckte er seine Hand nach vorn.

Überraschenderweise betrachtete sie der Riese im Schein der flackernden Öllampen, die neben der Tür brannten, äußerst aufmerksam. Nachdenklich strich er über seine lange Gesichtsnarbe. »Das sieht nicht gut aus.«

Er hat selbst schon eine Unheilung erfahren.

»Geh in den Schlammring«, sagte der Wächter plötzlich, »dort gibt es eine Künstlerin, die Menschen verschönert.« Er zeigte auf die großflächigen Tätowierungen, die seine von Muskelsträngen bedeckten Unterarme zierten. »Sie nennt sich die Füchsin. Sag ihr, dass dich Fachyd schickt. Alles Weitere wird sich dann ergeben.«

»Wo genau finde ich –?«

»Fachyd!«, drang eine befehlsgewohnt klingende Stimme aus dem Innern des Schlächters.

»Die Pflicht ruft, mein Freund. Ich wünsche dir viel Glück«, sagte der Hüne und verschwand in dem stillen Gasthaus.

Die Füchsin also. Diese Nacht hielt mehr Absonderlichkeiten bereit, als er gedacht hatte. Sei’s drum, ich werde sie schon finden. Mit diesem hoffnungsfrohen Gedanken machte er sich auf den Weg, um die Bresche ein weiteres Mal hinabzusteigen. Diesmal in den untersten Ring, direkt hinein in den Schlamm und das Revier von Hauptmann vom Adlerstein.

Woulf hatte sich keine hundert Schritt vom Tor des untersten Rings wegbewegt, da empfing ihn der Schlammring bereits mit Massen des namensgebenden Morastes. Seine Stiefel versanken schmatzend im Schlamm, und der Saum seines Kittels sog sich ebenfalls voll damit. Woulf versuchte, den allgegenwärtigen Dreck, so gut es ging, zu ignorieren, und schob sich langsam durch das Gewirr von Zelten und windschiefen Bretterbuden, die den meisten Bewohnern des untersten Rings als Heimstatt dienten. Gedämpftes Schnarchen und geflüstertes Gemurmel begleiteten Woulf durch das Labyrinth des Elends und der Armut. Schummerige Dunkelheit umgab ihn. Kaum jemand hier konnte Geld für Kerzen oder gar Öllampen erübrigen, die Fremden den Weg wiesen; von Straßenlaternen wie auf den oberen Ringen gar nicht erst zu reden. So tastete er sich halb blind durch diesen Wirrwarr der Armutsbehausungen.

Eigentlich hatte er vorgehabt, jemanden nach dem Weg zu fragen, aber bisher waren die Schlammkriecher, die sich den Himmelsweg hinauf durch die Bresche quälten, die einzigen Einwohner des untersten Rings gewesen, die ihm begegnet waren. Sie hatte er vom Schuhstieg aus nicht ansprechen wollen. Die Menschen hier arbeiten so hart, dass sie früh schlafen gehen. Er versuchte, tief Luft zu holen, um seine Gedanken zu ordnen. Eine Wolke des vorherrschenden Gestanks aus Abwasser, ungewaschenen Leibern und kalter Asche stob ihm in die Nase. Wie kann man hier nur leben? Schweiß brannte in seinen Augen und lief ihm den Rücken hinunter. Jetzt erst begriff er, wie weit er an diesem Abend bereits gelaufen war. Brennender Durst erfüllte seine Kehle. Ich hätte Fachyd noch um einen Becher Wasser bitten sollen. Er würde zurück zum Breschentor gehen und dort jemanden finden, den er nach dem Weg fragen konnte. Woulf versuchte, sich zu orientieren. Ein unmögliches Unterfangen. Es gab nichts hier unten, woran er seinen Blick festmachen konnte. Er befand sich inmitten eines gleichförmigen Meeres des Elends. Langsam drehte er sich im Kreis. Aufs Geratewohl wählte er eine Hüttengasse, in der es etwas weniger stank als in den übrigen. Kaum, dass er fünf Schritte getan hatte, ließ ihn eine krächzende Stimme innehalten.

»Hast du dich verlaufen?«

Woulfs Kopf ruckte so schnell herum, dass ein schauderhaftes Knacken im Genick erklang. »Aua.« Er rieb reflexhaft mit der Hand darüber und stellte überrascht fest, dass ihm ein altes Mütterchen aufgelauert hatte. Aufgelauert. Er rollte bei dem Wort amüsiert mit den Augen und genoss es, wie sich sein Herzschlag wieder normalisierte.

»Was ist denn?«, fragte die Alte.

»Nichts, ich habe mir nur den Hals verrenkt.«

»Tu warmen Schlamm drauf, dann ist es bald besser.«

»Danke, das werde ich tun.«

»Hast du dich nun verlaufen?«, fragte die Alte erneut.

Woulf versuchte, ihr Gesicht zu erkennen, aber sie stand im Schatten eines der höheren Zelte, so dass er nur ihren krumm gewachsenen Umriss im Mondschein erkannte. »Ja, das habe ich. Ist wohl nicht zu übersehen, was?« Er lachte unsicher.

»Nein«, antwortete sie. »Keiner, der bei Trost ist, würde um diese nachtschlafende Stunde hier allein herumlaufen.«

Woulfs Herzschlag begann, im dreifachen Takt zu pochen. »Ähm …«

Die Alte lachte gackernd. »Du bist nicht aus dem Schlammring, was? Denkst, hier wohnen nur Beutelschneider und Gesindel.«

Genau. »Iwo, bei Tag ist das hier sicher ein ganz nettes Plätzchen«, log er und klopfte gegen eine Zeltstange, die daraufhin bedrohlich schwankte.

»Mach das noch mal, und ich brech dir die Finger«, keifte augenblicklich eine männliche Stimme aus dem Innern.

Als hätte er sich verbrannt, zuckte Woulf zurück.

Wieder ließ die Alte ihr meckerndes Lachen ertönen. »Du bist ganz sicher aus einem anderen Ring.« Sie schwieg einen Moment. »Wenn ich raten müsste, würde ich Kupferring sagen.«

Da Woulf nicht vorhatte, diese Information zu bestätigen, sagte er: »Ich suche eine Künstlerin, um mich zu verschönern. Nur deswegen besuche ich Euren hübschen Ring, junge Frau.«

»Verschönern, ja?« Sie legte nachdenklich den Kopf schief. »Du könntest tatsächlich eine Rasur vertragen.«

Woulf ärgerte sich über diese Bemerkung. Gerade zwei Tage hatte er sich nicht den Bart abgeschabt, und nun das. »Nein, ich suche eine Bilderstecherin.«

Jetzt trat die Alte aus dem Schatten in den Schein des Mondes. Ihr faltiges, unter einem Kopftuch fast verborgenes Gesicht hatte einen misstrauischen Ausdruck angenommen. »Soso …« Sie schien über etwas nachzudenken. »Wie heißt denn deine Künstlerin, fremder Mann aus dem Kupferring?«, fragte sie lauernd.

Er konnte nicht genau sagen, warum, aber Woulf spürte, dass die Antwort auf diese Frage wichtig war. Vielleicht sogar über den gesamten Erfolg dieses Abends und damit seiner Zukunft entschied. Wie hatte der bullige Wachmann die Hautmalerin genannt? Es war irgendein Tier. Mehr wollte ihm in der Aufregung partout nicht einfallen.

»Nun?« Die Alte trat näher. Ihre Hand war unter der Klei dung verschwunden, als würde sie etwas darunter suchen.

Eine Waffe? Woulf wurde noch nervöser. Was war es nur? Igel? Ente? Gans?

»Sag es mir!«, forderte die Alte. Sie war jetzt nur noch zwei Schritt von ihm entfernt.

Gans passt gut zu einer Frau, grübelte er. Das war es sicher. Er wollte es gerade laut sagen, da kroch ihm sein eigener Angstschweißgeruch in die Nase. »Du riechst wie ein Fuchs«, hatte seine Oma immer gesagt und ihn, ohne Widerworte zu akzeptieren, in den Waschzuber verfrachtet. Das ist es!

»Üchsin«, sprudelte es aus ihm heraus.

»Hä?«

»F-F-Füchsin«, verbesserte er sich stotternd. »Ich suche die Füchsin.«

Die ernsten Gesichtszüge der Alten entspannten sich. Sie zog die Hände aus ihrem Hemd hervor und hob sie beschwichtigend. »Sag das doch gleich.«

»Weißt du, wo ich sie finden kann?«, fragte Woulf hoffnungsfroh.

»Nein«, brummte die Alte und kicherte selbstgefällig.

»Was?«, rief er so ungläubig wie verärgert.

»Niemand weiß das. Sie wechselt ständig ihre Werkstätten.«

Die hat doch nicht alle Tassen …

»Die Füchsin wird nur gefunden, wenn sie gefunden werden will. Und wie es aussieht, hast du Glück. Heute ist eine der Nächte, in denen sie ihre Kunst wirkt.«

Ein resigniertes Stöhnen entwich Woulfs Kehle. »Was meinst du damit?«

»Sieh selbst.« Sie wies mit ihrem spitzen Kinn auf seine Hand. Er war so töricht gewesen, sie erneut auf der Zeltstange abzulegen.

Irritiert schaute er hinunter – und erkannte, dass etwas zwischen seinen Fingern schimmerte. Hektisch hob er die Hand. Ein kleiner stilisierter Fuchskopf mit spitzen Ohren, der tapfer gegen die Dunkelheit des Schlammrings anglomm, kam zum Vorschein. Er blickte sich um. Weiter die Gasse entlang gab es die gleichen Zeichen. Ein leuchtender Wegweiser durch die Nacht. Woulf hatte Gerüchte über ein Gestein gehört, das man zu einem leuchtenden Pulver verarbeiten konnte. Nie hätte er gedacht, dieses Wunder mit eigenen Augen zu sehen.

»Vielen Dank«, sagte er zu seiner unbekannten Helferin, doch sie war verschwunden.

Woulf verschwendete keine Zeit, darüber nachzudenken. Im Laufschritt folgte er der Spur der Füchsin.

Der Morgen graute beinah, als er vor einem schiefen Bretterverschlag zum Stehen kam, aus dem dumpfe Trommelklänge zu vernehmen waren. Der durchdringende Geruch nach berauschendem Grünkraut waberte aus dem nur mit einer Decke verhangenen Eingang. Am Giebel des Gebäudes prangte ein weiterer Leuchtfuchs. Dieser war um ein Vielfaches größer als die zierlichen Exemplare, die Woulf hierhergeführt hatten. Die Behausung sah wenig einladend aus.

Woulf nahm all seinen Mut zusammen und trat ein. Hinter dem Vorhang schlug ihm eine gewaltige Wolke Grünkrautrauch entgegen. Jemand hämmerte wie von Sinnen auf eine am Boden stehende Trommel ein. Er musste sein Herz zwingen, nicht in den gleichen schnellen Takt zu verfallen. Den Mittelpunkt des Verschlags bildete eine Pfeife rauchende Frau, die sich über einen Mann mit freiem Oberkörper beugte und diesen mit einem Stöckchen, an dessen Spitze sich haarnadelfeine Eisendorne befanden, malträtierte.

»Heute nehme ich keinen mehr dran«, rief sie, ohne sich nach Woulf umzudrehen. »Die Sonne geht auf, und ich muss zurück in meinen Bau.«

Sowohl der Trommler als auch der Halbnackte lachten über diesen Ausspruch, den Woulf nicht verstand.

Das war ihm egal. Er starrte nur gebannt auf das wallende rote Haar der Hautmalerin. »Ihr seid die Füchsin, nicht wahr?«

Sie hielt inne und drehte sich zu ihm herum. »Und wer bist du?«

»Jemand, der dringend Heilung benötigt.« Er streckte ihr seine kranke Hand entgegen. »Unheilung, besser gesagt.«

Sacht legte sie ihre Grünkrautpfeife zur Seite. »Bist du dir sicher?«

Woulf nickte hektisch. »Noch nie im Leben war ich mir bei einer Sache so sicher wie bei dieser.«

»Nun gut, dein Wunsch soll dir erfüllt werden.«

Im gleichen Moment packte jemand Woulf von hinten, und ihm wurde ein Sack über den Kopf gezogen.